Die Latrine nahe des Osttores des Lagers hatte eine besondere, mehr als naheliegende zusätzliche Aufschrift erhalten:
Letzte Latrine vor der Grenze
Es ging doch nichts darüber, sein Geschäft auf heimatlichem Boden zu verrichten.
Die Latrine nahe des Osttores des Lagers hatte eine besondere, mehr als naheliegende zusätzliche Aufschrift erhalten:
Letzte Latrine vor der Grenze
Es ging doch nichts darüber, sein Geschäft auf heimatlichem Boden zu verrichten.
ZitatOriginal von Marcus Flavius Aristides
„Optio...“ [Noch ein kräftiges Husten] „...lies Du weiter vor!“
Prompt drückte Marcus seinem Stellvertreter die Rede des Kaisers in die Hand und legte die nun freie Hand auf den Rücken, um ein verlegenes Kratzen am Nacken zu vermeiden. Er war froh, daß er nicht noch weiter vorgelesen hatte, denn bei den zahlreichen Nebensätzen, schwierigen Satzkonstruktionen hätte er zwangsläufig sich noch sehr viel mehr verhaspelt.
Priscus blickte etwas verblüfft, als er weiter lesen sollte. Er hatte bisher nie den Eindruck gehabt, als wenn sich der Centurio vor so einem netten Anlass scheuen würde. Eilig kam er von seinem Platz nach vorne und griff zu der Abschrift. "Oha, eine lange Rede." Kurz blickte er nochmal auf und in die Reihen der Männer. Normalerweise machte er das ja nur, wenn es zum Exerzieren ging. Jetzt also eine Rede.
"In zwei Tagen werde ich dieses Heer, das sich hier versammelt hat, über den Euphrates führen und damit in Feindesland", begann er. "Osroes, der König der Parther, der von seinem Volk als König aller Könige bezeichnet wird, hat es gewagt, den Frieden unserer Grenzen zu stören. Roms Herrschaft endet nicht an einem Wasserlauf" - Priscus dreht sich kurz in Richtung Stadt und Fluss um. "Für alle Blindschleichen unter euch: er meint den Fluss da drüben!" Dann ging es weiter im Text. "Roms Herrschaft reichte darüber hinaus. Als Schutzmacht stand Rom ein für die Sicherheit von Armenia und Mepo... Mespo... Mesopato... Mesomano..." Mit zusammengekniffenen Augen blickte er auf die Abschrift. "Scheiß Schrift. Die andere Provinz hier eben, ihr wisst schon. Für die und Armenia, als starker Rückhalt der dort regierenden Könige, die Roms Treue zu schätzen wussten. Parthia meint diese Treue herausfordern zu müssen und unsere Grenzen und Kräfte zu testen. Ein billiger Versuch, an Roms Macht zu zweifeln, und ein Versuch, der durch euren Einsatz scheitern wird." Priscus war froh, nur vorlesen zu müssen und keiner von denen zu sein, die es mitschreiben oder abschreiben mussten. "Centurio, hat der Kaiser das eigentlich auswendig vorgetragen?"
