Beiträge von Maron

    Wurde ich sentimental? Gar senil?


    Ich fragte mich das schon so ein bisschen, als ich in der Mittagshitze durch den um diese Uhrzeit menschenleeren hortus stakste. Die ganze villa Aurelia war in siesta, und auch Aurelius Cotta schlummerte friedlich wie ein Baby in seinem Bettchen, als ich ihn verlassen hatte. Ich hatte mir diese Tageszeit ausgesucht, weil ich im hortus was vor hatte und ungestört sein wollte; dieser Plan schien schon einmal aufzugehen.


    Unbeobachtet erreichte ich nämlich diesen kleinen Tümpel im hinteren Teil des Gartens, der an dem einen Frühsommerabend den Ausgangspunkt abgegeben hatte für ein zunächst feuchtes, dann schmerzhaftes und schließlich irgendwie komisches Abenteuer eines Aureliers, nämlich "meines" Aureliers, und zweier servi, nämlich Cadhlas und meiner Wenigkeit.


    Hier hatte ich jetzt was zu erledigen, was Ernstes. Mit feierlichem Gesicht - jedenfalls hoffte ich, dass ich so eines machte - zog ich einen Dolch aus einem Täschen hervor, den ich mir bei meinem dominus ausgeborgt hatte; er hatte halt so tief geschlummert. Ich trat nahe an einen Baum, der an dem Tümpel stand, und ging in die Hocke, um in seine Rinde den Namen Cadhlas in griechischen Buchstaben einzuritzen, und das an einer möglichst wenig auffälligen Stelle, schließlich machte ich das hier nur für mich, und andere sollten das erst gar nicht sehen. Cadhla - ja, vor ihr hatte ich Respekt gehabt.


    Schon setzte ich die Spitze des Dolches an die Rinde an, als ich ein Rascheln ganz in meiner Nähe vernahm. Ich dachte natürlich gleich an Cadhla, aber die kämpfte doch in Tarraco?



    Sim-Off:

    Ihr ahnt es: reserviert :]

    Erst hatte Italia uns wieder, dann Rom und gleich würde meinen dominus und mich auch wieder das nette Häuschen seiner gens in der Hauptstadt des imperiums verschlucken - ein Schluck, der sich bei der ersten Ankunft des Aurelius Cotta ja dann irgendwie als zu groß erwiesen hatte, zu groß allerdings wohl für Aurelius Cotta selbst.


    War er auf seiner Flucht nach Aegyptus gewachsen? Ich hoffte es für ihn und ja, die meiste Zeit hatte ich auch diesen Eindruck und war gespannt, wie er sich jetzt im Schoß seiner lieben Familie schlagen würde.


    Ob er nun aber reifer geworden war oder nicht - eines stand fest: Aurelius Cotta war krank. Deshalb ahnte ich auch schon Schlimmes, als er sich selbst aus der Sänfte, die ihn hierher getragen hatte, herausschwang und an die porta klopfte. Und natürlich: Sofort zeigten sich an seinen Schläfen wieder diese verdächtigen Schweißperlen.


    Ich machte einen Schritt auf ihn zu, aber bevor ich ihm richtig unter die Arme greifen konnte, brachen im Innern der schmucken villa gleich mehrere Höllenhunde los, von denen uns einige dann auch bald ihr Gesicht zeigten, allen voran Leone, der seiner Aufgabe mal wieder nicht Herr wurde und dessen süßliches Geseiere meinem dominus gegenüber mich nur wenig milde stimmen konnte. Wurde Zeit, dass ich wieder da war.


    Der nächste Höllenhund entpuppte sich so von Angesicht zu Angesicht dann als allerliebstes Kätzchen. Dominus Aurelius Corvinus hatte also wieder einmal auf dem Sklavenmarkt zugeschlagen - und einen Volltreffer gelandet. Nur dass die Süße jetzt ihre Zähne nicht auseinander bekam und auch nicht ihre Lippen. Aber das waren nur kleine Fehler, an denen ich behutsam arbeiten würde - falls es der Zustand von Aurelius Cotta erlauben würde. Er war schon wieder bedenklich fahl geworden und bat auch gleich darum, sich zurückziehen zu können, eine Bitte, die man besser schnell erfüllen sollte.

    Aurelius Cotta stand da und weinte. Nicht, dass man auch nur einen Laut von ihm hätte vernehmen können, er war ganz stumm und stöhnte auch nicht oder so, und ich musste es wissen, denn ich stand ja ziemlich nahe bei ihm. Noch nicht einmal sein Gesicht verfärbte sich merklich, vielleicht nur ein bisschen rosiger als sonst, aber das konnte auch noch von der Klatsche her sein. Seine Hände hatte er allerdings zu Fäusten geballt, und auch sonst sah man seiner ganzen Körperhaltung an, wie sehr er sich zusammenriss.


    In diesem traurigen Moment schwebte auf einmal Tilla zu uns; ja, woher war sie eigentlich so schnell gekommen, auch ich hatte sie nicht wirklich kommen sehen. Und alles das machte die auch noch mit diesem Tablett in der Hand! Und nicht nur das. Offenbar hatte auch sie meinen dominus weinen sehen; irgendwie zauberte sie ein Taschentuch hervor und legte es Aurelius Cotta in seine Hand. Ich überblickte das alles aus meinen Augenwinkeln, jedenfalls solange diese nicht damit beschäftigt waren, Tilla zuzuzwinkern und sie damit nun in unserer Ecke des adedis zu begrüßen.


    Aber was machte denn mein Herr da? Er trocknete sich mit Tillas Taschentuch nicht etwa die Tränen ab, die wischte er sich ziemlich plebejisch mit seinem Ärmel fort; das Taschentuch drückte er jetzt auf seine Lippen und versuchte dann, es Tilla wiederzugeben. Die nahm es auch, war aber ziemlich perplex, da sah ich gleich. Meine Güte, mein dominus hatte aber auch ein Talent für die richtige Geste zum falschen Zeitpunkt und am falschen Ort. Und natürlich bei der falschen Person, denn Tilla war damit ja total überfordert; wenn selbst ich für sie nur väterliche Gefühle hegte, musste das schon was heißen. Ach ja, aber überfordert war Aurelius Cotta offenbar auch von dem Ganzen hier; vielleicht fühlte er sich auch ziemlich einsam.


