Der Optio setzte ein verwundertes Gesicht auf, welches man in der Dunkelheit aber nur zum Teil erkennen konnte. "So, keinen Wachdienst? Na, das wüsste ich aber. Schaut euch um: mit wie vielen Soldaten sind wir hier im Lager? Wie lang ist der Wall? Wie viele Nachtwachen gibt es?" Fordernd schaute Priscus von einem zum nächsten, denn es waren keine rhetorischen Fragen, die er gerade gestellt hatte.
Beiträge von Gaius Tallius Priscus
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Trotz der vielen neuen und ungeübten Soldaten verlief der Lageraufbau nach Priscus' Empfinden schnell und problemlos. Er hatte sich selber mit um die Zelte gekümmert, vor allem auch um das Zelt des Centurio. Das wurde schließlich als erstes aufgestellt und das brauchte der Centurio natürlich auch nicht alleine zu machen. Während die Soldaten dann ihre Lagerfeuer entzündeten und sich um Nahrung und Ausrüstung kümmerten, schaute der Optio noch nach, ob Werkzeuge liegen geblieben waren und ob die Trossknechte sich auch gut um die Traggtiere gekümmert hatten. Dann hockte auch er sich an das Feuer seines Contuberniums, holte sein Essgefäß hervor und verspeiste zusammen mit den Kameraden seine Portion Getreidebrei.
Danach dreht er nochmal eine Runde entlang der Zelte und schaute, was die anderen Soldaten machten. Hier und da wurde vorbildlich die Ausrüstung gepflegt, woanders schienen sich die meisten schon zum Schlafen gelegt zu haben und vor anderen Feuern saßen noch fröhliche Runden. "Na, Jungs, gut gegessen, Ausrüstung in Ordnung, Schlafplätze gerichtet, Wachverteilung klar?" erkundigte er sich bei der Gruppe um Tacitus und warf einen prüfenden Blick auf die Dinge, die die Männer gerade in den Händen hielten.
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Kaum hatte er von dem Befehl erfahren, dass sich die Soldaten der Legion auf dem Exerzierplatz versammeln sollten, schnappte sich Priscus seinen Optiostab und schritt zur Tat. Laut rufend stapfte er den Gang vor den Stuben entlang und klopfte mit dem unteren Ende des Optiostabes gegen jeder Stubentür. "Fertigmachen zum Antreten auf dem Exerzierplatz! Sammeln in der Lagergasse! Und zwar sofort!"
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Es hatte dann doch lange gedauert, bis Priscus die erwartete Nachricht erhielt. Auch einem Schuster, der in der Legionswerkstatt arbeitete, konnte es nämlich passieren, dass er mal zu einem Auftrag außerhalb des Lagers geschickt wurde. Außerdem konnte es auch einem Schuster mal passieren, dass er krank wurde. Wenn beides zusammen kam, mussten die Soldaten eben besonders lange auf die Fertigstellung ihrer Aufträge warten.
Jetzt war es aber soweit und Priscus konnte seine neuen Caligae zum ersten Mal anziehen. Sofort spürte er den Unterschied zwischen dem alten, weich gewordenen und ausgeleiertem Leder seiner alten Caligae und dem frischen, festen, trockenem Leder des neuen Schuhwerks. "Hab' sie schonmal gefettet, aber eine zusätzliche Runde Öl können sie sicher gebrauchen", gab Marcus Matinius Matho Auskunft. Priscus nickte nur stumm, während er den ersten Riemen zu schnürte, denn nichts anderes hatte er erwartet. "Rechter Fuß passt schonmal prima" stellte er fest und wackelte ein wenig mit dem Fuß. Dann machte er sich an der anderen Seite zu schaffen. "Hm, da ist unten ein Knubbel", murmelte er, schnürte den Schuh aber trotzdem fertig und lief ein paar Schritte durch die Werkstatt. "Nein, stört doch nicht direkt." "Probier's mal ein bisschen aus und wenn dann noch was nicht passt, kommst du einfach wieder vorbei." "Einverstanden" antwortete Priscus und wackelte diesmal mit dem linken Fuss.
