Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Wie immer lief Priscus am Ende seiner Centurie, als diese auf dem Sammelplatz aufmarschierte. Als letzter hatte er den Lagerplatz verlassen und noch einmal geschaut, dass auch bloss kein Zelthering und kein Stück Ausrüstung liegen geblieben war. Der Kaiser war offenbar noch nicht angekommen und es hatte auch noch keiner gesagt, welche der beiden Legionen heute als erste abmarschieren würde. Priscus setzte sein Marschgepäck noch einmal ab und behielt nur den Schild auf dem Rücken.

    Noch am Abend des Rasttages, an dem die restliche Ausrüstung von den Schiffen geholt wurde, hatte sich herum gesprochen, dass der Abmarasch vom Kaiser für den nächsten Tag angesetzt wurde. Zeitig am Abend machte Priscus seine Runde durch die Zeltreihen seiner Centurie und sprach mit den Soldaten.


    "Jungs, ab morgen wird's ernst. Gestern hattet ihr Ausgang, heute will ich mit Beginn der ersten Wache alle, die nicht Wache haben, in den Zelten wissen. Ab heute zählt jeder erholsame Augenblick. Wir werden vielleicht nicht viele davon bekommen. Bring eure Ausrüstung jetzt schon in Ordnung, dann geht es morgen schneller. Irgendwelche Krankmeldungen? Dann jetzt zum Medicus und nicht morgen."

    Einen Tag, nachdem die Truppe die Hafenanlagen verlassen hatte und nach Antiochia gezogen war, kehrte Priscus mit einigen Soldaten und Lasttieren noch einmal in den Hafen zurück. Das Beladen der Schiffe in Ravenna hatte mehrere Tage gedauert, da war das Abladen nicht in wenigen Stunden zu schaffen. Die ersten Schiffe hatten schon wieder Provinat für die Rückfahrt aufgenommen und verließen den Hafen, an anderen schienen Reparaturen nötig zu sein.


    Zuerst ließ Priscus das restliche schwere Gepäck abholen, das am Vortag noch nicht mitgenommen worden war. Akribisch achtete er darauf, dass alle Teile, die mit der Kennzeichnung seiner Einheit versehen waren, auch wieder bei ihnen ankamen. "Jetzt wisst ihr, warum ich bei Sutbenkontrollen immer so sehr auf solche Kleinigkeiten geachtet habe", erklärte er den Soldaten. "Hier im Durcheinander eines Feldzuges geht sonst viel zu schnell etwas verloren."


    Außerdem hatte man ihm gesagt, dass Provinat für die Legion eingelagert wurde, der zum Teil sofort mitgenommen werden sollte und zum Teil nachgeführt würde. Soweit es die Tragfähigkeit der Tiere zuließ, wurde davon ebenfalls aufgeladen, der Empfang quittiert und alles ins Lager gebracht, wo es dann an die Soldaten weitergegeben werden sollte.

    Die Nacht war schon herein gebrochen, als die Männer aus Priscus' Contubernium zurück ins Lager kamen. Die Wasseruhr der Lagerwache zeigte an, dass sich die Männer nicht verspätet hatten und auch ihr Centurio war noch nicht zu sehen. Eigentlich war es auch eher das mangelnde Geld als die Disziplin gewesen, die sie hierher trieben. Hoffentlich würden ihnen im Laufe des Feldzuges ein paar reiche Parther begegenen, damit die Siegesfeier besser finanziert werden konnte.


    Priscus machte noch einen Abstecher zur Latrinengrube. In der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen, aber die beiden Strafarbeiter schienen brauchbare Arbeit geleistet zu haben. Der typische Geruch einer solchen Grube verbreitete sich schon im Umfeld und zeigte an, dass schon andere von der Strafarbeit profitiert hatten.

    Angenehm, entspannend und viel zu schnell verstrich die Zeit, die Pricus und seine Kameraden in bezahlter Gesellschaft verbrachten. Essen und vor allem auch Getränke waren im Preis inbegriffen und es kam allerlei Exotisches auf den Tisch oder landete bei der einen oder anderen früher oder später auftretenden Unvorsichtigkeit auch auf dem Fußboden. Mit dem weiblichen Angebot wurde da vorsichtiger umgegangen, denn einige voluminöse Kissen, dicke Teppiche oder farbenprächtige Tücher waren immer in Reichweite, um bei jedem neuen kleinen Abenteuer weich gebettet zu sein.


    Doch irgendwann waren alle Geheimnisse des Ostens zumindest an diesem Ort erkundet oder durch die Ebbe im Geldbeutel vor weiterer Entdeckung geschützt, so dass die Männer langsam über den Rückzug in die hereinberechende Dunkelheit nachdenken mussten.