    Ich jedenfalls schaute wieder begütigend zu Tilla, auf die aber schon die nächste Überraschung wartete: Aurelius Lupus kam jetzt auch noch singend ins adedis. Ob das, was er jetzt zu seiner Mutter sagte, eine Provokation war oder ein altes Familienritual, konnte ich nicht beurteilen. Aurelius Cotta schien ihn jetzt nicht weiter zu beachten; Tilla aber war ganz schön durcheinander. Und da! jetzt fragte sie mich etwas ... ach so, drei Söhne! Ich nickte unmerklich, war aber sicher, dass Tilla das gesehen hatte.


    Jaha, drei Söhne; das trio infernale war komplett.

    Es war dann zwar doch nicht der Tod gewesen, der hier im hortus der villa Aurelia in Roma auf mich gewartet hatte, aber immerhin Appius Aurelius Cotta, und zwar in einer derart beeindruckenden Montur, dass die kleine Sklavin ganz schön Augen machte; das merkte ich natürlich, obwohl sie mir den Rücken zuwandte, in sowas war ich halt ganz einfach erfahren. Da ich meinen dominus ja wusch, war mir der Anblick nichts Neues; Cadhla aber hatte ja offenbar eher ein Händchen für Kinder und für Gartenarbeit als für Männerhaut - ok, von der Haut im Halsbereich eines Mannes vielleicht einmal abgesehen. Ne, die war richtig gefährlich.


    Übrigens hatte ich mit dem Ernte Einholen gar nicht so Unrecht gehabt, denn auch wenn es nicht der Tod war, der hier Ernte hielt, so war er jetzt doch auf so ein Gerät gestützt, mit dem man das machen konnte - was es war, erfuhr ich erst am anderen Tag. Außerdem sah er irgendwie so aus, als würde er Cadhla und mich jetzt mal gleich zur Kreuzigung schicken; ich verstand aber auch wirklich nicht, was hier eigentlich passiert war. Gut, er hatte sich an diesem Abend mit der Sklavin vergnügt - wurde ja auch Zeit, allmählich musste man über meinen dominus ja sonst denken, er wäre eine taube Nuss. Aber was war dann passiert, warum hatte Cadhla ihn geschlagen? War Aurelius Cotta so brutal vorgegangen? Herrje, ich hatte ihm ja immer Tipps geben wollen, aber er hatte das stets notorisch abgelehnt. Tja, dafür waren seine eigenen Erfahrungen jetzt ja auch ziemlich unsanft ausgefallen; ich konnte Cadhla schon ein bisschen verstehen, Frauen mochten sowas eben nicht. Und mich? Mich hatte sie wohl ebenso für einen fremden Eindringling gehalten wie ich sie ...


    Mittlerweile war ich wieder etwas zu Atemluft gekommen und rappelte mich auf. Es galt jetzt erst einmal, meinen erbosten Herrn zu beruhigen und zu bekleiden. Denn das mit dem Wäschesack hatte sich ja als Irrtum herausgestellt ... An der besorgten Cadhla vorbei wollte ich auf ihn zugehen, als er auch schon wieder in sich zusammensackte. Jetzt machte auch ich mir richtig Sorgen. "Verdammt, Cadhla, es geht ihm nicht gut! Was habt ihr hier nur getrieben ..." Dabei schüttelte ich meinen Kopf und sah kurz zu ihr hin. Weil ich dies aber mit einer Kopfdrehung hin zum Mondlicht verbinden musste - ich stand mittlerweile schon zwischen ihr und Aurelius Cotta - merkte ich jetzt erst, dass ich kaum noch was sah. Ich rieb mein linkes Augen, das von Cadhlas Tritt noch höllisch weh tat; es war nun vollständig zugeschwollen. Aber das war jetzt egal. "Pass auf", sagte ich zu der Keltin gewandt - andere Kollegen wollte ich in diese Angelegenheit lieber nicht einweihen, so blieb nur sie - "pass auf: Ich trage den dominus jetzt in sein cubiculum und lege ihn hin; ich werde mich auch die ganze Nacht neben ihn hocken, und wenn etwas ist, müssen wir doch noch einen Arzt rufen - deshalb wirst auch du dich diese Nacht bereithalten, hörst du? Ich will nämlich nicht, dass die anderen Sklaven davon Wind bekommen, und natürlich erst recht nicht sein Bruder Aurelius Lupus." Der tat zwar immer so kynisch, würde im Falle eines Falles aber sicher auch eine Kreuzigung befürworten, weil er ja letztlich doch römischer Patrizier war.


    Dann trat ich auch schon zu meinem Herrn und hob ihn auf meine Schulter, natürlich auf die rechte, denn auch mein linkes Knie schmerzte höllisch, und ich wollte es schonen. Lang war er ja, mein dominus, aber zum Glück ziemlich mager, so dass das mit dem Tragen schon gehen würde. Aber da war noch was. "Cadhla, und seine tunica und sein Schurz müssen weg, ja? Die darf niemand finden. Schaff hier Ordnung!" Und da war noch was, und ich trat - mit dem Aurelius Cotta auf der Schulter - einen Schritt an die Keltin heran; dann zögerte ich aber, denn sie würde meine Fahne riechen - ok, hatte sie wahrscheinlich eben schon, als sie auf mir saß -, nun ja, ich würde ihr jetzt mal zeigen, was ein Mann war. "Cadhla, ich habe dich eben nicht erkannt. Ich wollte dir nicht wehtun. Und ich wollte ... dir nicht zu nahe treten. Wenn ich dich erkannt hatte, wäre mir das nicht passiert."


    Ich drehte Richtung cubiculum AAC ab. Dort würde ich Aurelius Cotta betten, über ihn wachen, ja, und mich wohl an seiner Kleidertruhe bedienen, denn ich brauchte unbedingt irgendwas, was ich nassmachen und dann auf mein Auge und mein Knie halten konnte. Die Cadhla - zutreten konnte die ...