Aber es musste weiter gehen. "Ihr werdet euch fragen, welche Interessen Rom in diese Wüste treiben. Welche Schätze es sind, die euch nun schon Tage durch Sonne und Staub marschieren ließen und es noch viele weitere Tage von euch verlangen werden." Innerlich fragte Priscus sich, ob er sich das wirklich schon gefragt hatte. "Ihr habt Recht, wenn ihr kaum saftige Wiesen seht, keine üppigen Felder, keine sprudelnden Quellen. Die Oliven wachsen weiter im Süden, die Pferde kommen aus Cappadocia und die Silberminen liegen in Cilicia. Und doch ist dies kein totes Land! Ihr seht die Straßen, über die wir gewzogen" Priscus grinste. "Ha, ein Schreibfehler. Blöder Schreiber." Sein Blick streifte den Tesserarius, der aber unschuldig war. "...über die wir gezogen sind und ihr seht die Menschen, die über diese Straßen ziehen. Rom ist die Herrin der Welt, die diese Straßen baut, um die Menschen zu erreichen. Straßen, auf denen die Menschen gerne ziehen und Rom als Dank ihre Schätze bringen. So wie das Wasser Rom nicht daran hindern konnte, nach Britannia überzusetzen, wird die Wüste Rom nicht daran hindern können, nach Osten vorzurücken." Noch nie zuvor hatte Priscus darüber nachgedacht, wie dicht ersaufen und verdursten beieinander liegen können. Der Kaiser war wirklich klug. "Wir haben die Götter befragt und sie haben diesen Weg gutgeheißen, denn Roms Interesse sind die Interessen der Welt und wir gehen hin, um sie zu vertreten. Die Herrscher von Armenia und Mesopotamia," Na also, ging doch, "die sich diesen Interessen angeschlossen haben, haben die Parther nicht gerufen, die nun ihre Städte besetzen. Jetzt ist es unser Auftrag, diese Interessen zu verteidigen." Wenn das mal nicht logisch war. Die Parther hatte keiner gerufen, also kamen die Römer. Ob die gerufen worden waren, war wohl egal.
"Unser Ziel wird nicht Armenia, sondern die anderen Provinz hier vorne sein." Mit dem Finger deutete Priscus hinter sich. "So wie hier, macht sich in Satala zur selben Zeit ein zweites Heer bereit, um Armenia zu durchqueren. Wenn Rom angegriffen wird, schlägt es mit doppelter Kraft zurück. Legionen werden marschieren, Auxiliare werden marschieren. Ihr seid nicht allein und tut es nicht für euch. Die Götter sind mit uns und wir tun es für Rom. Wie die zwei Schwingen des römischen Adlers werden die zwei Heerzüge über das Land fegen. Wie die zwei Gesichter des Gottes Ianus werden die Anfang und Ende zugleich sein. Das Ende parthischer Umtriebe und ein neuer Anfang im Osten. Wie die zwei Ströme, die dieses Land prägen, werden sie dem Land die römische Prägung geben, die es verdient hat." Priscus wusste bisher gar nicht, dass der Kaiser so eine poetische Ader hatte. Das hätte ja fast vom Praefectus Castrorum kommen können, dem man nachsagte, sein ganzes Haus voller Bücher mit Theaterstücken zu haben. "Ihr seid Krieger Roms, ihr seid Erhalter der Ordnung, ihr seid Boten der Kultur." Oha, ein Insider-Witz, den garantiert keiner verstand. "Ihr und eure Kameraden, die durch Armenia ziehen, werdet Osroes und seinen Prinzen zeigen, was römische Werte, römische Treue und römische Stärke sind." Priscus blickte mal wieder auf. Die Männer schienen durchaus motiviert zu werden durch die Rede. Sowas vorzulesen war zwar anstrengend, aber er konnte nicht bestreiten, dass er sie doch ganz gut fand.
