Beiträge von Fiona

    Zitat

    Original von Bridhe
    Ich wagte es nicht, Fiona näher nach ihrer Familie zu fragen. Zu sehr stand ihr der Kummer ins Gesicht geschrieben. Doch ich ergriff ihre Hände und wollte ihr etwas Mut schenken.
    Ja, wir werden Samhain feiern! Hier! So wie es Cadhla vorgeschlagen hat!


    Fionas kummervoller Blick wich auf einmal einem freudigen Lächeln.
    "Oh wie schön! Ich muß mir nur noch überlegen, wie ich wieder hierher in die Villa komme. Notfalls werde ich mich nachts fortstehlen!"
    Die Aussicht, dieses Fest feiern zu können, ließ ihre Stimmung merklich anheben.
    "Komm, darauf trinken wir!"
    Sie stoß mit Bridhe an. Offensichtlich konnte sie dem Wein nicht viel abgewinnen, denn ihr Becher war noch fast voll. Bei Fiona machte sich der Alkohol allerdings langsam bemerkbar. Sie genoß ihn, im Gegensatz zu vielen Römern, unverdünnt.

    Fionas Herz ging auf, als sie hörte, woher ihre Leidensgenossin stammte.
    "Du kommst aus dem Quellgebiet der Sulis? Na, da sind wir ja fast Nachbarn! Als Kind war ich einmal in Aquae Sulis!"
    Sie wußte zwar, daß es zwischen ihrem und Cadhlas Stamm in früheren Zeiten gelegentlich zu Reibereien kam, doch was spielte das jetzt noch für eine Rolle! Sie erhob ihren Becher und prostete den beiden Keltinnen zu.
    "Auf die geliebte Heimat! Auf das sie nicht müde wird, Widerstand zu leisten!"
    Sie dachte gerade daran, was wohl ihr Vater gesagt hätte, wenn er sie so hätte reden hören. Doch Fionas Vater war tot, getötet von seinen eigenen Vorstellungen einer friedvollen und freien Zukunft.
    Doch Cadhla sprach weiter. Ihr gefiel wohl auch der Gedanke, Samhain zu feiern. So begann sie schon zu planen. Doch kaum war sie damit fertig, verabschiedete sie sich auch schon und verschwand. Sie sagte irgendetwas, von Theater spielen. Fiona stutzte doch dand wandte sie sich Bridhe zu.
    "Glaubst du nicht auch, daß es wundervoll wäre, Samhain zu feiern? Für mich würde es viel bedeuten. Ich habe in diesem Jahr meine ganze Familie verloren!"
    Mit einem gewissen Kummer in den Augen sah sie Bridhe fragend an.

    Ja, in der Tat. Es war ein schönes Gefühl, einmal in den Arm genommen zu werden. Das hatte Fiona in all den letzten Monaten vermißt. Auch die Tatsache, daß Aintzane ihr nicht mehr böse war, ließ sie wieder etwas beschwingter werden.
    "Hör zu Aintzane! Sicher werden wir eines Tages wieder frei sein! Frei, zu gehen, wohin wir wollen. Ich möchte jedenfalls nicht für den Rest meines Lebens, als Sklavin dahinvegetieren. Weißt du noch, was Minna erst kürzlich gesagt hat?"
    Sich zuerst nach allen Seite umschauend, begann sie leise zu sprechen. Ihre Augen funkelten auf, als sie sich erinnerte, wie Minna erst vor wenigen Tagen davon sprach, eine Flucht planen zu wollen.
    "Du wirst es mir nicht glauben, doch dieser Stich des Skorpions hat mir wieder neuen Mut gegeben, nicht alles hinzunehemen, was sie wollen. Ich war am Abgrund des Todes, doch ich bin wieder zurückgekommen. Rhiannon selbst gab mir neue Kraft. "
    Herausfordernd sah sie Aintzane an. Sicher schlummerte auch noch in ihr ein kleiner Funke Freiheitswille.
    "Du sagtest, du hättest es schon einige male versucht? Ich werde mir das zurück nehmen, was man mir gestohlen hat! Zusammen werden wir es schaffen! Dessen bin ich mir ganz sicher. Mehr als sterben können wir hier auch nicht!"
    Fionas Augen strahlten. Sie war zu allem entschlossen. Würde sie in Aintzane eine Mitstreiterin finden?

