Beiträge von Aelia Paulina

    Die Braut betrat das Atrium.
    Eigentlich war es noch viel zu früh und noch war keiner der Gäste eingetroffen, doch Aelia Paulina hatte es nicht mehr in ihrem Gemach ausgehalten. Sie hatte in dieser Nacht kein Auge zugetan. Das lag nicht etwa daran, dass sie übermäßig nervös und aufgeregt gewesen wäre, obwohl es natürlich ein sehr bedeutender Tag in ihrem Leben war. Der Grund war vielmehr, dass die traditionellen Hochzeitsvorbereitungen bereits am Abend vor der Eheschließung begannen.


    Es hatte damit angefangen, dass sie zeremoniell Abschied von ihrer Kindheit nehmen musste. Das war in ihrem Fall nun wirklich sehr zeremoniell und wenig real gewesen, denn ein Kind war sie schon lange nicht mehr, sondern für eine Braut bereits ziemlich alt, zumindest nach römischen Maßstäben. Die Opferung der Mädchenkleidung und ihrer 'Spielsachen' war dann auch eher symbolisch gewesen. Sie 'opferte' eine einfache Holzpuppe, die sie erst vor wenigen Tagen auf dem Markt der Stadt genau für diesen Zweck gekauft hatte.
    Anschließend war sie von mehreren Sklavinnen für den Hochzeitstag hergerichtet worden.
    Sie zogen ihr die traditionelle, lange, weiße stolaartige Tunika einer Braut an, die tunica recta. Besonders traditionelle und häusliche Bräute webten den Stoff für diese Tunika zuvor wochenlang selbst, aber das hatte Paulina nicht getan, denn weder war sie besonders häuslich, noch konnte sie dieser elendig langweiligen Weeberei irgendetwas abgewinnen. Das war etwas für Bauernweiber und alte Jungfern, fand sie. Da war sie nicht besonders traditionsbewusst.
    Danach hatte man ihr den althergebrachten Brautgürtel aus Wolle umgebunden, der für den Segen der Göttin Iuno Cinxia – der 'gürtenden Iuno' – sorgen sollte. Auch hier gab es wieder eine Abweichung von den strengen Traditionen, denn eigentlich sollte die Mutter die heiratende Tochter gürten und den Knoten binden. Aber Paulinas Mutter wohnte dieser Eheschließung bestenfalls aus dem fernen Elysium bei und darum hatte das eine ältliche Matrone aus dem Haushalt ihres künftigen Mannes übernommen.
    Man hatte sie sorgfältig geschminkt und anschließend hatte man sich um ihr Haar gekümmert und – ach! – das war eine langwierige, aufwändige und seeehr ermüdende Prozedur gewesen!
    Zunächst wurde die Spitze einer Lanze umgebogen und die dann dazu verwendet, ihr Haar in sechs Strähnen zu teilen. Diese Lanzenspitze nannte man hasta caelibaris. Mit ihr sollte zuvor bereits in einem gerechten Krieg gekämpft und Feinde getötet worden sein, zumindest aber einer. Das – so besagten es die alten Überlieferungen – spendete Kraft. Paulina wusste nicht, ob diese spezielle Lanzenspitze bereits einen Krieg erlebt hatte und ob mit ihr getötet worden war, dass wusste sie auch nicht. Blut klebte zumindest nicht mehr an ihr, wie sie mit einem kurzen Blick erleichtert festgestellte.
    Die sechs Strähnen hatte man dann mit wollenen Bändern umwickelt, den so genannten vittae. Auch sie sollten Kraft spenden und reinigend wirken. Kraft, ja, die hatte eine Frau angesichts einer bevorstehenden Ehe wirklich bitter nötig, fand Paulina.
    Die Strähnen waren dann zu einem tutulus hochgesteckt worden, einer ganz widerwärtig altmodischen Hochfrisur, die den Nacken fast schon aufreizend frei gab. Außer den Vestalinnen trug niemand mehr diese Art von Frisur, zumindest nicht in Rom. Paulina fand sie schrecklich, als sie einen kurzen Blick in den Bronzespiegel riskierte. Aber auch das war eben Tradition.
    Endlich wurde das ganze Gebilde von einem Blumenkranz gekrönt. Es war kein besonders üppiger Kranz, aber zu dieser Jahreszeit war es vermutlich schwierig gewesen, überhaupt noch Blumen aufzutreiben.
    Den Abschluss bildete ein roter Brautschleier – flammeum genannt – der alle Mühen ad absurdum führte, weil er ihr Haupt vollständig verhüllte.