    Priscus und seine Kameraden fanden ziemlich schnell was sie suchten und waren sowohl mit dem Angebot als auch dem Umfeld zufrieden. Ob sie gerade über's Ohr gehauen wurden oder gut verhandelt hatten, war ihnen relativ egal, solange das Geld in ihren Geldbeuteln reichte. Einige der Soldaten waren der Ansicht, dass man sich nach so lange Zeit auf See ruhig was gönnen könnte, andere konnte sowieso nie genug bekommen und selbst Priscus, der normalerweise mit recht wenig Vergnügen außerhalb des Lagers auskam war der Meinung, dass man diese vermutlich vorerst letzte Gelegenheit noch einmal ausgiebig nutzen sollte. Zumal er sich als Optio im Verhältnis zu seinen Kameraden noch weniger Sorgen um die Kosten machen musste.

    "Soso, bald fertig? Da darf heute aber keiner Durchfall bekommen, wenn das schon reichen soll. Aber vielleicht habt ihr Glück und die Jungs machen ihr Geschäft alle in der Stadt."


    Der Optio trat einen Schritt zur Seite, um nicht unnötig um Weg zu stehen. Strafarbeit musste sein, aber er hatte normalerweise nicht vor, sie umständlicher als nötig zu gestalten. "Macht's trotzdem noch ein Stück tiefer. Der Boden ist trocken und sandig, das rieselt schnell wieder zu."

    In einer riesigen Stadt wie Antiochia konnte man sich sicher leicht verlaufen. Andererseits waren ein paar Tausend Soldaten selbst in einer Stadt dieser Größe nicht zu übersehen, zumal sie alle ungefähr dasselbe Ziel hatten. Dieses Ziel waren ganz sicher nicht irgendwelche durchschnittlichen Wohngegenden und auch nur in den seltensten Fällen irgendwelche Tempelanlagen oder Handwerkersiedlungen. Auch Priscus und sein Contubernium folgten dem Trieb der Herde, der eine Schar unternehmungslustiger Männer zielsicher in die vergnüglicheren Viertel der Stadt lenken würde. Viel suchen brauchten sie sowieso nicht, denn die Anwesenheit der Soldaten war für viele die Gelegenheit zum großen geschäft, und so kamen die Lupae und andere Vergnügungen fast schon von selber zu den Männern mit den benagelten Caligae. Dass man sich sprachlich kaum verständigen konnte, war für die meisten kein Problem, denn Hände und geldbeutel reichten zur Verständigung völlig aus. Hier und da gingen wohl auch schonmal die falschen Hände zum falschen Geldbeutel, was umgehend zu blutigen Nasen führte, aber solange die Männer nicht zu Priscus' Einheit gehörten, sah er auf der Tour durch die Stadt großzügig über solche Zwischenfälle hinweg. Die Auswahl an wesentlich interenssanteren exotischeren Anblicken gab dazu auch reichlich Gelegenheit.

    Nachdem Priscus allen Soldaten an ihren Zelten Bescheid gesagt hatte, schaute er noch bei den beiden Strafarbeiter vorbei, die sich das Ausheben der Latrinengruben eingehandelt hatten. "Na, Jungs, wie sieht's aus? Ist die Latrine schon größer als die Klappe, die ihr nicht weit genug aufreißen konntet?" Genau genommen traf diese Bemerkung ja nur auf einen der beiden zu, aber die beiden hatten sowieso andere Sorgen, vermutete der Optio.

    Zitat

    Original von Appius Iunius Lucullus
    Als das Gerücht umging, die Soldaten würden Freigang bekommen, schaute Lucullus gespannt in Richtung Sammelstelle der 1. Centurie. Leicht interessiert beobachtete er die Vorstellung.


    Sim-Off:

    Hmmm... "Centuria II" im Betreff und "1. Centurie" im Text... :D Ich fühl' mich mal angesprochen. ;)


    Eine Zeltgemeinschaft nach der anderen besuchte Priscus und überbrachte die frohe Nachricht vom Freigang. "Jungs, der Centurio hat euch für heute abend frei gegeben. Und ihr konnt euch an seinem Zelt jetzt gleich sogar einen Wochensold abholen, damit ihr die Stadt auch richtig genießen könnt. Zwei Bedingungen gibt es: ihr seid erstens nur in der geschlossenen Gruppe als Contubernium unterwegs. Wer das nicht will, bleibt hier im Lager. Und zweitens macht ihr keinen Scheiß, wir sind nicht zum Plündern hier. Benehmt euch anständig."