    Fionas unruhiger und traumloser Schlaf währte zwei Tage. Das Fieber kämpfte in ihrem Körper gegen das Gift an. Immer wenn es möglich war, sahen die Freundinnen nach ihr, wischten ihr den Schweiß von der Stirn und flößten ihr etwas Flüssigkeit ein.


    Schließlich erwachte sie. Die anderen Sklaven waren bereits alle aufgestanden und arbeiteten schon.
    Sie fühlte sich erbärmlich. Es war so, als hätte man ihr einen Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Außerdem fühlte sie sich schwach und hatte ein flaues Gefühl im Magen.
    Sie versuchte sich zu erinnern, was alles geschehen war. Sie sah noch einmal die Szenen im Bad vor ihrem inneren Auge, sah den Skorpion, fühlte noch einmal den schmerzhaften Stich, doch was danach geschah, wußte sie nicht. Irgendjemand mußte sie hierher gebracht haben.
    Langsam versuchte sie aufzustehen. Sie war noch etwas klapprig auf den Beinen. Sie wollte zur Küche um etwas eßbares zu finden und jemanden fragen, was geschehen war.

    Aufmerksam hörte Fiona Aintzanes Geschichte zu.
    Es war doch immer wieder die gleiche Geschichte. Sie hatte die wieder die Bilder vor Augen,von dem, was damals auf ihrem Hof passiert war. Wehe, wenn sich ein einstiges freies Volk erhob, mußte es mit den härtesten Konzequenzen rechnen. So war es mit Aintzanes Volk und so war es auch in Fionas Fall gewesen.
    Als sie mit ihrer Geschichte geendet hatte, schritt Fiona auf sie zu und umarmte sie tröstend. Einige tröstende Worte flüsterte sie ihrer Freundin ins Ohr.
    "Sei nicht traurig Aintzane! Sie sind an einem guten Ort!"
    Dann begann sie Ihre Geschite zu erzählen.
    "Ich lebte einst auf einem Hof nahe des Flusses Usk mit meiner Familie. Ich hatte drei Brüder und eine Schwester. Mein Vater war ein angesehener Krieger meines Stammes. Vor einer Generation kamen die Römer in unser Gebiet. Sie unterwarfen die Stämme des Westens und bauten ganz in der Nähe unserer Siedlung ein Castell-Isca Silurum. Wir lernten, mit ihnen zu leben. Mein Vater war Verfechter dieses neuen Friedens. Er verlangte von seinen Kindern, die Sprache der Besatzer in Schrift und Sprache zu beherrschen. Doch die Jungen unseres Stammes sehnten sich nach Freiheit. Sie wollte einen Aufstand. Ironischerweise war er einer der ersten, die wegen des bevorstehenen Aufstandes getötet wurden.
    Es ist, als wäre es erst gestern gewesen. Es war ein frischer Frühjahrsmorgen. Die ersten Strahlen der Frühlingssonne hatten den neuen Tag begrüßt. Mein Vater und meine Brüder wollten an diesem Morgen zur Jagd aufbrechen. Sie waren draußen und bereiteten alles vor. Ich hätte alles gegeben, an diesem Morgen auch mit zu gehen. Doch meine Mutter redete auf mich ein, ich solle gefälligst zu Hause bleiben und ihr zur Hand gehen. Wir hatten einen Streit. Hätte ich gewußt, daß dies das letzte Mal war, daß wir zusammen waren, hätte ich ihr niemals diese kränkenden Worte gesagt.
    Plötzlich hörte ich ein Getöse und Geschrei, das von draußen kam. Ich rannte nach draußen und sah wie sie kamen. Unser Gesinde, das auf dem Feld arbeitete, schlachteten sie gnadenlos ab. Mein Vater und meine Brüder hatten keine Chance. Ich versteckte mich mit meiner Mutter im Haus. Meine Schwester war draußen im Garten.
    Die Soldaten kamen ins Haus, zerstörten alles und schließlich fanden sie uns. Meine Mutter stellte sich schützend vor mich. Ich höre immer noch das hämische Gelächter der Soldaten. Vor meinen Augen schlugen sie sie nieder und ....
    Mich packten sie und zerrten mich vor die Tür. Alles war voller Blut! Draußen hatten sie bereits meine Schwester. Sie fesselten uns und verhökerten uns einige Tage später an einen Sklavenhändler.