Und weiter im Text. "Wir werden nicht leichtfertig sein. Wir werden nicht in den Nebel des Saubes und des Sandes stürmen, ohne den Weg und das Ziel zu kennen. Kein Parther braucht zu glauben, dass er im Vorteil wäre, weil er näher an seiner Heimat kämpft als wir. Roms Heimat ist die Welt. Eure Kameraden haben die Alpen überquert, die Sümpfe Belgicas überwunden, sind in Africa gelandet, haben das Dacische Hochland bezwungen. Sie haben Flotten versenkt, Heere vernichtet, Festungen genommen. Jede Niederlage hat Rom nur stärker gemacht, denn man macht gegen keinen Gegner zweimal denselben Fehler." Das musste der Mann gemeint haben, der ihm neulich von einem Crassus erzählte, der irgendwo hier von den Parthern vernichtend geschlagen worden war. Der Kaiser hatte das also nicht vor, sehr gut. "Stellt euch ein auf Hinterhalte, auf heimtückische Angriffe im trockenen Felsland, auf Reiter, die sich feige zurückziehen, alleine auf ihre Schnelligkeit setzend und sonst nichts. Stellt euch ein auf Festungen, die ihre Eigentümer für unbesiegbar halten und auf das Wasser, das sie an ihren Mauern herab gießen werden, um uns in der Trockenheit unserer Lager zu verhöhnen." Wieder blickte Priscus auf. "Ich hab's euch schon auf dem Exerzierplatz gesagt. Wer es immer noch nicht glaubt, jetzt habt ihr es von ganz oben. Ich will euch hier nicht tot vom Platz holen!" Einen Augenblick blickte er ernst, dann wieder auf die Abschrift. "Stellt euch darauf ein und ihr wissen, was euch erwartet und könnt es besiegen. Kein Schritt wird uns in unbekanntes Land führen. Die Gefahren mögen groß sein, doch wir werden uns ihnen stellen und wir werden siegreich sein." Daran hatte zumindest Priscus auch nie gezweifelt.
"Die Parther sind gekommen, um einen Krieg zu beginnen. Wir sind gekommen, um ihn zu führen und siegreich zu beenden." Na, das war doch mal ein Wort. "Ihr wurdet dafür ausgebildet, diesen Krieg zu führen. In unserem Heer werden Männer ziehen, die kurz vor ihrem ehrenvollen Abschied stehen und solche, die erst kurz vor dem Aufbruch zu uns gestoßen sind. Sie alle sind ein Heer, eine Kraft, eine Waffe." Wieder blickte der Optio auf, sagte aber nichts weiter dazu. "Die Adler und Feldzeichen mutig voran, die Centurionen als verlässliche und unzerstörbare Türme in der Schlacht, die Offiziere als kluge Lenker im Feld. Es macht mich nicht froh, ein Heer in die Schlacht führen zu müssen, aber es macht mich glücklich, dass ihr dieses Heer seid." Ein Lächeln schlich sich auf Priscus Gesicht und vertrieb die Anstrengung des Redens.
"Ich will uns siegen sehen! Ich will Rom siegen sehen!" Ah, das muss man einmal mit Betonung auf "uns" und einmal auf "Rom" lesen. "Und Rom wird uns siegen sehen!" Priscus ließ die Abschrift sinken. "Und, hat er Recht? Hat er verdammt nochmal Recht?
Rom wird uns siegen sehen!"
ZitatOriginal von Faustus Decimus Serapio
Wie genau sich das mit der Ziege zugetragen hatte, wusste ich auch nicht. Ich grinste verlegen und war froh, dass der Optio nicht weiter nachfragte. Dass er gleich an seine Kameraden mitdachte, fand ich sehr sympathisch, und ich lächelte erfreut als er zusagte.
"Oh, gut. So in einer halben Stunde müsste das Fleisch soweit sein. Dann bis später Optio Tallius."
"Bis später", antwortete Priscus und hatte so noch etwas Zeit, sich an den übrigen Essensvorbereitungen seiner Zeltgenossen zu beteiligen. Dann machte er sich auf den Weg zu dem Zelt, an dem es die gebratene Ziege geben sollte. Er nahm an, dass er nicht der einzige Eingeladene war. Wenn sich ein paar Leute mit Fleisch den Bauch voll schlugen, während die anderen den üblichen Brei außen, war das für die Stimmung der Truppe sicher nicht zuträglich. Zumindest für seine Leute würde er da auch was organisieren können und die anderen Zeltgemeinschaften waren vermutlich auch nicht unbedingt ungeschickter, auch wenn sie nicht direkt eingeladen waren.
"Salve, ihr Meisterköche", grüßte er bei seiner Ankunft. "Einen hübschen Braten habt ihr da aufgetrieben. Macht ihr das ab sofort jeden Tag?"
