Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    "Wie langweilig", antwortete der Medicus und ließ sich nicht davon abhalten, den Mann trotzdem genauer zu untersuchen. Mit der flachen Hand klopfte er auf dessen Rücken, während er sein Ohr auf die Brust gelegt hatte.


    "Mach' mal den Mund auf", ordnete er an und betrachtete die Zähne. "Mach' wieder zu. Irgendwelche Unverträglichkeiten bei Nahrungsmitteln? Schonmal rohe Körner gegessen? Probleme mit blutigem Fleisch?"

    Dass gleich auf das Opfer die Tierhetzen folgen sollten, freute Priscus und seine Kameraden sehr, denn immerhin waren sie in das Amphitheater gekommen, um genau das zu sehen. Sie wetteten auf den Ausgang des ersten Kampfes und stellten dann fest, dass statt des angekündigten Tigers ein Löwe in die Arena kam. Eilig zogen einige Soldaten wieder ihre Einsätze zurück und setzten neu, andere erhöhten ihren Einsatz, aber letztendlich ging es doch nur darum, wer am Abend wem wieviel Wein auszugeben hätte.


    Das Ende des Kampfes kam ihnen dann ein wenig hektisch vor, wie der Löwe einfach so aus der Arena getrieben wurde und auch gar keinen Versuch machte, die Menschen anzugreifen. Dabei waren doch Mensch gegen Tier die spannendesten Kämpfe. Aber vielleicht wurde der Löwe ja noch für später gebraucht, denn ein einziger Kampf dürfte wohl kaum alles gewesen sein, dachten sich die Soldaten. Zumindest waren die Kämpfe ja groß angekündigt worden.


    Mit dem anschließenden Theaterstück konnten sie nicht ganz so viel anfangen. Auf ihren hinteren Plätzen hörten sie nicht allzu gut und unterhielten sich lieber selber, als konzentriert den Schauspielern zu folgen.

    Schweigend schaute der Medicus zu und brummte dann ein wenig vor sich hin. "Kraft in den Armen ist in Ordnung und zählen klappt auch." Den Sehtest und den Hörtest machte er knapp wie immer, weil Leute mit schlechten Augen oder Ohren ohnehin ziemlich selten zur Legion kamen.


    "Zieh' mal deine Tunika aus." Noch während der Rekrut damit beschäftigt war, begann der Medicus schon mit einer Liste von Fragen. "Hast du Hautausschlag? Geschwüre? Läuse? Fußpilz? Durchfall? Fieberattacken? Geschlechtskrankheiten?"

    Einen Augenblick lang dachte Priscus nach, dann schüttelte er den Kopf, denn an ein blutiges Opfer mit seiner direkten Beteiligung konnte er sich nicht erinnern.


    "Nein, Centurio, ich habe noch nie bei der Durchführung eines größeren Opfers mitgewirkt."

    "Deine Manieren sind mir egal. Wir sind hier in der Armee, da zählen Disziplin, Gehorsam und Respekt."


    Der Medicus erhob sich von seinem Platz und kam auf den Rekruten zu.


    "So, und jetzt genug geredet. 20 Liegestützen. Und laut mitzählen."

    "Du meinst also, mir widersprechen zu dürfen. Dann stellen wir mal drei Dinge klar: Erstens habe ich einen höheren Dienstgrad als du. Zweitens kann ich dafür sorgen, dass du nach Verlassen dieses Raumes niemals einen Dienstgrad bekommen wirst. Drittens sagt man nicht 'ich soll mich melden' sondern 'ich melde mich'."


    Der Medicus sprach langsam, ohne lautere oder schärfere Stimmlage, aber betonte jedes Wort sehr präzise.

