Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Valerian hörte aufmerksam zu. Mantua. Dort war er erst einmal gewesen. Nämlich als sie den parthischen Gefangenen abgeholt hatten. Doch bei dem Gewaltmarsch hatten sie natürlich nicht viel von der Stadt gesehen. Eigentlich gar nichts. "Priesterin? Und dafür geht sie nach Germanien?", staunte Valerian. Er hatte immer gedacht, die Ausblidungen würden vor allem hier in Rom durchgeführt. Wie man sich irren konnte. "Gerne erzähle ich ihr von Mogontiacum. Und vielleicht kann sie ja dort auch mal meine Schwester besuchen. Die lebt nämlich noch immer dort und läßt viel zu selten von sich hören."


    Als die junge Dame den Raum betrat, erhob sich Valerian sogleich. "Salve", grüßte er höflich zurück und wartete darauf, vorgestellt zu werden. Denn es wäre wohl vermessen, wenn er sich der jungen Dame selbst vorstellen würde. Ausgesprochen hübsch war sie. Ein Gewinn für Mogontiacum, gar keine Frage.

    Valerian nickte und lachte. "Ja, so ist das, man sieht doch meist nur die eigenen Mühen. Und die sind für einen Soldaten wohl niemals wenig, egal, welchen Rang er bekleidet."


    Dann kam Balbus auf den Anlaß des heutigen Treffens zu sprechen und Valerian nickte. "Gerne werde ich ihr von Germanien erzählen. Ich hoffe, daß ich ihr damit nützlich sein kann. Hat sie bis jetzt hier in Rom gelebt?" Dabei wunderte es Valerian ein wenig, daß nicht Balbus selbst ihr von Germanien erzählte. War er nicht sogar länger dort gewesen, als Valerian? "Wird sie nach Germanien heiraten?" Das mochte eine etwas neugierige Frage sein, doch irgendwie lag sie nahe und deshalb war sie Valerian einfach so entschlüpft.

    Valerian hatte es so eingerichtet, daß er dem Burschen jetzt mal entgegen kam. Es war wirklich erstaunlich, wie tief ein Mensch in Gedanken versunken sein konnte. Die anderen Leute wichen ihm aus, manchmal erst im letzten Moment, so mancher böser Blick folgte ihm, doch er schien all das nicht mal zu bemerken. Wie man es eben machte, wenn einem jemand entgegen kam, wich Valerian so halb aus, als wenn er erwarten würde, daß der andere auch halb ausweichen würde. Und natürlich passierte, was passieren mußte. Sie prallten recht unsanft zusammen. Was für den anderen natürlich um einiges unangenehmer war, da Valerian sich bereits auf den Zusammenstoß vorbereitet hatte. Zudem mußte er ja auch darauf achten, daß der andere die Waffen nicht bemerkte, die Valerian unter seiner Kleidung versteckt hatte.


    Und was für ein Zufall, Valerians Apfelkitsche wurde bei dem Zusammenstoß sehr unsanft gegen Marhabals Brust gedrückt. Ein hübscher feuchter Fleck machte sich nun dort auf der Tunika breit. "He, paß doch auf!", schimpfte Valerian direkt nach dem Zusammenstoß. Dann nickte er auf die Entschuldigung hin und seine Worte waren gleich viel versöhnlicher. "Naja, mir ist ja nicht viel passiert. Und ist bei Dir alles in Ordnung? Du warst ja geradezu weggetreten. Du hast mich nicht mal gesehen, oder?"

    "Als einfacher Soldat unterschätzt man doch die Menge der Pflichten, die so ein Optio zu bewältigen hat. Zumal ja das eigene Training dann noch dazu kommt." Valerian setzte sich, nachdem ihm Platz angeboten worden war und trank noch einen Schluck aus dem Becher. Sein Blick fiel dabei wieder auf die hübsche Sklavin. Anscheinend sollte sie weiterhin hierbleiben, um zu bedienen. Also würde der schöne Anblick ihm noch eine Weile erhalten bleiben. "Er konnte sich leider nicht gleich freimachen. Wird aber gewiß kommen, sobald es ihm möglich ist.* Wenn nicht noch etwas dazwischen kommt. Als Optio kann ich leider nichts tun, wenn er Befehle von höherer Stelle auszuführen hat." Er zuckte bedauernd mit den Schultern.






