Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Die ersten Tage nach der Schlacht waren hart für Priscus gewesen, aber er hatte sich durchgebissen. Die Wunden hatten aufgehört zu bluten, nur noch seine rechte Hand war weiterhin dick in Binden eingepackt. Ein Schwert konnte er damit nicht halten. Das, was er jetzt bei sich trug, war vorher auch nicht seines gewesen, aber es passte in seine Scheide und das war die Hauptsache. Ein Kamerad hatte ihm geholfen, seinen Namen einzuschlagen, jetzt war es seins. Wer auch immer es auf dem Schlachtfeld verloren hatte, hatte entweder wie Priscus inzwischen ein anderes gefunden oder würde es, wie so viele Kameraden aus der zehnten Legion, nicht mehr brauchen.


    Auch bei den Kameraden wurden die Verletzungen und der Umgang damit Routine. Der Optio fand es nicht einmal schlecht, denn es trainierte und erweiterte die Fähigkeiten der Männer. Man half sich noch mehr als sonst und entdeckte ungeahnte Talente, wenn man plötzlich einhändig oder einbeinig eine Arbeit ausführen musste, weil der zweite Arm oder das zweite Bein außer Gefecht gesetzt war.

    Priscus hatte gar nicht richtig mitbekommen, wann es von einem Angriff in eine Schlacht und dann in einen Rückzug übergegangen war. Irgendwann hatten ihre Reihen alle Kämpfer der Legio X aufgesogen, irgendwann kamen Kommandos, dass sie einen Rückzug decken sollten und irgendwann hatte es Priscus dann doch noch ziemlich hefig erwischt, so dass er den Rest des Tages und die Nacht nur noch wenig aufnahmefähig im Valetudinarium und dann in seinem Zelt verbrachte. Immerhin, jetzt waren sie nicht mehr die am sträksten geschwächte Einheit und der harte Kampf am Fluß schweißte zusammen, so dass die routinierten Abläufe auch mal ohne ihn auskommen konnten, während er seine Kräfte sammelte und seine Wunden spürbar pulsierten.

    Zitat

    Original von Faustus Decimus Serapio
    "Gute Nacht Optio", wobei ich ihm scheu zulächelte.


    "Gute Nacht" antwortete Priscus ohne einen Anflug von Lächeln und ohne das Lächeln auf dem Gesicht des Soldaten überhaupt bemerkt zu haben. Die Männer abends ins Bett zu schicken war Routine und die letzte Handlung des Tages, gegebenenfalls kam später noch die Kontrolle der nächtlichen Wachen hinzu. Auch im Marschlager wollte der Optio keinen feierlichen Akt daraus machen, zumal die Männer hier im Feld den Schlaf noch nötiger hatten als im Standlager. Und er selber auch.

    Das was von der zehnten Legion noch übrig war, als die Legio I eintraf schien Priscus ein ziemlich kläglicher Rest zu sein. Überall auf den Boden lagen Verletzte und Tote, über die er und seine Kameraden hinweg laufen mussten, um die den Überlebenden zu kommen, denen sie helfen sollten. Immerhin konnten die parthischen Reiter jetzt auch nicht mehr so schwungvoll Anlauf nehmen, um in ihre Reihen einzubrechen, was den Optio sogar ein wenig beruhigte. Aber das Bild war auch so schrecklich genug. Und dabei wusste er noch nicht einmal, was sich hinter ihnen abgespielt hatte, also eigentlich weiter vorne, aber das mit den Richtungen ging heute sowieso schon den ganzen Tag durcheinander.

    Die Enge zwischen Fluß und Berg, zwischen Feuer und Wasser und zwischen Kameraden und Feinden ließ auch Priscus nicht viel Raum um sich heurm. Dicht gedrängt versuchten, die Soldaten auf die Parther einzustürmen, die sich ihnen entgegen warfen. So gut es ging setzten sie ihre Pila ein, doch auf die kurze Distanz und ohne viel ausholen zu können war der Effekt eines Wurfes nicht sonderlich atemberaubend. Als Stangenwaffen gegen die Reiter waren sie da schon wesentlich nützlicher, aber das auch nur für die vordern Soldaten.


    "Dicht aufschließen!" wiederholte Priscus etwas weiter hinten den Befehl, den vorne der Centurio gegeben hatte. Sein Schwert hatte er gezogen, ohne dass er es derzeit einsetzen konnte. Mit seinem Schild drängte er die Kameraden vor sich nach vorne, damit sie von den Parthern nicht zurück gedrängt wurden.

    Noch hatte kein offizieller Befehl die Centurie erreicht, aber nachdem der Durchbruch an der Feuerfront geschafft war, war es Priscus relativ klar, dass sie nun zum Kampf vorrücken sollten.