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Marcus wandte sich um und ging zu Priscus, um von ihm die Meldung entgegen zu nehmen, daß die Männer vollzählig waren.


    Auch wenn er mit der namentlichen Aufzählung aller Männer beschäftigt war, hatte Priscus die angekündigte Bestrafung für die beiden Soldaten mitbekommen. Nachdem er dem Centurio Meldung gemacht hatte, zückte er daher eine dritte Wachstafel und notierte die vom Centurio verhängte Strafe. Das war zwar eigentlich nicht nötig, denn er war nicht vergesslich und sein Centurio auch nicht und außerdem konnte jener ohnehin die Strafe jederzeit ändern, aber der Optio hatte sich diese Notzien bei einem anderen Optio abgeschaut und fand das immer sehr beeindruckend.

    Priscus war kaum weniger verschwitzt als sein Chef, auch wenn er sich bei den Schanzarbeiten etwas weniger hatte anstrengen müssen als der durchschnittliche Soldat. Als Optio hatte man eben den Vorteil, es beim Führen der Aufsicht über die Arbeiten etwas ruhiger angehen zu lassen. Den Kassenschlüssel nahm er nickend entgegen, ohne die Absicht zu haben, die Soldausgabe entgegen der Gepflogenheiten nicht wie üblich den Signifer vornehmen zu lassen. Wer das heiligste Zeichen der Einheit trug, dem vertrauten die Soldaten auch in finanziellen Dingen, auch wenn es diesmal nur um einen kleinen Anteil ging, um den Ausgang zu finanzieren.


    Die Nachricht vom freien Abend kam jedenfalls erwartungsgemäß gut an, als Priscus von Zelt zu Zelt ging und jeder Gruppe die gute Nachricht überbrachte und sie zur Auszahlung des Soldes zum Centurionenzelt zitierte. Der Einfachheit halber beschränkte sich die vom Centurio geforderte Gruppeneinteilung auf den Befehl, nur geschlossen als Contubernium unterwges zu sein, sofern nicht einzelne Soldaten zur Auskurierung von gesundheitliche Beschwerden nach der Überfahrt im Lager bleiben wollten. Priscus selber würde sich auch mit seinem Contubernium auf den Weg machen. In Mantua war er vergleichweise selten unterwegs gewesen, aber wenn man schonmal in der weiten Welt unterwegs war, dann musste man das ja auch nutzen.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Auf einer schwachen Anhöhe, von wo man das Landen der Schiffe beobachten konnte, die Sachen abstellen und die Tiere anbinden, sie dabei jedoch nicht im Weg waren, ließ Marcus die Männer sich aufstellen. Marcus winkte Priscus heran.


    optio Tallius, zähl die Männer durch. Nicht daß uns noch mal jemand abhanden geht. Und schick die überzähligen Nasen zu ihren Einheiten. Dann laß die Männer sich ausruhen. Das wird alles noch eine Weile dauern.“


    Priscus wartete, bis die Männer sich in vier Linien hintereinander aufgestellt hatten und die Marschgepäcke neben ihnen auf dem Boden lagen. Der Centurio kümmerte sich bereits um einen speziellen Soldaten, also der Optio zwei dicke Wachstafeln zückte.


    "Milites, attentate! Namentliche Meldung!" Einen Soldaten nach dem anderen rief er mit Namen und Dienstgrad auf und erwartete eine deutliche hörbare Antwort als Bestätigung der Anwesenheit. Die Centurie war durch die letzten Zugänge in Mantua fast auf Sollstärke, entsprechend lange dauerte der Vorgang, bis Priscus seinem Centurio schließlich melden konnte, dass die Truppe vollzählig in Syria gelandet war und sich auch niemand in ihren Reihen befand, der dort nicht hin gehörte.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Der Stumpf flog in die Höhe und landete....


    ... wie eigentlich immer nach ein paar Augenblicken wieder auf dem hölzernen Deck. Priscus hatte aus dem letzten Zwischenfall gelernt und den Fuß diesmal nicht dazwischen, was allerdings auch bedeutete, dass er diesmal einen Schritt weiter weg stand. Ein anderer Soldat, der aber auch in seiner Mannschaft war, schnappte sich den Klotz, brachte ihn irgendwie trotz des Fettes gut unter Kontrolle und machte sich auf den Weg in Richtung Ziel. Priscus dagegen blieb einfach absichtlich wie angewurzelt stehen, drehte sich um und breitete die Arme aus, um möglichst viele der Verfolger aus der anderen Mannschaft möglichst lange aufzuhalten. Zumindest im Augenblick schien das die wesentlich erfolgreichere Taktik zu sein und verschaffte dem Soldat mit dem Klotz auch einen gehörigen Vorsprung. Erst ein ganzes Stück später stürmten von der Seite weitere Soldaten heran, die sich auf der anderen Seite des Schiffes aufgehalten hatten und die damit freie Bahn hatten, um den Mann mit dem Rumpelstumpf zu stoppen.