ZitatOriginal von Marcus Flavius Aristides
„optio, die Männer sollen antreten.“
Der Befehl kam für Priscus nicht ganz unerwartet und er rechnete damit, nun die Inhalte der Kaiserrede zu erfahren. Er stellte sich in die Mitte der Zeltreihe und rief mit lauter Stimme "Die ganze Centurie antreten!" Dann begab er sich an das Ende der Lagergasse und trieb alle Soldaten in Richtung Centurionenzelt, bis sie dort in ordentlicher Aufstellung versammelt waren.
ZitatOriginal von Faustus Decimus Serapio
"Mein Contubernium und ich, wir wollten, ähm, Dich höflich einladen, falls Du Dich später vielleicht zu uns gesellen magst.", sagte ich also in respektvollem Tonfall.
"Wir haben nämlich einen großen Ziegenbraten über dem Feuer, der wird bald fertig sein. Also, wir würden uns freuen wenn Du vielleicht Lust hast, mit uns zu essen, Optio."
Das war gar keine leichte Entscheidung für Priscus, denn einerseits freute ihn die Einladung, aber andererseits gehörte er eigentlich zu seinem eigenen Contubernium und hatte keinen Grund, nicht mit seinen Kameraden essen zu wollen. "Ziegenbraten? Da hat sich einer aber was einfallen lassen, was?" Dass man nicht so einfach an eine Ziege kam, war ihm ziemlich klar. Sein Blick wanderte zu seinen Kameraden, die wohl nichts abbekommen würden. "Tja, Freunde, da bleibt für euch wohl mehr vom Puls. Ich schaue mal, ob ich euch auch noch einen Happen organisieren kann." Er ließ die letzten Nüsse auf einen Holzteller fallen und blickte wieder den Probatus an. "Einladung angenommen. Ich bleib' nicht lange, nehme dafür aber umso mehr mit."
Während sich die Offiziere zu einer Rede des Kaisers auf dem Platz neben dessen Hauptquartierszelt eingefunden hatten, blieb Priscus bei seiner Einheit. Es sei nicht genung Platz für alle auf der freien Fläche und die Rede gäbe es später als Abschrift zur weiteren Verlesung vor den Soldaten. Priscus reichte das, auch wenn er natürlich selten so nahe wie jetzt dran war, den Kaiser persönlich sprechen zu hören. Immerhin hatte man ihne jetzt schon seit mehreren Tagen täglich gesehen, was auch diesem Ereignis einen gewissen Reiz nahm.
Priscus nutzte die Zeit für eine kleine eigene Zeremonie, packte eine kleine Götterstatue aus seiner Ledertasche aus und etwas Weihrauch. Er hockte sich in den kleinen schattigen Fleck vor dem Zelt, fegte die Erde mit der Hand etwas glatt, stellte die Statue auf und versank in ein kurzes Gebet.
Priscus nickte seinem Kollegen zu und überließ ihm damit wieder das Kommando. Angetrieben von gleich zwei Optiones würden die Probati sich sicher besonders ins Zeug legen. Wobei Priscus wusste, dass Kollege Simplex alleine schon völlig ausreichte, um im Notfall eine ganze Kohorte bis zum Verrecken über den Platz zu treiben.
"Und denkt immer daran, ihr seid eine Truppe. Wer zurückfällt, ist tot! Wer seine Kameraden im Stich lässt, ist tot. Und wer als einzelner Held nach vorne wegrennt, ist genauso tot. Und zwar schneller, als einer Kuh die Scheiße aus dem Arsch fällt."
ZitatOriginal von Faustus Decimus Serapio
Ich nickte, und als dann abzusehen war, wann das Fleisch gar sein würde, zog ich los, um Optio Tallius und Centurio Flavius zu suchen, und ihnen - wenn auch ein bisschen schüchtern - die Einladung meines Contuberniums zu überbringen.
Priscus war gerade vor dem Zelt seines Contuberniums ebenfalls mit der Nahrungszubereitung beschäftigt, als der Probatus auftauchte. "Ja, was gibt's?" fragte er, während er einige Nüsse knackte.
