Beiträge von Tiberius Scato

    "Sulla!", rief ich und der kleine gescheckte Welpe kam daher gerannt, fröhlich bellend. Ich hatte ihn in irgendeinem Weinfass am Mons Viminal aufgelesen und seitdem war mir der Welpe überall hin gefolgt, ob ich das nun wollte oder nicht. Mittlerweile hatte ich mich mit seiner Gesellschaft abgefunden und teilte mein spärliches Abendbrot mit ihm. Es war noch gar nicht so lange her, dass ich die kleine Narcissa ziehen ließ, es war dunkel und ich saß am Straßenrand, mit einem Beutelchen voller Sesterzen, einer Hühnerkeule und etwas Fladenbrot mit Käse. Geld war Allgemeingut, sinnierte ich. Und es gehörte gerecht verteilt. Und wer könnte Geld besser verteilen als der, der es gerade braucht? Außerdem hatte der Besitz von Geld immer die lästige Pflicht, dass man darauf auch aufpassen musste. Wenn man dieser Pflicht nicht nachkam, war es eben weg, besonders in so freundlichen Gegenden wie der Subura.


    Der Hund sah mich mit diesem durchdringenden bettelnden Blick an, dass mir ganz flau im Bauch wurde und ihm wirklich etwas abgeben musste. Gierig haschte er nach dem Hühnerfleisch - ja, sogar den Käse musste ich mit ihm teilen. Ein Hund, der Käse frisst! Dafür war ich wenigstens nicht allein, diese Nacht. Verfluchtes Mädchen, ich hätte mir eine Lupa nehmen sollen, aber mein schlechtes Gewissen wusste dem einen Schlußstrich zu ziehen.



    Sim-Off:

    wer mag... *g*

    "Sie mag mit dir gehen. Aber merke dir - du wirst kein glückliches Leben haben, sollte ich bemerken, dass du sie.. zuviel beschützt, als gut für sie ist."
    Aus unerfindlichen Gründen musste ich lächeln. Wahrscheinlich war es deswegen, weil ich schon einen Plan hatte und ihn für gut befand. Für außergewöhnlich genug sogar, auch wenn ich dafür ein bis zwei Gefallen einlösen würde müssen. Ich hab die Hand leicht an und warf Narcissa ein offenes Lächeln zu, ehe ich die Arme auf dem Rücken verschränkte und still stehen blieb. Der Wein und sein Mundgeruch waren nämlich wirklich grässlich.

    "Sprich nicht so mit ihr...", sagte ich und konnte nicht fassen, dass das wirklich aus meiner Kehle kam. Er war aufdringlich - und begann mich zu ärgern. Sehr überrascht hatte es mich nicht wirklich, doch nun baute ich mich vor ihm auf, das Kinn entgegen reckend.


    "Hör zu. Du bist nicht ihr Vater. Du wirst sie mit Respekt behandeln, ebenso wie ich dies tue. Du wirst ihr ihre Entscheidung lassen, wenn sie nicht unter deiner Patria potestas steht. Haben wir uns.. verstanden?" Meine Stimme war leise, aber unglaublich selbstsicher. Und wäre es nicht ihr Cousin gewesen, wäre ich mir sooo tot vorgekommen. Aber es wurde an der Zeit, etwas offensiver zu werden und nicht ständig in der Defensive zu duckmäusern.

    Süßer als Nektar und Ambrosia zusammen schmeckte dieser Kuss dieser so warmen und weichen Lippen, als ich ihn kostete. Und auch wenn er nicht besonders inbrünstig, impulsiv oder leidenschaftlich gewesen war, so sah ich mit halb gesenkten Lidern in die Augen, den Kuss noch immer nachschmeckend. Ich versuchte in ihren Augen zu erblicken, was ich sagen sollte, doch konnte ich es nicht deuten.


    "Bitte verzeih...", begann ich und senkte den Blick etwas, um verlegen zu lächeln, "es kam über mich. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht.. böse? Wir sollten vielleicht langsam aufbrechen..."
    Meine Stimme war nur ein Flüstern und es fühlte sich an, als hätte diese süße blonde Narzisse mich doch tatsächlich dazu gebracht, zum Schweigen zu kommen.

