Beiträge von Maron

    Wie merkwürdig sich die Herrschaften manchmal benahmen - eben noch wollte die Decima partout nicht mehr über Rhetorik, Politik und ähnliche schwere Dinge reden, und nun waren sie und mein dominus beim Thema Philosophie gelandet. Ich wartete jetzt nur noch darauf, dass gleich der "Timaios" oder Ähnliches zur Sprache kommen würde - Dinge, die ich durchaus nicht nur vom Hörensagen kannte. Dennoch fiel es mir schwer, meinen Reiz zum Gähnen zu unterdrücken.


    Ich und die Decima erhielten jedoch neuen Schwung, als die Rede auf ihren kleinen Sklaven kam, der noch immer nicht den Weg zurück zu ihr gefunden hatte. Seine domina schien sich wirklich Sorgen um ihn zu machen; kein Wunder, fragte ich mich doch schon die ganze Zeit, wer in dieser Beziehung in einer Gefahrensituation wohl wen würde beschützen müssen: Die Decimerin konnte ich mir gut mit pilum vorstellen; auch auf einem Pferd würde sie zweifellos eine ausgezeichnete Figur machen - ich versuchte, mir das nicht zu anschaulich vorzustellen, der Gedanke gefiel mir nämlich gefährlich gut -, aber ihr Sklave? Meiner Meinung nach wäre dieser wohl schon mit dem Gebrauch eines Dolches überfordert.


    Gerade begann ich, die übrigen Sklaven der Decima, die stumm hinter ihrer Herrin standen, auf ihre Kampfkraft hin einzuschätzen, da sah ich in meinen Augenwinkeln eben den Sklaven der Decima auf uns zu stapfen, über den jetzt alles so aufgeregt sprach. Er brachte einen Weinbecher an; offenbar hatte er, der nicht einmal Hephaistos und diese römische Nachahmung auseinanderhalten konnte, sich am heutigen Fest doch noch nicht die Pfoten verbrannt.


    Sim-Off:

    :P

    Scharte auswetzen, wie Aurelius Cotta mir zugeraunt hatte, ts, ts - als ob es meinem Herrn nicht großen Spaß machte, sich nach den ersten Schlucken seines Weines der kleinen Römerin da zuzuwenden. Ich hatte schließlich nur getan, was ich für meine Pflicht hielt, und dass dieser feine Sklave da noch ganz etwas anderes verdient hätte als nur einen tadelnden Blick, zeigte sich spätestens, als er sich demonstrativ umdrehte und - ohne seine domina zu fragen! - wegging. Ganz offensichtlich hatte die kleine Römerin ihre Sklaven nicht im Griff; dafür schlürfte sie jetzt meinen Wein. Hatte die ein Glück, dass ich daraus noch nicht getrunken hatte ...


    Dieser Wein jedenfalls, dessen Mischungsverhältnis übrigens fast genauso einseitig war wie das Getränk, das Aurelius Cotta erwärmte, ich war schließlich Thraker - dieser Wein also schien den Gedanken der Römerin sogleich Flügel zu verleihen, hörte ich sie doch etwas von "globalem Denken" reden. Nun, mit sowas würde sie bei meinem dominus natürlich ganz offene Türen einrennen, denn bevor der sich nicht erst einmal in die Perspektive des Kosmos versetzt hatte, um sich vom irdischen Treiben zu distanzieren, wie er sagte, traf er ja keine Entscheidung. Na ja, schnuckelig war sie ja ...


    Bei all dem verzog ich selbstverständlich keine Miene.

    Für einen Moment durchlief mich fast so etwas wie ein Schauer, und beinahe wäre mir sogar was aus den beiden Weinbechern geschwappt. Schuld daran war nicht etwa die feuchte Kühle, die sich hier jetzt allmählich breit machte, sondern die Tatsache, dass mein dominus nicht mehr an seinem Platz stand. Ich fasste mich sofort wieder, blieb stehen und sah mich, zunächst nur aus den Augenwinkeln, nach allen Seiten um. Dann drehte ich auch vorsichtig meinen Kopf, um meinen Blickwinkel zu vergrößern. Als ich zum von mir aus nächsten Feuer auf meiner linken Seite blickte, musste ich mich beherrschen, um nicht auf der Stelle loszulachen. Ich konnte nur die Silhouette eines Körpers sehen, das zugehörige Fleisch war aber zweifellos das des Appius Aurelius Cotta. Wie er da schon wieder stand, unverkennbar, in so einer komischen Haltung, als würde er auf dem forum eine Rede halten oder müsse zugunsten Epiktets und gegen Epikur argumentieren - äh, Epiktet, oder war es Zenon? Oder Chrysippos oder wie sie alle hießen? Einen Epiktet gab es, glaube ich, gar nicht ... Jedenfalls fiel mir bei diesem Anblick die Entscheidung darüber leicht, welchen der beiden Weinbecher ich meinem Herrn gleich reichen würde.