    Sim-Off:

    *Er ist wegen RL-Streß nur sehr selten online. Keine Ahnung, ob er kommen wird

    Das Wetter war richtiggehend schön heute. Genau richtig, um - ganz dienstlich selbstverfreilich - durch die Stadt zu schlendern und die noch schwachen, aber deswegen nicht weniger angenehmen Sonnenstrahlen zu genießen. Noch schöner wäre es natürlich mit Philogena. Doch das war ja nun vorbei. Nein, nicht mehr daran denken! Er zwang sich, diesen Gedanken wegzuschieben. Bei einem Bauern, der an einer Straßenecke schrumplige Äpfel vom letzten Herbst verkaufte, erstand Valerian einen dieser Äpfel und biß hinein. Hmm... süß war er ja. Und gar nicht so mehlig, wie er erwartet hatte. Nicht schlecht.


    Langsam schlenderte er weiter. Schon eine ganze Weile beobachtete er einen Burschen, der etwas ziellos zu sein schien. Nicht, daß er ihn irgendwie im Verdacht hatte. Aber verdächtige Leute gab es grad nicht und da war ziellos eigentlich genau das richtige. Der Mann sah wirklich so aus, als wäre er ganz in Gedanken versunken.

    Eine nette hübsche Sklavin war das, die ihm die Erfrischung gebracht hatte und Valerian hatte es sich nicht verkneifen können, sie anzulächeln. Reich müßte man sein, dann konnte man sich mit derlei Schönheiten umgeben. Da kam auch schon der Hausherr auf ihn zu und Valerian trat ihm mit sichtlicher Freude entgegen. Er nahm die dargebotene Hand und drückte sie herzlich. "Salve, mein Patron. Bitte verzeih, daß ich mich so lange nicht mehr habe blicken lassen. In der letzten Zeit ging es in meinem Leben ein wenig drunter und drüber." Er spürte, wie er leicht errötete und hoffte, daß sein Patron es übersehen würde. Es offenbarte nur zu deutlich, welcher Art die Dinge waren, die ihn so durcheinander gebracht hatten.

    "Aber natürlich", nickte Valerian und lächelte. "Die Liste wird Dir baldmöglichst zugestellt werden." Der Praefectus würde schon entscheiden, welche Namen auf der Liste erschienen und welche nicht. So war das eben, so ganz in die Karten gucken ließ sich die Garde denn doch nicht. Er schloß die Tür der Zelle, nachdem der Vigintivir wieder herausgekommen war. "Gemütlich, nicht wahr? Aber die Zellen sind ja auch nicht für Daueraufenthalte gedacht. Und der Aufenthalt hier soll die Gefangenen schon mal mürbe machen für das Verhör."

    Valerian nickte dem Ianitor noch freundlich zu, ließ sich einen Becher mit stark verdünntem Wein geben und blickte sich wie schon häufiger interessiert im Atrium um. Zu sehen gab es hier reichlich, das Atrium war schließlich prachtvoll gestaltet und die Bildnisse der Ahnen seines Patrons alles andere als uninteressant. Nicht eine einzige Sekunde hatte er es bereut, der Klient des Prudentius Balbus geworden zu sein. Er bedauerte nur, daß er bisher so wenig für seinen Patron hatte tun können. Nun, vielleicht änderte sich das ja einmal.

    Und da wurde die Tür auch schon geöffnet. Erkannt wurde er auch. Eine wohltuende Abwechslung zu den unzähligen Sklaven in Rom, die für die Tür zuständig waren, aber kaum in der Lage, ein ordentliches Latein zu sprechen, geschweige denn, sich Gesichter und Namen zu merken. Da Valerian ja nur einer von vielen Klienten war und noch dazu selten hier, war dies um so bemerkenswerter. Ein guter Mann, dieser Ianitor. Und so folgte er ihm nach einem freundlichen Gruß ins Atrium.

