Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Valerian strahlte, als sie sich von ihm aufhelfen ließ und ihm die Hand nicht entzog. Doch da hatte er sich wohl zu früh gefreut. Die Sklavin, die eh schon die ganze Zeit so geguckt hatte, kam jetzt, um Philogena den Schmuck abzunehmen. Und selbst Valerian verstand den Vorwurf, auch wenn er nicht direkt ausgesprochen war. Philogena zog ihre Hand zurück und er seufzte enttäuscht. Was war denn schon dabei, wenn er ihre Hand hielt? Also wirklich! Doch natürlich sagte auch er nichts dazu. Er guckte nur enttäuscht.


    Ob die Sklavin wohl Philogenas Cousin von diesem Treffen erzählen würde? Bestimmt. Und wie würde der wohl reagieren? Vermutlich nicht sehr erfreut. Valerian mußte damit rechnen, daß ihr der Umgang mit ihm verboten wurde. Dies konnte also durchaus ihr letztes Treffen sein. Zumindest ihr letztes offenes Treffen. Und das war ein Grund, dieses Treffen zu etwas ganz besonderem zu machen.


    Sie wollte etwas besonderes. Etwas besonderes... "Rom ist natürlich voll von sehenswerten Orten. Das Forum Romanum, die Kaiserforen, die Tempel, der Circus, die Theater... Denkmäler, Siegessäulen, prachtvolle Bögen. Wenn es eine Stadt auf der Welt gibt, der unendlich viele sehenswerte Orte besitzt, dann ist das Rom." Er grübelte noch ein einem Moment und hatte dann eine Idee. "Ich wüßte etwas besonderes. Etwas, was lange nicht jeder zu sehen bekommt. Ich kann aber nichts versprechen, denn ich weiß nicht, ob ein alter Freund von mir genau da ist, wo ich ihn dafür brauchen würde. Aber... würdest Du Dich mir anvertrauen? Deine Sklaven können natürlich dabei sein. Es ist ein Stück zu laufen, doch wenn es so klappt, wie ich es mir wünsche, dann wird es ein besonderes Erlebnis."

    Eburnus antwortete nicht auf die Fragen. Zumindest schien es ihm also gut zu gehen. Valerian schickte einen der Männer los, die anderen einzusammeln. Sie sollten auf dem Rückweg nochmal alles nach dem Bogenschützen durchkämmen. Vermutlich eine vergebliche Mühe, doch er wollte wengistens alles versucht haben. Vielleicht hatte ja jemand den Kerl gesehen.


    "Schaffen wir ihn erst zum Centurio. Er will mit ihm reden. Auf geht's." Er verließ sich darauf, daß Eburnus und seine Kamerade auf den Kerl aufpassen würden, während sie zum Centurio zurückkehrten. Er selbst ging voran und erstattete Meldung, als sie beim Centurio anlangten. "Er ist gefaßt, Centurio. Allerdings ist uns sein Komplize entwischt. Der hat auf Miles Duccius geschossen. Ich habe den Männern befohlen, die Gegend nach ihm zu durchsuchen."

    Kaum hatte er angeklopft, als Valerian von hinten angesprochen wurde. Er drehte sich um und grinste Eburnus breit an. "Salve, Eburnus. Man, das ist gut, Dich zu sehen. Ich fürchtete schon, niemanden für eine Unterhaltung zu finden. Heute wird ja eher die gehobene Gesellschaft anwesend sein, was?" Er schaute erstaunt auf die große Kiste. Da hatte sich Eburnus wohl mächtig in Unkosten gestürzt. "Ja, unser Patron hat auch mich eingeladen, was ich echt nett von ihm finde. Und klar habe ich ein Geschenk. Sogar eins, wo beide etwas von haben. Muß ja nicht immer sowas riesiges sein. Klein aber fein ist doch auch gut." Er zeigte eine Holzschatulle vor, die bisher halb unter der Toga verborgen gewesen war. Sie war mit kunstvollen Schnitzereien verziert und aus einem edlen, dunklen Holz gefertigt.

    An der Porta rückte Valerian seine Toga noch einmal etwas zurecht. Dann klopfte er an. Bestimmt hatte auch der Türsteher heute besondere Anweisungen, so wie die Wachen auch.


    Ein wenig bedauerte er, daß er Philogena nicht hatte einladen können. Zu gerne wäre er mit ihr hier erschienen. Vor allem hätte er dann jemanden gehabt, mit dem er sich unterhalten konnte. Und er war sicher, daß sie furchtbar gerne mitgekommen wäre.