Die Männer regelten noch die Bezahlung, die der Optio zum Teil in Bar leistete und zum Teil auf seinen nächsten Sold anrechnen ließ, bevor er die alten Caligae in die Hand nahm und zufrieden die Werkstatt verließ. Noch fühlten sich die neuen Schuhe extrem steif an und die harten Riemen schnitten fast in den Fuß, aber das würde sich sicher in den nächsten Tagen legen.
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Der Optio war von diesem Aufruf ganz sicher nicht betroffen, hatte er doch schon viele Lager errichtet. Er wusste nicht, was der Centurio vor hatte, aber er nahm an, dass die Neuen eine kleine Extralektion bekommen sollten. Um dabei niemandem vorzugreifen kümmerte sich Priscus daher erst einmal ohne Eile darum, dass die Traggtiere an der richtigen Stelle Halt machten und ein paar Soldaten den Platz gegen überraschende Angriffe sicherten. Selbst wenn es nur ein Übungsmarsch auf friedlichem Gebiet war, gehörten solche Maßnahmen einfach dazu. Sonst vergaß man sie später auch in Feindesland und das konnte tödlich sein, wusste er nur zu gut.
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Das einen oder andere Lied mitsingend marschierte Priscus mit seiner Centurie mit und machte weiterhin den routinierten Gesichtsausdruck, den er schon beim Antreten gemacht hatte. Die meisten Beobachter hätten wohl auch sagen können, dass er gelangweilt oder desinteressiert aussah, aber dafür kannten sie den Optio eben zu schlecht. Wirklich fröhlich und lachend sah man ihn ohnehin selten genug, warum sollte er die Freude über den kleinen Ausflug im Spätsommer also ausgerechnet jetzt zur Schau stellen.
Von den jugen Rekruten vor ihm schien bislang keiner Probleme mit dem Tragen des Gepäcks zu haben, was schon eine ganz ordentliche Leistung war. Schließlich hatte es auch bei diesem Übungsmarsch keine Erleichtungen gegeben und so wie er übermütige Rekruten gewohnt war, hatten einige sich vermutlich extra viel aufgeladen, um sich oder ihren Kameraden etwas zu beweisen oder einfach nur, weil sie die Belastungen eines Marsches unterschützt hatten. Wenn sie damit durchhielte war das umso besser, ansonsten würde sie sich noch früh genug ärgern, so dass der Optio keine Notwendigkeite gesehen hatte, sich jetzt schon einzumischen.
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Das ganze Tamtam des Sammelns, Aufstellens und der kleinen Rede hatte Priscus ziemlich gelassen über sich ergehen lassen. Er gehörte nicht zu den angesprochenen Soldaten, die zum ersten Mal auf einen Übungsmarsch gingen, sondern hatte die ganze Prozedur schon ziemlich oft erlebt. Seine Gedanken waren daher eher woanders. Insbesondere ärgerte er sich darüber, dass seine neuen Caligae, die er beim Schuster bestellt hatte, immer noch nicht fertig waren, was angeblich daran lag, dass der Schuster Durchfall bekommen hatte und sie erst in ein paar Tagen würde fertigstellen können. Andererseits war es vielleicht ganz gut, mit neuen Schuhen nicht gleich auf einen Marsch zu gehen.
Auf das Signal hin schulterte der Optio sein Marschgepäck und legte das Pilum auch gleich mit der Tragestange über die Schulter, so dass er die andere Hand frei hatte, falls er noch das eine oder andere Handzeichen in Richtung seines Centurio oder der Maultiertreiber geben musste, um für den reibungslosen Abmarsch zu sorgen.
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Als Tagesbefehl dienstfrei verordnet zu bekommen war eine sehr angenehme Abwechslung, zumal den Optio die Ankündigung eines Übungsmarsches nicht weiter schockierte. Solche Märsche standen schließlich regelmäßig an, um die Männer in Form zu halten. Schnell überlegte er, wie er den unerwarteten freien Tag am besten nutzen konnte.