"Ah, da haben wir ja auch schon die glücklichen Gewinner, die nachher noch eine Extraschicht bekommen." Sie waren unschwer daran zu erkennen, dass sie in die falsche Richtung schauten.
"Was glaubt ihr eigentlich, warum wir das hier machen? Schon mal drüber nachgedacht, was passiert, wenn alle nach links laufen nur ihr lauft nach rechts? Ihr seid dann tot. Ganz einfach. Tot!" Priscus baute sich vor dem Soldat auf, der Serapio gegenüber stand. "Tot!" Sein Optiostab schnellte vor. "Und weil du tot bist, ist hier eine Lücke. Und dann ist er auch tot." Priscus zeigte auf Serapio.
"Ihr seid bei der Legion. Eine Legion kämpft in Formation. Ihr führt jeden Befehl exakt gleich aus. Ihr seid für euch und für euren Nebenmann verantwortlich. Ihr bewegt euch wie ein Körper. Ihr seid ein Körper. Oder ihr seid alle tot!"
Er ging wieder einen Schritt zurück. "Verstanden?"
Priscus hatte sich den Spass erlaubt, mal eine Strecke hin und zurück mitzulaufen, um den Rekruten ein bisschen Anspron zu geben. Auch so eine Angewohnheit, die er sich von einem anderen Optio früher einmal abgeschaut hatte. Dass er dabei selber ein wenig ins Schwitzen kam, störte ihn nicht. Außerdem wollte er sich ja selber durchaus auch in Form halten.
"Latrinen gibt's hier schon genug, mehr muss nicht sein", antwortete er dann auf den Vorschlag seines Kollegen. "Sonst kommen unsere Frischlinge noch auf die Idee, dass wir es uns hier besonders wohnlich machen wollen. Oder dass wir Verständnis dafür haben, wenn sie Schiss haben." Grinsend ging er die Reihe entlag und korrigierte nochmal die eine oder andere Position. "Nach dem Laufen wollt ihr lieber mal was machen, wo ihr nicht von der Stelle müsst? Kein Problem. Schauen wir doch mal, wer schon links und rechts auseinander halten kann. Probati, state!"
Er ging wieder einen Schritt zurück und schon prasselten in schneller Folge die Kommandos auf die Männer nieder.
"Ad dextram!
Ad dextram!
Ad sinistram!
Retro!
Ad dextram!
Ad dextram!
Ad sinistram!"
Irgendwer machte es falsch. "Sinistram ist da, wo der Daumen dextram ist! Das war es schon immer und das wird es auch bleiben!"
"Ad dextram!
Retro!
Ad sinistram!
Retro!
Ad sinistram!
Ad dextram!
Retro!
Ad sinistram!"
Und natürlich würde jeder sofort auffallen, der auch nur eine falsche Drehung machte, denn die Erfahrung des Optios zeigte, dass man danach kaum noch Chancen hatte, wieder in die richtige Richtung zurück zu finden.
Und, wohin schaut ihr jetzt?
ZitatAlles anzeigenOriginal von Quintus Tiberius Vitamalacus
In diesen Moment stösst der Optio der II. Centurie der I. Kohorte, Tallius Priscus dazu, gefolgt von einigen anderen Proabti. Und die Laune von Simplex bessert sind wirklich, sie verschlechtert sie fast noch.
"Bei Iuppiters Arsch, gibts denn hier noch mehr Grünschnäbel ? Denken die etwa, wir könnten mit dieser Horde makedonischer Ziegenhirten den Krieg gewinnen ?"
Simplex schüttelt den Kopf, stützt sich ebenfalls auf seinen Stab und blickt die Miles an, die Priscus mitgebracht hat.
"Können deine schon was ? Oder müsst´ ihnen noch alles bei bringen ? Aber lass sie sich ruhig einreihen..."
"Wenn es wenigstens Ziegenhirten wären. Dann würden sie wenigstens nicht über den Staub und die Sonne jammern." Aber soweit er das überblickte, war unter seinen Leuten tatsächlich kein ehemaliger Hirte oder vergleichbarer Landarbeiter dabei.