    Auch Valerian war der Einladung seines Patrons gefolgt. Es war schon sehr eigenartig, nun als Besucher den Palast zu betreten. Die Kameraden grinsten sich eins, ließen ihn aber dann passieren. Wenigstens mußte man ihn nicht führen, er kannte den Weg ja schließlich.


    Heute trug er seine beste Toga, die er für diesen Anlaß sogar hatte in einer richtigen Wäscherei waschen lassen. Die Tunika war nagelneu und er war am Morgen bei einem Barbier gewesen, um sich rasieren und seine Haare stutzen zu lassen. Immerhin wollte er seinen Patron nicht blamieren. Denn er erwartete, hier nur hohe Herrschaften anzutreffen. Viele Leute, die mit ihm redeten, würde es wohl nicht geben. Aber das Essen würde ihn bestimmt reichlich dafür entschädigen.

    Für diesen besonderen Tag gab es eben auch besondere Anweisungen für die Wache. Es waren wesentlich mehr Praetorianer am Tor als sonst, denn ständig kamen neue Gäste an, die hereingeführt werden mußten. Es gab eine Gästeliste, aber da viele Gäste zusätzliche Begleitung mitbrachten, war die auch nicht ganz leicht zu handhaben. Das Prozedere war zwar deutlich verkürzt und die Wachen führten die größtenteils aus der gehobenen Gesellschaft Roms stammenden Gäste so bald wie möglich zur Porta des Hauses Aelia. Einen kleinen Stau gab es jedoch trotzdem, aber noch schien damit niemand ein Problem zu haben.



    Valerian lächelte sie an. "Bitte verzeih, ich will Dir keine Vorträge halten. Schon gar nicht, wenn Du sie schon so oft gehört hast." Er war sicher, daß sie sich die Ratschläge zu Herzen nehmen würde. Immerhin lag der Sinn ja auf der Hand. Und er mußte zugeben, daß die Sklaven sich gut benahmen. Sie blieben auf Abstand. Nahe genug, um Schutz zu bieten, weit genug weg, um die Privatsphäre zu wahren. Der einzige Nachteil war ihre Schwatzhaftigkeit. Sicher würden sie von dieser Begegnung berichten. Und selbst wenn sie es nur in den Sklavenunterkünften darüber sprachen, würde es der Herr des Hauses wohl früher oder später zu hören bekommen. Hoffentlich gab es dann keinen Ärger!


    "Ja, laß uns ein wenig durch den Park spazieren", stimmte er zu und stand auf, ohne ihre Hand loszulassen. Solange sie nicht danach verlangte, losgelassen zu werden, würde er sie nur allzugerne halten. "Ich kenne Rom gut. Wenn es etwas gibt, was Du gerne sehen möchtest, dann brauchst Du es nur zu sagen. Ich lege Dir ganz Rom zu Füße, wenn Du das wünschst." Das klang ein wenig sehr großartig und dementsprechend errötete er schon wieder. Hoffentlich faßte sie das nicht falsch auf. Er wollte eben einfach ihre Wünsche erfüllen.

    Auf einmal war es viel einfacher, als Valerian angenommen hatte. Der Mann ließ sich widerstandslos festnehmen, dabei hatte Valerian gedacht, daß er versuchen würde, in irgendein Haus einzudringen. Oder gar eine Geisel zu nehmen. Aber zum Glück versuchte er solch einen Unsinn gar nicht erst.


    Eburnus war heran, als sie den Aufrührer gerade festnahmen. Und Valerian runzelte ernst die Stirn, als Eburnus von dem Komplizen sprach. "Auf Dich ist geschossen worden? Bist Du verletzt?" Besorgt musterte Valerian den Freund, der aber eigentlich einen unversehrten Eindruck machte. "Ein Komplize, der mit Pfeil und Bogen in Rom herumläuft? In welche Richtung ist der abgehauen? Wir sollten versuchen, ihn zu erwischen. Ein Bogen ist ja nicht gerade unauffällig. Das sollte wohl zu schaffen sein." Noch waren die Männer gut verteilt.


    Bis jetzt hatte er den Mann ja nur für einen halbwegs harmlosen Irren gehalten. Aber dieser Komplize gab der Sache eine ganz andere Dimension.

    Balbus verließ die Praetorianer! Valerian konnte nicht leugnen, daß es ihn doch ziemlich traf. Und das, obwohl er ja gewußt hatte, daß dieser Tag kommen würde. Balbus hatte damals, als er Valerian in sein Haus eingeladen hatte, darüber gesprochen, daß diese Stellung nur etwas vorübergehendes für ihn war. Trotzdem war es irgendwie traurig, daß er ging. Für Valerian war er eben einfach Teil der Praetorianer, er hatte ihn ja kaum in seiner früheren Funktion kennengelernt. Außerdem war es natürlich auch praktisch gewesen, den eigenen Patron unter der Führungsriege zu wissen.


