Beiträge von Tiberius Scato

    "Ismirziemlichegalobsiedeineschwesteristodernichthabjanure inliedgesungen", radebrechte ich hervor, als er mich so am Hals packte. Ein Seufzen entwich aus meiner Kehle, als er mich anheben wollte, dann musste ich etwas wirklich hässliches anwenden - denn durch das anheben, hob er mich in die richtige Position dafür.
    Mein Knie läutete seine Glocken. Sinnbildlich gesprochen. Ohne Rücksicht auf seine Familienplanung benutzte ich dafür sogar reichlich Kraft, denn ich hasste es unbändig, wenn man versuchte, mich am Hals zu fassen.

    Ich musste ein wenig grinsen, als er den Namen nannte - und als ich seinen Bart besah, der wohl verdecken sollte, wie jung er eigentlich noch war. Ah, früher hatte ich auch so einen, bis meine heißblütige Exgeliebte herausfand, dass sie es durchaus anregend fand, wenn sie meine heißgeliebten Barthärchen aus meinem Kinn zupfen konnte. Eine äußerst schmerzhafte Erfahrung, die mich veranlasste, etwas öfter den Barbier zu besuchen - dafür konnte ich mich revanchieren, indem ich mit meinen rauen Bartstoppeln ihre Innenschenkel aufrieb. Nachdenklich musterte ich ihn, dann musste ich lächeln und schlug ihm sacht auf die Schulter.


    "Ah, die Narzisse. Sag bloß, sie hat von mir erzählt?"


    Irgendwie erinnerte er mich ein wenig an mich selbst, wie ich früher war - abgesehen davon, dass ich nicht in der wohlhabenden Schicht Roms aufwuchs. Und wahrscheinlich um Längen besser aussah, in dem Alter. Hoffte ich zumindest. Inbrünstig.

    Manchmal glaube ich, ich bin allergisch gegen Gewalt - und vor allem Grobiane. Vor allem, wenn sie denken, sie könnten mich herumschubsen - dem ist nämlich nicht so. Zum Glück hatte der Kerl von meinem Beruf keine Ahnung, sonst hätte es die Gaunerehre verlangt, dass ich ihm etwas abschneide, was ihn ein paar Oktaven höher hätte sprechen lassen. Sorgfältig stellte ich die Pandoura zur Seite und ahmte dann seine Haltung nach, die Arme verschränkend und das Kinn reckend.


    "Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Locke.", erwiderte ich etwas harscher. "Nenn lieber mal deinen Namen, wenn du etwas willst. Dann könntest du etwas höflicher sein. Und dann überlege ich mir, ob ich dir vielleicht eventuell antworte!"


    Ich muss zugeben, ich war etwas unsicher - aber eigentlich war das einzige, was ich heute morgen mitgehen ließ, ein saftig roter Apfel gewesen - sonst könnte ich doch kaum etwas verärgert haben, abgesehen von der Gouvernante der kleinen süßen Blonden...
    Meine Braue zuckte, als ich ihn etwas zu lange anstarrte. "Also?"

    Irgendwie war mir, als würde ein Schatten über mein Gesicht fallen, als ich plötzlich bemerkte, dass es keine Gewitterwolke war, sondern ein zorniger junger Bengel, etwas hochgeschossen, aber zum Glück nicht so zäh gebaut wie ich. Kurz musste ich an der Lippe nagen, als ich mich für die Offensive entschloß und ihm die Hand hinhielt.


    "Sehr erfreut. Ich bin Pompeius Strabo."


    Den Namen hatte ich in irgend einem Streitgespräch aufgeschnappt und er wurde alles andere als freundlich ausgesprochen. Insgeheim huschte mein Blick über seinen Körper, um zu erkunden, wo ich ihn am empfindlichsten treffen konnte - zum Glück war er größer und somit auch leicht zu treffen. Oh, wie hatte man mich in Neapolis für meine Tiefschläge gehasst!