    Und es folgte noch was, und wie - ein Abend das Ganze, den ich nicht vergessen werde. Denn kaum hatte ich mich einigermaßen in meiner neuen sitzenden Situation eingefunden, als schon der nächste Schlag mich traf - und schon wieder gegen mein linkes Knie! Es war einfach nicht zu fassen, warum denn immer gegen dieses Knie! Aber bevor ich noch Luft holen konnte zum Aufheulen, lag plötzlich mein Gegner auf mir und versuchte, mich endgültig nieder zu ringen. Aber was war das? Ich konnte zwar fast nichts mehr sehen, aber meine Gefühle waren selbstverständlich für einen thrakischen Stier - na ja, normalerweise war ich das - noch nicht abgestorben. Und das, was da jetzt so rabiat auf meinem Körper Platz nahm, war eindeutig eine Frau, ganz eindeutig, das konnte ich spüren. Ein weiblicher Einbrecher? Ich schmunzelte, denn das hätte sie doch einfacher haben können.


    Für kurze Zeit fühlte ich mich an das erinnert, was ich einige Stunden zuvor so alles erlebt hatte. Ach, ich mochte diese rabiaten Frauen, die einem alles abverlangten und einfach keine Ruhe gaben! Moment, war mir etwa eine von denen bis hierher gefolgt? Also, dass ich immer noch ziemlich unwiderstehlich war, wusste ich ja, aber binden würde ich mich auf keinen Fall an eine, und außerdem ging das ja gar nicht, ich war ja Sklave. Aber der Gedanke, mir könnte wirklich eine bis hierher gefolgt sein, weil sie nicht genug von mir kriegen konnte, und dann dieser Kampf - das machte mich schon alles mächtig an, und vielleicht konnte sie das schon fühlen, weil sie ja günstig auf mir saß. Und als auf einmal der Mond aufleuchtete und die Frau beschien, die mich da so unterworfen hatte, damit ich sie nochmal unterwerfe - da dachte ich: Stern über Mykonos - und grinste sie an.


    Es war Cadhla. Mein Grinsen - und nicht nur das - brach ohnehin sofort ein, als ich das merkte, aber der Druck, den ihre Hände jetzt um meinen Hals herum ausübten, gab den Rest. Ich keuchte, wollte ihren Namen sagen - warum verstand sie mich denn nicht, das "Chchdhl", das ich hervorkeuchte, klang doch fast so wie ihr komischer Name. Meinen eigenen konnte ich leider nicht mehr aussprechen, und sowieso schien es jetzt auch eher Zeit für ein letztes Gebet - denn hinter Cadhla erschien auf einmal eine große hagere Gestalt, deren fahles Fleisch im Mondschein leuchtete und die ein Gerät in der Hand hielt, um Ernte zu halten. Ich würde also sterben.

    Aus solch tiefblauen Augen, die die zusammengeklebten langen Wimpern glatt vergessen machten, konnte ich auch den strafenden, vernichtenden Blick der Aurelia Prisca ertragen, zumal der Camryn ebenfalls traf. Nebenbei nahmen die Dinge, die ich vorausschauend angeleiert hatte, ihren Lauf, und Dina befreite die Herrin vorsichtig von dem süßen Überzug, der das geschmackvolle Innere des Konfekts für kurze Zeit verdeckt hatte.


    So, ich drohte selbst schon zum Dichter zu werden, als Aurelia Prisca das Heft des Handelns wieder in die Hand nahm, das Manuskript aber mir zuwarf mit der unmissverständlichen Anordnung, mich nun noch stärker um die Einstudierung des Stücks zu kümmern. Hatte meine Bestimmtheit sie überzeugt? Oder hatte sie etwa meine ganz neue poetische Ader erspürt?


    Ich war jedenfalls überrascht, und daher gelang es mir leider nicht, das mir zugeworfene Manuskript aufzufangen. So landete die Schriftrolle auf dem Erdboden, während sich die domina schnurstracks entfernte und uns zurückließ.

    Die Klatsche, die Aurelia Camilla nun meinem dominus verpasste, ließ sie in meinen Augen noch ein Stückchen höher steigen - wäre sie keine Patrizierin gewesen, hätte ich sie wirklich ein "Rasseweib" genannt -, zumal mein Herr die Ohrfeige von zarten Händchen offenbar auch gut wegsteckte; sein athenisches Training in Seelenruhe hatte also gefruchtet, insofern konnte die Mama mit dieser Investition in seine Zukunft letztlich doch ganz zufrieden sein.


    Aurelius Cotta schien nun allerdings das adedis verlassen zu wollen. Das konnte man ihm sicher nicht verübeln; mir allerdings passte das gar nicht, denn mehr noch als um ihn machte ich mir Sorgen um Tilla. Die schien das Ganze tatsächlich ziemlich mitzunehmen; als Aurelius Philonicus hier eingetreten war, hatte sie sogar vor Schreck ihr Tablett fallen lassen - na ja, der junge Aurelier machte ja auch mal wieder einen erschreckenden Eindruck ...


    Jedenfalls wollte ich schon zu ihr laufen, um das Tablett aufzuheben, aber Tilla beseitigte den Schaden selbst. "Mensch, Mädchen, nimm das hier alles mal nicht zu ernst", hätte ich gerne zu ihr gesagt, aber das war einfach nicht möglich. Und jetzt wollte Aurelius Cotta also gehen und mir damit die Möglichkeit nehmen, Tilla wenigstens durch Blicke Mut zu machen. Aber Moment mal! Mein dominus zögerte, sah hinüber zu Tilla und bedachte sich dann kurz - und nahm dann neben mir Aufstellung, um zu bleiben, und zwar ganz offensichtlich bewusst so, dass Tilla und ich einander noch sehen konnten, was ich mal gleich dazu nutzte, ihr begütigend zuzuzwinkern. Tja, das war mein Herr, wie ich ihn eigentlich kannte; was ansonsten heute vor seiner Mutter in ihn gefahren war, konnte ich nicht mal richtig ahnen. Und glänzte jetzt etwa noch eine Träne in seinem Auge?


    Ich blickte überhaupt nicht durch.