    Optio Priscus hatte die Ankunft des Praefectus Castrorum und dessen große Töne schweigend verfolgt. Gegen die 100 Sesterzen konnte er sowieso nicht wetten und sein Vertrauen in die Fähigkeiten der Männer seiner zweiten Centurie war auch nicht so leicht zu erschüttern. Stattdessen beobachtete er den Start des Laufes und war sich schon nach weniger als einer halben Runde sicher, dass es zumindest einige der Soldaten zu schnell angingen.


    "Haben die denn als Kinder keine Wettläufe gemacht?" wunderte er sich halblaut. "So ein langer Lauf wird doch nicht auf den ersten Schritten entschieden." Aber Priscus war selber auch nie ein guter Wettläufer gewesen. Bei Gepäckmärschen hielt er gut durch, aber Laufübungen war nicht seine Sache. Umso besser, dass er vorerst auch keine veranstalten oder absolvieren musste.

    Der Medicus blickte den Mann kurz an, bevor er antwortete. "Soso, du sollst dich hier melden? Da bist du hier richtig. Dann melde dich mal."


    Er liebte es, das sagen zu können. Erstens wusste er, dass es die neuen Rekruten fürchterlich nervte, wenn er es so genau nahm und zweitens konnten sie sich nicht früh genug eine souveräne und klare Ausdrucksweise angewöhnen.

    Priscus hatte Cunctator gar nicht kommen sehen und blickte ihm nun überrascht ins Gesicht. "Du kommst wie gerufen, wir sprachen gerade von dir und dem Opfer. Du würdest also teilnehmen."


    Damit hatte er eine Bestätigung für seinen Vorschlag und blickte den Centurio fragend an, was er von diesem Soldaten hielt.

    Priscus stand am Rande des Exerzierplatzes und schaute zu. Er hatte von seinem Centurio keinerlei Nachricht über diese Wettkämpfe bekommen, aber auch keinerlei Hinweis, dass stattdessen ein anderes Ausbildungsprogramm durchgeführt werden sollte. Und da der Primus Pilus nicht nur der Chef der ersten Centurie sondern damit auch der Chef der ersten Kohorte war, hatte Priscus seinen Probati erlaubt, an den Wettkämpfen teilzunehmen.


    "2 Sesterzen ist der Einsatz?" fragte er nach, als er die Wetten vernahm. "Da bin ich dabei. Auf Sparsus. Und auf jeden anderen, der noch von meiner zweiten Centurie mitmacht."

    Priscus hatte keinerlei Ambitionen, den Fall des verschwundenen Blecheimers auf der Stelle vollständig zu klären. Das sollten die Soldaten gefälligst unter sich ausmachen. Aus einem Lager mit permanenter Wache konnte ein Eimer ja schließlich nicht einfach so verschwinden.


    "Salve Centurio", wandte er sich daher an seinen Vorgesetzten, als dieser eintraf. Er war sich nicht ganz sicher, ob das Muhen und die Rufe von der anderen Seite des Gebäudes mit der Nachricht des Centurio in Zusammenhang standen, aber möglich war das. "Heute nachmittag also, gut. Wen wir von den Männern nehmen können? Gute Frage... Cunctator vielleicht?"


    Sim-Off:

    Auch wenn der inzwischen zur Reiterei gehört.

    Pünktlich nach der Eröffnungsrede, die für einen Soldaten vermutlich ziemlich langweilig war, aberimmernoch rechtzeitig vor dem Beginn des Opfers, betraten Priscus und seine Kameraden nach ihrem Streifzug durch Mantua das Amphitheater und machten es sich auf den hinteren Plätzen bequem. Pflichtschuldig schwiegen sie, um das Opfer nicht zu stören, was möglicherweise den Einsturz des mühevoll errichteten Theaters zur Folge gehabt hätte.

    Für einen senatorischen Tribun war die Rede wirklich nicht schlecht und in der Einfachheit der Ausdrucksweise war durchaus ein ehemaliger Soldat zu erkennen. Da sprach mancher Centurio in hochgestocheneren Sätzen.


    "Vivat imperator! Vivat!" stimmte Priscus mit ein.

