Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Valerian lachte. "Du bist der erste Germane, der das zugibt. Bisher wurde ich immer angesehen, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf, weil mir das Zeug nicht schmeckte. Aber hier habe ich noch einen guten Tropfen aus Hispania. Wie wäre es damit?" Viel war nicht mehr da. Aber es würde für diese Mahlzeit schon noch reichen.


    Während sie sprachen nahm auch Valerian sich eine Schüssel Puls und begann zu essen. "Na, also. Hätte mich doch gewundert, wenn sie Dich genommen hätten ohne solche Fähigkeiten. Und im Training hier bekommst Du noch die nötige Übung, das geht fix, denn es geht hier wirklich mächtig zur Sache. Ich hatte immer geglaubt, daß wir bei der Legio II schon echt hart trainieren. Seit ich hier bin, muß ich zugeben, daß wir es eigentlich ganz gemütlich hatten. Wir können gerne hin und wieder miteinander trainieren, wenn Du magst."

    Ja, richtig. Balbus wollte ja heiraten. Und sicher würden dann auch Kinder nicht lange auf sich warten lassen, da war es verständlich, daß er in Rom bleiben wollte. "Wie auch immer Deine Zukunft aussehen mag, ich wünsche Dir dabei viel Erfolg." Das war ja schließlich auch in seinem eigenen Interesse. Ob es wohl Balbus auch bis zum Consul bringen würde?

    "Und die politische Laufbahn einschlagen?", staunte Valerian. Er dachte an das, was sie vorhin erst über Politiker festgestellt hatten. "Ob dieses Haifischbecken von Senat wirklich ungefährlicher ist als die Grenze Germaniens, wage ich noch zu bezweifeln." Das war auch nur ein halber Scherz. Politiker waren eben hinterhältig. Und Morde geschahen in solchen Kreisen oft genug, da brauchte man nur an Balbus' Vater denken. "Nicht für alles Geld der Welt würde ich Politiker werden wollen. Aber für Rom ist es gut, wenn Männer wie Du im Senat sitzen." Nur war es bis dahin sicher noch ein langer Weg. Soweit Valerian wußte, mußte Balbus dann ganz unten anfangen mit der Ämterlaufbahn. Sofern er nicht schon irgendwelche Ämter innegehabt hatte, wovon Valerian dann nichts wußte.

    Valerian nickte zustimmend. Eben jene Verbindung hatte er gemeint. Außerdem waren die Familien in Mogontiacum recht eng befreundet gewesen. Bis die meisten Quintilier innerhalb weniger Jahre verstarben. Es war schon traurig, wie die Familie zusammengeschrumpft war. "Ich selbst habe sie auch nicht näher gekannt. Ich habe immer hier in Rom gelebt, bis ich zur Legion ging. Als ich nach Mogontiacum kam, war nur noch Narcissa da, die sogar als Gast in der Casa Duccia lebte. Doch inzwischen... Die Familie ist klein geworden."


    Während Eburnus ging, um sein Pferd zu versorgen und seine restlichen Sachen zu holen, trieb Valerian den Kameraden an, der heute Kochdienst hatte. Er selbst nutzte die Zeit, sich zu waschen und seine Ausrüstung durchzusehen. Nach dem Essen mußte er einige der Sachen putzen und wieder herrichten.


    Als Eburnus schließlich zurück kam, war der Puls schon fast fertig und duftete sogar gar nicht so übel. "Oh, Met. Ja, sehr gerne." Er nahm die Feldflasche entgegen und trank einen guten Schluck, bevor er die Feldflasche wieder zurück gab. "Der Met ist wirklich gut. Nur dem germanischen Bier konnte ich nicht viel abgewinnen. Es war nur erträglich, wenn es sehr heiß war. Dann löschte es gut den Durst. - Vielleicht wirst Du eines Tages zu den Reitern versetzt. Im Moment brauchen sie dort zwar keine Leute, aber im Laufe der Zeit wird es sicher wieder Bedarf geben. Und so ganz einseitig ausgebildet seid ihr doch sicher auch nicht. Du wärst nicht ausgewählt worden, wenn Du nicht gut wärst" Immerhin mußte doch jeder Reiter damit rechnen, daß er im Kampf auch zu Fuß weitermachen mußte.