    Diese Vorbereitungen hatten den ganzen Abend gedauert und so hergerichtet musste sie die Nacht über bis zum Hochzeitstag verharren. Paulina hatte nicht gewagt sich hin zu legen und ein wenig zu schlafen, weil dann bestimmt alles wieder durcheinander gekommen wäre. Sie wollte, dass ihre Frisur perfekt saß, auch wenn sie abscheulich war, dass die Schminke auf keinen Fall verlief, auch wenn man nichts davon sehen konnte und das der Schleier in feinen, vorher sorgfältig gelegten Falten fiel, auch wenn er den Rest aller Mühen verbarg.


    Darum hatte sie nicht geschlafen, war nun vollkommen übernächtigt, sah unter ihrem Schleier und ihrer Schminke vermutlich furchtbar aus und kam nun viel zu früh ins Atrium.

    Das Tragen von Pelzen war in Rom nicht sehr weit verbreitet. Hier in Mogontiacum aber, wo das Wetter weniger schön und die Winter kalt waren und wo die Mode von Einflüssen geprägt war, von denen man in Rom nur wenig wusste, hier war Pelzkleidung verbreiteter. Obwohl Paulina sich nicht ganz sicher war, ob diese Tracht einer römischen Dame von Rang wirklich angemessen war, besah sie sich interessiert, was der Händler da anbot. Mehrere Bälger mit besonders feinem, dichten Pelz weckten ihr besonderes Interesse.


    “Von welchem Tier stammen die?“, wollte sie wissen.



    “Dat is Biber. Heb ick selbst fangen. De Biester leb'n zu Hauf hinder den Bergen, an de Oberläuf von de Flüsse, do.“, antwortete der Pelzhändler in einem Kauderweltsch, dass nur entfernt an Latein erinnerte. Er schien ebenfalls von 'hinter den Bergen' zu kommen.
    Fragend sah Paulina zuerst zu ihm und dann nach Hilfe suchend zu ihrem germanischen Begleiter.

    Paulina wusste natürlich nichts über die Vergangenheit des Sklaven, der sie begleitete und beschützen sollte. Mit stolz erhobenem Haupt und bemüht würdevoll schritt sie über den Markt. Dabei taxierte sie alles mit einem Blick, als wären alle Stände nur für sie aufgebaut worden und alle Menschen, die Marktplatz bevölkerten, lediglich Darsteller in einem ihr zu Ehren aufgeführten Schauspiel.


    Die Stände mit gewöhnlicher Haushaltskeramik ließ sie links liegen und die mit den schlichten Wolltuniken rechts. Aber der vergleichsweise kleine Stand eines sehr barbarisch aussehenden Mannes erregte ihre Aufmerksamkeit. Er bot Pelze an.

    Aelia Paulina hatte erstmals seit sie in Mogontiacum eingetroffen war den Statthalterpalast verlassen. Sie wollte Einkäufe machen. Angeblich brauchte sie noch ganz dringend einige Dinge für ihre bevorstehende Hochzeit mit Vinicius Lucianus, dem Statthalter dieser Provinz, mit dem sie verlobt war.
    Ihr wachsamer Begleiter war ein Chatte der einst Askar geheißen hatte und nun Crinon genannt wurde. Er war ein Sklave ihres Verlobten und sollte sie beschützen, immer wenn sie die Regia verließ... und wohl auch aufpassen das sie keine Dummheiten anstellte.

    Sie musterte den Germanen mit einer Mischung aus Abscheu und Neugierde. Sie konnte nicht leugnen, dass diese Barbaren eine gewisse, wenn auch scheußliche Faszination ausübten.


    Sie schob das Kinn vor und sagte:
    “Ich will in die Stadt, Einkäufe erledigen. Du kommst mit!“

    Paulina schrie schrill auf und fasste sich theatralisch an die Brust: “Du hast mich erschreckt, du tumber Kerl!“
    Sie hatte ihn tatsächlich gar nicht kommen hören. Der grobschlächtig aussehende Germane bewegte sich wie eine Katze. Etwas Beunruhigendes ging von ihm aus, fand Paulina.
    Sie fächelte sich etwas Luft zu.