    Nachdenklich sah ich ihr nach. Wo wohl die Casa Quintilia stehen würde? Und wie gut wären wohl ihre Vorratskammern gefüllt? Und vor allem, wie sie wohl über mich denkt? Ah, all diese Gedanken, süßer als Waldhonig und doch so bitter, dass mich diese Gouvernante fern von ihr hält. Vielleicht... lass ich mir ja etwas einfallen. Und so widmete ich mich wieder dem Spiel meiner Pandoura, wenn auch etwas melancholischer als zuvor.

    Verdutzt sah ich sie an und es fühlte sich an, als wären die Apenninen von meinem kleinen Herzen herabgefallen. Sie hatte tatsächlich nach meinem Namen gefragt, sie wollte ihn wissen! Oh verflixt, sollte ich ihr meinen echten, meinen wahren Namen verraten, nicht den, den ich hier in den Straßen meistens von mir gab? Meine Bedenkzeit währte nur kurz, dann legte ich die Hand auf mein Herz - am liebsten hätte ich ihre Hand ergriffen - und senkte den Kopf vor ihr ab.
    "Tiberius Scato nennt man mich, anmutiges Mädchen. Aber die meisten die mich kennen.. und vor allem meine Freunde... nennen mich nur Scato."

    "Quintilia Narcissa..", echote ich wispernd und war völlig hingerissen, als ich sie hauchen hörte. Oh Venus, sei mir nicht missgünstig, denn vor mir stand ein süßer Engel und alles, wonach es mich verzehrte, war, diese wunderbar samtigen Lippen zu berühren und zu küssen. Ich wusste, dass ich sie nicht mehr lange bei mir halten konnte, doch den Namen, den brannte ich mir ins Gedächtnis - sicherlich würde ich sie bald aufsuchen können und dann würde ich sie mit Weintrauben füttern, ihre Füße waschen und ihr alle Lieder vorsingen, die sie zu wünschen gedachte.


    Ihre Augen und ihre Haare waren ohnehin wunderbar. Selten hatte ich so klare blaue Augen gesehen und das blonde Haar, das sie trug, das war wundervoll. Leider war sie zu weit entfernt, sonst hätte ich auch noch ihren Duft einatmen können - doch das war mir missgönnt.


    "Wenn uns das Schicksal schon trennt, schöne Narzisse, dann hoffe ich doch, dass es uns bald wieder zusammenführt.."
    Gute Güte, so etwas schmalziges hatte ich lang nicht mehr gesagt. Und dann kam es auch noch von Herzen! Scato, das muss der Frühling sein, der dich so kirre macht.

    Verlegen musste ich mir den Nacken reiben, als ich sie so lächeln sah. Anfangs hätte es mir nichts ausgemacht, sie um ihr Geld zu berauben, doch es stimmte durchaus, was Marcus mir eingetrichtert hatte - und ich war ihr voll in die Falle gelaufen. Wenn du einmal des Engels Lächeln siehst, Scato - dann ist es bereits zu spät. Seufzend musste ich feststellen, wie recht er doch hatte. Von den zierlichen Figuren, der schlanken Figur und dem lieblichen Gesicht. Ich war jetzt aber nicht verschossen, oder?
    Nein, das konnte ich mir eigentlich kaum erlauben. Doch wie sie mich da anlächelte...


    "Du musst mir nicht danken, es kam von Herzen. Aber.. du könntest mir deinen Namen verraten?"

    "Dann.. gilt mein nächstes Lied dir, schöne Nachtigall."


    Abermals musste ich lächeln, dann verwob ich die sanften Klänge zu einer Melodie, die eher ruhig klang - als würde sie auf Narcissa passen und sie umgarnen. Eigentlich war ich kein sonderlich begabter Musiker, aber irgendwie schien nun, da sie hier war, als würden meine Finger immer die rechten Saiten finden, als hätte mich die Muse geküsst. Kurz sah ich mit geengtem Auge die Serva an, um sie zu mustern - na gut, so hässlich war sie auch wieder nicht - doch ich begann zu singen, die erste Strophe des Liedes. Erst nur leise und mit etwas heiserer Stimme, begann sich der Gesang erst mit der Zeit zu entfalten, wie eine Blume, die ihre Blüten in der Sonne öffnet. Und ich war mir sicher, Narcissa war meine Sonne. (Wenn sie schon kein Geld für mich hatte.)