    Ich ging also die letzten Schritte auf ihn zu und musterte dabei die umstehenden Leute. Aurelius Cotta am nächsten stand eine kleine, entzückende Frau, die sich gerade mit einem Sklaven unterhielt. Gerade als ich an den beiden vorbeiging, hörte ich den Sklaven sagen, die griechischen Götter seien den römischen ja so ähnlich. Natürlich warf ich ihm noch im selben Moment einen tadelnden Seitenblick zu, bereute es aber gleich darauf: Bestimmt war der Junge Grieche, dann war ihm sowieso nicht zu helfen. Dagegen hoffte ich sehr, mit dem Becher fast unverdünnten Weines meinem Herrn ein bisschen auf die Sprünge helfen zu können. Diesen Becher überreichte ich Aurelius Cotta nun.

    Das mit dem Weinholen, wozu mein dominus Aurelius Cotta mich ausgeschickt hatte, war natürlich schnell erledigt, und schon stand ich mit zwei vollen Bechern bewaffnet da - und überlegte, ob ich mir für das viele Geld, das mein Herr mir mitgegeben hatte, nicht noch etwas Gutes, Festes und Erwärmendes für meinen Magen holen sollte, ein Stück gebratenes Lammfleisch zum Beispiel. Denn obwohl schon mehr als tot, lächelten mich die braunen Lämmlein da mächtig an, und außerdem fand ich das Essen für die Sklaven in der villa Aurelia genauso fad wie die Küchensklavin Niki, deren Magerkeit schon von weitem verriet, dass ihr für ihren Beruf das richtige Händchen fehlte - meiner Meinung nach jedenfalls.


    Doch sollte ich meinen dominus wirklich so lange alleine lassen? Er versuchte hier zwar so etwas, wie inkognito zu gehen, aber bei seinem hölzernen Benehmen sollte es mich nicht wundern, wenn er schnell enttarnt werden würde. Und dass er nach all den Attentaten der vergangenen Wochen allein mit mir hatte gehen wollen, mochte zwar eine Auszeichnung sein, war aber auch mal wieder leichtsinnig. Nicht, dass ich diese Auszeichnung nicht zu schätzen gewusst hätte, nein, aber im Falle eines Falles würde ich nicht einmal 1 As auf einen allein kämpfenden Appius Aurelius Cotta setzen. Im Hause hielt sich ja auch das Gerücht, er habe unlängst im Ringkampf gegen seinen Vetter Aurelius Corvinus unrühmlich verloren, und mein dominus hatte dieses Gerücht mir gegenüber auch so halbwegs bestätigt.


    Na denn, also einstweilen kein Lämmlein, sondern Aurelius Cotta. Ich setzte mich wieder in Marsch und überlegte währenddessen, welchen der beiden Weinbecher ich meinem Herrn kredenzen würde; sie hatten nämlich unterschiedliche Mischungsverhältnisse. Wenn mein dominus wieder so hölzern wäre, würde ich ihm den Becher geben, der fast reinen Wein enthielt.

    Das Element des Wassers ließ die Rede des Herrn Aurelius Lupus nur so fließen, worin er es damit also meinem dominus Cotta gleichtat. Dieser bedeutete mir, ihm dabei zu helfen, seinen älteren Bruder aus dem Kaltwasserbecken zu ziehen, was nicht besonders schwer war, da die kynische Lebensweise ja nicht dazu angetan war, Fett anzusetzen.


    Einmal aus dem Becken herausgezerrt, schien Aurelius Lupus auch ganz erfreut über das Ergebnis dieser ersten Reinigung; mich befriedigte es hingegen noch nicht. Daher führte ich ihn nun zum wärmeren tepidarium, wohin mein dominus uns folgte. Mit duftendem Lavendelöl begann ich, den mir fremden Mann einzureiben. Es war nach mehreren Jahren nun das erste Mal, dass ich wieder einen anderen Mann als meinen eigenen Herrn Aurelius Cotta einrieb. Dessen Körper kannte ich ganz und gar; den des Aurelius Lupus natürlich noch nicht.