    Hier, an einem solchen Ort, so etwas zu tun, das erinnerte mich fast schon ein wenig an die Tempelhuren. Doch was sollte ich machen? Gebannt von ihren roten Lippen, rutschte ich etwas näher. Sie war so still, es klang wie ein stummes "Küss mich, du Idiot." Dazu die leicht geöffneten Lippen, sie sah so wunderbar hinreißend aus. Und die roten Wangen, die davon zeugten, wie unschuldig dieses Mädchen doch noch war. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte, also blieb ich ebenso still, während ich näher rutschend die wenigen Fingerbreiten überwand, die sie und mich noch trennten. Ich war so nervös wie eine verdammte Jungfrau vor dem verfluchten ersten Kuss. Ich war doch sonst nie so zurückhaltend gewesen? Lucillas Fleisch hatte erbebt, als ich das letzte Mal über sie kam. Also - die Frau des Duumvirs, nicht mein Muli.


    Nachdenklich sog ich die Luft durch meine Nase ein, während ich mich ihr langsam näherte. Ich hatte hier eine Gestalt huschen bemerkt, doch dies konnte auch ein perverser Tempeldiener sein, der sich an uns ergötzen wollte. Was ihr Cousin sagen würde? Es war mir so egal. Dies alles passierte nur in so wenigen Sekunden, doch sie waren allesamt so quälend langsam, als könnte ich die Sandkörner einer Sanduhr rieseln hören. Schließlich legte ich meine Hand ganz vorsichtig an ihr Kinn, hob ihren Kopf sanft an und suchte sie zu küssen, als wäre es das erste Mal.

    "Wahrscheinlich solltest du das.. aber nicht alleine.", verkündete ich mit einer Sicherheit, die mir heute noch nicht in der Stimme untergekommen war. Ihre Hand war warm gewesen und die Haut so zart, ganz im Gegensatz zu meinen Händen. Ich wollte sie nicht zurückgehen lassen. Ich wollte sie irgendwohin mitnehmen, damit ihr nichts passieren konnte, damit ich sie halten konnte... Scato! Du hast nicht einmal eine Bleibe, wie stellst du dir das vor, du verdammter Narr?


    "Ich werde dich begleiten, wenn du zurück möchtest, liebliche Narzisse. Ich kann dich ein wenig beschützen. Und deinen Cousin sollten wir nicht zu sehr verärgern. Doch.. auch wenn es mir schwer fällt, dich wieder von mir gehen zu lassen, musst du wissen, dass ich mir erlauben werde, von einem Kuss von dir zu träumen - und dich in den Armen zu halten."
    Oh du Hund, hast du das irgendwo gelesen? Das war so schnulzig, da würde sogar Ovid sich winden. Aber es kam von Herzen, eh?

    Ich nahm mir etwas heraus, was ich.. ach was sage ich. Natürlich hätte ich es auch so gewagt. Ich griff nach ihrer Hand, aber nur ganz vorsichtig, nur um sie sofort wieder los zu lassen und dann - oh ihr Götter - kam wieder dieses Lächeln auf meine Lippen und meine Mundwinkel zogen sich in die Höhe. Ich hätte sie so gerne in den Arm genommen, doch dann wäre sie wohl nur fortgelaufen. Wenigstens konnte ich ihr hier - und auf dem Weg zu ihrer Casa - Schutz bieten, denn des nachts, in der Dunkelheit - da waren meine Gebiete.


    "Habe ich... etwas falsches gesagt..?", fragte ich nach und ließ mich etwas nach vor, um ihr Gesicht besorgt zu betrachten. Sie hätte mich fast berührt! Und ich konnte ihren Duft hier riechen. Sie duftete nach Veilchen.. und frischen Regennächten im Sommer. Ich wünschte, ich hätte ihr eine Blume gepflückt oder dergleichen, doch daran hatte ich Narr genausowenig gedacht, wie ihren Cousin um dessen Geldbeutel zu erleichtern.

    Ein klein bisschen reckte ich den Hals, um ihr die blauen Flecke zu zeigen, die der Würgegriff ihres Cousins hinterlassen hatte.
    "Wahrscheinlich hat er nur das getan, wovor er dich gewarnt hat.. nur glaube ich, auf dem Markt kann ich nicht mehr so schnell aufspielen. Aber der Schmerz ist nicht so schlimm... vielleicht tuts ihm mehr weh, dass er mich angegriffen hat." Dass ich das auch so nicht mehr vor hatte, da es keinen Sesterz einbrachte, sagte ich nicht dazu.


