Beiträge von Gaius Tallius Priscus

    Das Gelächter von drinnen lockte Besucher von draußen an. Unter diesen war auch Priscus, der als Optio natürlich ein besonders scharfes Auge auf seine Starfdienstler hatte. Kaum hatte er also den ungewöhnlichen heiteren Andrang an der Latrine bemerkt, kam er hinzu. "Was ist hier los?", fragte er mit schneidender Stimme, als er sah, dass die Männer offenbar nicht nur ihrer Arbeit nachgingen.

    Während der Rekrut das Schwert abnahm, betrachtete der Optio das Bett. Auch hier gab es nichts auszusetzen. Die Stube schien überhaupt in guter Ordnung zu sein. Dann griff er nach dem Schwert und zog es aus der Scheide. Er suchte nach Namenszeichen, ohne das weiter zu kommentieren, fand keine Verschmutzungen und steckte die Klinge schließlich wieder weg. "Leder immer gut einfetten", sagte er nur und tippte auf die Lederteile der Schwertscheide, während er sie zurück gab. Dann erkundigte er sich noch nach den Namen und Schlafstätten der verbleibenden beiden Rekruten, dann war die Stibenkontrolle beendet. Zumindest für diesen Tag. Der Optio kam schließlich häufiger vorbei.

    Der Optio überließ dem Tiro bewusst die Initiative und war daher nicht allzu überrascht, als dieser sich schließlich auf ihn stürzte. Bewusst und ohne Widerstand ging er die Beweung mit, so dass er eher gegen den Tiro prallte, als dass dieser ihn zu sich zog. Dabei versuchte er, sein Bein so geschickt zu platzieren, dass es den Tiro aus dem Gleichgewicht brachte, falls dieser nach dem Aufprall nach hinten weichen wollte.

    Priscus verfolgte die Reden schweigend, solange kein Offizier das Zeichen zum Jubeln gab. Auch wenn es hier etwas zu feiern gab, waren solche Zeremonien doch eine ernste Sache und niemand wollte an der falschen Stelle als Zwischenrufer auffallen. Nach den Reden kamen die Auszeichnungen, was das Jubeln einfacher machte. Der Name wurde genannt, die Auszeichnung wurde genannt, die Auszeichnung wurde überreicht und es durfte gejubelt werden. Auch wenn eine Phalera für einen Tribun ziemlich ungewöhnlich war. Da hätte der Optio wohl eher eine Hasta Pura oder einen Clipeus erwartet, was die Männer aber nicht am Jubel hinderte. Armillae für einen Centurio wiederum waren überhaupt nicht verwunderlich, zumal so ein Primus Pilus wohl ohnehin schon einen ganze Schrank voll Auszeichnungen hatte. Und das Priscus selber einmal unter dem Kommando dieses Mannes gestanden hatte, jubelte er hier besonders gerne mit.

    Wahllos griff sich der Optio einen Getreidebeutel heraus, wog ihn mit der Hand ab, schien zufrieden und hing ihn wieder zurück. Dasselbe machte er noch mit zwei anderen Beuteln. Auch hier schien er keine Beanstandungen zu haben. Schließlich gehörte es auch zu seinen Aufgaben, Betrug vorzubeugen. Weder sollten die Soldaten sich mehr Getreide geben lassen als ihnen zustand, noch sollten sie ihre Rationen zur Aufbesserung ihres Soldes verkaufen oder gegen andere Dinge eintauschen. Aber in dieser Stube gab es keine Beanstandung und damit auch keine Notwendigkeit für den Optio, einzuschreiten. Also konnte er fortfahren, die anderen Neulinge in der Stube kennen zu lernen und ihnen auf den Zahn zu fühlen. "Name? Welches ist dein Bett?", sprach er also den nächsten auf bewährte Weise an. "Gib' mir dein Schwert", fügte er als Aufforderung gleich hinzu.

    "Ah, da", murmelte der Optio und drehte den Helm ein wenig so, dass die Ritzung im Licht besser zu erkennen war. Dann gab er ihn wieder zurück. "Wegräumen! Ihr anderen, falls ihr nicht eure Sachen ebenfalls schon markiert habt, nehmt euch daran ein Beispiel. Finde ich ein Ausrüstungsstück ohne Kennzeichnung, ist es weg!" Damit war die Kontrolle aber noch nicht beendet. "Habt ihr gestern oder heute eure Rationen für die nächsten Tage geholt? Wo liegen sie?"

    Während der Tiro den Helm holen ging, warf der Optio einen prüfenden Blick auf das Bett, fand aber keinen Grund zur Beanstandung. Dann kam der Tiro auch schon zurück und hielt ihm wie gefordert den Helm hin. Der Optio wendete ihn, betrachtete ihn von oben und von unten, von vorne und von hinten, fast so, als suche er etwas. "Woher weißt du, dass dies dein Helm ist?", fragte er dann und blickte wieder den Tiro an.