    Dass Aurelius Lupus älter war als mein Herr, sah man natürlich auf den ersten Blick; bestimmt lagen an die zehn Jahre zwischen den beiden. Wenn ich meinen Herrn Cotta einrieb, schabte oder massierte, kam er mir mit dem weichen Pflaum auf seiner Haut manchmal noch wie ein Knabe vor; Aurelius Lupus dagegen war ein Mann, und ich dachte gleich: ein vollständiger Mann, der sicher auch auf Frauen seine Wirkung nicht verfehlte. Bei meinem Herrn war ich mir da manchmal nicht so sicher; er war zuvorkommend zu Frauen und zweifellos im Stillen auch sehr an ihnen interessiert, aber das reichte bei Frauen ja meistens nicht aus.


    Der weichen, hellen Haut meines dominus Cotta wandte ich mich nun mit dem Öl zu, während dieses bei Aurelius Lupus erst einmal einwirken konnte.

    Also doch ein echter Aurelius und noch dazu der Bruder meines Herrn! Hm, Aurelius Cotta hatte dafür, wie herzlich er ihn jetzt begrüßte, doch immer recht wenig von ihm gesprochen, eigentlich gar nicht. Na ja, vielleicht hatte es ihm ja wehgetan, dass er von seinem eigenen Bruder so getrennt war; sensibel genug zu so etwas war mein Herr ja.


    Aurelius Lupus zögerte nicht, mich anzugrinsen, als dominus Cotta ihn als seinen Bruder erkannt hatte. Nun, ich konnte es ihm nicht verdenken und hatte überhaupt keine Probleme damit, ihm offen ins Gesicht zu sehen. Schließlich war es für mich nur gut, dass er sich als echter Aurelius entpuppt hatte; dass ich nämlich jemand Fremden einfach so am hellichten Tag ins balneum der villa Aurelia geführt und für sein Badevergnügen alles nur Erdenkliche veranlasst hatte, hätte meinen Herrn sicher nicht amüsiert. Und dass ich den guten Aurelius Lupus ein bisschen von oben herab behandelt hatte - nun, darüber sollte er sich mal nicht wundern, so wie er hier angetanzt war: Ein Herr, der schlimmer aussah als die meisten Sklaven, würde in der villa Aurelia einen schweren Stand haben. Und bei mir sowieso.


    Für meinen Herrn Cotta freute es mich, dass er nun wenigstens schon einmal seinen Bruder bei sich hatte. Er hatte in den vergangenen Tagen doch ziemlich einsam gewirkt. Deshalb verwunderte es mich auch nicht, dass er gleich schon wieder so eine lange Rede über Philosophie hielt: Er war es einfach nicht mehr gewöhnt, seinesgleichen um sich zu haben - und vergaß auch das Nächstliegende. Deshalb griff ich ein, als der dominus Lupus nun aus dem frigidarium gezogen werden wollte. Zu ihm gewandt, sagte ich: "Domine, soll ich Dich nicht noch schaben?" Mein Blick fiel auf das Schabeisen, das Leone blitzblank geputzt und bereit gelegt hatte.

    Ganz sicher war ich mir meiner Sache hier natürlich nicht. War es wirklich eine clevere Entscheidung gewesen, diesen Schmutzfink in das balneum der villa Aurelia in Roma zu führen? Wenn er ein Betrüger war - oder wer weiß: so eine Art Spion -, wollte ich nicht wissen, was mein dominus mit mir anstellen würde. Wenn es aber nun ein echter Aurelius war, wie er selber sagte?


    Da ich so unsicher war, hatte ich beschlossen, den jungen Mann eigenhändig auszukleiden und zu bedienen. Ich wollte ihn nicht aus den Augen lassen und hatte Leone weggeschickt, allerdings nicht ohne ihm noch den Namen des Mannes zuzuraunen, mit dem dieser sich vorgestellt hatte: Lucius Aurelius Lupus. Ich hoffte, Leone würde meinen Herrn an der Porta abfangen und ihm diese wichtige Neuigkeit möglichst schonend beibringen.


    Lange schon hatte ich keine so schmutzige Wäsche mehr in Händen gehabt wie die des jungen Mannes vor mir; selbst meine verschwitzte Tunika von der Anreise aus Ostia war noch wie ein sauberes Handtuch gewesen gegen die Fetzen, die ich mit spitzen Fingern von seinem Leibe pflückte. Mir fiel allerdings auf: Mit diesem edlen Leib hatte der junge Mann wirklich niemals schwere Arbeit verrichtet. Er schien tatsächlich aus besseren Verhältnissen zu stammen - woher nun auch immer.