    Valerian fragte sich unwillkürlich, ob Crassus wohl das volle Vertrauen des Kaisers besaß. Nicht, da er es nicht verdient hätte, doch Valerianus war lange nicht in Rom gewesen, wie gut kannte er die Männer, die an den hohen Positionen saßen? Er mußte sich einfach darauf verlassen, daß sie ihm genauso treu waren wie seinem Vater. Doch wenn er diesen Männern vertraute, warum dann nicht auch Balbus?


    "Und an was für einen Posten hast Du gedacht?", fragte Valerian, nun doch richtig neugierig geworden. Irgendwie hörte sich das so an, als hätte Balbus schon mehr oder weniger konkrete Pläne für seine Zukunft. Er trank noch etwas Wein und nahm sich dann ein Stückchen Käse.

    Auch Valerian lächelte. Vor allem, als der neue Wein gebracht wurde. So oft bekam er solch edle Tropfen schließlich nicht zu trinken. Wobei er natürlich nicht vorhatte, sich zu betrinken. "Die Flucht vor dem Papyruskrieg trieb mich zur Legion. Mein Vater wollte mich in der Verwaltung sehen, wollte, daß ich es mal weit bringe. Ich habe ihn bitter enttäuscht, denn ich bin wahrhaftig unbegabt im Umgang mit Listen und Karteien. Das Soldatenleben liegt mir weit mehr, sogar besser, als ich zu hoffen gewagt hatte als ich mich meldete. Ich hoffe, ich kann ihm hier Ehre machen. Mich bei den Praetorianern zu sehen, hätte ihn gewiß stolz gemacht." Zumindest hoffte Valerian das. Fragen konnte er seinen Vater nicht mehr. Er war tot.


    "Dann bist Du an Deiner Stelle nicht so recht glücklich? Hast Du nicht sogar gute Chancen, eines Tages einen der Praefectenposten zu erhalten?" Oder wollte er diesen Posten vielleicht gar nicht?

    Ja, richtig! Das hatte Valerian schon ganz vergessen gehabt. "Du hast recht, natürlich! Bitte verzeih, an jenem Abend habe ich so viele Duccier kennengelernt, daß ich wohl den Überblick verloren habe." Er lachte. Tatsächlich hatte jener Abend ihn ziemlich überfordert. Gleichzeitig auf Valentina aufzupassen, die vielen fremden Menschen kennenzulernen und dann auch noch dem Legaten und seiner Frau zu begegnen, das war alles nicht ganz einfach gewesen.


    "Wenn Du ein Duccier bist, dann sind wir ja obendrein noch verschwägert", grinste er in der plötzlichen Erkenntnis. "Ja, Valentina heißt sie. Und hübsch ist sie in der Tat. An jenem Abend wurde sie gleich von mehreren Verehrern umschwärmt, ich hatte wirklich alle Hände voll zu tun." Er lachte. Manchmal war es gar nicht so einfach, der große Bruder zu sein. Zumal er ja auch noch ihr Vormund war.


    "Ja, ich hatte die Ehre, ausgewählt zu werden. Aber ich sage Dir, es sind einige, die mit mir hierher gekommen sind, nach wenigen Tagen schon wieder zurückgeschickt worden. Es ist unglaublich gesiebt worden. Ihr ward jetzt nur zu zweit, vielleicht bleibt euch das ja erspart. Wir mußten gleich nach der Ankunft auf dem Campus antreten und wurden gedrillt, daß uns schlecht wurde. Immerhin hatten wir einen Höllenmarsch in erhöhtem Marschtempo über mehrere Tage hinter uns." Er zuckte mit den Schultern. Irgendwie hatte er es überstanden. Doch hart war es wirklich gewesen. "Das Training ist härter als bei der Legio II. Der Wachdienst aber wesentlich interessanter. Also zumindest am und im Palast. Diese Politiker sind wirklich die Schau. - Aber was stehe ich hier und schwätze wie ein Wasserfall. Verstau erstmal Deine Ausrüstung und komm richtig rein. Sicher bist Du hungrig und durstig." Er ging voran in den Schlafraum, in dem es auch ein Regal mit Kochgeräten und einigen Vorräten gab - und die Kochstelle.


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    Fotos: Selbstgemacht in der Centurienbaracke im Limeskastell Saalburg

    "Salve. Ja, bei uns ist noch ein lauschiges Plätzchen frei", klang es von hinten. Denn Valerian kam gerade von der Schicht am Tor und war hinter Eburnus herangetreten. "Willkommen bei der Garde. Vom Sehen kennen wir uns schon. Du bist von der Ala II in Confluentes, nicht wahr? Du warst doch auch in Borbetomagus dabei?*" Er stellte sein scutum im Vorraum ab und begann, sich langsam aus der Rüstung zu schälen. "Lucius Quintilius Valerian. Ich war vorher bei der Legio II", stellte er sich vor und streckte Eburnus kameradschaftlich die Hand hin.