    "Du.. du bist eine wundervolle junge Frau und ich möchte nicht, dass man schlimmes von dir denkt.", sprach ich weiter. Oh Venus, bitte lass sie widersprechen. Irgendwie juckte mein kleiner Zeh - ein untrügliches Zeichen dafür, dass Gefahr nahte, doch diesmal schlug ich meinen prophetischen Juckreiz aus dem Wind und sah sie weiterhin an.. am liebsten hätte ich nach ihrer Hand gegriffen, doch das hätte sie mir nie gestattet.

    "Ich denke, es war ein ziemlich gerechtes Spiel, denn.. ich habe dir auch meinen Namen genannt und du siehst ja, was es mir eingebracht hat.", musste ich flüchtig lächelnd anmerken und nahm dann auch tatsächlich neben ihr Platz, mich leicht nach vor neigend und den rechten Ellbogen auf dem Knie abstützend. Meine Knie wurden weich, als ich diese einzelne Träne sah und egal, wie naiv dieses Mädchen sein sollte, egal wie dumm ihr Bruder sie schimpfte, ich kannte nur diese einen... verfluchten... Wunsch, ihr die Träne von der Wange zu küssen.
    Scato, du wirst weich, schimpfte ich mich und sah auf meine Füße hinab, um mich kurz abzulenken und dann wieder zu ihr zu sehen. Sie hatte gepflegte Füße - und Schuhwerk, im Gegensatz zu mir. Das war es wohl, woran man Stände erkennen konnte.
    "Quintilia Narcissa...", fragte ich sie leise und wieder stahl sich dieses verflixte Lächeln auf mein Gesicht. ".. ich habe dir wohl Ärger eingebracht und das tut mir leid und dafür möchte ich mich entschuldigen..."
    Es kam wohl etwas rascher heraus, als angemessen war, um wie ein seriöser Mann zu wirken, aber das war mir nun egal.

    "Dann bleibt uns wohl nur zu hoffen, dass sie nicht weiß, dass du hier bist..", erwiderte ich und lächelte wieder, wobei ich versuchte, den Schmerz im Kiefer zu unterdrücken. Oh Venus, verfluche diesen Hundesohn, auf dass er nie wieder die Freuden der körperlichen Liebe erfahren solle! Mein armer Kiefer. Mein armer Hals, der tat auch noch weh. Aber eine Frau konnte man mit solcherlei Worten nicht beeindrucken und vor allem nicht, wenn man ihr vorklagte, wie schlecht es einem ginge, besonders, wenn es ihr selbst nicht so prächtig ging.


    "Was.. hat er dir denn getan...? Er tut, als hätten wir uns in den Wäldern vergnügt... oder als wären wir ein verbotenes Paar, wie in einem von Ovids Werken." Ich musste sacht schmunzeln und blieb aber stehen - zu ihr setzen würde ich mich nur nach einer Aufforderung, etwas anderes geziemte sich nicht.

    Ich zog die Hand sofort zurück, als ich bemerkte, wie erschrocken sie war. Das lag natürlich nicht in meiner Absicht. Das arme Ding schien völlig verschreckt, so dass ich die Arme brav auf dem Rücken verschränkte und mit den bloßen Füßen ein wenig auf dem Boden herumscharrte.


    "Verzeih.. ich wollte dich nicht erschrecken. Du.. du hast mir deinen Bruder aber nicht auf den Hals gehetzt, oder..?", fragte ich hoffnungsvoll. Natürlich hatte sie das nicht, da war ich mir sicher, aber sicherer ist immer sicherer.


    "Der hat nämlich einen derben Hieb. Ich hör immer noch die Sirenen singen... uhh."


    Sie war so jung, sie war so schön. Wie könnte ich anders, als ihr ein klein wenig zu verfallen? Mit einem vorsichtigen Lächeln auf den Lippen, sah ich zu Boden - und schmeckte ein wenig das Blut meiner Lippe nach.

    Ich war ihrem "Bruder" nachgegangen, um herauszufinden, wo die Casa ist - er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um mich wirklich zu bemerken - außerdem war ich gar nicht so ungeschickt, wenn es darum ging, mich unbemerkt, in der Urbs fortzubewegen. Auch wenn ich nicht mehr wusste, wo ich war - ich hörte laute Stimmen aus der Casa und nach nicht all zu langer Zeit war das Ziel meines Leidensweges - meine süße Narzisse - herausgestürmt, gen Tempel. Nun ergab sich ein Dilemma - hätte ich sie sofort angesprochen, hätte sie gewusst, dass ich zur Casa gefolgt wäre und wäre dementsprechend wohl auch misstrauisch geworden - die wenigsten Frauen mögen es, wenn man vor ihrer Haustüre wartet, obwohl sie einem nicht den Standort ihrer Behausung verraten hatten. So folgte ich ihr, durch die Straßen, durch die Viertel, bis sie in den Tempelbezirk ging. Ich musste lächeln, doch dabei schmerzte mein Kiefer. Oh Merkur, lindere meine Kiefer!