    Aurelia Prisca war eine wirklich faszinierend schöne Frau, die einen schon so zum Träumen bringen konnte; für den kurzen Augenblick aber, in dem sie mit geschlossenen Augen in meinen Armen gelegen hatte, war sie mir sogar vorgekommen wie Aphrodite selber, als sie dem Schaume entstieg. Als dann jedoch Brix statt des erhofften erfrischenden Nass' klebrigen Wein auf uns schüttete, überzog eine ungute pappige Röte das Gesicht Aphrodit- äh, Aurelia Priscas, als wäre sie nicht dem Meer entstiegen, sondern hätte ganz entschieden zu heiß gebadet. Irgendwie glich sie mit dem roten Wein im Gesicht nun auch einem Neugeborenen, die waren ja auch immer so rot und klebrig, allerdings fühlte sie sich wohl nicht wie neugeboren.


    Geholfen hatte die Ladung Flüssigkeit trotzdem, und wie. Die Liebesgöttin schlug die Augen auf und wandelte sich flugs zur Harpye. Dass sie sich ausgerechnet von Camryn hochhelfen ließ, wo ich diese Aufgabe zweifellos besser ausgeführt hätte, wunderte mich. Ich verlegte mich allerdings auch schon wieder auf Konstruktives, denn ich wusste, dass Camryn in dieser Richtung nichts gebacken bekommen und dass Schimpfen hier nichts bringen würde. Ich kannte Brix; er hatte das bestimmt nicht absichtlich gemacht. Ihn guckte ich mir jetzt auch aus: "Wenn auf dem Tisch noch irgendwo Wasser steht, bring es!" Natürlich hatte ich den richtigen Ton getroffen, wie auch nicht, da ich ja selber Sklave war. Brix kam nun tatsächlich mit einem Krug, und ich winkte Dina, damit diese der domina einen ersten Abwasch verpasste, bevor sie sich im Hause weiter reinigen musste. Natürlich hätte ich auch da gerne selber mit Hand angelegt, aber an die zarte Haut einer Aurelia Prisca sollten bei solchen ausgedehnten Reinigungsaktionen wirklich nur Frauenhände - während es bei Aurelius Cotta nicht so darauf angekommen wäre, fand ich.

    Zitat

    Original von Aurelia Camilla
    „ Bah! Schau mir nicht in die Augen! “


    Täuschte mich mein Instinkt, oder sagte dies die stolze Patrizierin nicht nur deswegen zu mir, weil ich ein Sklave war, sondern auch - weil ich ein Mann war? Allmählich dämmerte mir, was Aurelius Cotta mit mir in Bezug auf seine Mutter so alles plante. Na, das wäre natürlich ein echtes Schelmenstück! Und, da seine Mutter es schon selbst ansprach, auch eine der besten Gelegenheiten zum Spionieren.


    Wenn ich meinen dominus hier im adedis nun auch von einer Seite erlebte, die ich an ihm eigentlich nicht kannte, so war ich mir seiner doch ziemlich sicher, was einen Verkauf seines Sklaven anging. Dass er nun seiner Mutter allerdings einen höhnischen Rat erteilte, erschreckte mich schon ein bisschen. Nach einer kurzen Phase der Beruhigung schien das Theaterstück hier im adedis einem neuen Höhepunkt zuzustreben. Zunächst aber kam mit Aurelius Philonicus ein neuer Akteur hinzu. Ich war mal gespannt, welche Rolle er hier spielen würde.

    Am meisten imponierte mir in dem Durcheinander, wie die domina Prisca sich endlich diese eingebildete Camryn schnappte. Zu gerne hätte ich in diesem Glücksmoment an der Hauswand gestanden, dann hätte ich mich nämlich zurückgelehnt und genüsslich der Bestrafung dieser serva zugesehen, die ich im Zweifelsfall noch etwas härter durchgeführt hätte als die Herrin. Leider aber war ich schon zu nah an die - Bühne? - herangerückt, so dass ich das Ganze eben aufrecht stehend betrachtete.


    Gespannt wartete ich, wie Aurelia Prisca diese Camryn fertig machen würde, und im Stillen - selbstverständlich nicht laut - gab ich ihr Tipps und Hinweise, wo es besonders weh tun würde; ich hatte da ja so meine Erfahrungen. :( Dann aber musste ich zu meiner großen Enttäuschung mitansehen, dass Aurelia Prisca ihr Opfer doch wieder aus ihren Fängen entließ; bei aller Verehrung für die schöne Aurelierin, aber das hätte man wirklich besser machen können, und ich wäre gerade der rechte Mann dafür gewesen. Vielleicht war das aber alles auch einfach ein bisschen viel verlangt von einem so jungen Ding wie Aurelia Prisca; eine führende Hand wie die meine wäre hier wohl am Platze gewesen, zumal die hübsche Patrizierin nun schon wieder von Naavi bestürmt wurde und dann auch noch von Dina, und die - o weh - war natürlich "nicht allein".


    Diesen Augenblick nutzte selbstverständlich Camryn, um gegen mich bei Aurelia Prisca zu intrigieren; die ungebildete Sächsin oder was immer sie war schien nicht zu wissen, dass wir Thraker als Gladiatoren schon so unsere Erfahrung hatten und gefürchtet waren, und auch ich würde mich für meine Figur in der Arena ganz bestimmt nicht schämen müssen. :P


    So, nun war ich aber dieser ganzen Angelegenheit endgültig überdrüssig und fand, dass ich, seitdem ich hier im hortus stand, meine Rolle schon gut genug eingeübt hatte. (;)) Ich wollte mich gerade umdrehen, als ich noch aus den Augenwinkeln heraus sah, dass Aurelia Prisca nach hinten zu kippen schien. Angetan beobachtete ich das Schauspiel, bis sie mit ausgebreiteten Armen schon fast waagerecht in der Luft lag - wollte sie den anderen Sklaven zeigen, wie eine Kreuzigung aussah? (auch da gab es in der thrakischen Geschichte ja schon die ein oder andere traurige Erfahrung) -, dann aber erfasste mich einer meiner berühmten Reflexe, und ich griff beherzt zu. Wie auf Rosen landete die Patrizierin in meinen Armen, aber was war nur mit ihr? Von oben blickte ich in ihr Gesicht, aber konnte einfach nicht erkennen, ob das alles wirklich zuviel für sie geworden war, oder ob sie nur simulierte, um meinen aufmüpfigen Kollegen mal einen gehörigen Schrecken einzujagen. Jedenfalls war nun zweifellos ich der Berufene, hier das Kommando zu übernehmen. "Brix, schütte der Herrin sofort Wasser ins Gesicht!!", donnerte ich so unmissverständlich, dass der Angeschriene kurz zusammenzuckte, dann aber sogleich aufsprang, sich vom Tisch einen Krug schnappte und dessen Inhalt der Zusammengebrochenen mit weitem Schwung in ihr holdes Antlitz schüttete. Es handelte sich leider um klebrigen, stark gesüßten Rotwein ...

