Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Als wenn er es voraus gesehen hätte, tauchte noch während der Diskussion um die weibliche Begleitung des Tribunen eine Frau bei der Gruppe auf, die sich als eben diese Person herausstellte. "Ich weiß nicht, ob sie verheiratet sind", hatte er vorher noch auf die zugehörige Frage geantwortet und sich dann über die Verhältnisse aufklären lassen. "Mir ist es nämlich auch egal", grinste er weiter. "Wenn ein Mann Beute vom Feldzug mitbringt, dann sprechen die Frauen auch gerne von Mitbringseln. Da nenne ich es eben Mitbringsel, wenn ein Mann eine Frau zum Feldzug mitbringt."


    Soweit er das Gespräch dann weiter mitbekam, hatte auch die Iulierin keine Ahnung, wie sie mit dem neuen Signifer verwandt war. Wieder einmal war Priscus froh, kaum Kontakt zu seiner Familie zu haben, so dass nicht plötzlich unbekannte Verwandte bei ihm auftauchen konnten.

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Sparsus
    Sparsus nahm den Geruch des Kuchens auf wurde dann jedoch vom Tribun in seinen Bestrebungen unterbrochen. Er grüßte seinen pater familias militärisch korrekt und sah, mehr zufällig, das verdutze Gesicht seines Optio.


    "Was ist denn los Optio? Siehst etwas erschrocken aus."


    Nach einem weiteren Schluck Wein verschwand der überraschte Gesichtsausdruck wieder aus dem Gesicht des Optio. "Ach, nichts. Ich wundere mich nur, dass hier wirklich jeder Iulier miteinander verwandt ist. Kommt gleich auch noch das weibliche Mitbringsel von Tribun Vitamalacus vorbei zum Gratulieren, weil sie auch mit euch verwandt ist?" Herausfordernd, aber weiterhin respektvoll war sein Tonfall, rechnete er inzwischen doch mit allem.

    Kaum hatte Priscus die Sache mit der Verwandtschaft ausgesprochen gehabt, gesellte sich der Tribun der Legionsreiterei zu der Gruppe. Wie sich herausstellte, war auch er mit dem neuen Signifer verwandt. "Diese Iulier sind tatsächliche alle miteinander verwandt", murmelte der Optio etwas erstaunt. "Ich wusste gar nicht, dass die Legion hier so ein Familienbetrieb ist."

    Bei den Verhandlungen schien sich etwas zu tun. "Jungs, es gibt Abwechslung", raunte der Optio seinen Männern zu, als sich die seltsamen Wagen mit den Orientalen wieder in Bewegung setzten. Schon vorher hatte sie das Spektakel am Tor etwas in Unruhe versetzt und es hätte sie nicht gewundert, wenn irgendwer einen Einsatz befohlen hätte. Wer jetzt wohl die toten Pferde da weg räumte, damit die Wagen der Männer wieder passieren konnten?

    Zitat

    Original von Marcus Iulius Licinus
    "Oh, das ist kein Wunder, optio Priscus, da ich nur ein Onkel zweiten Grades von Sparsus bin. Wir haben uns nach langer Zeit durch Zufall im Rekrutierungsbüro wiedergesehn.
    Das Schicksal spielt manchmal wunderliche Spiele."
    antwortete Licinus freundlich, so guter Stimmung war er seid der Abreise aus zeugma nicht mehr gewesen.


    "Man begegnet ja auch überall jemandem, der Iulius heißt, wer soll denn da schon den Überblick behalten", lachte Priscus. "Ich bin froh, von meiner Familie nicht allzu viel zu sehen und nicht so einen Allerweltsnamen zu haben. Auf die Iulier, mal sehen, wann sie sämtliche Feldzeichenträger der Legion stellen!" Er erhob sein Trinkgefäß und auch der Signifer der zweiten Centurie tat es, auch wenn er damit ja eigentlich gut gelaunt auf seinen eigenen Abschied prostete, denn er war kein Iulier.


    "Miles Decimus Serapio", mischte sich der Optio dann woanders mit strenger Stimme ein, "wenn du das nächste Mal Honigkuchen backen oder besorgen gehst, meldest du dich gefälligst vorher bei mir, dann bestelle ich nämlich eine größere Menge für mich mit!" Und nach einem kurzen Augenblick mit strengem Blick fügte er mit schiefem Grinsen und einem Nicken ein "Gut gemacht!" hinterher. Mitten im Kriegsgebiet Honigkuchen zu organisieren war wahrlich keine schlechte Sache. Vielleicht konnte man den Mann häufiger einsetzen, wenn es irgendetwas ausgefallenes zu beschaffen galt.