"Die sind uns alle noch in Italia zugelaufen, da konnten wir ihnen auf den Schiffen schonmal ein Schwert und einen Schild in die Hand drücken. Masten rauf und runter klettern können sie auch schon. Aber mehr war noch nicht drin."
Eine so freundliche Einladung eines so prima gelaunten Optios kann man doch nicht ausschlagen.
Kaum hatte die Legion keinen Marschtag, hieß es für die Frischlinge aus Priscus' Centurie, dass sie zum Exerzieren antreten mussten. Einige waren ja quasi erst mit dem Abmarsch eingetroffen, da war noch einiges nachzuholen. Mit lauter Stimme rief Priscus durch das Lager und sammelte die Jungs ein.
"Probatus Decimus Serapio! Mitkommen!"
In einiger Entfernung hatte er schon einen Platz erspäht, der offenbar als provisorischer Exerzierplatz zur Verfügung stand. Zumindest tobte sich dort schon ein anderer Kollege mit einigen Männern aus, die auch recht blutige Anfänger zu sein schienen.
"Salve, Optio", grüßte er den Kollegen grinsend und stützte sich auf seinen Optiostab. "Was dagegen, wenn ich mich mit meinen Leuten einfach einreihe? Scheint ja alles etwas eng hier zu sein, da müssen wir den wenigen Platz nutzen."
Als Priscus mit seiner Einheit in der Ebene eintraf war er froh, dass die Kameraden der anderen Legionen die Schanzarbeiten schon erledigt hatten. Jeden Abend hatten er und seine Kameraden im trockenen Boden mühsam Gräben ziehen und Wälle aufschütten müssen und würden es in Zukunft noch sehr häufig tun müssen. Da kam ihnen ein Abend ohne Schanzarbeiten gerade recht. Nur ihre Pallisadenstangen musste sie noch selber setzen, aber das ging ziemlich schnell und schon war das Lager gut gesichert. Normalerweise kam Priscus wegen der Schanzarbeiten selten dazu, auch beim Aufstellen der Zelte mit dabei zu sein, doch diesmal schlug er auch selber ein paar Zeltflöcke ein. Trotz der gigantischen Ebene schien ihm der Platz eng bemessen und die Zelte mussten dicht zusammen rücken, damit alle Platz fanden.
Der Centurio schien unterwegs zu sein, vermutlich besprach er mit dem Stab die Aufgaben für die nächsten Tage, so dass Priscus den Männern etwas Pause gönnen konnte, bevor er sie für Wachen einteilte oder losschickte, um sich nach Proviant oder Wasser zu erkundigen.
Priscus glaubte, einen leicht verträumten Blick bei dem Probatus zu erkennen, interessierte sich aber nicht weiter dafür. Die meisten Probati hatten zu den seltsamsten Gelegenheiten irgendwelche sentimentalen Phasen. Auch wenn der hier kein ganz junger Kerl mehr zu sein schien, war es bei ihm vermutlich genauso. "Nichts zu danken", antwortete er daher nur und wechselte noch ein paar Worte mit den übrigen Soldaten, die vor dem Zelt hockten. Dann zog er weiter zur nächsten Gruppe.
Nach Tagen auf dem Marsch hatte sich Priscus an den Staub gewöhnt und sein ohnehin schon wettergegerbtes Gesicht hatte noch ein paar Spuren mehr bekommen. Sie schienen gutes Tempo zu machen und im Plan zu sein, zumindest hatte er von seinem Centurio bisher nichts gegenteiliges gehört und es waren auch keine besonders langen Tagesetappen angesetzt worden. Auch mit dem Nachschub kamen sie gut hin. Die Männer hatten unterwegs neuen Proviant erhalten und trugen noch Rationen für mehrere Tage, obwohl es inzwischen hieß, dass sie kurz vor Zeugma seien. Und bisher hatte auch keiner der Männer seiner Einheit ernsthafte Probleme gehabt, so dass man sich demnächst dann voll auf den Marsch in Feindesland vorbereiten konnte.