    Tiefe Melancholie drohte mich zu befallen, als die abgerissene Erscheinung vor mir die Sänfte erwähnte, mit der sie gekommen sein wollte: Ja, in einiger Entfernung hinter dem Mann stand tatsächlich - eine Sänfte! Soweit also hatte mich das Alter schon heruntergebracht, dass meine Augen nicht nur ihren Adlerblick verloren hatten, sondern so schwach geworden waren, dass ich nicht einmal mehr solche Gegenstände erkennen konnte? Entsetzt sah ich mich selber vor meinem geistigen Auge: ohne Haare, ohne Zähne, sabbernd und mit stumpfen Augen. Wäre ich doch mit meinem dominus zum Opfern in den Tempel gegangen! Noch war es Zeit, auf meine alten Tage fromm zu werden ...


    In solcherlei trübsinnige Gedanken vertieft, hätte ich fast den Mann vor mir an der Porta vergessen. In einer Sänfte war er also gekommen, das hieß, dass er mindestens über einige finanzielle Mittel verfügen musste. Außerdem deutete seine Ausdrucksweise auf eine gute Erziehung hin. - Wer immer er also sein mochte, er war kein "Niemand".


    Ich musste eine Entscheidung treffen, denn ihn länger hinzuhalten, kam nicht in Frage. Da hatte ich eine Idee. "Du kannst auf Aurelius Cotta in der villa warten; seine Rückkehr dürfte eigentlich auch kurz bevorstehen. Aurelius Cotta wird dich empfangen, aber", und das sagte ich nun leiser, aber umso eindringlicher zu ihm, damit mich das Bürschen auch ja richtig verstand, "aber nicht so", wobei ich ihn überdeutlich von oben bis unten musterte. "Du bekommst hier ein Bad." Dies erklärte ich in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Daher hielt ich es auch nicht für nötig, auf eine Antwort zu warten, sondern drehte mich um und schritt dem Vagabunden voran ins balneum, nicht ohne unterwegs Leone Bescheid zu geben, alles herzurichten für das Bad des - wie hatte er gesagt? - Lucius Aurelius Lupus.

    Lucius Aurelius Lupus? In meinem Kopf begann es zu arbeiten. Lupus, Lupus .... Ja, irgendwie kam mir dieser Name bekannt vor. Ich meinte, dass mein Herr ihn irgendwann einmal erwähnt hatte, allerdings schon vor langer, langer Zeit noch in Achaia. Und jetzt wusste ich natürlich nicht, wo ich ihn hinstecken sollte.


    Ausgerechnet in dieser Stunde war Aurelius Cotta auch ausgegangen, so dass ich den Mann hier vor mir auch nicht an der Porta stehen lassen konnte, um meinen Herrn nach ihm zu fragen. Und diesen Leone wollte ich nicht fragen.


    Andererseits ... nach einem Aurelius sah dieser Mann hier vor mir nicht aus, ganz im Gegenteil: die abgerissene Kleidung, die ungepflegten Haare - ach, mit dieser Aufzählung hätte ich noch endlos fortfahren können, während ich ihn naserümpfend musterte. Dass ein Mann sich so gehen lassen konnte! Oder war er etwa überfallen worden? Misstrauisch tastete ich mich vor. "Von den Mitgliedern der gens Aurelia weilt im Moment nur mein dominus Appius Aurelius Cotta hier in Roma. Er befindet sich zur Stunde allerdings außer Hause." Lauernd sah ich ihn an.

    Gerade war ich unterwegs, um meinem dominus Aurelius Cotta ein Schriftstück aus seinem cubiculum in das officium zu bringen, wo er gerade arbeitete, und durchquerte das Atrium, als ich Leone kommen sah, der einen elegant gekleideten Herrn in das Atrium geleitete. Ob das der comes Quintus Didius Albinus war, von dem mein dominus gesprochen hatte und dessen Besuch er erwartete? Hm, dass der so bald kommen würde, nachdem ich das Einladungsschreiben zur casa Didia gebracht hatte, würde meinem Herrn imponieren.


    Ich blickte Leone an, dieser nickte mir zu, und schon beschleunigte ich meinen Schritt, um Aurelius Cotta zu benachrichtigen.

    Ach sieh einmal an, da hatte der gute Leone ja ein goldenes Händchen bewiesen: Hatte eine Sklavin gekauft, die kein Latein sprach. Also, mich wunderte das nicht im Geringsten, es bestätigte eher genau den Eindruck, den ich auch schon vorher von ihm gehabt hatte. Eines musste ich ihm allerdings lassen: Geschmack hatte er ja. - Ich würde mich bei Gelegenheit mal mit ihm unterhalten, vielleicht hatten wir ja doch gemeinsame Interessen ...


