Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Der junge Tiro hatte ja ein beeindruckendes Tempo, das mußte man ihm lassen. Er handelte sofort. Ebenso die anderen Jungs. Valerian konnte zwar nicht auf alles achten, da er selbst damit beschäftigt war, Leute aus der Gefahrenzone zu schieben, aber er bemerkte sehr wohl, daß jeder der Männer schnell und sicher das richtige tat. Die Kinder konnten wohlbehalten der Mutter übergeben werden und auch das Maultier beruhigte sich schnell unter Ofellas beruhigendem Klopfen und Worten.


    Valerian stemmte seine Hände in die Seiten. "Wem gehört das Tier?" Sein Tonfall war scharf und es dauerte einen Moment, bis ein Mann sich schüchtern in den Vordergrund schob und nichts zu sagen wagte. "Ersetz dem Gemüsehändler seinen Schaden, na los!" Nicht gerade sanft stieß er den Mann in Richtung Stand. Von dort konnte man schon das Gezeter des Händlers hören. Durchaus berechtigt, aber Valerian konnte sich auch vorstellen, daß der Händler nun versuchte, aus der Situation Gewinn zu schlagen. "Iunius, geh da mit, damit das ordnungsgemäß über die Bühne geht. Octavius, stell fest, ob das Tier wegen seiner Ladung durchgedreht ist. Tiburtius, hilf ihm dabei." Die Ladung sah nicht gerade ausgewogen aus. Das konnte natürlich durch das Ausschlagen geschehen sein. Aber es konnte auch sein, daß das Tier eben genau durch die schlecht verteilte Ladung zu so einem Nervenbündel geworden war.

    Einer der Kameraden von der Garde war es, der Valerian Bescheid gab. War das ein Zeichen dafür, daß die beiden Einheiten doch endlich ein bißchen zusammenwuchsen? Valerian wagte es kaum zu hoffen, freute sich aber über diese freundschaftliche Geste. Er bedankte sich bei dem Miles und übergab dann erst dem Optio die gerade anliegende Aufgabe, bevor er sich zum Tor aufmachte.


    Tatsächlich, da stand Calvena, mit seinem quietschvergnügten Sohn auf dem Arm. "Salvete, ihr beiden", begrüßte er seine Familie liebevoll und küßte Calvena, während seine Hand über die Haare seines Sprößlings streichelten. "Es ist doch hoffentlich nichts schlimmes passiert?"

    Valerian seufzte und trank selbst noch einen Schluck. Pindarus grinste breit und schlug Ofella aufmunternd auf die Schulter. "Nimms wie ein Mann, Junge! Fehler badet man aus, damit sind sie dann gegessen. Draus lernen muß man halt." Der Alte füllte sich seinen Becher und nahm sich vom Brot und vom Käse. Offenbar fand er das Ganze ausgesprochen amüsant. Eine Einstellung die Valerian aus seiner Situation nicht wirklich nachvollziehen konnte. Und die beiden Übeltäter sicherlich auch nicht.


    Der Centurio musterte die beiden aufmerksam. Cato war der Inbegriff schlechten Gewissens. Er wußte genau, was er falsch gemacht hatte. Bei Seneca hatte er diesen Eindruck nicht. Also wandte er sich zuerst an Cato. "Du weißt, Du als fertig ausgebildeter Soldat hättest von mir Ausgangserlaubnis erhalten, wenn Du nur gefragt hättest. Wenn es dienstlich vertretbar ist und Du diese Möglichkeit nicht zu oft in Anspruch nimmst, bin ich der letzte, der es einem Mann verwehrt, mal einen schönen Abend zu verbringen." Enttäuschung lag in seiner Stimme. Cato würde wissen, was ihn erwartete. Valerian sparte es sich, dies zu erwähnen.


    Dann war Ofella dran. "Du weißt gar nicht, wo das Problem liegt, nicht wahr? Nun, dann streng Deinen Grips mal ein wenig an. Warum wohl besteht für jeden Soldaten die Anwesenheitspflicht in der Castra? Warum darf ein Soldat nur mit der ausdrücklichen Erlaubnis seines Offiziers raus? Regeln haben einen Sinn. Wenn sie den nicht haben, gehören sie abgeschafft. Bist Du der Meinung, diese Regel sollte abgeschafft werden?" Der Blick des Centurios war durchdringend. Wie die Strafe ausfallen würde, das würde jetzt sehr stark davon abhängen, wie einsichtig sich Ofella zeigte.