    "Centurie sammeln!" brüllte er und war vom vielen Qualm schon wieder etwas heiser. "Verletzte melden sich jetzt oder gar nicht! Durchzählen! Irgendwelche Vermissten?" Auch wenn die Situation nicht völlig unübersichtlich war, konnte im Gedränge zwischen Feuer, Qualm, Fluss, Berghang und anderen Centurien schneller ein Mann verloren gehen als gedacht. "Waffen aufnehmen!" Während der Löscharbeiten waren Schilde und Speere schließlich beiseite gelegt worden und mussten nun wieder auf die Männer verteilt werden.

    Wenn man Priscus nach seiner Meinung gefragt hätte, dann hätte er sich nicht entscheiden können, ob er lieber nutzlos und kampfbereit auf einer Straße herumstand, ohne zu wissen wo der Feind war oder gegen eine Feuerwand kämpfte. In beiden Fällen wäre es ihm wesentlich lieber gewesen, diese verlausten Parther würden sich einfach selber dem Kampf stellen. Aber einen einfachen Optio fragte zum Glück ohnehin keiner nach seiner Meinung, so dass er einfach seinen Pflichten nachkommen konnte. Wenn sein Centurio schon selber mit anpackte, dann bestanden diese darin, ebenfalls mit anzupacken und dafür zu sorgen, dass das Feuer so schnell wie möglich gelöscht war und dabei keiner der eigenen Männer zu schaden kam.


    Nahe am Feuer war es so heiß, dass man dem Wasser beim verdampfen zuschauen konnte und in ihren Rüstungen war den Männern kaum weniger warm. Der Schweiß verdunstete sofort und auch wenn die Männer sich mit Wasser übergossen konnten sie nicht verhindern, dass früher oder später die freiliegende Körperbehaarung an Armen und Beinen versengt war. Ruß kam hinzu und verklebte die Augen, so dass sich die Männer immer wieder gegenseitig Wasser ins Gesicht kippen mussten, um überhaupt noch etwas zu sehen. Und selbst dann verhinderte meistens der Qualm, dass sie sehen konnten, was sich auf der anderen Seite der Feuerwand tat.

    Manche Berichte seiner Kameraden klangen in den Ohren von Priscus mehr als seltsam. Studienreisen und erst Recht grundloses Herumreisen durch die Gegend waren ihm fremd und er konnte damit nichts anfangen. "Was für Studien denn?", fragte er daher, eher halbherzig interessiert. Fast alles, was er heute konnte, hatte er bei der Armee gelernt. Und die Armee verreiste nicht, sie wurde eingesetzt oder verlegt, weil man sie brauchte.

    "Wir halten unsere Position!" ermahnte Priscus die Männer, als sie wegen des Rauches unruhig wurden. Erklären konnte er sich nicht, was dort hinten los war, aber er war lange genug Soldat, um sich davon nicht verwirren zu lassen. Bei einer Marschkolonne von vielen 1000 Schritt Länge konnte so viel passieren, da konnte man sich gar nicht um alles kümmern. Wenn es Probleme gab, würden sie schon Befehle erhalten. Der Centurio schien auch entwas unschlüssig zu sein, was nun zu tun sei, so dass Priscus sich darauf beschränkte, die unruhigen Männer zu beruhigen, immer wieder den Hang hinauf zu schauen und sich beim Capsarius nach den Verletzten zu erkundigen.

    Gerade hatte Priscus noch gehofft, es wäre nur einer der üblichen Überfälle und würde bald weiter gehen, da kam das Signal, dass wieder alle Männer kampfbereit sein sollten. "Ad arma!" wiederholte er den Befehl, damit ihn auch jeder mit bekam. Ein wenig ratlos war er trotzdem, den außer den Bogenschützen war niemand zu sehen und um die kümmerten sich ja schon die Reiter.


    "Auf's Signum achten und Reihen zusammenhalten! Zwei Reihen! Eine links vom Weg und eine rechts vom Weg!" Das war alles nichts neues, aber es gab Sicherheit, wenn man wusste, dass man die Befehle schon umgesetzt hatte. Immer wieder wanderte dabei der Blick des Optio die Umgebung entlang, um nach Bedrohungen zu suchen.

    Aufrecht, den Blick geradeaus und jeden Muskel des Körpers leicht angespannt, nahm Priscus die Auszeichnung entgegen. Viele Jahre war er schon bei der Legion, lange Optio, eine Phalera hatte er erhalten und jetzt gab es hier aus der Hand des Kaisers Armillae. Auch nach den Worten des Imperators war er nicht überzeugt, dass er wirklich außergewöhnliches geleistet hätte. Er hatte nicht mehr getan, als von einem Optio erwartet wurde.


    "Imperator, danke, Imperator!", war das Einzige, was ihm als Erwiderung einfiel.