    Valerian atmete tief durch und schluckte erst einmal. Zum Glück schien der Tribun ihm den unpassenden Ort für seine Worte nicht übel zu nehmen. "Miles Lucius Quintilius Valerian, Tribun", antwortete er erst einmal sehr förmlich auf die erste Frage. Dann nickte er zu der nächsten, auch wenn sie im Grunde unausgesprochen war. "Ich... werde Dir gerne alles berichten, was ich weiß." Natürlich. Valerian konnte gut verstehen, daß ein Vater, der seinen Sohn verlor, alles wissen wollte. Was er zuletzt gemacht hatte, was er gesagt hatte, was eigentlich genau geschehen war. Auch wenn offenbar kaum Kontakt bestanden hatte. Man konnte Avitus ansehen, wie sehr ihn der Tod seines Sohnes mit Trauer erfüllte. Und anhören.


    Severus. Niemand hatte verstanden, warum er hatte sterben müssen. Der Schock hatte alle im Contubernium tief getroffen. Besonders aber Lupus. Wie der sich danach verändert hatte. Aber die beiden waren ja auch sehr eng miteinander befreundet gewesen. Valerian wußte schon jetzt, daß es nicht leicht sein würde, alles zu erzählen. Doch irgendwie hatte Avitus ein Recht darauf, fand er.

    "Solange ich bei Dir bin, hast Du gewiß keinen Ärger zu erwarten", sagte Valerian mit großer Übezeugung. Schließlich war er Praetorianer, nicht wahr? Wer würde es schon wagen, sich mit ihm anzulegen! Ach, war das nicht wunderbar, derart den Helden heraushängen lassen zu können? Er genoß es richtig, wie sie ihn anblickte. Immerhin gab es nur selten Gelegenheit, mit hübschen jungen Damen zusammen durch einen Park zu flanieren oder sie gar heim zu begleiten.


    "Also, wenn Du Dich nicht auskennst, dann bleib immer auf den Hauptstraßen. Sobald Du Dich in Nebenstraßen begibst, bist Du rettungslos verloren. Und wie gesagt, nimm demnächst Begleitung mit, ich verlasse mich darauf, daß Du Dein Versprechen hältst. Schau, das ist doch auch viel praktischer, wenn Du etwas kaufen willst. Dann hast Du gleich jemanden, der Deine Einkäufe trägt. Und glaub mir, wenn Du über einen der Märkte in dieser Stadt gehst, wirst Du ganz sicher etwas finden. Es gibt hier nichts, was es nicht gibt." Eigentlich konnte er doch froh sein, daß Valentina nicht hier war. So sparsam wie in Mogontiacum konnte sie hier gewiß nicht sein.


    "Diese Straße solltest Du Dir merken, sie führt ganz in die Nähe Deines Hauses." Er führte sie auf eine der Hauptstraßen und sie schlenderten gemütlich im Strom der Menschen dahin. "Und nein, Du machst mir keine Umstände. Es ist zwar ein kleiner Umweg, aber auf die paar Minuten kommt es wirklich nicht an." Naja. Er war schon ganz schön überfällig. Doch das mußte er ihr ja nicht auf die Nase binden. Außerdem würde er sich schon rausreden. Oder eben ein paar Tage Latrinen putzen, wäre ja auch nicht das erste mal.

    Na, wenigstens hatte er seinen Patron zum lachen gebracht. Auch Valerian hatte bisher über diesen Vorfall gelacht, doch nun war er sich nicht mehr so sicher, ob es nicht besser wäre, sich mit dem Tiberier besser zu stellen. Wenn sein Patron so große Stücke auf ihn hielt? Ach, diese verdammten Politiker!