    So langsam machte ich mir um Aurelius Cotta wirklich Sorgen. So hatte ich ihn wirklich noch nie gesehen. Zwar hatte ich schon immer geahnt, dass hinter der etwas langweiligen Fassade ein ganzes Universum der Leidenschaft steckte, aber ich wäre nicht darauf gekommen, dass offenbar seine Mutter irgendwie damit in Zusammenhang stand. Meine eigene hatte ich ja auch nur flüchtig kennengelernt - Sklavenschicksal halt.


    Ob Tilla eigentlich ihre Eltern gut kannte? So genau hatte ich das noch gar nicht herausbekommen, weil wir leider nicht soviel miteinander zu tun hatten. Außerdem war ich durch Aurelius Cotta eingespannt - in Zukunft möglicherweise noch durch seine Mutter -, und Tilla nahm sowieso die verschiedensten Dienste wahr. Jedenfalls sah ich aus den Augenwinkeln heraus deutlich, wie unwohl sie sich hier fühlte, denn sie trat von einem Bein auf das andere trotz meines aufmunternden Blicks und dem Lächeln, das sie mir daraufhin zugeworfen hatte.


    Als mein dominus dann nach Wein verlangte, ja fast schrie, wollte ich mich schon daran machen, ihm welchen zu bereiten, aber Tilla kam mir doch zuvor. Ich hoffte nur inständig, dass sie viel mehr Wasser als Wein verwendete, denn ich hatte ehrlich die Befürchtung, dass mein Herr hier allmählich völlig die Nerven verlor. Im nächsten Moment jedoch fragte Aurelius Cotta seine Mutter plötzlich in einem ganz anderen, richtig besorgten Tonfall nach ihrem Befinden. Auch Tilla, die ihm gerade seinen Wein kredenzte, schien ganz verwundert zu sein und blickte wieder zu mir. Jetzt sah auch ich offen zu ihr hin, da die Herrschaften ja ganz offensichtlich vollständig mit sich selbst beschäftigt waren. Ich verstand hier auch nichts mehr.

    Das war einfach nicht meine Welt. Theaterspielen. Das war doch wirklich nichts für mich. Na gut, wenn es wenigstens was Ernstes gewesen wäre, also ich als Herakles oder Alexander - nein, Alexander schon wieder nicht -, also, das hätte ich mir vorstellen können, selbstverständlich nur unter der Bedingung, dass diese griechischen Stoffe an thrakische Bedürfnisse und Gefühle angepasst würden. Aber eine Komödie? Ich? Als Zuschauer hätte ich mir so etwas natürlich schon mal angesehen, also, bestimmte Arten von Komödien mit weiblichen Schauspielern, aber zu so etwas ging Aurelius Cotta natürlich nicht. Stattdessen hatte er ganz begeistert zugestimmt, als Aurelius Corvinus und Aurelia Prisca ihn gefragt hatten, ob nicht auch ich in dem geplanten Stück eine Rolle übernehmen könne.


    Und nun stand ich hier also allein, nachdem mir schon auf meinem Weg in den Garten schrille und hysterische Stimmen entgegengeschlagen waren. Mit verschränkten Armen nahm ich Aufstellung und überblickte das Chaos, das sich da vor meinen Augen abspielte, mit Distanz und kritischer Souveränität. Mitten drin Aurelia Prisca, die von der unnahbaren Kühlen nun ins Charakter-Fach der Anführerin gewechselt war, eine Rolle, in die sie zweifellos bald schon hineinwachsen würde. Gerne hätte ich ihr, hier wie anderswo, ein wenig unter die Arme gegriffen, aber das stand mir ja leider ohne ihren ausdrücklichen Wunsch nicht zu.

    Warum machte er das? Ich kam einfach nicht dahinter, warum mein dominus dies alles tat. Natürlich war ich ihm treu ergeben, und daran würde sich nach dem heutigen Tag nichts ändern; natürlich war ich bereit, ihn aus jeder nur denkbaren Situation rauszupauken - aber noch nie in all den Jahren hatte er mich ganz ungeniert dazu benutzt, eine persönliche Fehde mit jemandem auszutragen. Ich kannte ihn so nicht. Doch ich kannte seinen Blick, und dieser gebot mir unmissverständlich, selbst auf die Frage der domina Camilla zu antworten."Domina, ich bin treu ergeben, absolut loyal und verschwiegen. Ich bin schlau und verfüge über die Gabe, andere zu durchschauen und die Handlungen anderer zu erahnen. Ich bin geübt darin, Informationen zu besorgen. Ich kämpfe gut und kann tagelang ohne Schlaf auskommen. Ich spreche Latein und Griechisch und kann beides lesen, aber nicht gut schreiben." Ich blickte offen in ihre blauen Augen. "Und ich bin Thraker, domina."Nicht, dass sie mich am Ende noch für einen Griechen hielt, nur weil ich durch Verkäufe mal dorthin geraten war.

    Hah! Er hat das Seil nicht, er hat's nicht gekriegt!! - dachte ich und freute mich schon wie ein kleiner Junge. Mein Schlag war also doch noch nach alter Maron-Art gewesen; selbst mit halber Kraft war jemand wie ich eben seinem Gegner haushoch überlegen. Denn offenbar hatte ich meinem Gegner all meiner Skepsis zum Trotz einen Wirkungstreffer zugefügt; dass er das Seil nicht ergriffen hatte, dass er jetzt zögerte und offenbar schon daran dachte, sich zu verdrücken, verriet mir, dass ich hier Oberwasser behalten würde. Und überhaupt, die dumme Skepsis: Ein Kämpfer, der zuviel dachte, war schon bald ein Kämpfer, der auf dem Boden saß.