    Nur Augenblicke später saß Cato auf dem Hocker, auf dem Pindarus vorhin noch gesessen hatte. Der Alte holte die Becher und den Wein vom Tisch der jungen Männer und schenkte ihnen die Becher voll. "Na, trinkt erstmal. Wird wohl für lange Zeit der letzte gute Schluck sein." Er grinste breit und zog sich dann den nächsten Hocker heran.


    Valerian musterte die beiden Soldaten aus leicht zusammengekniffenen Augen. Wäre er nicht ihr Vorgesetzter, so würde er ihnen jetzt lachend auf die Schulter klopfen für die reife Leistung, die Castra erfolgreich verlassen zu haben. Aber er war nun mal der Vorgesetzte der beiden. "Einen schönen guten Abend ihr beiden. Ja, dumm gelaufen, das kann man wohl sagen. Von allen Tavernen Roms landet ihr augerechnet in dieser. Nunja. Nach der Erlaubnis, die Castra zu verlassen, brauche ich nicht zu fragen, gar so schlecht ist mein Gedächtnis dann doch noch nicht. Was meint ihr zwei Helden denn, was eine angemessene Strafe für euren Ausflug wäre?" Im Augenblick war er noch ganz entspannt. Er nahm sich eine Olive und ein bißchen Brot mit Käse, um darauf herumzukauen, während die beiden Übeltäter über eine mögliche Strafe nachdachten.

    Die Männer waren völlig still. Innerlich grinste Valerian. Die Anwesenheit eines Centurios konnte einem wirklich die gute Laune auf einer Patrouille verderben. Das kannte er gut, er hatte seine Zeit als einfacher Soldat nicht vergessen. "Da vorne sieht es nach Ärger aus!" Er deutete nach vorne, wo ein beladenes Maultier gerade anfing, auszuschlagen und den Stand eines Gemüsehändlers zu demolieren. Leute schrien, Kinder liefen durcheinander, geradewegs in die gefährliche Nähe der ausschlagenden Hufe. Mütter kreischten, wegen eben dieser Kinder. "Iunius! Octavius! Bringt das Tier unter Kontrolle und die Kinder aus dem Weg! Tiburtius, Du hilfst mir, die anderen Leute auf Abstand zu halten!"

    Auf dem Weg zur Tür kam Ofella nicht weit. Er rempelte gegen einen anderen Gast. Pindarus war bereits aufgestanden, um den jungen Mann abzufangen und fing ihn nun tatsächlich auf, als nämlich der angerempelte Gast den Octavier einfach weiterschubste. "Setz Dich doch einen Moment zu uns, mein Junge. - Und Du auch!" Zweitere Aufforderung war an Cato gerichtet. Ofella hatte er bereits am Kragen und gab ihm nun einen Schubs auf den Hocker neben ihm selbst. Genau gegenüber von Valerian.

    "Man, das klang fast wie Du", lachte Pindarus und goß sich noch einen Becher voll, um einen guten Schluck zu nehmen. Dann zupfte er sich ein bißchen Fleisch vom Huhn, um es in die würzige Tunke zu tauchen.


    "Merkwürdig, das habe ich auch gedacht", erwiderte Valerian und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Wenn das, was er gerade vermutete, wenn auch nicht glauben konnte, doch der Fall war, dann würde dieser Abend für ein paar Männer unschön enden. "Paß mal mit auf den Tisch dahinten auf. Die Burschen dürfen nicht entwischen." Dann hob er seine Stimme an, um ganz sicher dort hinten gehört zu werden. Mit Absicht wählte er die gleichen Worte, wie der freche Bursche. "He Wirt! Noch einen Krug Wein und das cursim!" Sollte es sich bei denen da hinten um seine Jungs handeln, dann würde ihnen in diesem Moment ganz sicher das Herz in die Hose rutschen!


    "Geht das auch in freundlichem Ton?" Der Wirt ärgerte sich über diese frechen Gäste, brachte aber den Krug Wein gerade in dem Moment an den Tisch der Rekruten, als der gleiche Ruf von dem anderen Tisch erscholl. "Noch so welche..."

    Die Menschen machten ihnen Platz. So war es immer. Bei den Praetorianern war es sogar noch hektischer gewesen. In den Augen einiger war Furcht zu lesen, in den Augen anderer Ärger. Wieder andere lächelten, das waren meistens Frauen. Männer in Rüstung machten eben etwas her! Auch wenn sie im normalen Tempo marschierten, ließ Valerian seinen Blick über die Menschen schweifen. Er hoffte, daß seine Männer dies auch taten. Schließlich liefen sie nicht hier durch um des Laufens willen. Sondern, um für die Sicherheit der Menschen in dieser Stadt zu sorgen. Tausend Kleinigkeiten waren es, die man beobachten mußte.