    Die Auszeichnung, die er erhielt, war jedenfalls wohlverdient. Und Valerian war gespannt, was nun noch folgen würde. Ob Balbus noch etwas sagen würde?

    Valerian runzelte die Stirn. Das hatte er doch eben gesagt? Sprach er so undeutlich oder hatte der Mann dringend eine Fußwäsche nötig, damit der Dreck aus den Ohren nachrutschen konnte? "Wie ich schon sagte, Cohorte V, Centuria I. Optio Quintilius." Er sprach bewußt langsam und deutlich, quasi zum Mitschreiben. "Ah, danke", sagte er, als er den Optiostab entgegen nahm und musterte das Ding, das ihn von jetzt an stets begleiten sollte. "Ich bin gleich wieder da." Er nickte dem Materialwart zu und ging dann, um einige Männer zu holen.


    Es war schon ein eigenartiges Gefühl, sich vor die Baracke zu stellen und die Männer zweier Contubernia herauszurufen. Es klappte hervorragend. Niemand schien sich zu wundern, oder vielmehr ließ es sich niemand anmerken. Und so war Valerian nach kurzer Zeit wieder am Magazin. "Also, Männer. Die Baumaterialen, die der Materialwart uns nun aushändigt, schafft ihr zu unserer Baracke. Achtet darauf, keine Türen oder Wege zu verstellen und die Materialen, die kein Wasser vertragen, unter Dach abzustellen."

    Ganz kurz schoß Valerian der Gedanke durch den Kopf, wann sie wohl in die Situation kommen würden, die Keilformation zu nutzen. Aber es war nur ein Blitzgedanke, den er gleich wieder fortschob. Selbst wenn sie es nie brauchen würden, war das kein Argument, es nicht beherrschen zu lernen. Er bemühte sich, den Schild auf der richtigen Höhe und dicht an dicht mit den Nachbarschilden zu halten. Und zwar so fest, daß es dem Test des Optios standhielt.


    Schließlich kam der Befehl zum Losmarschieren. Und schließlich wurde das Tempo auf Laufschritt erhöht. Das war gar nicht so einfach, schließlich sollte die Formation beibehalten werden. Doch keiner der Männer machte das zum ersten mal, sie alle waren zwar nicht gerade in Übung, hatten es aber in ihren ursprünglichen Einheiten gründlich gelernt. Und so hakte es zwar hier und da, es gab ein paar kleine Lücken, aber im Großen und Ganzen bekamen sie es hin. Und nun noch die Waffe gebrauchen...

    Valerian nickte. "Ja, selbst in einem Irrsinnstempo durch Italia gehetzt zu werden, ist besser als Carcerwache. Man, so langsam könnte sich ja doch mal was tun, findest Du nicht?" Er guckte sich aufmerksam um. "Ein Verwandter von mir soll zur Legio I gegangen sein. Titus Quintilius Lupercus. Naja, wer weiß, ob das Gerücht stimmt." Er hatte mit dem Cousin bisher nicht so schrecklich viel zu tun gehabt und schon lange nichts mehr von ihm gehört. Ob er ihm mal schreiben sollte? Witzig wäre es natürlich, ihm hier zu begegnen.

    Valerian betrat das Magazin und wandte sich unumwunden an den Materialwart. "Salve. Ich bin Optio Quintilius, V. Cohorte, I. Centurie. Und ich benötige einen Optiostab. - Außerdem brauche ich diese Materialien hier. Leg sie schon mal bereit, ich werde gleich mit einigen Männern wiederkommen, um sie abzuholen." Sobald er seinen Optiostab hatte, denn die Männer wußten ja noch gar nichts von seiner Beförderung. Obwohl... Während er hier stand, machte die Neuigkeit sicher die Runde. Gerüchte verbreiteten sich schneller als jedes Feuer.

    Während Eburnus schon hinter dem Kerl herhetzte, teilte Valerian ein paar Gruppen ein und befahl ihnen, die Parallelstraßen zu nehmen und dem Kerl die seitlichen Fluchtwege abzuschneiden. Er selbst rannte mit einer der Gruppen mit. Jetzt machte sich das ewige Lauftraining wieder bezahlt. Sie waren schnell und ausdauernd. Gerade wollte Valerian wieder einen Mann in einer Gasse postieren, da sahen sie den Burschen auf sich zulaufen. "Na, da bist Du ja wieder", rief Valerian ihm entgegen, während auf seinen Wink hin ein paar seiner Männer weiterliefen, um sicherheitshalber die nächsten Straßen auch zu sichern, nur für den Fall, daß der Kerl irgendwelche Schleichwege benutzte. Eburnus konnte nicht weit sein. Wenn der Kerl umdrehte, dann würde er ihm sicher in die Arme laufen.