    Trotzdem würde ich natürlich meinem Gegner jetzt keinen Gefallen tun und ihm hektisch die paar Schritte hinterher stürzen, die er schon zurückgewichen war. Ich wartete ab. Die Zeit spielte für mich. Einen Schritt ging ich vor, jetzt aber vorsichtig auf mein linkes Bein achtend. Tat noch weh, gut, aber jetzt war ich schon daran gewöhnt. Die kleine Schramme würde mir rein gar nichts anhaben können. Ich ging also diesen einen Schritt vor und starrte in die Dunkelheit: Da! Da musste er stehen, nicht weit vor mir. Ich holte wieder mit dem Seil aus, doch - häh? - verfehlte ihn. War er wieder zurückgewichen? Also, so schnell und flink konnte man doch gar nicht sein. Ah, das war's: Er stand offenbar doch weiter von mir weg, als ich vermutet hatte. Na, jetzt war ich aber gewarnt. Ich starrte wieder aufmerksam in die Dunkelheit - fiel mir schwer irgendwie, mein Kopf begann jetzt auch so weh zu tun, und ich hatte jetzt auch schon die ganze Zeit so einen Durst ... Was war denn das? Auf dem Boden, ungefähr dort, wo ich jetzt meinen Gegner vermutete, nämlich doch ein Stück weiter weg als vorhin, dort lag etwas Helles, Langgestrecktes auf dem Boden. Ich grübelte. Ach, ja klar, ein Wäschesack natürlich, mit dem die schmutzige Wäsche zum Wasch-Becken gebracht wurde. Also, dass man den einfach so liegen gelassen hatte - schon komisch sowas. Aber gut für mich, denn es schien mir ganz so, als würde mein Gegner auf dem alten Sack stehen. Und der eine Zipfel lag in meiner Nähe, genauer gesagt: zum Greifen nahe. Ich grinste, denn mein Plan stand fest: Ich würde meinem Gegner den Sack, auf dem er stand, unter den Füßen wegziehen und ihn so ganz elegant zu Fall bringen.


    Blitzschnell, so kam es mir jedenfalls vor, bückte ich mich, um den Zipfel in meiner Nähe zu fassen zu kriegen. Ein Ruck, und ich hörte, dass ein Stück Stoff zerriss. Ich war so irritiert, dass ich vergaß, mich wieder aufzurichten: War denn der Stoff so brüchig? Und stand mein Gegner noch auf seinen Beinen? - Im nächsten Moment traf mich ein heftiger Tritt direkt über meinem linken Auge.


    Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet, und mein Kopf wurde auf meinem Hals in Richtung des Trittes nach hinten geschleudert. Ich stöhnte auf, verlor mein Gleichgewicht, kippte selbst nach hinten und stützte mich mit meinen Armen ab - wo das Seil war, keine Ahnung -, bis ich auf meinem Hintern saß. Ich war ganz schön benommen, und sehen konnte ich jetzt fast gar nichts mehr. Was war bloß passiert? Warum ging hier alles so unfair schnell? Und - o weh! - was würde noch folgen??

    Dass die schöne Dame, deren Sohn zu sein mein dominus sich rühmen durfte, mich nicht näher beachtete, überraschte mich gar nicht, das hätte ich von einer solch standesbewussten Frau auch nicht erwartet. Eine deftige Überraschung bereitete mir dagegen mal wieder mein Herr selbst, als er mich sogleich seiner Mutter für Dienste anbot. Ja, und an dieser Stelle kostete es mich etwas, meine unbewegte Miene nicht zu verlieren, denn natürlich hatte ich sehr verschiedenartige Fähigkeiten, konnte mir aber nicht so recht vorstellen, wofür eine verwitwete, nicht politisch aktive Dame meiner Dienste bedürfen würde. Aber wahrscheinlich war das sowieso alles nur so dahin gesagt bei diesem seltsamen Geplänkel zwischen Sohn und Mutter, das ich einfach nicht durchschaute. Mir tat Tilla Leid, ein weibliches Wesen, zu dem ich wirklich nichts anderes als väterliche Gefühle hegte - seufz, man wird nicht jünger -, und das nun hier etwas verloren im adedis stand und mitten in dieses Gefecht geraten war. Nicht, dass es in der villa Aurelia in Roma nicht auch einmal die ein oder andere Spannung gab, aber das hier war was Besonderes. Und wenn es das schon für mich war, wie sehr dann erst für Tilla. Es verbot sich in dieser Situation für mich von selbst, mich ihr zuzuwenden, mit meinen Augen aber versuchte ich doch, ihr einen aufmunternden Blick zuzuwerfen.

    Manche meiner Kollegen im schicken Häuschen der Aurelier hielten mich für einen Herumtreiber, aber da irrten die sich gewaltig. Ich trieb mich niemals herum oder nur selten, nämlich exakt dann, wenn ich Ausgang hatte. Aber auch da hielt ich natürlich meine Augen offen, denn es gab nicht viele Informationen, die meinem Herrn nicht hätten dienlich sein können. Allerdings hielt er gewisse Informationen, die ich ihm gern zusätzlich hinterbracht hätte, für unnütz; ich aber war mir sicher, dass es noch so manches gab, was er lieber endlich einmal ausprobieren sollte, als so hastig darüber zu urteilen.


    Nun, er war ein Sonderling, der Aurelius Cotta, das hatte ich gleich durchschaut, und es hatte schon Momente zwischen uns gegeben, in denen ich den Jungspund am liebsten mal gepackt und kräftig durchgeschüttelt hätte, denn das hatten sie mit ihm meiner Meinung nach in seiner Jugend viel zu selten gemacht. Aber natürlich hätte ich diese Gedanken niemals in die Tat umgesetzt, denn ich wusste, was sich gehörte, und war doch ein perfekter Sklave.