    Natürlich hatten der Optio und der Signifer der zweiten Centurie ihre Trinkgefäße dabei und kamen der Einladung gerne nach. Auf einem Feldzug sollte man die Gelegenheit zum Trinken auf keinen Fall auslassen.


    Ein überraschtes Lachen war später beim Eintreffen weiterer Soldaten und der Begrüßung zu vernehmen. "Onkelchen? So eng verwandt seht ihr gar nicht aus."

    Der halbierte Haufen der zweiten Centurie hatte sich in Edessa vollständig neu organisieren können und lief wieder in geordneter Marschformation. Die neuen Zeltgemeinschaften hatten sich eingespielt, unnötiges Material war untergebracht und die ersten Leichtverletzten hatten die Verbände ablegen können und trugen wieder ihr volles Marschgepäck. Wieder schien es tagelang nur durch die Sonne zu gehen und immer wieder ließen sich die Parther blicken und verschwanden wieder, wie es ihnen beliebte. Priscus hatte das Gefühl, dass sich der Krieg so noch sehr lange hinziehen konnte und hoffte darauf, dass es bald wieder eine klare Schlacht geben würde.

    Dass Verhandlungen mit Orientalen sich ein wenig in die Länge ziehen können, hatte im Lager schon früher die Runde gemacht. Jetzt waren sie also mehr oder weniger hautnah dabei und wenn Priscus eherlich war, dann fand er so eine Verhandlung ziemlich langweilig. Er hatte nichts anderes erwartet, aber sich auch nicht bewusst auf diesen Moment vorbereitet. In Gedanken malte er sich aus, was man mit dieser Zeit alles anfangen könnte. Würfel spielen, baden gehen, Rekruten hetzen und einiges mehr. All die schönen Dinge, die vom Alltag ablenkten und für die sie hoffentlich am Abend ein wenig Zeit und Gelegenheit haben würde. Doch auch hier rechnete er nicht damit, dass Edessa eine Möglichkeit bieten könnte, wie sich tausende Soldaten vergnügen konnten.

    Priscus bekam bei den Zelten der zweiten Centurie nur am Rande mit, wie einige Soldaten der Einheit irgendwo hin gerufen wurden. Kein ungewöhnlicher Vorgang, schließlich gab es immer irgendwo Sonderaufgaben. Der Optio schaute nur kurz, welche Männer gingen und kümmerte sich dann wieder um andere Angelegenheiten. Die Verluste der ersten Kohorte auf dem Schlachtfeld hatten die Mannstärke deutlich verringert und um einen geregelten Ablauf des Lagerbetriebes weiter zu ermöglichen, war es notwendig, Männer neu in Contubernien zusammen zu stellen. Häufig hatten die Männer das schon selber getan und Priscus musste nur die neue Gruppeneinteilung abfragen und notieren. Auch Ausrüstung wechselte dabei die Zuordnung und ein paar Materialverluste aus dem nächtlichen Überfall konnten so ausgeglichen werden. Vor allem Zelte standen nun leer, deren Aufbau man sich ab sofort sparen konnte.

    Trotz Sonnenschein und Sterngefunkel - im Tunnel ist es immer dunkel.
    Trotz Schlachtenlärm und Schwerterhacken - am Morgen muss der Miles kacken.


    Die Schlacht hatte auch auf den Latrinen ihre Spuren hinterlassen. Die Gruben waren eiliger und unsauberer ausgehoben als sonst und nicht so tief. Alles hatte schneller gehen müssen als sonst, alle waren müde gewesen. Schon auf dem Schlachtfeld hatte sich die Anspannung in dünnflüssiger brauner Form über den Boden verteilt und nicht alle hatten es bis zur Latrine halten können. Dass manche dort dann mehr als die übliche Körperöffnung benutzt hatten, war ebenfalls zu erkennen. Am nächsten Morgen stank es jedenfalls mehr als normalerweise, als Priscus seinem Bedürfnis nachging, um sich nach einer unruhigen Nacht Erleichterung zu verschaffen.