    Erneut quittierte der Optio die Meldung mit einem Nicken und betrachtete die vier Neuen. Er hatte sie alle heute morgen schon beim morgentlichen Antreten gesehen. Die Namen hatte er sich auch schon vom Tesserarius geben lassen, aber noch fehlte ihm die Zuordnung zwischen Gesicht und Name. Also fragte er einfach den ersten in der Reihe. "Dann schauen wir mal. Name? Welches ist dein Bett? Wo liegt deine Ausrüstung? Gib' mir deinen Helm!"

    Die Seuche in Mantua war überwunden und das medizinische Personal der Legion aus der Stadt abgezogen. Alles Gerät wear wieder zurück im Valetudinarium, die Listen über verstorbene und erkrankte Soldaten abgeglichen, abgeschrieben und abgelegt, die Restbestände an Heilkräutern erfasst und die ersten Nachlieferungen hoffentlich schon auf dem Weg. Zeit genug also, für den Medicus Ordianrius, seine Leute zu einer kurzen besprechung zusammen zu holen, um auf die Ereignisse zurück zu blicken. Viele Worte machte er nicht, aber das war noch nie seine Art gewesen und seine Mitarbeiter kannten das. Auch Sextius Taurea, der Stellvertreter seines Stellvertreters im Range eines Optios, hatte nicht mehr erwartet. Wenn er gefragt wurde, berichtete er, was es zu berichten gab, ansonsten schwieg er und ließ die anderen sprechen. Seinen Berichten über die Schädeltrepanationen hörten sie allerdings gerne zu, auch wenn seine Erfolgsquote nicht uneingeschränkt überzeugend ausfiel. Aber es waren Erfahrungen und wer, wenn nicht die Legion, sollte die erfahrendsten Ärzte des Reichs haben?


    Schließlich war alles gesagt, was zur bürokratischen und technischen Zusammenfassung des Einsatzes gesagt werden musste. Blieb noch die Einbeziehung der Götter, die nicht fehlen durfte. Opfer hatte es schon einige gegeben, und weitere sollten folgen. Von der Legion, von der Stadt, von einzelnen Bürger, von einzelnen Soldaten, von Teileinheiten, von Handwerkergilden, alle opferten schon oder wollten noch opfern. Und auch das medizinische Personal wollte noch ein eigenes Zeichen setzen, das dauerhaft an die Überwindung der Seuche erinnern sollte. Also wurde beschlossen oder vielmehr vom Medicus Ordinarius unter allgemeiner Zustimmung bestimmt, dass in den Thermen der Stadt oder vor ihnen ein Weihestein aufzustellen sei, der an alles Geschehene erinnerte und den Göttern dankte. Nun musste nur noch ein Steinmetz gefunden werden, der noch lebte und noch Platz für einen weiteren Auftrag hatte.

    Der Optio quittierte die Meldung mit einem knappen Nicken und blickte sich einen kurzen Augenblick schweigend in der Stube um, bevor er den Blick wieder den Männern zuwandte. "Ihr habt vier Neue hier in der Stube, richtig?", fragte er und fuhr fort, ohne auf eine Antwort zu warten. Schließlich wusste er, welche Gesichter er schon beim letzten Mal gesehen hatte und welche nicht. "Alle vier haben ihre komplette Grundausrüstung erhalten?"

    Dieselbe Stube, eine andere Zeit, nämlich nach der Rückkehr der Rekruten vom Exerzierplatz. Der Optio machte seinen Rundgang und weil gerade in dieser Stube gleich mehrere Tirones wohnten, wollte er hier besonders genau hinschauen, ob auch alles seine Ordnung hatte. Ohne anzuklopfen trat er ein. "Salve, Kameraden! Stubenkontrolle", verkündete er und gab den Jungs einen Augenblick Zeit, ihre aktuelle Tätigkeit halbwegs geodnet zu unterbrechen, ohne dadurch zusätzliche Unordnung schaffen zu müssen.

    Zusammen mit seiner Einheit marschierte Priscus aug den Platz und wie immer lief er als Optio dabei am Ende der Kolonne. Der Tritt der Männer war fest, die Blicke erhobenen Hauptes geradeaus. Aber die Kolonne war kürzer als sonst und die Centurie hatte wie jede andere unter der Seuche gelitten. Nicht jeder hatte überlebt, aber so war das eben bei der Legion. Man hatte sich auf einen Dienst verpflichtet, bei dem man eben auch sterben konnte. Daran führte kein Weg vorbei. Also Augen auf, Kopf nach oben, Blick geradeaus und durch. Oder auch die Augen links, wie jetzt befohlen, um die Ankunft des Kommandostabes zu verfolgen.

    Zu dem Grinsen des Himmels gesellte sich bald das Gesicht des Optios. "Nicht sonderlich erfolgreich, was?", brummte der. "Los, aufstehen, weitermachen." Er schickte den anderen Soldaten weg und stellte sich selber als Kampfpartner für den Tiro bereit. "Zeig', dass du es besser kannst. Greif mich an!" forderte er den Tiro auf und blieb kampfbereit, aber abwartend in einem Schritt Entfernung stehen.