    "Nun, ich würde mich im Zweifelsfall nie darauf verlassen, daß sie mich nicht wiedererkennen. Doch bei den meisten bin ich mir ziemlich sicher, daß sie sich nicht erinnern würden, wenn ich in Tunika und Toga vor ihnen stehen würde. Also, bei den hohen Herrschaften bin ich mir da ziemlich sicher. Die Bürger, die nur selten einen Grund haben, in den Palast zu kommen, ja, die merken sich das Gesicht, die blicken mich richtig an und schauen nicht nur durch mich hindurch. Es ist manchmal wirklich eigenartig, dort Wache zu schieben. Einerseits kommt keiner durch, den wir nicht durchlassen, andererseits werden wir von einigen kaum wahrgenommen. Aber ich muß zugeben, daß ich es eigentlich gerne mache. Es gibt keine Schicht, in der nicht etwas interessantes geschieht." Damit unterschied er sich von den meisten seiner Kameraden. Die meisten haßten den Tordienst am Palast.

    Das hatte er schon geahnt. Valerian seufzte und blickte ein wenig verlegen auf seine Hände, die noch immer den Weinbecher hielten. "Nun, dann hatte er wohl einen seiner schlechten Tage, als ich ihn kennenlernte. Es war an meinem ersten Tag als Wache am Palasttor. Er weigerte sich, sich auf Waffen untersuchen zu lassen und so mußte ich ihn zum Centurio führen. Der bestand natürlich auch darauf und da hat sich der Senator ganz theatralisch die Toga heruntergerissen, um zu zeigen, daß er keine Waffe dabei hatte. Natürlich mußte ich dann noch einen Palastdiener suchen, damit der die Toga wieder ordentlich anlegen konnte." Ob sich der Tiberier überhaupt an ihn erinnern würde? Umgekehrt würde Valerian diesen Zusammenstoß wohl nicht so bald vergessen.


    "Aelius Quarto habe ich auch schon kennengelernt. Ich hatte Wache, als er nach Rom zurückkehrte. Er war sehr freundlich. Und ich glaube, er hält fest zu seinem Bruder." Natürlich kannte Valerian auch Senator Purgitius, doch der hatte noch nicht wirklich das Wort an ihn gerichtet, deshalb wagte er nicht, auch nur das geringste Urteil über ihn abzugeben. "Sie kommen am Palasttor alle an mir vorbei", grinste er ein wenig schief. Denn das hieß noch lange nicht, daß sie ihn als Person wahrnahmen. Er war ein Praetorianer, einer von vielen. Sie sahen die Uniform, nicht den Mann.

    Valerian nickte. Ja, das war vermutlich so. Der Hochmut und die Arroganz der Patrizier wurde von den anderen Senatoren nachgeahmt, um ebenso vornehm zu wirken. Dabei war es doch im Grunde nur albern.


    Die letzte Bemerkung war aber nun wieder ein wenig zweischneidig. Balbus hatte in keinster Weise geäußert, was er von Tiberius Durus nun eigentlich hielt. Einerseits hatte er pauschal alle Patrizier verurteilt. Doch andererseits war es natürlich eine Ehrung des Toten, wenn der Tiberier einer der Träger der Bahre gewesen war. Es war nun natürlich schwer, etwas dazu zu sagen, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten. "Gibt es Ausnahmen? Ich meine, unter den Senatoren, wenn schon nicht unter den Patriziern?" Er mußte unwillkürlich an Aelius Quarto denken, der bisher stets freundlich gewesen war, obwohl er es wirklich nicht gemußt hätte. War er solch eine Ausnahme? Oder hatte er mit seiner Freundlichkeit irgendetwas bezweckt? Valerian fand ihn eigentlich sehr sympathisch.

    Valerian nickte. "Ja, auf der Straße weiß man, wo man dran ist. Diese Falschheit ist eben das Problem. Wenn Patrizier freundlich zu Dir sind, weißt Du nie, was sie damit bezwecken, denn ehrlich gemeint kann es eigentlich nicht sein. Aber sind nicht andere hohe Politiker auch so? Daß sie ihr wahres Gesicht erst zeigen, wenn es zu spät ist?" Klar, Patrizier wurden nun mal Politiker, was blieb ihnen schon anderes zu tun? Für das meiste waren sie ja viel zu vornehm. Sogar normalen Handel empfanden sie als anstößig. Merkwürdige Bande. "Hast Du oft mit Patriziern zu tun? Direkten, näheren Kontakt hatte ich bisher nur zu einem: Zu Tiberius Durus. Aber das hat mir eigentlich schon gereicht." Dem war es doch völlig egal gewesen, ob Valerian Ärger bekam. Ganz im Gegenteil, der hatte es doch noch darauf angelegt. Dabei war es nicht Valerian gewesen, der sich falsch verhalten hatte.