    Ein klein wenig plagte Valerian ja schon das schlechte Gewissen, daß er sich schon so lange nicht mehr bei seinem Patron hatte blicken lassen. Sicher, er hatte eben viel zu tun gehabt, nur wenige freie Tage, dann die Sache mit Philogena. Sein Leben war etwas sehr turbulent geworden, seit er Optio war. Noch immer fragte er sich, ob das für ihn der richtige Weg war. Die Freundschaft zu den Kameraden fehlte ihm.


    Nun, heute war er hier, der Patron hatte ihn eingeladen. Eburnus würde bestimmt auch noch kommen. Valerian klopfte an die Porta und blickte sich um, ob der Duccier nicht doch im Anmarsch war.

    Valerian gab die entsprechenden Befehle und die Männer machten sich an die Arbeit. Sie waren nicht einmal unmotiviert, denn jeder von ihnen wollte baldmöglichst wieder in die Barracke einziehen. Viele der Männer hatten auch schon genug Bauerfahrung, um die Arbeiten fachgerecht auszuführen und die weniger Erfahrenen anzulernen.


    "Mit Deiner Erlaubnis, Centurio, mache ich dann jetzt mal eine Runde, um zu schauen, ob es noch an irgendetwas fehlt oder ob es zu unerwarteten Schwierigkeiten kommt." Er schaute Decius fragend an. Noch kannte er ihn kaum und wußte nicht, wieviel Selbstständigkeit von ihm erwartet wurde. Oder ob er lieber jedes mal auf Befehle warten sollte.

    Was kritzelte der wohl so auf seiner Wachtafel herum? Valerian versuchte, einen Blick darauf zu erhaschen. Man konnte ja nie wissen. Aber bisher schien da nichts so wirklich spannendes draufzustehen. "Na, aber sicher doch", nickte Valerian und zuckte mit den Schultern. Was sollte denn wohl an einer leeren Zelle so interessantes sein?


    Er öffnete eine der Türen und ließ den Vigintivir eintreten. Für einen kleinen Moment kam ihm der Gedanke, die Tür hinter dem Mann einfach wieder zu schließen. Damit er das richtige Gespür für solch eine Zelle bekam, wenn er eine Weile ungehört darin schmorte. Doch dann riß Valerian sich zusammen und schaute unschuldig drein. Dies war wirklich nicht der richtige Moment für Dummejungenstreiche. Außerdem war er inzwischen Optio, da mußte man mit gutem Beispiel vorangehen. Er seufzte innerlich. Manches war als einfacher Soldat doch angenehmer.

    Sie lief und lief und lief. Schaute nicht rechts, schaute nicht links. Sie schien die Blicke der Passanten nicht zu bemerken. Auch nicht die eines schmierigen Kerls, der schnell begriffen hatte, daß das hübsche Vögelchen ganz allein war. Valerian war mit wenigen Schritten bei ihm, als er dazu ansetzte, Philogena zu verfolgen. Ein kurzer Schlag mit der Faust in die Magengrube, ein paar geflüsterte Worte und der Mann stolperte davon. Hoffentlich holte der jetzt keine Verstärkung.


    Wo war Philogena? Für den Moment hatte er sie aus den Augen verloren. Eilig lief er weiter. Ah. Dort an dem Baum. Er blieb stehen. Was nun? Was sollte er nun tun? Sich einfach hinsetzen und warten? Oder...? Würde sie es nicht als Belästigung empfinden? Sie weinte... Welcher Mann konnte schon eine Frau weinen sehen? Schon gar eine, für die sein Herz schlug? Langsam ging er näher. Legte leicht die Arme um sie, wollte sie an seine Schulter ziehen, wenn sie es sich gefallen ließ.