    Der Eingangsdialog zwischen meinem Herrn und "Cadhla" - so hieß sie nämlich und war natürlich aus Britannia, wie ich vermutet hatte - vollzog sich unter den üblichen Mühen, die es halt so gibt, wenn man des anderen Sprache nicht kann. Die Kleine war ganz verschüchtert, mein Herr aber machte sich ganz gut und lächelte auch ein ums andere Mal, auffallend häufig, wie ich fand.


    Ohnehin schien ihn die Rothaarige zu verwirren, denn er machte ungewohnte Fehler: Als er aufstand - offenbar um Cadhla zur Domina Sisenna zu führen, so deutete ich jedenfalls seine Frage, ob sie Kinder möge - vergaß er nämlich das Geschenk, das Aurelius Corvinus für die Domina Sisenna mitgegeben hatte. Oder war es etwa der Inhalt des Briefes, der meinen Herrn so konfus machte?


    Ich jedenfalls handelte, griff nach dem roten Päckchen und brachte es meinem Herrn, der sich mit Cadhla schon auf dem Weg befand zum cubiculum der Aurelia Sisenna.

    Ad
    Q. Didius Albinus
    Casa Didia
    Roma



    App. Aurelius Cotta Q. Didio Albino s.d.



    Als ein dir persönlich leider noch Unbekannter beglückwünsche ich dich zu deiner Wahl zum comes der regio Italia! Nach allem, was ich bisher über dich hören konnte, wirst du dieses Amt mit Umsicht und Tatkraft ausfüllen, ebenso wie die vielen Ämter, in denen du dich schon um die Stadt Mantua verdient gemacht hast.


    Mantua ist meine Heimatstadt. Ich wurde dort als Sohn des Decimus Aurelius Galerianus und der Aquilia Sabina geboren und bin dort aufgewachsen. Nach meiner Rückkehr von Studien in Athen lebe ich jetzt in Roma. Ich wünsche mir sehr, dass diese räumliche Nähe es ermöglicht, dir meine Glückwünsche zu deiner Wahl noch einmal persönlich zu übermitteln. Wenn es dir deine Amtsgeschäfte erlauben, bist du auch in der Villa Aurelia hier in Roma jederzeit ein gern gesehener Gast.


    In diesem Zusammenhang darf ich es keinesfalls unterlassen, dir die Grüße meines Vetters Marcus Aurelius Corvinus zu übermitteln. Er leistet derzeit seine zweite freiwillige Amtszeit als tribunus laticlavius in der legio secunda germanica ab, wird aber in nicht allzu langer Zeit nach Roma zurückkehren. Auch in seinem Namen kann ich dich des Rückhalts unserer gens versichern; du wirst stets auf uns zählen können.


    Vale.


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    ROMA, ANTE DIEM XV KAL AUG DCCCLVII A.U.C. (18.7.2007/104 n.Chr.)

    Die Ankunft des Boten, den der Herr Aurelius Corvinus aus Mogontiacum geschickt hatte, vor allem aber natürlich die Ankunft der bezaubernden Sklavin Cadhla waren mir eine Lehre gewesen: Dass ich sie verpasst hatte, wurmte mich. Nicht zu Unrecht, wie ich meinte, hielt ich mir viel zugute darauf, dass mir normalerweise nichts entging.


    Da mein Herr Cotta in diesen ersten Tagen in der Villa Aurelia in Roma viel alleine arbeitete und ohnehin noch sehr mit Sisenna beschäftigt war, hatte ich oft Phasen des Leerlaufs. In diesen hatte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, ab und an bei der Porta nach dem Rechten zu sehen - wer wusste schon, welches elfengleiche Sklavenwesen mir da so in die Arme schweben würde.


    Aus solchen schönen Träumen riss mich an einem frühen Nachmittag ein Geräusch. Sollte es jetzt mal tatsächlich an der Porta der Villa Aurelia geklopft haben? Ich zögerte nicht zu öffnen, natürlich begleitet von dem beruhigenden Wissen um meine exzellenten Manieren.


    Allerdings konnte ich natürlich auch ganz anders, und als ich den Mann, der da vor mir an der Porta stand, in Augenschein nahm, überlegte ich einen Moment, ob ich statt der ausgesuchten Manieren nicht einen ganz anderen Tonfall annehmen sollte. Es bändigte mich dann allerdings das mahnende Wort, das mir mein Dominus Cotta beinahe jeden Tag vorsagte wie ein Gebet: "Maron, wir sind hier nicht mehr in Athen." Also gut, ich wollte der Gens Aurelia und besonders meinem Herrn natürlich auch keine Schande machen. Daher fasste ich mich und sagte zu dem seltsamen Besucher: "Salve! Du stehst hier an der Porta der Villa Aurelia. Was ist dein Begehr?"