    Bei diesem Angebot wurde Valerian direkt ein wenig verlegen. Er hatte es doch nicht erwähnt, damit sein Patron ihm so etwas anbot. "Hab Dank für Dein großzügiges Angebot. Im Moment sehe ich die Notwendigkeit noch nicht. Ich kann das Haus nicht nutzen und es wäre zu groß für Valentina allein."


    Zu den Worten über die Patrizier nickte Valerian. "Ja, die Arroganz kann ich nur bestätigen. Gerade als einfacher Miles bekommt man die ganz gut zu spüren." Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, daß es unter den Patriziern nicht die eine oder andere Ausnahme gab. Auch wenn die vermutlich extrem selten waren.


    "Also immer auf ihren Vorteil bedacht und hängen ihr Fähnchen nach dem Wind. - Mein Vater sagte immer: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, verlassen kann man sich da auf nichts. Nur daß er damit die Straßenjungen meinte. Es scheint aber wohl auch auf Patrizier zuzutreffen."

    Ein Mann in zivil, offensichtlich Angehöriger des Ritterstandes, wie nicht zu übersehen war anhand der schmalen Purpurstreifen. Das war hier am Tor schon eher eine Seltenheit. Doch seine Worte klärten recht schnell darüber auf, um wen es sich handelte. Unwillkürlich nahm Valerian etwas mehr Haltung an, obwohl an seiner Haltung eigentlich nichts auszusetzen gewesen war. "Salve, Tribun Artorius", begrüßte er den Mann, von dem er ja mittlerweile wirklich eine Menge wußte aufgrund der Ermittlungen, die er durchgeführt hatte, und salutierte ordnungsgemäß.


    Doch all diese Informationen waren es nicht, die ihm gerade durch den Kopf schossen. Vielmehr suchte er unwillkürlich nach Ähnlichkeiten mit Severus. Ob er ihn ansprechen sollte? Hier war dafür natürlich ein denkbar ungünstiger Ort. Doch als einfacher Miles war es ohnehin eher selten oder gar schon unmöglich, daß sich eine Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch mit einem Tribun ergab.


    "Du wirst bereits erwartet", erklärte er und gab den Weg frei. Doch dann gab er sich doch noch einen Ruck und sprach Avitus noch persönlich an. "Tribun, darf ich Dir mein herzliches Beileid aussprechen zum Tod Deines Sohnes? Ich ... habe ihn gut gekannt. Wir gehörten zum gleichen Contubernium. Und... und ich... ich war... dabei..." als er starb, hatte er sagen wollen, doch die Worte wollten nicht über seine Lippen. Hoffentlich war das jetzt nicht allzu aufdringlich oder unangemessen. Es war ihm eben einfach ein Bedürfnis. Severus war ihm ein Freund gewesen.


    Die Kameraden warfen Valerian recht merkwürdige Blicke zu. Doch er ignorierte sie und blickte allein Avitus an. Man konnte ihm deutlich ansehen, wie ernst es ihm mit seinen Worten war, wie sehr ihm der Tod des Freundes zu Herzen ging.

    Das beruhigte Valerian, denn er fand eigentlich, daß Valentina dort sehr gut untergebracht war. Vor allem lag die Qualität weit über dem Preis. Es war wirklich perfekt. Da mußte sie nicht allein sein. Also nickte er einfach. "Zur Not gäbe es noch ein altes Haus, das unsere Familie einst bewohnte. Doch dort wäre sie allein und es müßte einiges am Haus gemacht werden, wofür mir die Mittel fehlen." Und sonst war ja niemand mehr da.


    "Na, mit den Tiberiern habe ich ja schon meine Erfahrungen gemacht." Er dachte an seinen ersten Tag am Palasttor, als der Senator sich weigerte, sich durchsuchen zu lassen. Einfach nur albern, sowas. "Also die Patrizier. Gibt es vielleicht Rivalitäten, die nützlich sein könnten, um sie im Auge zu behalten?" Er nahm sich ein paar Trauben und grübelte nach, während er sie genüßlich zerkaute. "Sehr viel Macht haben die patrizischen Familien zur Zeit aber nicht, wenn ich das recht überblicke. Nur einzelne in jeder Familie sind im Senat und haben höhere Ämter inne. Wirklich gefährlich können sie doch nur werden, wenn sie zusammenhalten, oder? Halten sie denn zusammen?" Er war zu lange von Rom fort gewesen und hatte sich früher auch zuwenig mit diesen Kreisen befaßt, um das wirklich durchschauen zu können.