    Das also war Paulinas Refugium innerhalb der Domus Legati Augusti. Für die üblichen Verhältnisse im römischen Teil Germaniens (vom nicht-römischen ganz zu schweigen) war das zweifelsohne eine sehr luxuriöse, geradezu verschwenderisch ausgestattete Unterkunft. Aber für eine verwöhnte Dame der besseren Gesellschaft Roms...? Nein, bei Lichte betratet hatte sie vieles auszusetzen. Die Vorhänge waren aus profanem Leinenstoff und nicht aus Seide. Natürlich war schwerer Leinen bei dem rauen germanischen Klima viel sinnvoller als hauchdünne Seide und die war sowieso kaum erschwinglich, aber immerhin war sie die zukünftige Frau des wichtigsten Mannes der ganzen Provinz. Die Möbel sagten ihr auch nicht zu. Schwere, rohe Eiche statt mit feinen Schnitzereien versehenes Zedernholz. Das Geschirr... solide gallische Silberarbeiten... aber eben kein Gold.
    Ach, die arme Paulina hätte sicherlich viel zu beklagen gehabt. Aber die Aussicht auf ihre bevorstehende Hochzeit und der Gedanke an die Börse, die sie von ihrem Zukünftigen für die ersten Einkäufe bekommen hatte, stimmten sie fröhlich und ließen sie das alles milde übersehen. Vorerst zumindest.


    Das Geld musste natürlich ganz dringend ausgegeben werden. Das würde in diesem „Nest“ gar nicht so einfach werden, befürchtete sie. Versuchen musste man es aber trotzdem, dass stand außer Frage.


    Sie klatschte in die Hände und rief: “Crinon!“
    Das war der Name des Sklaven der sie immer dann beschützen sollte, wenn sie die sicheren Mauern der Regia verließ. Ihr zukünftiger Gatte hatte ihn extra dafür abgestellt. Aber Paulina brauchte natürlich auch jemanden der ihr die Einkäufe trug. Sie war doch nur eine schwache, hilflose Frau...

    “Fein!“, rief sie aus, warf den Hühnerknochen, an dem sie gerade noch genagt hatte, beschwingt auf einen der Teller und war im nächsten Augenblick auch schon auf den Beinen. Sie konnte es scheinbar gar nicht abwarten, „ihr Reich“ in Besitz zu nehmen.

    “Danke! Du bist ein Schatz!“, sagte Paulina freudestrahlend. Großzügigkeit schätzte sie über alles. Hoffentlich war er auch so großzügig wie er jetzt tat.


    Ja, man muss zugeben, sie war den materiellen Dingen dieser Welt schon sehr zugetan. :rolleyes:

    Paulina hatte ein wenig suchen müssen, bevor sie das richtige Officium gefunden hatte. Zum Glück befand es sich innerhalb der Regia, so dass sie den Statthalterpalast nicht extra verlassen musste. Natürlich hätte sie einen der Sklaven schicken können, doch denen vertraute sie nicht und diesen Brief wollte sie deshalb höchstpersönlich auf den Weg bringen.

    “Salve, ich habe hier einen wichtigen Brief. Er muss ganz schnell nach Rom gehen.“


    Sie legte den Brief auf den Tresen:


    An
    MARCUS AELIUS CALLIDUS
    Domus Aeliana
    Palatium Augusti, Roma


    Salve, mein lieber Marcus!


    Ich bin gut hier in Germanien angekommen. Es war eine schreckliche Reise und ich kann nicht sagen das ihr Ziel für die Strapazen entschädigt, aber nun bin ich hier und plane mit meinem Zukünftigen eifrig unsere Hochzeit.
    Möchtest Du nicht kommen? Ich weiß nicht, wen aus unserer Familie ich sonst einladen soll und zumindest ein Mann aus unserem Haus sollte doch dabei sein. Mein feiner Cousin Lucius muss sich ja unbedingt im Osten herumtreiben, sonst hätte ich ihn gefragt. Aber so frage ich Dich, auch wenn ich weiß das Du wahnsinnig viel in Rom zu tun hast und obwohl es wirklich kein Vergnügen ist nach Germanien zu reisen. Ich könnte lügen und sagen, die Provinz sei toll und der Weg hierher wunderschön, aber Du würdest meine Lüge bestimmt sofort durchschauen.
    Kommst Du trotzdem?
    Wir heiraten am KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (1.11.2007/104 n.Chr.).


    Aelia Paulina


    MOGONTIACUM - ANTE DIEM X KAL NOV DCCCLVII A.U.C.
    (23.10.2007/104 n.Chr.)


    “Was kostet das?“

    Sie selbst? Paulina hatte bereits einen Protest auf den Lippen, aber dann fiel ihr ein, dass sie ihren Zukünftigen ja auch noch um etwas bitten wollte.