    Es war bislang ein guter Tag für mich gewesen! Das Gepäck meines Dominus war nun endlich säuberlich und übersichtlich eingeräumt, er selbst vollständig eingerichtet, der kleinen Domina Sisenna hatte ich wieder eine Geschichte aus der griechischen Mythologie erzählt - wobei ich es als Thraker natürlich als meine Pflicht erachtete, diese Geschichten zu berichtigen -, und dann hatte ich mir in der culina einen kleinen Appetithappen geholt.


    Als ich die culina verließ, bemerkte ich in der Nähe der Porta einige Unruhe. Ich begab mich sofort dorthin und sah, dass dort ein Mann verarztet wurde, ein Bote des Herrn Corvinus aus Mogontiacum, wie sich herausstellte, der von dort Briefe und Geschenke mitgebracht hatte. Meine sofortige Nachfrage ergab, dass man alle diese Dinge bereits zu Aurelius Cotta gebracht habe und dass dieser sich im Tablinum aufhalte.


    Ich freute mich für meinen Herrn, dass er nun schon so schnell Nachricht von seinen Verwandten aus Mogontiacum erhalten hatte. Die vergangenen Tage hatte er doch einen etwas bedrückten Eindruck gemacht, den ich nur selten durch die Erzählung von Anekdoten aus seiner Zeit in Athen hatte vertreiben können. In der Hinsicht war mir die kleine Domina Sisenna tatsächlich voraus: Mit der hatte Aurelius Cotta nämlich häufiger gelacht.


    Als ich von dem Boten und seinen Mitbringseln erfahren hatte, ging ich sofort zu meinem Herrn ins Tablinum, da er mich sowieso bald würde rufen lassen, um mir erste Aufträge zu erteilen. Etwas verwundert war ich zunächst, als ich aus dem Tablinum bereits Stimmen hörte - Leones Stimme. Also hatte dieser sich tatsächlich wieder vorgedrängt! Das machte mich aber nur umso entschlossener, und in dieser Stimmung betrat ich denn auch den Raum, bereit, diesem Leone sofort einen funkelnden Blick zuzuwerfen.


    Es kam aber ganz anders. Mein erster Blick fiel nämlich nicht auf diesen Leone, aber auch nicht auf meinen Herrn, der, wie ich aus den Augenwinkeln heraus registrierte, in einem Korbsessel saß und etwas las - vermutlich den Brief des Aurelius Corvinus. Nein, mein erster Blick galt natürlich einer deutlichen Verschönerung dieser riesigen Villa: einer rothaarigen Sklavin, die meinem Herrn zugewandt stand.


    Blitzschnell und leise stellte ich mich nun meinem Herrn an die Seite, nicht ohne diesem Leone nun doch noch einen funkelnden Blick zuzuwerfen. Noch ganz andere Blicke warf ich allerdings der eindrucksvollen Schönheit zu - einer Keltin, da war ich ganz sicher, denn für sowas hatte ich einen Blick. Selbstverständlich aber verzog ich keine Miene, schließlich war ich dienstlich hier.


    Es dauerte noch eine ganze Weile, bis mein Herr endlich den Brief weglegte - eine ganz schön lange oratio. Ich hoffte natürlich, dass sich daraus jetzt nicht lauter Arbeitsaufträge für mich ergeben würden, denn schließlich musste doch auch noch diese junge Sklavin eingearbeitet werden - und dafür hätte ich nun wirklich niemand Besseren gewusst als mich.


    Endlich konnte dieser Leone die Keltin vorstellen, Cadhla, wie ich jetzt hören konnte. So, so, Gesellschaft leisten also. Während ich mich nach dieser Vorstellung noch fragte, ob meinem Herrn Keltinnen wohl zusagen würden - bisher hatte er eher Brünetten nachgeschaut -, trat eine Pause ein. Ich blickte zu meinem Dominus und sah, dass sich auf seiner Stirn eine Falte gebildet hatte. Und ich konnte es natürlich auch nicht fassen. Also, das war doch wirklich unglaublich! Nun erwartete dieser Leone wohl noch, dass sich Aurelius Cotta persönlich einer Sklavin vorstellen würde! Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, um nicht den Kopf zu schütteln; stattdessen trat ich - nicht ungern - einen Schritt auf die Sklavin zu und nahm die Sache jetzt selbst in die Hand. "Dir ist sicher schon gesagt worden, dass du dich in der Villa der Gens Aurelia befindest. Dies ist eine der hochgestellten Familien des Imperiums; verhalte dich also entsprechend! Vor dir siehst du meinen Dominus Appius Aurelius Cotta."


