Beiträge von Iunia Urgulania

    So unauffällig der Exegetes seine Musterung auch durchführte, so sehr fiel sie mir auf, schliesslich war ich eine Frau vom Fach und das nicht erst seit gestern. Ich lächelte leicht, denn natürlich freute auch ich mich immer wieder, wenn mich Männer trotz meines Alters noch etwas intensiver als möglich ansahen.
    Urgulania aus der Familie der Iunier, Tochter des Iunius Cotta und Enkelin des Iunius Ursus.
    stellte ich mich vor und hielt mich dabei ebenso an den Attischen Dialekt, den ich vor so vielen Jahren gelernt hatte.
    Es geht darum, dass ich mich vor einiger Zeit hier in Alexandria niedergelassen habe und nun wollte ich bezüglich der Proxenie anfragen, da ich nicht vor habe die Polis wieder zu verlassen.

    Wir hörten eine Stimme, die uns hereinbat, aus den Tiefen des Arbeitsbereiches. Mein Begleiter öffnete die Tür und wir traten ein. Er folgte mir mit einem Schritt Abstand als ich den vorderen Arbeitsbereich durchquerte und auf die Quelle der Stimme zuhielt. Dort trafen wir auf einen Mann, der scheinbar jener war, nach dem ich suchte.
    Chaire, ich hoffe, du bist der Exegetes Nikolaos Kerykes?
    fragte ich.

    Das Varilia eine solche Handlung nicht selbst durchführen würde, war für mich selbstverständlich, schliesslich hatte man für sowas Sklave ohne Zunge.
    Ich schmunzelte ein wenig.

    Nun ja, warten wir es einfach ab. Ich bin sicher, es lässt sich jemand finden, der auch deinen Ansprüchen gerecht wird.

    Andere Frauen hätten an dieser Stelle sicherlich gezögert oder zumindest ein kleines Anzeichen von Scham gezeigt, doch so eine Frau war ich schon lange nicht mehr.
    Ein pornéion * der gehobenen Klasse. Dabei müsste ich auch noch wissen, ob es bestimmte Bestimmungen gibt, in welchen Teilen der Polis ein solcher Betrieb angesiedelt sein darf.
    antwortete ich sachlich und war gespannt, wie der Beamte reagieren würde.



    * lupanar

    Ich freute mich sehr über die heutige Unkompliziertheit der alexandrinischen Stadtverwaltung und folgte, natürlich flankiert von meinem Begleiter, das Arbeitszimmer des Beamten. Auf dem angebotenen Stuhl nahm ich dankbar Platz und beantwortete auch gleichzeitig die gestellte Frage:
    Chaire, mein Name ist Iunia und ich möchte ein kleines Gewerbe hier in Alexandria anmelden. Man sagte mir, du wärst dafür zuständig.

    Eine interessante Idee. Allerdings solltest du dich dabei dann nicht erwischen lassen.
    kommentierte ich die Angelegenheit mit der Klinge. Ich war da ja mehr eine begeisterte Giftnutzerin, doch wenn Varilia die Klinge bevorzugte, dann war es halt so. Jede Frau musste da ihren eigenen Weg wählen.

    Ich musste lachen. Ähnliches hatte ich vor langer Zeit einmal zu meinem Vater gesagt. Doch an der Tatsache, dass ich niemals geheiratet hatte, konnte man sehen, dass ich dabei erfolgreicher war als Varilia es sein würde, denn in mir hatte sie jemanden der nicht so leicht nachgab.
    Ich machte ein strenges Gesicht und sprach mit der Stimme einer strengen Lehrerin:

    Junge Dame, in unseren Kreisen heiratet man selten aus Liebe sondern man heiratet um das Ansehen der Familie zu mehren oder um für die Familie günstige politische Bindungen zu knüpfen.
    Das waren zwar sicherlich etwas veraltete Aussagen, doch war ich mit ihnen gross geworden und ich hätte sie sicherlich auch an meine Kinder weitergegeben, so ich denn welche gehabt hätte.