    "Nein, das wäre es nicht...", sagte Valerian leise und verzweifelt, als sie fragte, ob es ihm lieber wäre, wenn sie unglücklich wäre. Sie hatte ihm gar nicht zugehört. Sie hatte nicht begriffen, daß er ihr alles Glück wünschte und doch nur Verständnis wollte für sein zerrissenes Herz. Sie hatte schon Zeit gehabt, sich mit der Situation zurechtzufinden. Doch für ihn war alles innerhalb weniger Minuten über ihn hereingebrochen. Und da verlangte sie von ihm völlige Selbstlosigkeit? Er war weder ein Gott noch in irgendeiner Weise heilig, sondern einfach nur ein Mensch mit Gefühlen.


    Und nun lief sie auch noch einfach davon! Valerian hatte Tränen in den Augen, als er ihr folgte. In einigem Abstand. Sie wollte ihn nicht um sich haben, aber er konnte nicht zulassen, daß ihr etwas zustieß. Auf keinen Fall. Auch wenn sie es ihm nicht glaubte: Er würde seines Lebens nie wieder froh, wenn ihr jetzt etwas zustieß.


    Was war das Leben doch ungerecht! Er fand endlich die Liebe seines Lebens. Und dann wurde sie ihm entrissen. Nein, gestohlen. Und nun lief er wie ein Idiot hinter ihr her, fühlte sich auch noch schuldig dafür, daß sein Herz zerrissen worden war.

    Valerian hätte nicht sagen können, warum er sich doch noch einmal umdrehte. Ein Gefühl, daß se ihm nicht folgte? Vielleicht. Vielleicht war es aber auch nur die Gewohnheit eines Mannes, der stets seine gesamte Umgebung im Auge behalten mußte. Noch immer stand sie da. Noch immer starrte sie zu Boden. Warum fühlte er sich auf einmal schuldig? Warum schien es, als wäre er derjenige, der verletzt? War nicht sie es, die seine Träume zerstört hatte? Und die es selbst noch nicht mal als traurig zu empfinden schien? Sie mochte ihren Zukünftigen. Für sie war also wohl alles in Butter.


    Und nun?


    "Ihr Götter... Philogena, was erwartest Du denn? Daß ich bei so einer Nachricht freudestrahlend zu Deiner bevorstehenden Vermählung gratuliere?" Es klang nicht mal zornig. Nur verzweifelt. "Es ist nicht mal, daß es so gekommen ist. Ich wußte, daß ich vermutlich mit meiner Karriere nicht schnell genug bin, um Deiner wert zu sein. Aber... aber es verletzt so, daß es Dir so leicht fällt, in diese Ehe zu gehen. Daß... daß... Du ihn so gern hast. Bitte versteh mich nicht falsch. Wenn Du schon heiraten mußt, sollte es jemand sein, den Du gern hast und mit dem Du glücklich werden kannst. Ich will ja, daß Du glücklich bist. Aber..." Aber ein kleines bißchen Bedauern hätte schon dabei sein dürfen, fand er. Nichts Schlimmes in dem Sinne für mich. Hatte sie denn gar nichts für ihn empfunden? Tat es ihr nicht wenigstens ein bißchen weh, daß es nicht er war, der ihre Hand erhielt?


    "Bitte komm mit mir. Ich werde meines Lebens nie wieder froh, wenn Dir etwas zustößt, nur weil ich Dich hier allein zurückgelassen habe." Verstand sie denn gar nicht, was in ihm vorging? "Bitte... Es ist so schon schwer genug."

    Valerian wußte überhaupt nicht, wie ihm geschah. Ihm schien es, als würde seine gesamte Zukunft in tausend Scherben zerbersten. Er fühlte sich zutiefst verletzt. Und verletzte Menschen neigten dazu, in ihrem Schmerz auch andere zu verletzen. Und so merkte er gar nicht, wie hart er mit ihr umging. Seine Gedanken schwirrten dafür auch zu sehr durcheinander.