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Priscus konnte nicht genau bestimmen woran es lag, aber die Bitte des Legatus sich zu Tisch zu begeben, klang für ihn durchaus wie ein Befehl. So schweigsam wie er der ganzen Veranstaltung bisher gefolgt war, folgte der Optio nun auch seinem Centurio und fand schließlich seinen Platz auf einem der unwichtigeren Plätze.
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Die Tafel, die ihm gereicht wurde, legte der Medicus erst einmal auf den Tisch, denn auf ihr hatte er nur den abschließenden Befund zu notieren. Aber der neue Rekrut schien wirklich mit keiner Prüfung Probleme zu haben und meisterte auch den Lesetest. "Sehr schön, einwandfrei. Weißt du, viele fragen sich was das soll. Aber ein Legionär muss nunmal gute Augen haben. Stell dir vor, du stehst auf dem Schlachtfeld und siehst dein Feldzeichen plötzlich nicht mehr. Oder du machst Wache und siehst nicht, wie jemand durchs Vorfeld schleicht. Kann alles passieren. Ob du lesen kannst, darauf kommt's gar nicht so sehr an. Scharfe Augen sind viel wichtiger."
Nach dem einen oder anderen weiteren Test beendete er die Untersuchung und Ggriff zur offiziellen Meldetafel. "Tauglich", stellte er fest während er notierte und reichte sie dem Rekruten zurück. "Du weißt, wo du jetzt hin musst?"
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Nach ein paar Atemzügen nahm der Medicus seine Hände wieder weg, wischte sie an einem Leinentuch ab und widmete sich erneut der Wachstafel. "Kräftige Atemzüge, keine Auffälligkeiten. Ich hatte hier im Sommer schon Leute stehen mit so viel Schleim an der falschen Stelle, dass die nicht mal mehr was gerochen haben. Hat man ja eigentlich nur im Winter. Kannst dich wieder anziehen."
Während sich der junge Mann wieder ankleidete, begab sich Scissus zum anderen Ende des Raumes, wo eine größere Tafel an der Wand angelehnt war. Diese hob er hoch. "Was kannst du hiervon lesen? Falls du überhaupt lesen kannst."
L E G E R E
P O T E S
P RO B [SIZE=7]A[/SIZE] [SIZE=6]T[/SIZE] [SIZE=5]E[/SIZE]
[SIZE=4]G R A T U L A T I O[/SIZE]
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"Nicht übel, kannst aufhören", sagte der Medicus und griff zu einer Wachstafel, um eine Notiz zu machen. Dann wandte er sich wieder dem jungen Mann zu. "Zieh' mal deine Tunika aus!" forderte er ihn dann auf und legte danach je eine flache Hand auf Brust und Rücken des Mannes. "Kräftig einatmen und ausatmen, bitte."
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"Ah, eine Tauglichkeitsprüfung. Sehr schön", stellte Scissus fest, ohne zu erklären, was er daran so besonders schön fand. "Dann macht du erstmal ein paar Liegestützen, ich schaue dir dabei zu und du erzählst mir dabei, ob du schonmal Krankheiten oder Knochenbrüche hattest." Liegestützen konnte schließlich jeder mehr oder weniger gut, aber dabei zu reden testete die Kondition gleich viel besser.
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Heute schob wieder einmal Scissus Dienst im Büro für die Erstaufnahme, der Medicus mit dem breiten Grinsen und dem Schnitt im Ohr, das ihm seinen Rufnamen bescherte. "Reinkommen!" tönte es daher von anderen Seite der Tür und der Medicus war gespannt, ob es sich um einen verletzten Soldaten, einen neuen Rekruten, eine neugierigen Vorgesetzten oder einen überraschenden Besucher handeln würde.
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Beim ersten Schuß beteiligte sich Priscus selber, da er auch in einem solchen Moment wenig Angst vor den Gefahren eines solchen Geschützes hatte. Er wusste, was ihm bei einem weiteren Defekt passieren konnte, aber er wusste auch, dass man deswegen nicht auf den Umgang mit Geschützen verzichten konnte. Außerdem trug er ja wie alle Soldaten in der Übung seine Rüstung und seinen Helm.