    So sah ich sie von hinten an und musste lächeln, denn ihre Hinterseite war mir nicht so wundervoll in Erinnerung geblieben. Auch wenn die römische Kleidung sehr grob und praktisch geschnitten war, ein wenig betonte es die Form ja doch und ich wäre ein schlechter Lügner, würde ich sagen, ich hätte den Anblick nicht genossen. Doch dann trat ich näher - und legte ihr sacht die Hand auf die Schulter, denn anscheinend war sie in Gedanken.


    "Salve, kleine Narzisse..", sprach ich leise und mit bedachtem Tonfall, auch wenn ich es nicht schaffte, den angerauten Unterton aus meiner Stimme wegzupolieren.

    "Wenn du wüsstest...", wisperte ich ihm nach und senkte den Blick, damit etwas Schatten auf meine Augen fiel. ".. wie ernst meine Absichten mit der süßen Narzisse sind."
    Die Pandoura muss wohl zukünftig bei Lucilla bleiben, in Rom glaubt man anscheinend, Musiker sind feinfühlige und zartbesaitete Wesen, die sich einschüchtern lassen. Wenn die nur alle wüssten, was für ein begeisterter Harfenspieler Quintus Brutus war, der gemeingefährlichste Schläger in ganz Neapolis und Umgebung. Aber noch hatte ich Zeit, mich hier einzugewöhnen. Und das würde ich, ganz bestimmt.

    Der Befehlston des eindeutig jüngeres Mannes missfiel mir, doch machte ich hinter seinem Rücken einige Possen, die eindeutig auf das zerbrochene Glockenspiel von ihm abzielten, um die Leute etwas zu erheitern. Meine Pandoura schulternd, folgte ich ihm schließlich in das Ungewisse. Was würde er wohl machen? Immerhin war ich nun auf das Schlimmste gefasst und hätte auch Messer oder gar Faust recht rasch bei Hand, sollte er etwas Dummes machen. Zumindest konnte ich noch den gutmütigen Tollpatsch zur Schau stellen, dann würde mir niemand etwas zutrauen. Und erst viel zu spät merken, dass die Männer aus Neapolis immer ihre Schulden begleichen...

    Ich rang mir tatsächlich ein verschmitztes Lächeln auf die Lippen, auf diese kleine bissige Bemerkung hin und klopfte mit der flachen Linken auf seinen Bauch, um zweideutig anzumerken: "Oh, leisten kann ich mir das sicher. Und du?"
    Natürlich sah ich mich vorsichtig nach den Häschern der Cohortes um, denn Schauergeschichten gab es viele über jene - und mindestens die Hälfte davon war wahr. Zum Glück war meine Sica wirklich gut versteckt am Oberschenkel, denn sonst würde ich schon lange im Kerker sitzen.
    Seitlich den Kopf drehend zum jüngeren Mann, war ich mir einer Sache sicher: Ich musste die süße Narzisse aus seinen Fängen befreien und das nicht, weil ich so vernarrt war - sondern eher, um diesem Bruder eines auszuwischen. So viel größer war er ja auch nicht.. nur ein paar Fingerbreiten.

    Wider Erwarten hatte ich den römischen Jungbären tatsächlich von den Füßen gerissen und war auf ihm gelandet! Heil mir, Bezwinger des gehörnten Bruders! Rasselnd ging mein Atem schon und irgendwie registrierte ich viel zu spät - erst nach meinem imaginären Siegestaumel und nach meinem kleinen eingebildeten Triumphzug - dass ich, mit angestrengt sich hebender und senkender Brust, noch immer auf dem Gehörnten lag und seinem Atem lauschte. Gut, auch wenn es mir nicht besser ging als ihm - ich lag oben! Schleppend versuchte ich mich von ihm zu lösen, als plötzlich - nach den entscheidenden Runden unseres Kampfes! - zwei zeternde Marktweiber hervortraten. Welch Ahnung hatten die schon vom ehrlichen Kräftemessen zweier Männer? Mein Geist war immer noch leicht angedünkelt und Lerchen maßen sich in meinem Hinterkopf mit Nachtigallen.