    Endlich blickte sie auf. Sein Blick schien den ihren festbannen zu wollen. Diese schönen Augen. Dieses Leuchten, das er nun darin vermißte. Valerian fand einfach keine Worte. So sah er sie nur an. Crassus. Crassus. Ein alter Mann im Vergleich zu ihr. Und er glaubte ihren Worten entnehmen zu können, daß sie keineswegs unfreiwillig in diese Ehe ging. Daß sie ganz zufrieden war. Glücklich? Vielleicht auch das.


    Ich mag ihn, ja das stimmt. Diese Worte taten so weh! Sie trafen sein für sie so offen und schutzlos daliegendes Herz mit voller Macht. Ich mag ihn, ja das stimmt. Sie hallten nach in ihm. Schlugen im Takt seines rasenden Herzschlages.


    Erst eine ganze Zeit später fand Valerian seine Sprache wieder. Die ganze Zeit hatte er sie angesehen. In ihren Augen zu lesen versucht. Einen Funken Hoffnung gesucht. Einen Funken Liebe. Irgendetwas, das ihm sagte, daß sie ihn nicht einfach fallen ließ wie einen heißen Bratapfel. Weil er nicht gut genug für sie war. Natürlich, mit einem Mann wie Crassus konnte er nicht mithalten. Egal, wie sehr er sich noch anstrengen mochte.


    "Ich..." Seine Stimme klang fremd. Als würde sie gar nicht zu ihm gehören, hörte er sie wie aus weiter Ferne. "Ich wünsche Dir alles Glück, das auf dieser Welt zu finden ist. Mögen die Götter stets über Dich wachen." Crassus schloß er in diese guten Wünsche nicht mit ein. So weit reichte sein Großmut nun wirklich nicht.


    Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre einfach davongerannt. Doch das ging nicht. Er konnte sie hier nicht einfach stehen lassen. "Komm...", forderte er sie auf und ging einfach voran in die Richtung, in der Senator Purgitius' Haus gelegen war.

    "Schade. Ich habe schon lange nichts mehr von ihm gehört und mache mir ehrlich gesagt so langsam Sorgen um ihn. Sonst hatte er immer mal geschrieben. - Aber egal, wenn Du ihn nicht weiter kennst, dann will ich Dich auch nicht damit belästigen." Vielleicht sollte er Raetinus einmal anschreiben und nachfragen? Auch von Probus hatte er schon ewig nichts gehört. "Sehr erfreut jedenfalls, Dich kennenzulernen, Optio Iulius Labeo. Ein Kamerad von der Classis bist Du also. Dann doppelt erfreut."


    Für einen Moment war Valerian ja versucht, Labeo in dem Glauben zu lassen, er wäre bei den Urbanern. Es war ja nicht üblich, allen auf die Nase zu binden, daß man zu den Praetorianern gehörte. Auch einem Kameraden von einer anderen Einheit nicht. "Hat mich also mein Schritt verraten, ja? So kurz vor der Castra geht der Soldat in mir eben immer mit mir durch. Ich war gedanklich schon beim Training und habe überlegt, wie ich meine Jungs nachher noch über den Platz scheuchen will. Nein, ich bin nicht bei den Urbanern. Ich bin Optio bei den Praetorianern." Nun hatte er es also doch gesagt. Aber warum auch nicht? Wenn Labeo mal in den Palast wollen würde, war die Wahrscheinlichkeit nicht gerade gering, ihn dort zu sehen.

    Es tut mir leid. Diesen Satz hatte sie nun schon mehrfach gesagt. Und für Valerian fühlte es sich an, als würde eine eisige Hand nach seinem Herzen greifen. Es tut mir leid, Valerian. Es löste fast Bauchkrämpfe in ihm aus, da sie immer mehr hinauszögerte auszusprechen, was ihr denn nun eigentlich so sehr leid tat. Nichts Schlimmes in dem Sinne für mich. Dann wohl für ihn? Es wurde nicht besser. Ganz und gar nicht. Sie sprach auf das letzte Treffen an. Auf die Träume, die sie miteinander geteilt hatten. Dann sprach sie es aus. Es hatte jemand um ihre Hand angehalten.