    Die kleine Gruppe marschierte im Gleichschritt auf das Tor der Castra zu. Mit wenigen Worten meldete Valerian sie ab und schon waren sie auf dem Weg in die Stadt. Natürlich waren viele Patrouillen unterwegs, nicht nur sie. Trotzdem fand Valerian es wichtig, sowohl die vielgenutzten Straßen abzugehen, als auch durch kleine, verwinkelte Gäßchen zu laufen. Das lichtscheue Gesindel sollte sich bloß nicht zu sicher fühlen.

    Erfreulich schnell traten die Männer an. Insgesamt waren sie nun vier Mann, eine gute Zahl für eine Patrouille. "Salvete, Milites! Unsere Patrouille wird über den einen oder anderen Markt führen, über das Forum, aber auch durch einige kleine, dunkle Gassen. Haltet eure Augen und Ohren offen! Aequatis passibus! Pergite!" Valerian ging an der Seite des Tiburnius voran, der Octavier und Iunier gingen in der zweiten Reihe*.



    Sim-Off:

    *so könnt ihr ein wenig tuscheln :D

    Als Valerian alles am Abend nochmal kontrolliert hatte, waren die Sachen ordentlich verräumt gewesen. Natürlich ging er davon aus, daß dies seine Jungs gewesen waren. So lange, bis er vielleicht eines Tages darauf aufmerksam gemacht würde.


    Zur üblichen Zeit betrat Valerian den Exerzierplatz. Er war gespannt darauf, ob alles nötige an Übungausrüstung hergeschafft worden war. Und natürlich auch, ob die Männer heute etwas über die Waffe wußten, die zu führen sie heute lernen sollten.

    Die falsche Antwort wurde mit einem kräftigen Schlag des vitis quittiert. "Wenn Du die Antwort nicht weißt, dann gib es zu und rate nicht einfach! Es sind fünf! Fünf!" Er wußte das ganz genau, hatte er doch kurz vorher noch jemanden rumgeschickt, der sie gezählt und dafür gesorgt hatte, daß sie nicht fortgeschafft wurden. "Ihr werdet lernen, eure Augen und Ohren offenzuhalten! Eure Aufmerksamkeit und eure geistige Beweglichkeit sind ebenso wichtig, wie ein durchtrainierter Körper! Morgen möchte ich von euch alles hören, was es über eine Hasta zu sagen gibt! Übermorgen habt ihr ein schönes Loblied über euren heißgeliebten, überaus gehaßten Ausbilder fertig! Drei Strophen!" Eine Aufgabe, die für die Männer ein leichtes sein sollte. Spottlieder dichteten alle Soldaten doch besonders gerne. Valerian wußte genau, daß sie ihm ein paar harmlose Verse vortragen und für sich einige derbe daraus machen würden. Was ihn keinesfalls störte. Die Männer brauchten schließlich ein Ventil, denn die Ausbildung war hart. "Für heute war's das! Die Aufräummannschaft macht noch Ordnung! Abite!"

    "Einer nach dem anderen!" Der Wirt ließ sich kaum aus der Ruhe bringen. Eine kleine Weile mußten sie noch warten, dann bekamen die Rekruten einen Krug und dazu die Becher auf den Tisch geknallt. "Bezahlt wird sofort." Er hatte schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, um jetzt unvorsichtig zu werden und hielt den beiden die Hand unter die Nase.


    Valerians Kopf ruckte herum, als Ofellas rufende Stimme das Lärmgewirr der Taberna durchdrang. "Das klang doch fast wie der Octavier", murmelte Valerian leise und schüttelte dann den Kopf. Das konnte nicht sein, der Mann war noch Tiro und konnte das Lager nur mit einer Sondererlaubnis seines Centurios verlassen. Da Valerian selbst dieser Centurio war und ganz sicher keine derartige Erlaubnis erteilt hatte, konnte das überhaupt nicht sein. Die Castra Praetoria heimlich zu verlassen war ungleich schwerer als irgendein Legionslager zu verlassen. Nein, das war unmöglich. Trotzdem starrte Valerian in die Richtung der dunklen Ecke, aus der die Stimme erklungen war. Erkennen konnte er aber nichts.