    "Weibspack...", wisperte ich meinem Kampfgenossen zu, nachdem ich neben ihm zum liegen gekommen war und selig den blauen Frühlingshimmel betrachtete. Erst dann versuchte ich mich an einem Grinsen - zum Glück hatte ich noch alle Zähne drin - und sah zu den beiden, wie sie da standen.
    "Mir wär irgendwie nach Wein...", brachte ich hervor und es war ehrlich gemeint. Nebenbei zog ich meine Tunika etwas tiefer, denn sie war weitaus höher geruscht, als mir lieb gewesen wär!

    Der Engelsgesang - oder war es doch eher ein helles Klingeln? - wollte nicht aufhören und betäubte auch meinen Kopf ungemein, als hätte ich meinen Kopf in ein Fässchen Weihrauch gesteckt. Irgendwie - Merkur seis gedankt - wusste ich das auszunutzen und senkte den Kopf ab wie ein wilder Widder, um den Dickschädel gegen Montanus Brust zu schlagen und zwar ungefähr beim Solar Plexus - so ungenau, wie man dabei eben zielen konnte. Ohh, das würde teuer werden die nächsten Wochen, wenn ich mich von einem hübschen Mädchen wieder heilpflegen lassen wollte. Doch kurz, bevor meine Füße den Boden verließen, entsann ich mich noch kurz, um meine Hände um ihn zu schlingen, im Flug - vielleicht würde mein Gewicht ja reichen, um ihn zu Boden zu reißen.
    Ob ein Narzissenkuss es wirklich wert war, dass ich mich dafür planieren ließ?

    Blitze zuckten, der Schmerz brandete durch mich und ich musste heftig blinzeln. Waren das der süßen Täubchen Klang, den ich da hörte? Ich merkte, wie ich zu taumeln begann, ich schwankte zumindest und mir war, als würde die ganze Erdenscheibe einen gewagten Hüpfer nach rechts machen, fern von meiner mir bekannten Realität. "Whoa..", hauchte ich und strich über den rauen Stoppelbart, der meinen Kiefer zierte. Während ich noch so um die Fassung rang und versuchte, das Gleichgewicht - durchaus gekonnt! - zu wahren, fragte ich mich ernsthaft, ob es nicht gesünder für mein Wohlbefinden wäre, würde ich in den nächsten Tage nur Suppe löffeln.


    Tatsächlich fand ich Halt, an der dorischen Säule die hinter mir Stand und mit Efeu umrankt war. Ich lehnte mich an sie und weitete die Augen, um mir dieser Schmerzwelle erst einmal bewusst zu werden - es war ein wahres Feuerwerk, ein bunter Regenbogen an Schmerzen und jede Farbe schmerzte mehr. Nicht, dass der Schlag besonders fest gewesen war - aber der Kiefer war ja doch eine sehr empfindliche Stelle. Wutschnaubend suchte ich mich dann schwankend von der Säule loszureißen und sich auf den Quintilier zu stürzen - für die kleine Narzisse!

    Verflucht sei dieser Kerl, denn nun hatte ich tatsächlich fast so etwas wie ein schlechtes Gewissen, auch wenn nur sekundär ihm Gegenüber - was die kleine Narzisse wohl sagen würde, wenn sie das wüsste? Ich kontrollierte meinen Hals, sah ihn seufzend an.. und hielt ihm dann die Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen, wohl bewusst, dass es gefährlich sein konnte. Schließlich hatte er ins Allerheiligste getreten, das konnte lange nachhallen. Und Hass schüren.


    "Komm, steh wieder auf. Ich würd sagen, wir sind quitt.", meinte ich und gab kurz ein kötzendes Röcheln von mir, um zu testen, ob er nichts an meinem Hals kaputt gemacht hatte. Es schien alles in Ordnung zu sein, bemerkte ich zufrieden und wieder schien dieses selige Lächeln auf mein Gesicht zu treten, als ich an die kleine Narzisse dachte. Aber dass sie einen solchen Bruder hatte, hätt ich mir nicht gedacht. Sollte ich je in die Verlegenheit kommen und die kleine Narzisse pflücken, sollte ich weit rennen. Sehr weit.