    Ein Schwall eisigen Wassers hätte nicht ernüchternder sein können. Es war ihm jemand zuvor gekommen. Und sie schien nicht mal unglücklich darüber zu sein. Das war wohl für ihn das Schlimmste daran. Nichts Schlimmes in dem Sinne für mich. Waren es denn nur seine Träume gewesen, über die sie gesprochen hatten? Er hatte doch das Gefühl gehabt, daß sie auch für ihn nicht gerade wenig empfand. Das Leuchten ihrer Augen. Konnte das Lüge gewesen sein? All ihre Worte von Zuneigung und Freude...


    "Wer?", fragte er leise und irgendwie heiser. "Und... und Du liebst ihn? Einfach so? Und mich einfach so nicht mehr?" Er spürte, daß sämtliches Blut aus seinem Gesicht gewichen war. Er mußte totenblaß aussehen. Und doch suchten seine entsetzt dreinblickenden, brennenden Augen nach ihrem Blick. Den sie allerdings gen Boden gerichtet hatte. Nicht einmal ansehen konnte sie ihn also.

    Immer mehr verstärkte sich das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Sie war nicht so offen und herzlich wie sonst. Ihre Augen blickten irgendwie anders. Fast kam es ihm sogar vor, als hätte sie seinem Blick erst ausweichen wollen und es sich erst im letzten Augenblick anders überlegt. Langsam begann er, sich Sorgen zu machen.


    Auch daß sie ihn dann bat, mit ihr ein paar Schritte zu gehen, machte die Sache nicht besser. Da hatte er wahrhaftig keine Lust, sich über ihre Sklavin und den Soldaten vom Tor zu plaudern. Es kribbelte unangenehm in seinem Bauch. Wie früher, als er noch ein Kind gewesen war, wenn sein Vater ihn ins Arbeitszimmer bestellte. Denn das wurde in der Regel recht unangenehm für ihn.


    "Was... was mußt Du mir sagen? Was ist los? Philogena, Du machst mir richtiggehend Angst. Ist etwas schlimmes passiert?" Seine Stimme war voller Sorge und er blickte sie prüfend an. Ging es ihr wirklich so gut, wie sie behauptete? Körperlich vielleicht. Aber sie war so verändert. Wirkte traurig und ... verunsichert. Warum starrte sie so auf den Kiesweg, warum schaute sie ihn nicht an?

    Sie lächelte so wunderschön, freute sich offensichtlich, ihn zu sehen. Und doch bemerkte er durchaus, daß ihr Lächeln ihre Augen nicht erreichte. Hier stimmte etwas nicht! Irgendetwas! Unwillkürlich blickte er sich um, konnte aber niemanden entdecken. Ihre Hand hatte sich gehoben, er hatte schon gehofft, daß sie nun die seine ergriff. Doch auch das blieb aus. Sie legte ihre Hand vielmehr auf seinen Arm. Fast eine... tröstende? Geste. Nein, nein, er interpretierte hier viel zu viel hinein. Sie war nur zurückhaltend, wie es sich gehörte. Wollte ihn nicht zu weiteren Dummheiten verleiten. Genau, das mußte es sein. Deshalb zog sie die Hand dann auch wieder zurück. Das hatte sonst nichts zu bedeuten. Gar nichts.


    "Eine der Torwachen brachte mir den Brief, er ging gar nicht erst in die normale Postverteilung. Ich habe mich unglaublich gefreut. Und mir geht es gut. Sehr gut sogar. Wir renovieren gerade unsere Unterkünfte, das war wirklich nötig. - Und wie geht es Dir? Du hast doch wegen mir keinen Ärger bekommen, oder?" Seine Augen versuchten ihren Blick zu fangen, er wollte in ihnen lesen, wollte sehen, was sie empfand. Die Augen waren der Spiegel der Seele, das hatte seine Mutter stets gesagt.