    Sie waren tatsächlich Nachfahren des Catilina! Das hätte Valerian nun nicht gedacht. "Nun, dann sollte man sie wirklich im Auge behalten. Vielleicht sollte ich für meine Schwester doch eine andere Unterkunft suchen. Schade, es schien so ideal zu sein." Und Severa war so nett gewesen, Valerian träumte sogar hin und wieder von ihr, solchen Eindruck hatte sie auf ihn gemacht.


    "Bei welchen Familien sollte ich noch vorsichtig sein?" Besser, er fragte vorher, bevor er wieder mit schlafwandlerischer Sicherheit bei der falschen landete.

    Ja, diese Frage konnte man wahrhaftig zweideutig verstehen und Valerian konnte sich ein Grinsen dann doch nicht verkneifen. Natürlich war ihm klar, daß ein Mädchen wie Philogena es sicherlich nicht zweideutig gemeint hatte, aber gerade das machte es ja eigentlich komisch. "Oh, wenn ich ein wenig darüber nachdenke, fällt mir bestimmt etwas ein, wie Du mir danken könntest", antwortete er in ganz harmlosen Ton, obwohl auch seine Worte sehr zweideutig verstanden werden konnten. Sein Grinsen vertiefte sich noch ein wenig, vor allem, als die Röte in ihrem Gesicht sich ebenfalls nochmal vertiefte. Offenbar war ihr diese Geschichte wirklich sehr peinlich.


    "Ach, komm, mach Dir nicht so viele Sorgen. Es ist nichts geschehen. Du bist weder körperlich, noch in Deiner Ehre verletzt. Und ich werde diese Geschichte nur weitererzählen, ohne Deinen Namen zu nennen. Versprochen. Aber Du mußt mir auch etwas versprechen: Nämlich nicht mehr allein in der Stadt herumzulaufen. Nur allzu schnell gerätst Du in schlechte Gegenden. Und da bist Du dann praktisch Freiwild." Er sprach sehr ernst und eindringlich, denn er wollte nicht, daß sie irgendwie in Gefahr gerät. "Wenn Du möchtest, begleite ich Dich jetzt nach Hause. Oder wenigstens bis zu der Straße, in der sich eure Villa befindet, wenn es Dir peinlich ist, von einem Praetorianer nach Hause gebracht zu werden." Obwohl das doch eigentlich eher eine Ehre war, fand er. "Wo wolltest Du denn eigentlich hin?" Er hatte nicht so erschreckend viel Zeit, wollte jetzt aber auch nicht unhöflich sein. Eine Ausrede würde ihm schon einfallen, sollte jemand etwas wegen seines langen Ausbleibens sagen..

    "Gern geschehen", lächelte Valerian, der natürlich jetzt ganz den Helden raushängen lassen konnte, nachdem doch noch alles gut gegangen war. Wer rettete schließlich nicht gerne hübsche junge Frauen aus einer mißlichen Lage? Wenn er das nachher erzählte, würde er den blanken Neid der Kameraden ernten, soviel war klar. "Und die Art und Weise mag zwar ungewöhnlich sein, doch immerhin werden wir beide diese Begegnung nicht so schnell vergessen und das finde ich ausgesprochen positiv", grinste er ein wenig lausbübisch.


    Die leicht derangierte Frisur gepaart mit den verlegen geröteten Wangen gaben ihr ein charmantes, fast schon schelmisches Aussehen. "Sehr erfreut, Purgitia Philogena. Sag, bist Du mit Senator Purgitius Macer verwandt?" Den kannte Valerian natürlich. Also vom sehen. Immerhin kam er hin und wieder durch das Palasttor. "Du läufst doch nicht wirklich ganz allein durch Rom, oder? Das ist nämlich ganz und gar nicht ungefährlich. Hast Du keine Sklaven als Begleiter mitgenommen?" Die meisten Damen aus gutem Hause gingen nur in angemessener Begleitung raus. - Schon, damit sie jemanden hatten, der ihre Einkäufe trug. (:D)


    Das Kätzchen jedenfalls war der absolute Gewinner bei dieser ganzen Aktion. Schnurrend schmiegte es sich an Philogena, als wüßte es ganz genau, daß es eine nie versiegende Quelle guten Futters und liebevoller Streicheleinheiten gefunden hatte. Eine gewisse Raffinesse konnte man dem Tierchen tatsächlich nicht absprechen.