    Völlig niedergeschlagen stand sie da und blickte zu Aintzane. Ja, sie hatten eine ähnlche Geschichte und beide hatten sie Geister, die sie ab und an heimsuchten.

    Wie schön für Minna, daß sie sich endlich aus den Klauen Ofellas befreien konnte und zu ihnen herüber kam. Ganz fröhlich begrüßte sie die Sklavinnen auf germanisch. Aber gleich darauf errötete sie.
    Fiona begrüßte sie ebenfalls und stellte die anderen beiden Frauen vor."Salve Minna! Cadhla kennst du ja schon. Das hier ist Bridhe. Ich habe sie eben kennengelernt. Sie ist auch Keltin."
    Erneut nahm sie einen Schluck Wein. Dann wandte sie sich an Bridhe.
    "Woher, sagtest du, kommtst du?"
    Sie schaute sie prüfend an. Dann bemerkte sie den Mann neben ihr, der Rutger Severus gerufen wurde. Eigenartiger Name, dachte sie. Zum Teil germanisch und zum Teil römisch.
    Die Opferzeremonie beobachtend, wandte sie sich anschließend an Cadhla und Bridhe.
    "Eigenartige Sitten haben die hier! Wißt ihr eigentlich, daß demnächst auch wieder Samhain gefeiert wird?"

    Fiona war äußerst erfreut, als sich herausstellte, daß Cadhla auch aus ihrer Heimat stammte. Die Sklavin traute sich aber anscheinend nicht,mit ihr in ihrer Muttersdprache zu sprechen, sondern zog das Latein vor. So wechselte auch Fiona wieder ins lateinische und begann von sich zu erzählen.
    "Ja, es ist wirklich schön, jemanden aus der Heimat zu treffen! Ich lebte früher in Cymru, nahe Isca Silurum. Und ich bin auch vom Stamm der Silures. Jetzt bin ich Sklavin in der Villa Claudia. Woher kommst du?"
    Dann nahm sie einen Schluck des Weines, den Cadhla ihr gereicht hatte. Wunderbar! Wie lange war es her, seit sie zu letzten Mal Wein genossen hatte? Ja, damals war sier noch frei. Im Gegensatz zu den meisten Römern, trank sie den Wein unverdünnt. Sie hatte nie verstanden, warum man ein so wohlschmeckendes Getränk durch Wasser verschandelte.
    Während sie so bei Cadhla stand, sah sie, wie die arme Minna wohl wieder von Ofella in Beschlag genommen wurde.
    Callsta und Ofella zusammen an einem Ort, das war eine gefährliche und explosive Mischung, derer sich Fiona am liebsten entzog und sich lieber abseits der beiden aufhielt. Gleich und Gleich gesellt sich gerne, dachte Fiona spöttisch.

    Erleichtert vernahm sie Aintzanes Worte. Es war, als ob eine große Last von ihren Schultern genommen wurde. Endlich konnte sie wieder lächeln. Das hatte sie jetzt gebraucht!
    "Vielen Dank für dein Verständnis! Du weißt gar nicht, wie viel mir deine Worte bedeuten!"
    Aintzanes Aussage, auch sie hätte schon die Schatten gesehen, machte sie neugierig und beunruhigte sie auch zu gleich.Irgend etwas schlimmes mußte auch ihr und ihrer Familie wiederfahren sein.
    Das Lächeln wich aus Fionas Gesicht und sie wurde wieder völlig ernst.
    "Nein, deine Geschichte kenne ich nicht. Was ist dir zugestoßen?"
    Gespannt wartete sie, Aintzanes Geschichte zu hören.

    Auch Fiona hatte man mit zum Fest der Aurelier mitgenommen. Festlich gekleidet, so wie die anderen claudischen Sklaven, die die Herrschaft begleitete, beobachtete sie das bunte Treiben. Allerdings versuchte sie möglichst im Hintergrund zu bleiben, da sie auf gar keinen Fall Callista begegnen wollte. Sei dem Vorfall im Bad, waren sie sich nicht mehr begegnet. In der heimischen Villa war dies auch gut möglich, doch hier war die Chance, auf sie zu treffen viel größer.