    Auch Valerian konnte nicht anders, als dauernd zu lächeln. "Das freut mich, daß Du wieder ganz gesund bist. Hätte ich gewußt, daß Du krank bist... Ich hätte bestimmt etwas gefunden, daß Dich aufgemuntert hätte." Auch wenn er sie nicht hätte besuchen können, so hätte er ihr doch etwas schicken können.


    "Dein Cousin hat wirklich Recht. Und auch wenn es Dir zeitweise übertrieben vorkommen mag, mit so viel Begleitung herumzulaufen, es ist wirklich sicherer. Es läuft eine Menge Gesindel in Rom herum." Er blickte zu den Sklaven herüber und sah Elennas Blick auf ihren Händen ruhen. Kurz zuckte die Hand, als ob er sie wegziehen wollte, dann aber ließ er sie, wo sie war. So weit kam es noch, daß der Blick einer Sklavin ihm diese kleine Freude verdarb. Es war doch schließlich nichts dabei, ihre Hand zu halten. Hoffte er.


    "Also. Was möchtest Du tun? Wo wollen wir hingehen?", fragte er sie schließlich, denn sicher hatte sie schon irgendwelche Pläne gemacht, wie sie die nächsten Stunden verbringen wollten.

    Valerian konnte nicht verhindern, daß die Röte in seinen Wangen und Ohren sich noch ein wenig vertiefte. "Allein Deine Freude zu sehen, und das Leuchten Deiner Augen... Ich bin so froh, daß es Dir gefällt - und daß Du mich nicht für dreist oder unverschämt hältst." Langsam schlenderten sie zur Bank herüber und Valerian war ganz froh, daß die Sklaven auf Abstand blieben. Denn wie könnten sie sich sonst unbeschwert unterhalten?


    Als er hörte, daß sie krank gewesen war, blickte er bestürzt drein. "Du hattest Fieber? Ich hoffe, Du bist wieder ganz gesund? Ist Dir auch warm genug?" Er musterte sie besorgt. "Wir können uns auch eine Bank suchen, die mehr in der Sonne steht." Denn hier fiel der Schatten einiger ausladender Äste auf sie. Und natürlich wollte er nicht, daß sie fror.


    Ihre nächsten Worte vertieften seine Bestürzung dann noch. "Du hattest einen gesundheitlichen Zwischenfall? In der Stadt? Und warst nur in Begleitung einer Sklavin? Willst Du mir nicht erzählen, was passiert ist?" Ihr Cousin hatte ganz recht, wenn er ihr mehr Begleitung auferlegte. Eine Sklavin war wahrhaftig zuwenig. Unwillkürlich griff er nach ihrer Hand und drückte sie leicht. "Es hat Dir doch keiner was angetan, oder?"

    Es war schon etwas merkwürdig, nicht mehr inmitten der anderen zu marschieren, während sie ihrem Centurio zum Exerzierplatz folgten. Und auch dort nicht mehr neben Eburnus zu stehen. Und schade war es obendrein, denn sie konnten gar nicht mehr tuscheln. Das war eben der Preis, den man für die Karriere zahlen mußte. Nein, Valerian war nicht unglücklich über seine Beförderung. Er bekam nur langsam die Folgen zu spüren, die eben nicht nur angenehm waren.


    Nun standen sie also da, in tadelloser Haltung und ebenso tadelloser Aufmachung - wovon sich Valerian noch mit einem schnellen Kontrollblick überzeugt hatte. Und warteten gespannt darauf, was nun wohl folgen würde.

    Es war das erste mal, daß Valerian als Optio in Richtung Palast aufbrach. Und natürlich war er entsprechend stolz, hatte seine Rüstung besonders gründlich poliert und ging noch aufrechter als sonst, wenn das überhaupt möglich war. Daß es gerade heute auf dem Weg zu einem Zwischenfall kam, war schon irgendwie merkwürdig. Der Centurio schritt sofort ein und gab ihm einen Wink, die Menschenmenge zu zerstreuen. Gerade wollte Valerian die Männer entsprechend einteilen, da rannte der Aufwiegler einfach los. Valerian schickte eine Handvoll Männer hinter ihm her.


    Edit: Posts haben sich überschnitten, wegen der neuen Sachlage mußte geändert werden.