Der Schuß verlief dann auch problemlos und das Geschütz schien keinen ernsthaften weiteren Schaden genommen zu haben, der zu erkennen gewesen wäre. Der Optio beobachtete noch die nächsten beiden Schüsse und kehrte dann zu seinen Rekruten zurück. Ein Soldat machte gleichzeitig dem Centurio Meldung.
"Centurio, das Geschütz wurde provisorisch repariert und ist wieder einsatzbereit."
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"Knotet das neue Seil erstmal so an die Öse im Schlitten an", ordnete Priscus an. "Den Haken aus dem alten Seil herauslösen und in das neue einnähen machen wir später." Für eine Feldreparatur würde das zu lange dauern und außerdem hatten sie weder Nadel noch Faden da.
Anschließend konnten mit einem Seil als Hilfssehne die beiden Spannarme zusammengezogen werden, um die beschädigte Sehne zu entfernen und die neue einzusetzen. "Na, also, sieht wieder aus wie neu. Mal schauen, ob alles hält."
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Zufrieden beobachtete Priscus, wie die Rekruten nun etwas motivierter ans Werk gingen und ihnen dann auch gleich ein weiterer Treffer gelang. "Gut so, Rollen tauschen, damit der nächste mal zielen darf. Und dann weitermachen."
Inzwischen waren an dem beschädigten Geschütz die angeforderten Ersatzteile angekommen und Priscus' Einsatz war dort wieder gefragt, so dass er die Rekruten eine Weile alleine lassen musste. Das gerissene Seil konnte mit dem Werkzeug von der Rolle entfernt werden und ebenso konnte das neue befestigt werden. Damit war ein Teil der Reparatur schon einmal gelungen.
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"Siehst du, so einfach kann das sein. Wenn man links dran vorbei schießt, zielt man beim nächsten Mal eben weiter nach rechts. Und umgekehrt!" Priscus strahlte dabei über das ganze Gesicht, als wenn ihn diese banale Erkenntis tatsächlich unglaublich glücklich machen würde. "Dann macht das doch gleich mal. Selbe Aufgabenverteilung, du zielst wieder. Wenn du eingeschossen bist wird gewechselt, damit die anderen auch mal zielen."
Während die Rekruten wieder am Geschütz in Aktion traten, schaute der Optio hinüber zum kaputten Geschütz, ob dort inzwischen die angeforderten Ersatzteile eintrafen.
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"Nicht so hastig", mahnte Priscus. "Es reicht, wenn der Bolzen schnell fliegt, ihr könnt euch erstmal mehr Zeit lassen."
Er trat näher an das Geschütz heran und ging dahinter leicht in die Knie, um über den Schlitten hinweg nach vorne das Ziel anzupeilen. "Schau her, ihr habt ja schonmal getroffen. Eigentlich ist es ganz einfach: man macht den ersten Schuß ungefähr in die richtige Richtung und schaut, wo er aufschlägt. Außerdem merkt man sich, welchen Punkt man anvisiert hat. Wenn man dann drei Schritt zu weit links gelandet ist, visiert man beim nächsten Mal einen Punkt drei Schritte weiter rechts an. Ist logisch, oder?" Sein fragender Blick ging in die Runde. "Dann schaut mal alle hier entlang. Jetzt habt ihr daneben geschossen. Wohin zielt ihr also beim nächsten Mal?"
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Endlich kam heraus, warum sie eingeladen worden waren und Priscus wäre sich auch ziemlich veralbert vorgekommen, wenn der Legatus es auch nicht gewusst hätte. Die Vorstellung der Schwester quittierte er mit einem korrekten Gruß, denn einerseits gehörte sich das so und andererseits hatte er ziemlich wenig davon, die Schwester des Legaten zu kennen und außerdem war sie ja auch nicht der Anlass des Zusammentreffens. Bemerkenswerter erschien es ihm da schon, dass der Legatus offenbar auch die rangniedrigeren Soldaten namentlich vorstellen konnte. Vielleicht war er deswegen verspätet gekommen, um die Namen auswendig zu lernen.
Dann folgte er dem Vorbild des Tribuns und erhob ebenfalls sein Trinkgefäß, um dem offenbar frisch ernannten Tribun der Praetorianer zuzuprosten und ihm alles Gute zu wünschen.