    "Quot viae quae homo peragranda,
    Donec grandem anima fit.
    Sic, et quot maria columba velanda
    Donec quiescit acta,
    Sic et quot sagitt'ab arcibus volanda,
    Ante pac'aeternam fore?


    Respons'amici,
    Se dedit flamini,
    Responsum se dedit flamini..."

    "Ich danke dir, hohe Herrin.." sagte ich und mein Herz machte einen Jauchzer. Verflixt, wie konnte ich das hübsche Mädchen nur halten? Kurz betrachtete ich lächelnd die Spitzen ihrer Zehen, die unter dem Saum des Kleides frech hervorblitzten - ein Angebot, ihr die Füße zu waschen, wäre wohl zu frivol. Doch dann entsann ich mich, weswegen sie hier stand, weswegen sie mich überhaupt beachtet hatte, kramte in den hintersten Ecken meines Hirnes und brachte einen Satz zusammen, der auch in 2000 Jahren noch Männer beschäftigen würde, so simpel gestrickt wie er war und so rasch, wie er aus einem heraussprudelt.


    "Bist.. du öfter hier, Herrin?", fragte ich und untermale meine Worte mit dem Spiel der Pandoura, indem ich mit dem Plektron sanft die Saiten anschlug, zu einer leichten Melodie.

    Spätestens jetzt wusste ich, dass ich die Asse und Sesterzen, die durch mein Kleinhirn schwirrten, abschreiben konnte. Und die Keltin mit den großen.. Augen auch. Doch was sollte ich Narr nur sagen, ohne sie damit sofort zu vertreiben? Würde ich schweigen, würde sie weitergehen und alles würde bleiben, wie es war. Und ich müsste weitersingen. Unruhig scharrte ich ein wenig mit den Zehen im Straßendreck, dann erlaubte ich mir ein weiteres Lächeln - die Anzüglichkeiten, die mir dabei durch den Kopf gingen, erwähne ich dazu lieber nicht. Mir war tatsächlich etwas für die Konversation eingefallen! Captatio benevolentiae!


    "Verzeiht, Herrin, wenn ich euch anspreche.."
    Demütig sah ich auf den Saum ihrer Stola oder die hervorblitzenden Sandalen.
    "... ich singe nicht all zu oft, aber ich hoffe, es hat euch gefallen?"

    Anfangs waren meine Augen viel zu sehr auf das Griffbrett der Saiten der Pandoura konzentriert, um die Leute um mich zu bemerken, so mir überhaupt jemand zuhören würde. Als ich schließlich den Kopf anhob, war da tatsächlich jemand, auch wenn es ein junges - wenn auch wirklich anmutiges - Ding war. Ich konnte ein schelmisches Lächeln nicht unterdrücken und neigte den Kopf leicht vor dem Mädchen, aber auch vor der Frau, die anscheinend ihre Serva war - und winkelte mein Bein leicht an, um es an der Säule abzustützen. Natürlich nicht zu sehr, denn da Mann unter der Tunika nicht pflegt, barbarische Hosen zu tragen, könnte man da vielleicht zu viel Einblick gewinnen.


    Sie sahen zumindest nicht arm aus - im Gegenteil - und so hoffte ich doch auf eine kleine Geldspende, wenn ich mein Bestes geben würde. Immerhin hing davon mein Abendbrot und meine Abendgesellschaft ab - ich hatte vorhin eine dralle Keltin gesehen, die ich mir glatt hätte leisten können. Doch irgendwie zog das Mädchen immer wieder meinen Blick auf sich - und ich kam nicht umhin, verlegen lächeln zu müssen, während ich die letzte Worte sang, wenn auch etwas stimmgewaltiger als den Rest.


    "... quod fatidica verba Sabura. Scriperunt iam, Silentio sonante."


    Kurz musste ich mich räuspern, um meine Stimme wieder "normal" hinzubiegen, dann neigte ich den Kopf. "Salve, anmutige junge Dame."