    Es war schön gewesen endlich wieder aus dem Haus zu kommen und durch die Strassen dieser riesigen Stadt zu wandeln. Ich atmete die warme Luft ein und fühlte die Sonne auf meiner Haut. Meine Verwandten hatten mich nicht allein gehen lassen wollen und so war ich in Begleitung eines Sklaven, der auf mich aufpassen sollte. Etwas, dass ich überflüssig fand, schliesslich war ich durchaus in der Lage selbst auf mich aufzupassen. Doch natürlich hatte ich mich gefügt.
    Und so erreichte ich mit meinem Anhängsel die Agora und suchte dort nach dem Räumen des Agoranomos wo wir hofften auf eben jenen Beamten zu treffen.

    Ich musste ein wenig schmunzeln.
    Langweilen werde ich mich schon nicht. Da mach ich mir gar keine Sorgen. Und wenn ich doch anfange mich zu langweilen, dann werde ich mich einfach um dein Liebesleben kümmern.
    Das würde Varilia zwar sicherlich stören, aber das war mir egal.

    Der Praefect hat mir zugesichert, dass er etwas unternehmen wird. Was dabei schlussendlich herauskommt, werden wir sehen. Immerhin kann er schlecht die gesamte Wüste durchsuchen lassen.
    Grosse Hoffnungen hatte ich nicht. Weder darauf, dass die Täter gefasst wurden, noch das ich meinen Besitz oder meinen alten Freund je wiedersehen würde.

    Ich schüttelte leicht den Kopf.
    Ich glaube nicht, dass alle anderen tot sind. Es waren römische Bürger unter ihnen und ich glaube nicht, dass die Räuber die so ohne weiteres töten würden. Vermutlich werden sie Lösegelder verlangen oder sie in die Sklaverei verkaufen.
    Beides waren keine sonderlich angenehmen Aussichten und ich musste unweigerlich mitleidvoll an meinen alten Freund denken, der auch unter ihnen war.
    Etwas weniger aufregendes?
    Ich musste lachen.
    Das klingt irgendwie langweilig, das musst du zugeben. Aber du hast vermutlich Recht und es wird besser sein, wenn ich hier bleibe, zumindest vorerst.

    Ich lächelte meine junge Cousine an. Es war natürlich verständlich, dass sie alles wissen wollte, doch was sollte ich ihr genau sagen? Würde die Wahrheit sie zufriedenstellen? Immerhin war die eigentlich nicht sonderlich spektakulär, aber andererseits war sie wenigstens nicht so angsteinflössend. Ich seufzte leise.
    Eigentlich gibt es da nicht sonderlich viel zu erzählen. Ich war mit einer Karawane auf dem Weg nach Paraetonium, dort wollte ich mich, wie gesagt, mit einem Geschäftspartner treffen.
    Unterwegs haben wir natürlich ein Nachtlager aufgeschlagen, da das Reisen bei Nacht nicht sonderlich sicher und es in der Wüste auch zu kalt ist. Und irgendwann in der Nacht wurde unser Lager dann überfallen. Sie kamen im Schutz der Dunkelheit und wir hatten keine grosse Chance, da die Karawane nur leicht bewaffnet war.

    Etwas, dass mir im Nachhinein als grosser Fehler oder sogar als Wahnsinn vorkam, doch waren wir ja alle sicher, dass die Legionen die Strassen schützten.
    Sie trieben alle im Lager zusammen und zerschlugen so ziemlich alles, was in den Zelten zu finden war. Nur ich und ein junger Kameltreiber konnten uns davonschleichen. Und gemeinsam sind wir dann, als die Räuber weg waren, in Richtung Alexandria losgelaufen.

    Ich nickte.
    Das wird bestimmt das Beste sein.
    Ich ging einige weitere Schritte und setzte mich dann wieder auf das Bett. Ich schaute die junge Varilia an und schwieg einen Moment. Sie wirkte, als ob sie mich etwas fragen wollte und es war mir eigentlich auch klar, was das war.
    Du möchtest wissen, was passiert ist, oder?
    fragte ich sie, denn sie schien nicht von allein fragen zu wollen.