"Na, wenn dieser Licinius Crassus da schonmal aufgerieben wurde, dann braucht uns dasselbe auf demselben Weg ja nicht auch noch passieren. Geschichte wiederholt sich nicht", entgegnete Priscus trocken. Dann schaute er wieder auf den schiefen Saum und die kläglichen Nähversuche.
"Gib' mal her." Kritsche betrachtete er das Werk aus der Nähe. "Noch nie genäht, was? So wird das auch nichts." Rasch fädelte er den gerissenen Rest des Fadens durch die Nadel. "Hier, du musst das so und so und so und dann so machen. Dann spannt es nicht und der Faden legt sich so, dass es auch nicht ausfranst." Mit ein paar Stichen nähte er ein kurzes Stück, wo der Stoff dann immerhin keine Falten warf. "Gesehen? Gemerkt? Mach' die ganze Naht nochmal auf und fang' nochmal von vorne an."
Priscus gehörte nicht gerade zu den Klassenbesten, was vergangene Schlachten anging, mochen sie auch noch so bedeutend gewesen sein. Verlegen runzelte er die Stirn. "Licinius Crassus? Ist schon länger her, oder? Aurelius Crassus war hier mal Statthalter in Syria, weiß ich." Musste wohl aus republikanischen Zeiten sein, dachte er sich dann. "Ich bin ja nur Optio, ich muss nicht alles wissen. Aber ich weiß, dass du mit dem schiefen Saum auch gleich nackt rumlaufen kannst."
"Erstmal nach Zeugma", gab Priscus das weiter, was er vom Centurio erfahren hatte. "Zehn Tage bis dort und es ist die letzte Stadt innerhalb der Provinz. Da liegen schon zwei Legionen und warten auf uns." Er grinste ein wenig und hoffte, dass es immernoch zwei Legionen sein würden, wenn sie dort ankämen. Und nicht ein parthisches Heer. Aber es würde schon klappen. "Bis dahin also noch kein Feindkontakt, aber gewöhnt euch schonmal an die Landschaft. Sie soll danach noch schlimmer werden. Angeblich gibt's hinter Zeugma keine Straßen mehr."
Endlich kam der Befehl zum Abmarsch und Priscus hob das schwere Marschgepäck wieder auf die Schildkante. Mit einem leichten Hüpfer sorgte er dafür, dass es sich gut an seinem Platz fest setzte, denn die nächsten Meilen sollte es nach Möglichkeit nicht verrutschen. Das Pilum legte er zur Tragestange dazu, so dass er bequem alles mit einer Hand halten konnte. So hatte er den anderen Arm frei, um beim Abmarsch in Richtung Stadt zu winken. Er konnte da niemanden spezielles erkennen und vermutlich konnte man von der Stadt aus seine Geste auch gar sonderlich gut nicht bemerken, aber trotzdem fühlte er sich zu dieser für ihn untypischen Gefühlsregung veranlasst. Dann ging es hinaus auf die staubige Piste. Die Schilde und Marschgepäcke der Männer vor ihm versperrten ihm weitgehend den Blick, aber wenn jemand in seiner Centurie Bedarf nach dem Optio hatte, würde er das schon früher oder später merken.
Die Hälfte seines Lebens wartet der Soldat vergebens. Während die letzten Teile der ersten Legion also noch mit der Vorbereitung des Abmarschs befasst waren, marschierte die Legio XII bereits los. Priscus kniff die Augen zusammen und versuchte abzuschätzen, wie lange das wohl noch dauern könnte. So eine Marschkolonne einer Legion konnte ziemlich lang sein, selbst wenn sie bei breiter Straße mit sehr vielen Leuten nebeneinander gehen konnten. Das konnte also noch dauern, bis sich auch seine Legion oder zumindest seine Kohorte oder Centurie in Bewegung setzte.