    Priscus war noch nicht so weit gereist wie offenbar einige seiner Kameraden. Stumm schüttelte er daher den Kopf, als die Sprache auf andere Provinzen kam. Er fragte sich, ob in Achaia überhaupt eine Legion stand. Das wusste er nämlich nicht. "In Achaia gibt es für Soldaten nicht viel zu tun, glaube ich, oder? Germania und Aegyptus? Wer weiß, wohin wir stationiert werden, wenn wir das hier hinter uns haben?" Vielleicht gab es ja Beförderungen zu anderen Einheiten oder Legionen mussten länger hier bleiben, um eine neue Provinz zu sichern.

    Froh darüber, dass die Einheit nicht den Berg hinauf geschickt wurde, nahm Priscus den Befehl des Centurio entgegen. Die Reiterei würde ihr Sache sicher gut machen und den Beschuß bald beenden.


    "Die äußeren Männer bleiben im Schildwall, die anderen sortieren das Gepäck wieder zu seinen Besitzern. Trossknechte, bringt die Tiere wieder auf die Reihe! Capsarius, wie viele Verletzte haben wir?", versuchte der Optio erst einmal zu sortieren. Immerhin hatte der Centurio nur etwas von Vorbereiten gesagt. Während der die Reihe entlang lief, schaute er immer wieder nach oben auf den Hang in die eine oder andere Richtung, um die Vorgänge dort im Auge zu behalten und keinen Pfeil abzubekommen.

    Als sein Name aufgerufen wurde, traf es Priscus eher unerwartet. Er war sich nicht bewusst, etwas besonders großartiges vollbracht zu haben. Die Hälfte der Schlacht hatte er mehr oder minder heiser nicht einmal bei seiner Einheit verbracht. Aber irgendwem musste es wohl so gefallen haben.


    Er trat nach vorne und marschierte hinter seinem Centurio her bis zum Kaiser, wo er wie die anderen salutierte und auf den weiteren Fortgang der Ehrung wartete. Seine Rüstung hatte er noch gereinigt gehabt, wie er es immer tat, wenn eine Parade angekündigt war, so dass man kaum Spuren eines Feldzuges an ihm erkennen konnte.

    Priscus prostete seinen Kameraden ebenfalls zu, auch wenn er es ein wenig seltsam fand, auf einer Beförderungsfeier auf die toten Kameraden zu trinken. Ganz so, als wollte man sich bei ihnen Bedanken, dass sie jetzt weg sind und ihre Posten frei wurden. Aber so war das wohl sicher nicht gemeint. "Auf dass wir unseren gefallenen Kameraden Ehre machen, wenn wir ihre Plätze einnehmen!" lautete daher seine Interpretation des Trinkspruches.


    Dass die Iulier selber offenbar erstmal ihre Familiengeschichte sortieren mussten, amüsierte ihn dagegen sehr. Schweigend und nicht allzu auffällig verfolgte er die lustigen Gespräche, die Licht ins Dunkel der familiären Vergangenheiten bringen sollten.

    Dass der Legatus beim morgentlichen Ausritt verloren ging, fand Priscus alles andere als toll. Er hatte zwar schon mehrere Kommandowechsel erlebt und meistens hatte sich für die einfachen Soldaten sowieso nichts geändert, aber im Feld einen neuen Kommandeur zu bekommen, ohne dass man den alten bestatten musste, war schon blöd.


    "Auf die Prima! Für unseren Imperator!" stimmte er dann aber natürlich trotzdem mit ein, als der neue Legat seine Rede beendet hatte.

    In gleichmäßigem Schritt war die Legion den Weg entlang getrottet und Priscus war dabei auf seiner Position am Ende der zweiten Centurie gewesen. Der Pfeilhagel setzte unerwartet ein, auch wenn es häufiger solche Überfälle gegeben hatte. Das Abwerfen des Gepäcks war dadurch zur Routine geworden und auch um ihn herum schepperte es laut, als weitere Gepäckbündel zu Boden gingen.


    "Schildeckung!" brüllte er, bevor er selber die Schnallen des Tragegurtes löste, um den Schild vom Rücken nehmen zu können. Die Mühe, den Gurt dann erst völlig vom Schild zu lösen und die lederne Hülle abzuziehen, machte er sich nicht. In der Eile war auch gar keine Zeit dazu und andere Dinge waren wichtiger. Der Helm zum Beispiel, der wie auf dem Marsch üblich nur vor seinem Bauch hing.


    "Helme auf!" erinnerte er daher auch seine Kameraden, während der selber schon hinter seinem Schild kniete und mit dem Kopfschutz beschäftigt war. "Linien zu beiden Seiten!" kommandierte er dann, weil vom Centurio nichts gegenteiliges zu hören war. Das Signum war noch aufrecht sichtbar und vom Cornicen waren auch keine besonderen Befehle zu hören. Solange es keine Orientierung gab, wie auf den Angriff zu reagieren war, mussten sie wohl erstmal die Stellung halten.