    Irgendwo wurde es laut und Scissus blickte kurz auf. Eine Zivilisten schien sich mit einem Medicus anlegen zu wollen. Für kurze Zeit erschien sein breites Grinsen auf seinem Gesicht, während er die Szene verfolgte. Er hatte Frauen in seinem Leben nur selten widersprochen und wenn er es getan hatte, dann ohne Erfolg. Außerdem meinte er, die Frau schonmal an der Seite von einem der Tribune gesehen zu haben, dann konnte sie sich sowieso eine Menge erlauben. Zumal sie sich anscheinend um die Verletzten kümmern wollte, wo jede Hand gebraucht wurde. Auch die von Scissus, so dass er schon bald wieder den Kopf senkte, immernoch ein wenig grinsend, und sich dem nächsten Opfer zuwandte. Ein verschmierter Verband lag um seinen Kopf, offenbar war er schon gleich auf dem Feld verbunden worden. Vorsichtig wickelte Scissus das Tuch auseinander und begutachtete die darunter liegende Wunde. "Ah, halb so schlimm." Er verwies auf einen Sanitäter an seiner Seite. "Wunde reinigen und neu verbinden. Verband morgen wechseln. Nach drei Tagen Kopfschmerzen ist alles wieder in Ordnung. Nur Haare werden da keine mehr wachsen."


    Etwas weiter entfernt fiel ein Mann bewusstlos zu Boden. Zwei Sanitäter eilten zu ihm hin, um ihn zum nächsten freien Arzt zu schleppen.

    Erst der Marsch hierher nach Edessa hatte spürbar gemacht, wie stark die Verluste der ersten Kohorte gewesen waren, fand Priscus. Im Lager konnte man sich immer einreden, dass die vielen fehlenden Kameraden gerade im Zelt waren oder irgendwo anders. Auf dem Marsch sah man unweigerlich, dass die Kolonne kürzer war. Viel kürzer. Und das, obwohl Priscus relativ weit vorne marschierte und so nur die ersten beiden Centurien sah.


    Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte er den Auftritt einer parthischen Abordnung, die auf die Legion zu kaum. Er hatte keine große Lust, die ganze Zeit herumstehen zu müssen, während verhandelt wurde. Aber noch mussten sie zumindest kampfbereit bleiben und der Optio achtete darauf, dass keiner der Männer unaufmerksam wurde. Er wollte nicht noch mehr von ihnen verlieren.

    Priscus versuchte, die Verbrennung so gut es ging hinter sich zu bekommen, indem er das tat, was er meistens tat, nämlich für den reibungslosen Ablauf von irgendetwas sorgen. Als die Asche eingesammelt und in Urnen gefüllt wurde, ging er langsam von einem Scheiterhaufen zum nächsten, sprach vielleicht einige Worte mit den Soldaten und kontrollierte, ob die Urne ordentlich mit dem Namen des Verstorbenen beschriftet war. Wobei "Urne" diesmal ein sehr weit gefasster Begriff war, denn für die vielen Toten hatte man alles möglich hernehmen müssen, was wenigstens halbwegs den Zweck einer Urne erfüllte.

    "Beißholz." ... "Wasser." ... "Nicht zappeln!" ... "Binde. Schmal." ... Routiniert, die Augen immer auf die gerade behandelte Verletzung gerichtet, arbeitete Scissus die zu ihm gebrachten Verletzten ab. Gebrochene Nasenbeine, Platzwunden, eingerissene Ohren, abgebissene Zungen, das waren seine Sachen an diesem Tag. Nur selten blickte er dabei längere Zeit auf und dann auch nur, um die zahl der noch wartenden abzuschätzen oder auf eine Frage zu reagieren, mit der man ihn angesprochen hatte. "Blutendes Ohr? Ausspülen, da vorne hinsetzen und schauen, ob es weiter blutet. Nächster."

    Langsam schritten die Mäner voran, die ihre toten Kameraden zu den Scheiterhaufen trugen. Jeder hatte gute Freunde verloren, auch Priscus. Einem Kameraden hatte ein Arzt erst in höchster Eile ein Bein amputiert, um zu retten was zu retten war, doch es half nichts und der Mann verstarb trotzem. Unförmig sah die Leiche dadurch aus, das Bein war nicht wieder mit zum Lager der Einheit gekommen. Schweigend folgte Priscus der Rede des Centurio. Die Worte passten in den Augenblick, in dem es ohnehin nichts mehr zu sagen gab, fand er. Priscus war selten ein Freund vieler Worte gewesen und war es auch jetzt nicht. Er weinte auch nicht, sondern zündete nur schweigend seine Fackel an.