    Da alle dem Wein frönten, beschloß auch sie zum Ausschank zu gehen und sich einen Becher zu holen. Dort erkannte sie eine Sklavin mit roten Haaren, deren Name wohl Cadhla lautete. Sicherlich stammte sie auch aus Britannien. Instinktiv sprach sie sie in ihrer Muttersprache an."Da hwyr, allais ca rhyw gwin , blesio?"
    Freundlich lächelte sie ihr zu und hoffte, daß sie sie verstanden hatte.


    "Da hwyr, allais ca rhyw gwin , blesio?" = Guten Abend, könnte ich bitte etwas Wein haben?

    Es tat Fiona in der Seele weh, ihre rauhe Stimme hören zu müssen. Schließlich war es ihre Schuld. Doch was Aintzane da sagte, überaschte sie sehr. Sie war ihr nicht mehr böse und sie sagte, es wäre nicht Fionas Schuld.
    Doch so leicht wollte Fiona sich selbst nicht die Absolution erteilen.
    "Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen! Was ich getan habe, ist unverzeilich! Glaube mir, ich schäme mich dafür, was in der Sklavenunterkunft passiert ist.
    Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Benohé meinte, es sei das Gift gewesen. Sie sagte, ich hätte dich für ihre Herrin gehalten. "

    Genau dieser war sie seit jenem Tag im Bad auch tunlichst aus dem Weg gegangen. Nicht etwa, weil sie eine Strafe fürchtete, sondern eher aus Sorge, sie könne ihr etwas antun. Wobei sie ja an jenem Tag aus freien Stücken gehandelt hatte. Denn sie wollte ja eigentlich sterben.


    Plötzlich war ihr aufgefallen, daß Aintzane von Schatten und Geistern gesprochen hatte. Hatte sie ihr jemals von ihren Träumen erzählt?
    "Die Schatten und Geister, kannst du sie auch manchmal sehen?"

    Diese Gelegenheit bot sich eines Morgens, als es noch ruhig in der Villa war. Außer den Sklaven war noch niemand aufgestanden.
    Gerade als Fiona das Atrium durchqueren wollte hörte sie eine vertraute Stimme. Es war so, als sang jemand ein trauriges Lied in einer eigenartigen Sprache. Sie blieb stehen, um genau festzustellen, woher der Gesang kam. Er mußte wohl aus einem Seitengang, der zum Atrium führte, stammen.
    Langsamen Schrittes ging sie auf den Gang zu, um sich zu überzeugen, ob es sich tatsächlich um Aintzane handelte.
    Etwas verlegen näherte sie sich ihr und räusperte sich. Sie wußte gar nicht so recht, wie sie anfangen sollte.
    "Ähm, Aintzane, entschuldige bitte! Ich würde gerne mit dir sprechen."
    Ihr war klar, das es absolut verständlich wäre, wenn Aintzane nie wieder ein Wort mit ihr wechseln würde.

    Fiona hatte den Stich des Skorpions überlebt. Nach ein, zwei Tagen war das Fieber überwunden. Sie war wieder fähig, aufzustehen. Um Callsita nicht über den Weg zu laufen, vermied sie es, von der Herrschaft gesehen zu werden. So arbeitete sie meist im Hintergrund, in der Küche oder in den anderen Arbeitsbereichen, in denen sich selten ein Patrizier hin verirrte.
    Auch noch nach mehren Tagen, verursachte das Gift ein Gefühl von Übelkeit in ihr. Ihr ging es daher auch nicht wirklich gut.
    Doch der Grund hierfür war nicht nur der Skorpionstich, sondern auch das, was sie Aintzane in ihrem Fieberwahn angetan hatte. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. Sie schämte sich unendlich dafür, die Freundin beinahe umgebracht zu haben.
    So geschah es, daß sie versuchte, ihr aus dem Weg zu gehen. Doch das war auf Dauer keine Lösung. Sie mußte nach der passenden Gelegenheit suchen, mit ihr zu sprechen.

    Fiona lauschte Aintzanes Worten. Mit gespieltem Interesse verlangte sie, die Karten einmal sehen zu dürfen.
    "Kannst du mir die Karten irgendwann einmal zeigen? Ich würde mir sie gerne mal anschauen, wenn ich mehr Zeit habe."
    Lächelnd schaute sie zu den beiden Sklavinnen. Sie traute sich nicht, ihnen zu sagen, daß sie ihren Weg nur alleine gehen konnte."Ja, dann muß nur noch der richtige Zeitpunkt kommen!"
    Verlegen schaute sie sich um. Sie hatte das Bedürfnis, jetzt alleine zu sein. Deshalb verabschiedete sie sich und wollte gehen.
    "Ja, ähm also, ich muß dann mal wieder! Bis dann!"