    Na das war ja wieder klar gewesen, dass die Herren sich lieber wo anders vergnügten. Typisch Milites war das. Doch musste ich mich damit abfinden und das beste daraus machen. Zuerst einmal musste ich einen Brief nach Paraetonium schicken um dort alles zu regeln. Und da, wie ich annahm, es eher unwahrscheinlich war, dass ich hier so schnell wieder wegkommen würde, musste ich mir Gedanken darüber machen, wie es für mich weitergehen sollte.
    Wenn offensichtlich ein Grossteil meiner Familie mittlerweile hierher gekommen war, konnte ich schlecht an meinem Plan festhalten hier wieder zu verschwinden. Und eigentlich wollte ich das auch nicht, denn langsam kam ich durchaus in ein Alter, da eine Frau sich endlich niederlassen sollte. Fehlte nur eine Beschäftigung.

    Nun, dann werde ich ihn wohl erst morgen sprechen. Da kann man nichts machen.
    Ich ging noch ein paar Schritte weit und wandte mich dann meiner Cousine zu.
    Wir sind hier im Basileia, oder? Ich nehme an, wir sollten uns darum kümmern, dass ich das Tor passieren kann.
    Das war äusserst wichtig, musste ich mich doch möglichst schnell mit der Stadtverwaltung in Verbindung setzten, wenn ich den Plan, der sich langsam vor meinem inneren Auge formte, verwirklichen wollte.

    Mit Hilfe meiner Cousine schaffte ich es das Bett zu verlassen, auch wenn es etwas dauerte und auch ein Wenig anstrengend war. Zuerst setzte ich mich auf und verblieb dann einen Moment in dieser sitzenden Position. Ich lächelte Varilia an, bevor ich mich dann, von ihr gestützt, auf die Füsse stellte und aufstand. Ich streckte mich und liess einen tiefen Seufzer raus.
    Ich werde es schon nicht übertreiben, mach dir keine Sorgen. Es gibt nur einiges zu erledigen, denn eigentlich war ich auf dem Weg nach Westen wo ich mit einem wichtigen Bekannten zusammentreffen wollte. Ihm werde ich schreiben müssen, dass ich es nicht pünktlich schaffen werde.
    Das war nur die halbe Wahrheit, doch wollte ich die ganze in diesem Moment nicht preisgeben, denn die Situation hatte sich verändert und ich würde vieles überdenken müssen.
    Ich ging ein paar Schritte.

    Kannst du mir etwas zum Schreiben besorgen? Und weisst du, wann Silanus nach Hause kommt?

    Das mach ich dann schon, nur keine Angst. Ich werde seinen Kandidaten aufs Schärfste prüfen und wenn Silanus anfängt zu meckern, dann werde ich ihm zeigen, wer hier die Herrin im Haus ist.
    sagte ich selbstbewusst und mit möglichst kräftiger Stimme.
    Aber jetzt, Kleines, sollten wir uns erstmal um die vordringlichsten Dinge kümmern. Hilf mir bitte mal beim Aufstehen.
    Im Normalfall konnte ich natürlich allein aufstehen, doch hatte ich das Gefühl, dass das Schlafmittel des Medicus immernoch wirkte, was natürlich nicht sein konnte. Aber wichtig war mir in diesem Moment sowieso erstmal, dass ich aus dieser liegenden Position rauskam, denn langsam hatte ich genug davon die Zimmerdecke anzustarren.

    Ich lächelte sie ein wenig bemutternd an.
    Ich hatte nicht befürchtet, dass du dein Verhalten der Familienehre schaden könnte, sondern eher, dass dir jemand schaden könnte. Männer tun dies sehr leicht ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen.
    Das hatte ich selbst schon oft genug erlebt, schliesslich war ich ja auch einmal jung gewesen. Und Frauen meiner Profession kannten sich bei soetwas ja sowieso immer am besten aus.
    Und was Silanus für einen passenden Ehemann hält, werde ich glaube ich mit ihm vorher noch eingehend besprechen müssen. Nicht, dass der dir da einfach den erstschlechtesten anschleppt.

    Den Namen hatte ich schon mal gehört, zumindest kam es mir so vor. Wahrscheinlich während der Audienz beim Praefecten, doch war ich mir nicht sicher. Doch der Name machte mich nicht unbedingt glücklicher. Leicht schüttelte ich den Kopf.
    Überstürz nur bitte nichts, Kleines. Mit Männern dieses Schlages sollte Frau vorsichtig sein.
    Das ich damit nicht unbedingt Soldaten sondern eher eine gewisse gesellschaftliche Schicht meinte, behielt ich erstmal für mich.