    Kurz vor erreichen des Hafens war Priscus wieder unter Deck gegangen und hatte sich um die Vorbereitungen für den Abtransport der Ausrüstung gekümmert. So wie er in Mantua als letzter eine Runde durch ihre vertrauten Baracken gemacht hatte, ob niemand etwas wichtiges liegen gelassen hatte, würde er es auch hier an Bord wieder tun. Ein Soldat nach dem anderen hatte sein Marschgepäck wieder gebündelt und trug es über die enge Leiter nach oben auf Deck. Erst dort konnten die Soldaten die Schilde wieder auf den Rücken schnallen und die Tragestangen mit dem Gepäck schultern. Die Trossknechte kümmerten sich um die Maultiere, die die Überfahrt erstaunlich problemlos hinter sich gebracht hatten.


    Sobald klar war, wo das Schiff mit der schweren Ausrüstung gelandet war und wo die Truppe ihr erstes Lager haben würde, konnte Priscus sich mit einigen Männern auf den Weg machen, das schwere Material wieder auf die Tragtiere zu verladen und damit wieder die volle Einsatzbereitschaft der zweiten Centurie herzustellen.

    Unter Deck hatte Priscus die Vorbereitungen des beginnenden Rumpelstumpfspiels zunächst nicht mitbekommen. Erst als der Wein und der Schinken an Deck geholt wurden, wurde er aufmerksam und kam ebenfalls nach oben. Die Spielidee war vielleicht ein wenig verrückt, aber immerhin besser als gar nichts zu tun. Kritisch betrachtete er, wie der Holzklotz eingefettet wurde. Das würde eine schöne Schmiererei geben. Dann ging es auch schon los und Priscus war in derselben Mannschaft wie sein Centurio gelandet. Der wurde aber gleich vom Praefectus umgehauen und konnte ihm somit nichts entgegen setzen. Die erste Gegenoffensive mit acht Mann war aber auch nicht sehr erfolgreich, denn jedem der Soldaten flutschte der eingefettete Klotz spätestens nach zwei Schritten aus den Fingern und fiel jedes mal mit einem dumpfen Geräusch auf den Holzboden. Priscus dachte gerade darüber nach, dass das ganze gar keine allzu schlechte Nachkampfausbildung war, als die gegnerische Mannschaft den Stumpf mal wieder etwas besser unter Kontrolle bekam und mit mehreren Männern genau in seine Richtung kam. Er stellte sich leicht seitlich und positierte sich so, dass der Mann mit dem Holzklotz keine andere Möglichkeit hatte, als genau ihn ihn hinein zu rennen. Das stoppte den Angriff vorzüglich und sorgte planmäßig dafür, dass der Holzklotz wieder zu Boden fiel. Weniger planmäßig war es, dass er diesmal nicht auf dem Boden, sondern auf dem Fuß von Priscus landete, was den Optio schmerzhafter Weise von einem sofortigen Gegenangriff abhielt.

    Die Langeweile an Board machte Priscus zu schaffen. Irgendwann war einfach der Zeitpunkt gekommen, an dem es nicht mehr spannend war, Seevögel zu beobachten, Wetten auf die nächsten Übelkeitsattacken zu platzieren, den Anglern die Schnüre durchzuschneiden oder die Seesoldaten mit dummen Fragen zu nerven. Also musste eine andere Beschäftigung her. Der Centurio hatte sich bereits den Probatus geschnappt und auf morgentliche Liegestütze waren die Soldaten schon von selber gekommen. Die Chancen standen nicht schlecht, dass Priscus die Soldaten ihr Kleingeld würde polieren lassen. Alternativ lag auch noch das Schärfen der Schuhnägel gut im Rennen. Davon, alle Proviantnetze auseinandernehmen und neu zusammenknoten zu lassen, wollte er wegen deutlicher Sinnlosigkeit des Unternehmens dann doch Abstand nehmen. Wäre das Meerwasser nicht so elendig salzig, hätte man auch einen Waschtag ansetzen können, aber das Meer verstand es wirklich, jeden Spass zu verderben.