    Immer heftiger war ihr Druck an Aintzanes Hals, bis sie plötzlich ein dumpfer Faustschlag auf der linken Backe traf.
    Halb benommen ließ sie von ihr ab und fiel zurück auf ihr Lager, als Minna sie schließlich auseinander brachte.
    Der Schlag hatte wirklich gesessen! Ihre Backe pochte vor Schmerz. Sicher würde sie ein blaues Auge davon tragen.
    Stöhnend wollte sie sich vor Minna rechfertigen.
    "Dieses verdammte römische Luder hat den Tod verdient!"
    Erneut wollte sie sich wieder auf die vermeintliche Callista stürzen, doch diesmal wurde sie von Minna gehindert, die immer noch zwischen ihr und Aintzane stand.
    "Warte nur, Callista, Herrin! Eines Nachts werde ich zu dir kommen!"
    Haßerfüllt glühten ihre Augen, als sie ihre Drohung aussprach. Dann ließ sie sich wieder auf ihr Lager fallen und schloß ihre Augen. Diese ganze Aktion hatte sie zu viel Kraft gekostet. Sofort begann sie in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.

    Minnas Worte waren tröstlich, doch Fiona halfen sie nicht. Sie machte sich keine Illusionen mehr. Für sie gab es kein Happy End! Zuhause wartete niemand sehnsüchtig auf sie und hoffte, sie würde bald kommen. Die die auf sie warteten, waren die Schatten, die sie allnächtlich heim suchten.
    Für Fiona gab es nur einen Fluchtweg: hinab in den Abgrund. Das würde ihr Stärke und Mut abverlangen. Fähigkeiten, die ihr noch nicht abhanden gekommen waren.
    Fiona wischte die Tränen ab, versuchte wieder zu lächeln und wandte sich ihren Freundinnen zu, die sicher dachten, Minnas Worte hätten sie wieder aufgebaut. Doch in Wirklichkeit, hatte Fiona jetzt in diesem Augenblick eine Entscheidung getroffen. Sie war nun bereit, in den Abgrund zu springen. Doch diese Entscheidung sollte Minna und Aintzane bis auf weiteres verborgen bleiben.
    "Ja, wir werden es schaffen, eines Tages! Jeder muß seinen Weg gehen. Ich bin bereit meinen zu gehen! Dessen bin ich mir jetzt bewußt!"


    Lächelnd und zuversichtlich blickte sie zu ihren beiden Schicksalsgenossinnen. Das sie in diesem Moment den Tod für sich gewählt hatte, konnte niemand erahnen. Stattdessen gab sie sich neugierig, auf das von Aintzane erwähnte Kartenmaterial.

    Von dem Transport in die Sklavenunterkunft bekam Fiona nicht viel mit. Immer wieder fielen ihr die Augen zu und wenn sie geöffnet waren, sah sie alles nur undeutlich und verschwommen.
    Endlich, als man sie auf ihr Lager gebettet hatte, versuchte sie sich etwas zu entspannen. Immer noch spürte sie diese Hitze in sich, die ihr die Schweißperlen auf die Stirn trieben.
    Erneut öffnete sie ihre Augen. Im Schein der Öllampe erkannte sie zwei Gestalten, die an ihrem Lager saßen. Wer waren sie? Waren es wieder die Geister, die sie jetzt doch noch holen wollten, weil sie sie für sich beanspruchten? Nein! Diese hier sprachen eine andere Sprache! Es war die Sprache der Feinde! Die Feindin- Callista und ihre hörige Sklavin, die ohne zu zögern, alles tat, was Callista ihr sagte! Wollten sie nun noch den Rest besorgen?
    Urplötzlich sammelte sie all ihre Kräfte und bäumte sich auf. Haßerfüllt war ihr Blick! Mit lautem Geschrei stürzte sie sich auf die vermeintliche Callista, die eigentlich Aintzane war. Doch das blieb Fiona in ihrem Fieberwahn verborgen.
    Ihre Hände umschlangen ihren zarten Hals. Sie mußte jetzt nur noch fester zudrücken. Dann hätte sie ihre Rache! Nur ein toter Römer war ein guter Römer!