    Ich hätte auch noch mehr gesagt, wenn dieser sich jetzt nicht selbst zu Wort gemeldet hätte.

    Also gut, ich musste einsehen: Mein Siegerlächeln hatte hier nicht verfangen. Domina Sisenna ging zwar mit mir in den Garten, war aber - um es vorsichtig zu sagen - nicht zu Scherzen aufgelegt. Eine kleine Patrizier-Domina war wohl eben doch etwas anderes als eine Küchensklavin oder ein Marktweib.
    Außerdem war sie ja traurig, und ich sah wohl ein, dass sie dazu allen Grund hatte. Deshalb überlegte ich mir, womit ich sie aufheitern könnte, bis Aurelius Cotta selbst kommen würde.


    Zunächst aber war ich einfach überwältigt von dem, was sie hier ihren "Hortus" nannten: Es war ein richtiger Park. Ich hatte ja schon so einiges über die großen Villen in Roma gehört, aber das hatte ich mir denn doch nicht träumen lassen. Einen Moment lang stand ich mir offenem Mund da, und so etwas passierte mir nicht oft; dann aber fiel mir wieder mein Auftrag ein, oder vielmehr das, was ich dafür hielt, denn mein Dominus hatte ja soviel gar nicht dazu gesagt.


    Ich sah mich um und entdeckte eine Marmorbank, die für meinen Geschmack ein bisschen zugewuchert war - so ganz im Griff hatte dieser Leone seine Leute also wohl doch nicht gehabt. Na, wunderte mich nicht, sollte aber auch nicht mein Problem sein. Jedenfalls führte ich das Kind zu dieser Bank und begann zu erzählen. "Da bin ich froh, Herrin, dass Du mir die Aufgabe erlässt, Dir jetzt ein Ständchen zu bringen! Obwohl Dich das wahrscheinlich sehr zum Lachen gebracht hätte - aber lassen wir das lieber. Ich frage mich gerade, ob wohl Odysseus singen konnte - den kennst Du doch? - oder Penelope, seine Frau, die auf ihn gewartet hat all die Jahre, die er mit seinem Schiff unterwegs war. Eine schöne Frau - gute Götter! - und viele Verehrer wollten sie heiraten, weil ja alle glaubten, Odysseus sei tot. Einzig Penelope hat immer darauf vertraut, dass er eines Tages wiederkommen würde. Deshalb wollte sie auch keinen der anderen Männer heiraten."


    Mit meiner rechten Hand wischte ich ein vertrocknetes Blatt von der Marmorbank; die Hitze des Sommers forderte ihren Tribut. Aber ich war ja noch nicht fertig mit meiner Geschichte. "Und um die Verehrer hinzuhalten und Zeit zu gewinnen - na, was hat sie gemacht? Sie hat ihnen allen erzählt, sie müsste erst noch ein Totentuch für ihren Schwiegervater Laertes weben. Das hat sie ja auch gemacht, aber dann nachts immer alles wieder aufgetrennt, was sie am Tage gewebt hatte. So hatte sie vor den anderen Männern Ruh'. Doch weißt du was? Ich sage, wenn sie schlau gewesen wäre, dann hätte sie lieber eine Ziegenherde gekauft, wäre Ziegenhirtin geworden und weggegangen. Denn Odysseus kam zwar wieder, aber der hat sie nicht verdient."


    Ich war gespannt auf die Reaktion der Herrin Sisenna, doch in diesem Augenblick hörte ich Schritte, die sich näherten, und die ich, ohne hinsehen zu müssen, als die Schritte meines Dominus erkannte.

    Nun ja, für mein vorgerücktes Alter, so bildete ich mir ein, war ich doch noch ganz schön auf Trab, und das galt nicht nur für meinen muskulösen Körper, sondern auch für meinen Geist. Schon bei der Begrüßung an der Porta durch diesen Leone und beim anschließenden Dialog zwischen ihm und meinem Dominus hatte sich gezeigt, dass hier mit der Gens Aurelia irgendetwas nicht stimmte. Und jetzt hatte sich mein Verdacht bestätigt, auch wenn ich nicht genau verstanden hatte, was dieser Leone dem Herrn Appius zugeflüstert hatte.