    Der Name des schwarzen Mannes war weit weniger beeindruckend als die Namen der Empfänger, der Absender und des Hausbesitzers, aber die Soldaten sahen keinen Grund, den Einlass zu verwehren.


    "Der Kamerad hier wird dich zur Casa des Tribuns begleiten, dort kannst du den einen Brief persönlich abgeben. In der Unterkunft des Centurio ist nicht unbedingt jemand anzutreffen, also ist der Brief für ihn wie gesagt in der Poststube besser aufgehoben."


    Der erwähnte Kamerad war froh, mal nicht nur rumstehen zu müssen und hatte andererseits das Pech, sich damit nicht permanent im Schatten aufhalten zu müssen. Jedenfalls ging er los, während der andere Soldat einen Eintrag ins Wachbuch setzte.

    Priscus und die meisten seiner Kameraden, mit denen er sich auf den Weg zum Amphitheater gemacht hatte, trugen heute nur leichte Tuniken, denn das Wetter war ziemlich warm. Zum Glück hatte ihre Kohorte frei bekommen und war nicht zum Wachdienst eingeteilt worden wie einige Kameraden, die mit Panzer und Helm herumstehen mussten. Manchmal war es wirklich vorteilhaft, zur ersten Kohorte zu gehören.


    Da im Amphitheater noch kein Programm zu laufen schien, trieben sich die Männer noch vor dessen Toren herum und schauten schonmal, wo beziehungsweise mit wem sie danach vielleicht noch einen netten Abend verbringen konnten. Unweigerlich wanderten die Gedanken von Priscus dabei wieder zurück, zu den Ludi Florales des letzten Jahres, wo er diese Eine mit den langen dunklen Haaren gesehen hatte.

    Mitleidig betrachtete einer der Wachsoldaten das schwarze Pferd, dem es bei der Hitze bestimmt viel zu warm war, während der andere Wachsoldat darüber nachdachte, ob der schwarze Mann sich bei diesem Wetter wohl besonders wohl fühlte.


    "Die beiden Briefe kannst du wir Poststube bringen, wenn du uns deinen Namen nennst und wir dich reinlassen."





    Zeitgleich passierte eine kleiner Gruppe von Soldaten, unter ihnen auch Optio Priscus aus der ersten Cohorte, das Lagertor und machte sich auf den Weg in Richtung Mantua, um das Amphitheater zu besuchen.

    "Der Optio ist drüben, Centurio", antwortete ein Soldat, der gerade noch auf einen Kameraden wartete, mit dem er zusammen zum Dienst in der Fabrica abgeordnet war.


    Priscus stand derweil tatsächlich "drüben", wo sich mehrere Soldaten gegenseitig beschuldigen, für das Verschwinden eines Blecheimers verantwortlich zu sein.

    Der Medicus kratze sich am Ohr. "Dann hoffen wir mal, dass du nicht zu viel niesen musst und erklären dich für einsatzbereit. Allerdings kein Schwimmen und keine Liegestützen. Wasser in der Nase können wir nicht gebrauchen und bei Liegestützen geht dir auch zu viel Blut in den Kopf."


    Der Medicus wusste genau, dass diese Anordung einen Ausbilder im Zweifelsfall nicht interessieren würde, aber als Medicus hatte er dafür zu sorgen, dass der Mann möglichst wenig Gelegenheit hatte, nochmal wegen Nasenblutens zusammenzubrechen.

    "Du klingt schon wieder fit", stellte der Medicus fest. "Wie war die Nacht? Gab's Probleme oder hast du noch Schmerzen?"


    Mit einem kritischen Blick stellte er fest, dass die Nase rein äußerlich akzeptabel aussah. Ein wenig bläulich angelaufen rund um die Nasenwurzel, aber das würde sich nach ein paar Tagen erst grünlich verfärben und dann verschwinden. Es sei denn, es würde rot und finge an zu eitern, aber das war eher unwahrscheinlich.