    Sim-Off:

    Richtig! ;)


    Aufmerksam hörte Fiona dem Bericht Aintzanes zu. Mittlerweile tat es ihr schon wieder leid, daß sie so unfreundlich zu ihr war.
    Die Baskin hatte wohl schon mehrmals versucht, zu fliehen. Hatte man sie jemals dabei erwischt?
    Der letzte Teil ihrer Rede, ließ Fiona aufhorchen. Sie hatte Kartenmaterial um nach Hause zukommen! Nach Hause! Aber was bedeutete das, nach Hause zu kommen? Auch ihr Zuhause gab es nicht mehr. Auf brutalste Art und Weise war dieses Zuhause ausgelöscht worden. Genau das erlebte sie ja jede Nacht wieder auf´s Neue.
    Völlig niedergeschlagen antwortete sie.
    "Du hast Recht, Aintzane. Es ist äußerst dumm, über eine Flucht nachzudenken! Sie werden es sicher zu verhindern wissen, daß unsere Flucht gelingt und wir jemals wieder...!
    Bei ihrem letzten Satz stockte sie und hielt sich vor lauter Entsetzen die Hände vor ihr Gesicht, so als ob sie etwas schreckliches gesehen oder erlebt hätte. Still begann sie zu weinen. Sie wandte sich von den beiden Sklavinnen ab, damit diese nicht ihre Tränen sehen konnten. Doch es war für alle offensichtlich, was gerade geschah.

    Erschrocken blickte Fiona auf, als sie dieses Lachen hörte. Es war diese Sklavin , die mit ihr aus Ostia zurück nach Rom gekommen war. Aintzane hieß sie. Mißtrauisch beäugte sie die Baskin. Konnte man ihr wirklich trauen? Offensichtlich hatte sie ihr Gespräch belauscht.
    "Ach, was du nicht sagst! Du hast es also schon probiert! Na siehst du Minna, wenn sie es schon probiert hat, dann brauchen wir uns erst gar nicht an die Arbeit zu machen!"
    sagte sie in einem sehr unfreundlichen und schnippigen Ton.
    Eigentlich wollte sie gar nicht so unfreundlich zu ihr sein, denn im Grunde genommen, kannte sie sie ja kaum. Doch es wurmte sie, daß Aintzane sie einfach so belauscht hatte.
    "Na dann erzähl doch mal, wie du es angestellt hast!"
    Auffordernd schaute Fiona sie an.

    Fionas Körper glühte noch immer. Das Fieber hatte sie fest im Griff. Doch langsam, unaufhörlich versuchte ihr Bewußtsein wieder die Außenwelt zu erklimmen. Stöhnend bewegte sie den Kopf hin und her und murmelte etwas dabei. Sie spürte die Berührung der indischen Sklavin. Doch sehen konnte sie sie nicht. Ihre Augen waren noch nicht bereit, daß neugeschenkte Leben zu begutachten.
    Langsam, unmerklich wurde ihrer Sprache deutlicher. Schwach und zittrig waren ihre Worte. Doch in ihrem Fieberwahn wiederholte sie sie immer wieder und wieder.
    "Ich will leben! Ich will leben!"
    Dann endlich war es soweit! Sie schlug ihre Augen auf. Geblendet vom Licht, verengten sich ihre Augen und sie erblickte Benohé, die immer noch über sie gebeugt, an der gleichen Stelle verharrte. Es bereitete Fiona große Schwierigkeit, das auszudrücken, was sie bei ihrem Anblick empfand. Es war kein Haß oder dergleichen. Sie hatte sogar großes Mitleid mit der Inderin. Doch sie würde niemals verstehen können, wie ein menschliches Wesen sich so erniedrigen konnte. Ihre Lippen versuchten einige Worte zu formen, die sie Benohé mitteilen wollte.
    "Das Geschenk deiner Herrin war nur Lug und Trug! Es hat mich nicht getötet. Nein, es hat mich nur stärker gemacht! Sag ihr das!"
    Dann sah sie sich um, und sah in die völlig fassungslosen Gesichter ihrer Freundinnen.