    “Ist gut.“, gab sie deshalb lächelnd zurück, fügte aber noch hinzu: “Aber ich werde etwas Geld brauchen. Für den Postdienst und außerdem muss ich vielleicht doch noch ein paar Kleinigkeiten vor der Feier einkaufen. Könntest du mir vielleicht ein bisschen geben?“
    Sie klimperte unschuldig mit den Augen. Das konnte er ihr doch unmöglich abschlagen. :rolleyes:=)

    “Ach…“ – seufzte sie theatralisch – “…du weißt ja, von meiner nächsten Familie leben nicht mehr viele. Der Vater ist tot, der eine Bruder auch und der andere…“ – sie seufzte noch theatralischer – “…spielt gerne den Narren. Als ich in Rom war habe ich ihn gar nicht gesehen. Es heißt, er würde in einem Fass auf dem Forum leben. Wie soll man ihm da eine Einladung zukommen lassen? Soll man sie an 'Aelius Hadrianus, im Fass auf dem Forum Romanum in Rom' adressieren? Er ist ein bisschen eigensinnig, weißt du, dass war er schon als wir noch klein waren.“
    Sie lächelte still, so als würde sie sich wehmütig an ihre Kindheit erinnern, aber auch das wirkte ein wenig gespielt.
    “Meinen Cousin würde ich gerne einladen, aber er ist mit diesem dummen Krieg beschäftigt. Bleibt der liebe Marcus… also Marcus Aelius Callidus. Den würde ich gerne einladen.“
    Sie überlegte einen Moment lang und fügte dann hinzu: “Meine Freundinnen aus Rom kann ich nicht hierher einladen. Das sind hochgeborene Patrizierinnen und Frauen von Stand, denen kann man diese Reise nicht zumuten.“
    Als ob sie wirkliche Freundinnen gehabt hätte, es waren in Wahrheit eher flüchtige Bekanntschaften.

    “Vielleicht ein bisschen später? Ich würde gerne noch den lieben Marcus... also Aelius Callidus einladen, einen Verwandten von mir, der in Rom lebt. Er hat immer schrecklich viel im Palast zu tun, aber eventuell... Mein Cousin wird leider nicht kommen können, wegen dieses blöden Krieges, ansonsten hätte er sich unsere Vermählung bestimmt nicht entgehen lassen.
    Wie wäre es eine Woche später, KAL NOV DCCCLVII A.U.C.*“




    Sim-Off:

    * 01.11.2007/104 n.Chr.

    “Kann er so etwas? Aber welchen Termin nehmen wir? Wenn wir zu lange warten dann ist Winter und ich habe gehört das es hier im Winter sogar schneien soll.“

    Sie musste nicht lange überlegen, natürlich so bald als möglich. Das hätte sie auch am Liebsten gesagt, aber da mussten schließlich noch andere Dinge bedacht werden.
    “Wir müssen Einladungen verschicken, alles muss vorbereitet werden, ich habe noch gar kein Hochzeitsgewand ausgesucht und es kommen bestimmt viele Gäste. Obwohl wir natürlich sehr sorgfältig mit der Gästeliste sein müssen. Es ist doch nur zu peinlich, wenn die Hochzeitsgäste nicht einem gewissen Anspruch genügen. Das spricht sich in Windeseile herum. Die Gäste müssen irgendwo unter kommen und dafür muss auch gesorgt werden. Außerdem brauchen wir Unterhaltung. Musikanten, wir brauchen auf jeden Fall Musikanten und ein paar exotische Gaukler wären auch gut. Aber keine spanischen Tänzerinnen, nur das du´s weißt!“

    Das verschlug Paulina dann doch die Sprache. Denn sie hätte tatsächlich nicht sagen können woher alle ihre Sklaven kamen. Darüber hatte sie sich in Rom noch niemals Gedanken gemacht.
    ...wie über so manches andere auch nciht.


    “Also gut. Ich gebe mich ganz in deine starken Hände. Du weißt bestimmt am besten was hier gut und richtig für mich ist.“, sagte sie lächelnd.


    “Ach ja, wo wir gerade davon sprechen: Wir sollten bald einen Termin für die Hochzeit festlegen. Meinst du nicht auch?“

    Sie sah wieder zu ihrem Verlobten.
    “Hast du das gewusst?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augenbrauen. “Du musst diesem Mann ja sehr vertrauen, wenn du ihm meine Sicherheit anvertraust, obwohl er aus den Wäld... aus... also... nicht bei uns geboren wurde.“

    Paulina schaute ihn mit großen Augen an.
    “JENSEITS des Limes?“, fragte sie mit sich überschlagender Stimme.
    “Du meinst... von der anderen Seite?“
    Ob sie noch fassungsloser aussehen konnte, wenn sie ein fliegendes Schwein oder einen sprechenden Esel erblicken würde? War sie wirklich so erstaunt oder spielte sie das nur?