    An dem einen ominösen Tag aber war alles ein bisschen anders. Wieder einmal hatte ich das getan, was einige meiner Kollegen in geballter Ignoranz als "Herumlungern" bezeichneten - ok, in dem Fall war ich auch mal kurz weggedöst, aber ich war gleich hochgeschreckt, als ich mitbekam, welches Täubchen soeben seinen Weg in die villa Aurelia in Roma gefunden hatte: Aurelius Cottas Mutter. Über die hatte er ja nun fast gar nicht gesprochen die ganzen Jahre, die ich ihn jetzt kannte, und das war mir Signal genug zu erkennen, dass da was hinter stecken musste. Also, gleich aufgesprungen und zum officium meines Herrn geeilt.


    Der war natürlich wieder einmal ganz in seinen Reflexionen versunken, doch es würde mir schon gelingen, ihn wach zu rütteln, wenn ich ihm nur die Ankunft seiner Mutter verkündete. Dachte ich. Stimmte auch. Aber was sich dann auf seinem Gesicht abspielte, tat mir ehrlich Leid. Als ich reingekommen war, hatte mein dominus gegrinst, doch sobald er von seiner Mutter gehört hatte, erstarrte er völlig, saß, ich weiß nicht, aber bestimmt einige Minuten lang da und brütete dumpf vor sich hin. Vorsichtig sprach ich ihn wieder an, denn ich machte mir schon Sorgen um ihn. Da endlich erhob er sich und kam dann zur Tür, aber eigentlich auch nur geschlichen. Ich wollte mich derweil um das officium kümmern und vielleicht ein bisschen Ordnung schaffen, denn das ich zur Begrüßung seiner Mutter mit Aurelius Cotta ging, kam natürlich nicht in Frage. An der Tür aber blieb mein dominus plötzlich stehen und sah mich an. So einen Blick hatte ich wirklich noch nie an ihm gesehen, überhaupt noch nie in meinem Sklavendasein von einem Herrn gesehen: Er flehte mich mit diesem Blick fast darum an, mit ihm zu kommen. Schweigend folgte ich ihm zum adedis, jetzt selber schon ein wenig mitgenommen davon, wie es meinem dominus ging.


    Den Weg zum adedis, wohin Leone diese Aurelia Camilla gebracht hatte, legte mein Herr dann entschlossen und schnell zurück, so dass ich allmählich wieder Hoffnung bekam; bevor er dann endgültig das Zimmer betrat, in dem seine Mutter auf ihn wartete, machte er aber wieder Halt. Er wollte weg, das sah ich ihm gleich an, und sein Gesicht sah so unglücklich aus wie das eines kleinen Jungen. Sollte ich vielleicht besser vorgehen? Ich machte schon einen ersten Schritt, und dann konnte ich einfach nicht anders und legte - Cotta - meine Hand auf die Schulter. Er wandte sich schon um und betrat den Raum, ich folgte mit Abstand.


    Aurelia Camilla war eine Wucht, nein, etwas wirklich Besonderes, eine echte Patrizierin. Dass waren die anderen Damen des Hauses zweifellos auch, doch bei ihr hier hatte das Altern ganze Arbeit geleistet und aus der Frau eine Herrin gemacht. Und wie schön sie war ...


    Wo hatte mein dominus die Begrüßungsworte auswendig gelernt, die er nach einer kleinen Weile herunter haspelte? Denn so klangen sie: auswendig gelernt. Also, viel unterkühlter hätte er es gar nicht machen können. Und als er dann seiner Mutter gar mich vorstellte, überraschte er mich nicht nur, sondern durchbrach sogar die Etikette. Ich für meinen Teil trat einen Schritt vor und grüßte ehrerbietig: "Salve, domina!" Ich war gespannt, wie Aurelia Camilla reagieren würde.

    Was meinen dominus nur immer in die Thermen und auf dieses Forum zog - ich konnt's nicht verstehen. Abwechslung, sagte er, gut und schön, Abwechslung und Kontakte, aber wenn ich so meinen Blick über dieses Plätzchen hier schweifen ließ, dann war doch heute mal wieder so ein Tag, an dem hier rein gar nichts los war. Unauffällige Gespräche, unauffällige Menschen. Gerade schlich wieder einmal so eine Gestalt um meinen Herrn und mich herum - doch halt! Dieser junge Mann da hatte etwas Lauerndes an sich, etwas, das mich ganz fürchterlich misstrauisch machte. Augenblicklich straffte sich meine bis dato zugegebenermaßen etwas schlaffe Gestalt, und ich stand wie eine Eins bei Aurelius Cotta, als sich dieses Subjekt ihm auch noch näherte. Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich erkennen, dass sich mein dominus meiner Kampfesbereitschaft mit einem Blick versicherte; ich konzentrierte mich ganz darauf, die Kampfstärke dieses jungen Mannes einzuschätzen, was mir allerdings nicht ganz gelang.


    Langsam schritt der Typ auf uns zu; nun ja, ich darf wohl sagen, dass meine Gestalt auf ihn wohl ganz schön Eindruck machte, denn als er nun meinen Herrn ansprach, klang er sanft wie in Lämmlein. So sah es wohl auch Aurelius Cotta, auf dessen Gesichtszügen sich schon ein freundliches Lächeln breit machte; ich blieb natürlich weiterhin misstrauisch, das war schließlich mein Beruf, doch entspannten sich meine Muskeln auch etwas. Das war auch nötig, denn schließlich war es ja nun auch meine Aufgabe, dem jungen Mann jetzt meinerseits meinen Herrn vorzustellen. "Salve, Furius! Auf diesem schönen Forum Romanum hast du gerade meinen dominus Appius Aurelius Cotta angesprochen." ... von dem ich in diesem Moment auch gleich unterbrochen wurde. ;)

    Das Tau oder starke Seil oder was immer es war - denn wer interessierte sich schließlich schon für Gartenarbeit - wurde wohl dazu verwendet, junge Bäumchen an Holzgestellen zu befestigen, um sie gerade wachsen zu lassen. Oder vielleicht auch noch für anderes. Jetzt, gerade jetzt in dieser Minute wurde es von mir dazu benutzt, in der villa Aurelia für Ordnung zu sorgen. Und was immer da jetzt vor mir stand, sollte sich mal warm anziehen ...


    Ich holte aus, blieb aber gleich mal mit dem viel zu langen Tau irgendwo hängen. Energisch und wütend und ungeduldig zerrte ich mein Seilchen wieder zu mir und fasste es jetzt doppelt. So, das fühlte sich doch gleich ganz anders an, viel fester, härter, durchschlagender würde ich schlagen, hah!, und holte also final aus!