    Offenbar aber ging es um die Kleine, deren alberner Schwertträger jetzt endlich weggeschickt wurde. Der traurigen Miene des Herrn Cotta nach zu urteilen, schien die Kleine wohl wirklich ziemlich alleine auf der Welt zu sein, ihre Eltern entweder tot oder hatten sich verdrückt. Er sah mich an und winkte, dass ich kommen sollte, was ich natürlich sofort tat, nicht ohne diesem Leone einen durchdringenden Blick zuzuwerfen: Der sollte sich mal nicht so aufspielen.


    Mein Dominus stellte mich nun der Herrin Sisenna vor, vor der ich mich lächelnd leicht verneigte. Meine Gesichtszüge entgleisten allerdings, als ich Aurelius Cotta davon sprechen hörte, wie gut ich doch singen könne - damit hatte er mir nun freilich eines der Eier ins Nest gelegt, die ich eben noch ihm für seine grandiose Bühnenpräsenz zugedacht hatte. Erleichtert war ich, als ich an einer entsprechenden Frage der Domina Sisenna erkennen konnte, dass sie mir durchaus keine Sangeskunst zutraute - und also wohl auch nicht erwarten würde.


    Aurelius Cotta ordnete nun an, dass ich mit der Kleinen in den Garten gehen sollte, derweil er noch - ja was? Er wolle nachkommen, sagte er. Ich vermutete natürlich sofort, dass er sich noch mit diesen Leone bereden wollte. Die Kleine aber sackte merklich zusammen und schlich schließlich langsam und enttäuscht aus dem Officium.


    In diesem Augenblick tat sie mir ehrlich Leid. So klein und schon ganz allein auf der Welt. Kurz, ganz, ganz kurz kam wieder ein Gefühl in mir hoch aus der Zeit, als ich etwa so alt war wie Sisenna - Domina Sisenna - jetzt. Aber ich wollte nicht daran denken, wusste nur, dass ich den Auftrag meines Herrn auszuführen hatte - und wollte die Kleine ein bisschen ablenken.


    So folgte ich ihr mit energischen Schritten und hatte sie natürlich auch sofort eingeholt. Von der Seite her sah ich sie grinsend an und sagte: "Domina, ich muss Dir etwas gestehen. Du darfst mir aber nicht böse sein, ja? Versprochen?" Abwartend blickte ich sie einen Moment lang an. "Ich ... kann nämlich gar nicht singen. Und zeigst Du mir jetzt trotzdem den Hortus? Vielleicht können wir da ja was spielen."


    Dabei setzte ich mein schönstes Siegerlächeln auf, das bei Frauen sonst immer verfing - warum nicht auch hier?!

    So, das Gepäck des Herrn Cotta war nun endlich ausgeladen, und einige andere Sklaven schafften die Sänfte weg. Das war aber auch schon alles, was wir bis jetzt erledigt hatten. Wohin das ganze Gedöns meines Dominus nun endgültig gebracht werden sollte, wusste niemand so genau, und Aurelius Cotta war mit diesem Leone im Inneren der Villa verschwunden.


    Was sollte ich machen? Nette weibliche Sklavinnen kamen einstweilen nicht in Sicht, und so beschloss ich, Aurelius Cotta suchen zu gehen. Im Atrium war er augenscheinlich nicht, ich konnte aber in Erfahrung bringen, dass er in ein Officium gegangen war, um sich mit diesem Leone zu bereden, und auch, wo ich dieses Officium finden könnte.


    Als ich es fast erreicht hatte, traf mich beinahe der Schlag: Ein Mann mit einem Gladius in der Hand näherte sich dem Officium, in dem mein Herr weilte! Ich machte mich bereit, diesen Mann niederzustrecken - als ich sah, dass mit ihm eine kleine Göre marschierte. Na, was heißt "kleine Göre" - es konnte sich dabei wohl nur um die Domina Aurelia Sisenna handeln.


    Tatsächlich ließ diese sich jetzt auch die Tür des Officiums öffnen. Was sich nun abspielte, hätte mich fast dazu gebracht, laut los zu brüllen vor Lachen. Die beiden Aurelier-Herrschaften Sisenna und Cotta lieferten da ein Stück "Caesar et Cleopatra"-Klamauk vom Feinsten ab! Wobei Domina Sisenna entschieden besser agierte; mein lieber Herr Cotta wäre auf jeder Bühne von den Zuschauern mit einem Hagel von Eiern bedacht worden - ach nein, die wären noch viel zu gut für ihn gewesen! Patrizier sollten die Schauspielerei wirklich lieber Fähigen überlassen!


    Nun allerdings wurde ich wieder ruhiger und trat auch einen Schritt näher an das Zimmer heran, denn im Inneren wurde getuschelt.