    Die kleine Reise von Ostia nach Roma, sowie das Mittagessen und einige kleinere Ausgaben hatten meinen Geldbeutel wirklich beträchtlich verschmälert. Irgendwie musste sich doch Geld verdienen lassen, ohne jeden Tag verschwitzt zu sein und sich anstrengen zu müssen. Ich hatte den einzigen Gegenstand von Wert bei mir, den ich je besaß - ein Trichordon, wie meine Mutter es genannt hatte - die Römer nennen sie eine Pandoura. Ein Instrument, das eigentlich nur selten gespielt wird, also dürfte es genügen, um die Aufmerksamkeit zu erregen. Vielleicht die Aufmerksamkeit eines Mäzens, oder aber auch eines hübschen Mädchens. Am besten gut gebaut und ohne Hirn, doch das muss nicht interessiern, denn heute Nacht will ich nicht diskutiern... ah, das sollte ich lieber nicht singen, sonst werfen sie noch ihre Tontöpfe nach mir. So - was sollte ich singen? Ich lehnte mich an eine der zahlreichen Säulen und begann, auf der Pandoura zu spielen, während ich meine Stimme erklingen ließ.


    "Salve, nox, me'amica; Redi'ut rursum te loquar.
    Somnio visio me turbavit. Et tamen anima non quiescit.
    Quod haec visio qui somnio vidit. Manet iam.. Silentio sonante.


    Inquieta, sole erro.. Viis angustis sordidis.
    Algor et umida, lacernam... Comprehendo atque corrigo
    Me'oculi uruntur tunc luce. Nox finditur, Silentio sonante.


    Proditi luce, homines - Conspicui ant'oculos
    Qui sine verbis loquuntur. Non intellegentes, audiunt.
    Et carmina scribunt; nunquam canunt. Omnes pavunt Silentio sonante.


    Tum clamo eis his verbis: "Nonne vos scitis aegrotas?
    Audi me; valescatis ergo! Tange m'intelligatis ergo!"
    Dum loquar, periunt mea verba, Silentio sonante.


    Homines luc'adorant, Etsi inclementer lucit.
    Et dum specto, subito scio.. Monitum ad populum ferre.
    Quod fatidica verba Sabura. Scriperunt iam, Silentio sonante."




    Sim-Off:

    Wer mag, darf.

    Ostia, wundervolles Ostia. Nie süßer du gerochen, nie schöner du ausgesehen. Nach ein paar beschwerlichen Tagen an Bord eines eher mittelprächtig ausgestatteten Fischkutters, bewegte ich mich mit hochgehobenen Armen über den Steg, um den Duft der Freiheit zu kosten. Ich musste dabei die Nase etwas verziehen, hatte ich doch nicht erwartet, dass dem salzigen Duft der Freiheit auch der Odeur des Thunfisch, mit etwas Sardellenbukett beigemengt war. Nein, Meeresfrüchte konnte und wollte ich auf keinen Fall mehr sehen, nicht nach den letzten Wochen.


    Doch meine kleine Flucht war unabdingbar gewesen, denn der Zorn des Duumvir konnte unermesslich sein. Und irgendwie wollte er mir nicht glauben, dass es purer Zufall war, dass ich mich in seiner Frau befand. Ich muss aber zugeben, ich hätte es mir selbst nicht geglaubt. Bei den schlichten Hafengebäuden dieses gewaltigen Hafens angekommen, stemmte ich erst einmal die Hände in die Hüfte, um mich umzusehen. Wohin nun? Wohin würde Merkur meine Geschicke lenken, vor allem aber auch meine Füße?


    Mich hungerte etwas und ich hatte noch ein paar Asse im Beutelchen, also suchte ich erst einmal nach so etwas wie einer Taberna. Die Gesellschaft eines hübschen Mädchens wäre vielleicht auch nicht so unwillkommen, ein warmer Leib, der sich an den meinen schmiegen würde, die Aussicht schien mir doch verlockend. So machte ich mich auf den Weg.

    .. liebe Stadtwache, ich erbitte Einlass. ;)


    Name: Tiberius Scato
    Stand: Peregrinus
    Wohnort: Geboren in Neapoli, nun wohnhaft in Ostia (und pendelt zwischen Rom und Ostia hin und her)
    Familie? Iwo.
    Berufung: notorischer Dieb, Betrüger und Taugenichts.