    Final allerdings auch insofern, als mich in diesem Moment ein Tritt meines Gegners an meinem linken Bein traf, direkt unterhalb der Kniescheibe. Es konnte zwar nicht mehr als ein nacktes Füsschen gewesen sein, das mich da erwischt hatte, das Füsschen aber hatte getroffen und ein stechender Schmerz brachte mich dazu zusammenzuzucken. Mein rechter Arm mit dem doppelten Tau-Ende war längst wieder gesunken, und wie gebannt lauschte ich einem fürchterlichen Geschrei, das von meinem Gegner auszugehen schien, in meinem Kopf aber widerhallte wie eine Kakophonie von Tausend. Aber, aber, Moment: War das etwa eine Frauenstimme gewesen? O, ich war nicht sicher. Nicht sehen konnte ich hier, meine Ohren gellten, und mein Knie schmerzte schrecklich und war bestimmt schon dick ...


    Da fiel mir mein Arm ein, in dem ich immer noch dieses Seilchen hielt. Mut kehrte zurück, denn Hoffnung stirbt zuletzt, der Arm hob sich ein zweites Mal, ich holte aus und schnellte mit dem Arm auch schon wieder nach vorne. Natürlich brauchte ich hierbei einen guten Stand, um schmerzhaft treffen zu können, und wer nicht sicher stand, war ein viel schlechterer Gegner. Da ich nun aber unglückseligerweise Rechtshänder war, musste ich jetzt mein Gewicht automatisch auf mein linkes Bein verlegen - und da war er wieder, dieser furchtbare Schmerz. Mein rechter Arm surrte zwar nieder, doch längst nicht mehr mit der erforderlichen Kraft. Verdammt! Eigentlich könnte mein Gegner das Seil jetzt ganz leicht packen ....

    Ahhh! War das ein Abend gewesen! Zufrieden strich ich mir über die inzwischen natürlich wieder bekleidete Brust und noch tiefer. Ich atmete die nun kühlere Abendluft ein, und eine Abkühlung konnte ich jetzt auch so richtig brauchen, da noch mein Kopf glühte vom Wein und mein Leib von den - Sehenswürdigkeiten, die diese herrrrliche Stadt zu bieten hatte!


    Roar! Ich war ganz eins mit mir selbst, den bestirnten Himmel über mir, viel geistvolles Gesöff in mir, als ich nun auf dem Weg in mein neues Heim, die villa Aurelia in Roma, war. Na gut, vielleicht war mancher meiner Schritte ein wenig tapsig, aber ich lief doch eigentlich ganz schnurgerade, und nach noch mehr schnurgerade und etlichen Biegungen kam ich dem Häuschen der Patrizier-Sippe doch unaufhaltsam näher. Bevor sich der thrakische Stier aber so endgültig wieder den Nasenring würde anlegen lassen und das traute Heim betrat, richtete ich noch einmal meine Kleidung. Aber ... leider konnte ich irgendwie gar nicht mehr so gut aus den Augen sehen, ich war mir nicht sicher, ob ich die tunika nicht falsch rum anhatte. Mich aber hier auf der Straße auszuziehen, kam natürlich nicht in Frage. Wobei, obwohl ich mich durchaus sehen lassen konnte, wie mir heute Abend wiederholt bestätigt worden war - na gut, gewisse Summen waren geflossen ...


    Ich war jetzt ganz nah an der villa Aurelia. Im hortus, im hortus würde ich meine tunika wechseln, also umdrehen, ich meinte, andersherum - und dabei war ich mir noch gar nicht so sicher, dass ich sie überhaupt falsch herum angezogen hatte. Jedenfalls schlich ich mich vom Eingangsbereich der villa her um das Gebäude herum in Richtung hortus. Ich war auch schon fast da, als ich glaubte, etwas zu hören. Wie angewurzelt blieb ich stehen und lauschte. Natürlich war mir als erfahrenem Thraker klar, dass vinum bonum - deorum donum die Sinne öffnet für alles Mögliche, was Nüchterne nicht so wahrnehmen können; also, vielleicht bildete ich mir das alles auch ein bisschen ein. Doch nein! Da! Klatsch machte es, und wieder Klatsch, und nun: sank irgendetwas oder gar irgendjemand zu Boden. Für mich war klar: Die villa Aurelia in Roma war Opfer eines Einbruchsversuchs geworden!


    Die Götter selbst mussten es so eingerichtet haben - wenn es sie denn gab -, dass sie mich gerade in dieser brenzligen Situation die villa der Aurelier wieder hatten erreichen lassen. Nun, da ich hier war, drohte dieser villa so gut wie keine Gefahr mehr. Außerdem war ich selbstverständlich wieder nüchtern mit einem Schlag und würde selbst nun gezielte Schläge austeilen. Voller Ingrimm ergriff ich die mir am nächsten gelegene Waffe - ein starkes Tau-Ende - und schnellte um die Hausecke, die mich noch von dem Geschehen trennte. Vor mir sah ich nun eine seltsame Gestalt in der schon starken Dunkelheit, was mich einen kleinen Moment zögern ließ: Das war doch keine Frau? Gleich aber würde ich zum Schlag ausholen!

    Die Ankunft dieses "Brosi" bewirkte in der Gesprächspartnerin meines dominus eine wahre Neugeburt: Sie konnte jetzt gar nicht schnell genug nach Hause kommen. Aus den Augenwinkeln heraus besah ich mir noch einmal diesen seltsamen Sklaven, und ehrlich: Auch wenn Aurelius Cotta sich manchmal ein bisschen komisch benahm, so konnte ich doch an "Brosi" nichts finden, weswegen ich ausgerechnet ihn meinem dominus vorgezogen hätte. Außerdem beraubte mich jetzt "Brosi" des attraktiven Anblicks seiner Herrin. Da mein dominus aber offenbar wirklich noch bleiben wollte, würde sich sicher noch manch anderer erfreulicher Anblick ergeben; ich würde jedenfalls diesen Abend mit offenen Augen und großer Aufnahmebereitschaft beschließen.