    Priscus kam gerade wieder von seiner Runde über den Verbandsplatz zurück, wo er noch einige Soldaten der zweiten Centurie aufgesammelt hatte, als ihm die neuen Anweisungen von Centurio Aristides überbracht wurden. "Weißt du schon, wo wir heute Nacht lagern werden?" erkundigte er sich beim Signifer, der ihm auch tatsächlich ungefähr Auskunft geben konnte. "Gut. Haben wir noch unseren Cornicen?" Der war bisher verschwunden. "Irgendjemand hier, der ein Cornu hat und benutzen kann?" Es fand sich jemand, der ein paar halbwegs hörbare Töne hervor brachte. So gut es ging und die Männer noch dazu in der Lage waren, teilte Priscus sie dann für verschiedene Arbeiten ein. Parthische Leichen zu tragen war noch halbwegs angenehm, versprach es doch Aussicht auf Beute. Ein paar Soldaten hatten schon beute gemacht, so dass Priscus sie losschickte, nach Schanzwerkzeug zu holen. Wieder andere ließ er Wasser für die Kameraden holen und die übrigen kümmerten sich darum, dass die herumliegenden toten Kameraden sorgfältiger beiseite geschafft wurden, als man das mit den Parthern tat.

    Das Bild war erdrückend, auch für einen altgedienten Soldaten. Fast so viele Tote wie Lebende, die sie bestatten wollten, aufgereiht nebeneinander. Viele Soldaten waren noch zu verletzt, um sich selber zu bewegen und konnten damit erst Recht keine toten Kameraden tragen. Priscus' eigenes Contubernium hatte drei Mann verloren, alles erfahrene Soldaten, mit denen er Jahre verbracht hatte. Einer war noch schwer verletzt und es war nicht klar, ob er überleben würde.


    Es würde ein großes Feuer werden und viel Asche geben. Auf die Frage des Centurio hin nickte der Optio. Er war bereit, sofern man für dieses Ereignis überhaupt bereit sein konnte.

    Irgendwo sah Priscus seinen Centurio vorbeilaufen, als er selber gerade beim Signifer stand. Der hatte also auch überlebt, das war schonmal gut. Aber dann war er auch schon wieder verschwunden. Wenn man den Worten des Tribun Glauben schenken konnte, hatte auch der Primus Pilus überlebt, so dass die Führungsspitze der ersten Kohorte noch halbwegs beisammen war. Priscus wies den Signifer an, weiter wie befohlen die Stellung zu halten und die Nachzügler vom Schlachtfeld in Empfang zu nehmen, während er sich selber auf den Weg zum Verbandsplatz machte, um dort nachzuschauen, ob schon Leute seiner Centurie dort eingetroffen waren. Er hoffte, schnell fündig zu werden, denn langwieriges Durchfragen würde seine Stimme ganz sicher nicht mehr aushalten.

    Scissus, der Arztsoldat, der im Standlager häufig die Musterungen machte, war schon seit Beginn der Schlacht auf dem Verbandsplatz zu finden gewesen. Die ersten Verletzungen konnten noch in Ruhe versorgt werden, dann wurde es voller und jetzt, als die Schlacht zu Ende ging, wurde der Platz regelrecht überschwemmt. Von Menschen und gelegentlich auch von Blut. "Gesichtsverletzungen hier her, Schnittwunden nach links!", versuchte der Medicus genauso wie seine Kollegen das Chaos ein wenig zu ordnen, damit er wenigsten immer ähnliche Fälle vor sich hatte, was die Sache etwas beschleunigte.


    Und schon wurde ihm der nächste Verletzte mehr oder weniger sanft vor die Füße geworfen. Der Helm fehlte, sein Kopf war ein einer Seite komplett rot. "Hörst du mich?" Der Soldat nickte schwach. "Siehst du mich?" Der Soldat nickte wieder, auch wenn er mit einem Auge definitiv nichts sehen konnte, so blutverklebt wie es war. "Kannst du den Mund bewegen?" Der Soldat schüttelte den Kopf. "Verdacht auf Kieferbruch", diagnostizierte Scissus emotionslos. Eine sehr ärgerliche Verletzung, konnte man dem Mann doch während der Behandlung kein Beißholz zwischen die Zähle stecken, damit er ruhiger wurde.