So unerwartet kam der ruppige Griff an ihrem Oberarm dass Ofella missbilligend die Lippen schürzte und auf ihres Gatten Hand hinabsah, ehe sie den Blick auf sein Gesicht lenkte. Was sie dort sah, wandelte das gemüt augenblicklich von Geringschätzung zu Verblüffung, denn sie hatte erwartet, dort alles mögliche zu lesen, nur kein Verlangen oder zumindest den Anflug davon. Die Überraschung zeichnete sich ganz deutlich auf ihrem Gesicht ab und ging sogar soweit, dass Ofellas Mund verwundert einen Spalt offen stand. Die scharfen Worte, die ihr auf der Zunge gelegen hatten - immerhin war die gens Lucretia nicht eben weniger angesehen als die gens Claudia! - verpufften im Nu. Sie ahnte, dass er sie in der Nacht besuchen kommen würde, wenn er nicht gleich hier darauf bestand, zu bekommen, was ihm zustand. Ob Ofella ähnliche Gedanken hegte, wusste sie selbst in jenem Moment der Verblüffung allerdings nicht.
Ihr Gemahl schien von einer der Fibeln magisch angezogen zu werden, und bei dem vagen Gedanken daran, dass er vielleicht nicht nur die filigrane Fibel, sondern auch irgendein kleines Getier betrachten könnte, wandte sie rasch den Kopf und senkte den Blick, doch dort war nichts weiter, keine Spinne weit und breit, kein Käfer sichtbar. Erleichtert seufzte Ofella, als sie plötzlich das näherkommende Tapsen kleiner - und nasser? - Kinderfüße auf dem edlen Boden hörte. Vesuvianus konnte nun verlangen, was er wollte, Ofellas Sohn stand stets im Mittelpunkt und würde sich auch genau dort befinden, selbst wenn ihr Gatte auf ihr liegen wurde. So wandte sich die Claudia um und beobachtete überrascht, dass ein kleiner, feuchter und dreckverschmierter Lucius zur Tür herein kam und in seinen Händen eine Vielzahl von Blümlein hielt, teilweise sogar mit Wurzelstock. Es mochte Vesuvianus vielleicht nicht gefallen, doch Ofella ging augenblicklich in die Hocke und berührte behutsam eine große, violette Blüte. "Oh, mein Mausespatz, die sind ja..." begann sie, und ehe sie weitersprach, riss sie den Blick von den Blumen (auch wenn sie nicht vasenfähig waren, aber der Gedanke zählte schließlich) und sah ihren Sohn mit einem stolzen und leicht senilen Mutterglückslächeln an. "...oh, wahrlich.....herzallerliebst", hauchte sie schließlich und konnte nur um ein Haar vermeiden, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Mit einer erdigen Hand griff der Junge nun nach er Hand seiner Mutter, und Ofella erhob sich, um dem Kleinen leicht vorgebeugt zu folgen, wenn auch nur ein paar wenige Schritte weit. "Hast du den Blumenstrauß denn ganz allein gepflückt?" fragte sie Lucius mit anerkennendem Blick. Sie blieb stehen und sah zurück zu ihrem Mann, der leicht verärgert herumstand. "Oh schau nur, Herius - unser Sohn wird einmal ein begnadeter Verführer werden!" sprach sie mit vor Stolz geschwellter Brust und jauchzte. "Lucius, mein Sonnenschein, vielen Dank für dieses außerordentlich nette Geschenk." Dass der Junge erdig und feucht war, hielt sie nicht davon ab, ihn zu herzen, wobei sie einige der größeren Blüten versehentlich zerdrückte.