    Ein paar Tage später war es dann wirklich so weit und es wurde mit der Auflösung des Lazaretts begonnen. Zumindest, was den militärischen Teil betraf. Ob die Ärzte der Stadt die Thermen weiter für ihre Zwecke nutzen wollten oder nicht, ging die Legion erstmal nichts an. Entscheidend war, dass es in den letzten Tagen keine Todesfälle mehr gegeben hatte, dass man viele erkrankte Soldaten guten Gewissens wieder entlassen konnte und dass man die verbliebenen risikolos ins Valetudinarium des Legionslagers verlegen konnte.


    Das ärztliche Instrumentarium im provisorischen Operationssaal war schon verpackt, Tücher und Decken wurden erst gewaschen und dann gestapelt. Töpfe, Becher, Schalen und Näpfe wurden ebenfalls in größeren Mengen zusammengetragen, gespült und für den Transport verpackt. Einige würden wohl wieder zu ihrem Besitzer zurückfinden, andere landeten im Fundus des Valetudinariums. Für sowas hatte man schließlich immer Verwendung. Alles, was die Soldaten zum Beginn der Besetzung der Thermen aufgebaut hatten, bauten andere Soldaten nun wieder ab, zerlegten es wo nötig in Einzelteile und schafften es nach draußen. Einiges kam mit ins Lager, anderes wurde an einer möglichst wenig störenden Stelle in der Stadt liegen gelassen. Und schließlich wurden in den verlassenen Räumen große Becken aufgestellt, in denen eine ordentliche Menge Weihrauch verheizt wurde, um alle schlechten Lüfte von diesem Ort zu vertreiben und auch, um den Göttern für das Ende zu danken. Es würde sicher nicht der letzte Dank sein, weder in Mantua, noch von der Legion im Allgemeinen, noch von den Ärzten im Speziellen.

    Tatsächlich überzeugte sich der Medicus mit einem prüfenden Blick in den Mund von der Korrektheit der Aussage. Dann umrundete er langsam den Körper des Rekruten, klopfte an verschiedenen Stellen mit dem Fingerknöchel auf den Körper und legte schließlich sein Ohr auf die Brust des Rekruten, um einen Augenblick der Atmung zuzuhören. "Hört sich gesund an", stellte er fest. Es folgte noch ein Hörtest und ein Sehtest, dann war der Rekrut erlöst. "In Ordnung. Kannst die Tunika wieder anziehen. Du bist tauglich."

    "Sehr schön, sehr schön", kommentierte der Medicus die vorbildlich ausgeführten Liegestützen. "Einmal die Tunika ausziehen", ordnete er als nächstes an. "Irgendwelche Krankheiten gehabt in letzter Zeit? Knochenbrüche? Durchfall? Verlorene Zähne?"

    "Salve!", erwiderte der Medicus mit einem freundlichen breiten Grinsen und erhob sich von seinem Sitz. "Dann wollen wir mal schauen, ob du tauglich bist. Mach' mal dreißig Liegestützen und zähle dabei laut mit", lautete die erste Aufgabe.

    Der Bericht, den der Tribun erwähnte, war ein gutes Stichwort. Auch Sextius Taurea würde um das Schreiben zahlreicher Berichte nicht herum kommen. Und der entlassene Tribun war ein Strich auf einer der Listen, die später Grundlage für einen der Berichte werden würden. Zuvor ging Sextius Taurea jedoch noch zu einigen anderen Soldaten und teilte ihnen ebenfalls ihre Entlassung mit. Erst dann machte er sich auf den Weg in sein provisorisches Büro, um die Daten des Tages zu erfassen.

    Der Mann brauchte nicht lange zu suchen, denn das Büro des diensthabenden Medicus, der auch die Musterungen machte, lag nicht weit vom Eingang entfernt. Ein anderer Mann kam dort gerade hinaus und bemerkte den suchenden Blick des Besuchers. "Du sucht seinen Medicus? Da sitzt einer!", erklärte er grinsend und deutete in den Raum.

    Den Tribunen bei den Trepanationen zugucken zu lassen, kam für Sextius Taurea nicht infrage. Nicht, solange der Tribun noch krank war. Bei jeder Operation gab es nur einen Kranken und das war der, der operiert wurde. Und der Tribun war leider schon wieder zu gesund, als dass er ihm jetzt auch noch den Kopf aufbohren musste. Wahrscheinlich hatte er in den letzten Tagen oft genug das Maul aufgerissen, dass die Krankheit dort hinaus gehen konnte. Aber diese Mutmaßung gab Sextius Taurea nicht laut preis. Er traute dem Tribunen zu, dass er sie falsch verstand. "Die nächsten Trepanationen sind noch nicht geplant", sagte er daher stattdessen und verabschiedete sich mit einem eher schlampigen Gruß.


    Am Abend des nächsten Tages tauchte er dann wieder bei Duccius Vala am Lager auf. "Gute Nachrichten, Tribun. Keine Toten heute! Wir beginnen morgen, die teilweise Auflösung des Lazaretts hier in den Thermen vorzubereiten." Es gab zwar noch keine entsprechenden Befehle, aber es war immer gut, vorbereitet zu sein. "Und das bedeutet, dass du hiermit entlassen bist und dich morgen früh wieder beim Legaten zum Dienst melden kannst."