    "Weiß jemand, wann wir den nächsten Hafen anlaufen?", erkundigte er sich in Hörweite der an Bord anwesenden Offiziere. Immerhin wusste er nicht einmal, wie viele Häfen auf der Überfahrt überhaupt angelaufen werden sollten. Vielleicht fuhr man ja auch durch, was er wirklich nicht hoffte.

    Priscus mochte keinen Fisch. Zumindest nicht, wenn es ihn tagelang gab. Ein Schuß Fischsauce war lecker und wenn jemand ein paar Stücke Fisch in den Eintopf oder den Getreidebrei rührte, hatte er da normalerweise auch nichts gegen. Wenn es nicht immer Fleisch gab, war Fisch eine nette Abwechslung. Aber doch nicht so viel wie auf dem Meer. Auch nach mehreren Tagen auf See konnte er sich nicht erklären, wie einige so viel Freude daran entwickeln konnten, einen Fisch nach dem anderen aus dem Wasser zu angeln. Es war sicher einen nette Abwechslung und besser als Nichtstun, aber selbst der Praefectus Castrorum schien mitzumachen und von dem wusste man ja nun wirklich, dass er ein schwer beschäftigter Mann war.


    Irgendwer hatte die durchaus schlaue Regelung erfunden, dass auf der Seite des Schiffes, auf der geangelt wurde, nicht gleichzeitig gekotzt werden durfte. Damit waren immerhin die Angler glücklich. Die Soldaten, die auch nach Tagen immernoch kotzen mussten, waren sowieso unglücklich. Und alle, die sich wie Priscus nichts aus Fisch machten aber auch nicht kotzten, waren auch nicht froh, denn sie mussten sich in den muffigen Bauch des Schiffes verziehen, um beiden Übeln nicht ins Auge blicken zu müssen.

    Nachdem sich die erste Unruhe nach dem Ablegen gelegt hatte, alles Gepäck verstaut war und die Männer sich für's erste entschieden hatten, ob sie unter Deck oder an der frischen Luft sein wollten, hatte Priscus sich einmal von vorne bis hinten durchs Schiff und wieder zurück gearbeitet. Sein Pflichtgefühl als Optio, der einfach wissen wollte, was mit seinen Leute los war trieb ihn dazu genauso wie sein technisches Interesse, das er an so einem Schiff mehr als sättigen konnte. Am Ende wusste er daher erstens halbwegs, wie so ein Schiff gebaut ist, dass es gesegelt werden würde, wo man es steuerte, wo der Anker war, wie die Wassertiefe gemessen wurde und an welchen Stellen kein Gepäck gelagert werden sollte, weil es sonst den Seesoldaten im Weg wäre. Zweitens wusste er, wo die 160 Mann seiner Centurie waren, wo der Praefectus mit seinen Schreiber seinen Platz hatte, wo die Schiffsbesatzung war, wo die Maultiere mit dem restlichen Gepäck waren und dass alles so dicht aufeinander lag, dass dazwischen kein Platz war. Und drittens wusste er, welche Stelle der Bordwand als Ersatzlatrine dienen konnte, ohne dass die Gesicht oder der Wind das Geschäft unangenehmer als nötig machen würden. Was er noch nicht heraus hatte war, wie das mit dem Essen funktionieren würde, denn einfach einige Lagerfeuer auf Deck zu entzünden war wahrscheinlich keine gute Idee. Aber das würde er wohl noch heraus bekommen.


    Jetzt hockte er sich erst einmal zu seinem Gepäck und schaute zu, wie die einen Soldaten die Leiter nach oben hoch kletterten, weil ihnen unter Deck zu langweilig wurde und die anderen die Leiter herunter kletterten, weil ihnen oben zu langweilig wurde.

    Kurz nach dem Wecken und der vorerst letzten Mahlzeit auf heimatlichem Boden waren die Männer der zweiten Centurie der ersten Cohorte mit der noch nicht verladenen Ausrüstung vor der provisorischen Unterkunft angetreten. Dann bekamen sie endlich mitgeteilt, welches Schiff ihres sein würde und mit dem Feldzeichen voran ging es an Board. Eng wie es war, würden die Männer wohl noch dichter aneinander schlafen müssen, als sie es von Übungsmärschen gewohnt waren. Die Ausrüstung wurde jedenfalls so eng wie möglich gestapelt und gepackt, damit möglichst viel Platz frei blieb, auf dem während der Überfahrt gekocht, gewürfelt oder sich bewegt werden konnte.


    Nachdem er seinen eigenen Platz bezogen hatte, schaute sich Priscus um, wo sein Centurio zu finden war und wo damit sozusagen der Kommandoposten der Einheit für die Zeit der Überfahrt war.