    Eine Weile später bekamen sie auch ihren Wein und ihren Imbiß. "So, der Kleine heißt also Rufus", stellte Pindarus, der alte Fischer, fest und stieß mit Valerian auf das Kind an. "Mal sehen, wann der mein Boot an die Brücke setzt."


    Valerian lachte, die Becher klockerten aneinander und sie tranken auf diese alte Geschichte aus Valerians Jugend. "Ich hoffe, daß uns so etwas erspart bleibt. Noch ist der Kleine total friedlich. Allerdings schafft er es auf allen Vieren schon, zerbrechliche Dinge in höchste Gefahr zu bringen."

    Hach, endlich Feierabend! Es war schon anstrengend, einerseits eine Centuria zu führen und andererseits eine Ausbildungsgruppe am Hals zu haben. Zumal er ständig höllisch aufpassen mußte, dem Praefecten nicht unangenehm aufzufallen. Der hatte ihn schon mehr als genug auf dem Kieker. Aber heute Abend wollte er nicht darüber nachdenken. Es war seit sehr langer Zeit mal wieder die Gelegenheit, mit seinem alten Freund Pindarus einen trinken zu gehen. Sie hatten beschlossen, in die Taberna zu gehen. Ein erstes Gespräch zu führen und sich auszutauschen, bevor sich sich den Frauen stellten. Das würde nur wieder anstrengend werden, wenn Calvena und Paulina zusammentrafen und dann über die armen Ehemänner hergezogen wurde!


    Natürlich hatte Valerian dem Alten sogleich erzählt, daß sie einen Sohn hatten. Der Alte hatte gelacht und behauptet, daß Valerian schon bald feststellen würde, daß man alles wiederbekam. Der Junge würde gewiß einen Haufen Unsinn anstellen, wenn er auch nur ein bißchen nach seinen Eltern kam. Valerian hatte das natürlich vehement abgestritten und etwas von guter Erziehung gefaselt, was den Alten nur noch mehr zum Lachen brachte.


    Gut gelaunt betraten sie die Taberna und setzten sich zu zwei anderen Männern an einen Tisch, von wo aus Valerian die Ein- und Ausgänge gut im Blick hatte. Eine alte Angwohnheit aus seiner Zeit bei den Praetorianern. Seine beiden Rekruten hatte er noch nicht erblickt. Ihr Tisch lag doch recht im Dunkeln. Der Centurio bestellte für Pindarus und sich Wein, Brot, Käse, Oliven und gebratenes Huhn. Heute wollte er mal wieder einen richtig schönen Abend verbringen.

    "Na, also! Geht doch!" Valerian war zufrieden. Mit dieser Hälfte der Aufgabe. "Eure Aufmerksamkeit ist hundsmiserabel! Wie wollt ihr Verbrecher fangen, wenn ihr nicht auf eure Umgebung achtet? Eine Runde ums Intervallum! Und dieses Mal paßt ihr besser auf das auf, was ihr seht! Pergite!"

    Sim-Off:

    Sorry!!! Ist mir irgendwie durchgerutscht!



    Die anderen beiden Gruppen waren schon wieder unterwegs, als die dritte Gruppe ankam und antrat. "Es ist warm, es ist Frühling, die Felder werden bearbeitet. Wieviele Felder, die an die Straße grenzen, werden gerade bearbeitet? Du! Octavius! Und die Bettler am Stadttor hast Du hoffentlich auch gezählt!"

    Valerian nickte ernst. Mehr konnten sie wohl kaum besprechen. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Aber Valerian würde sich diesen Kontakt zur Prima merken. Für den Fall der Fälle. "Puls natürlich", beantwortete er die Frage seines Kollegen lachend. "Wenn man das nötige Kleingeld hat, gibt es allerdings auch ausgezeichneten Schinken und köstlichen Met. Ansonsten bekommt man dort nahezu alles, was es hier auch gibt. Nur teurer, wenn es eingeführt werden muß. Aber viele Früchte werden dort inzwischen auch angebaut. Die Germanen haben uns nicht wenig zu verdanken, was Nahrungsmittel angeht." Er brach sich ein Stück Brot ab und tunkte es ebenfalls ein. "Germanien ist gar nicht so übel. Nur der Winter ist echt unangenehm. Und wie läuft es da oben in Mantua? Ist doch recht sumpfig dort, oder?" Er erinnerte sich an einen Marsch nach Mantua. Viele Jahre war das her. Einen Gefangenen hatten sie dort abgeholt. Allerdings waren sie strikt der Straße gefolgt, noch dazu im Eilmarsch. Da hatte er andere Sorgen gehabt, als die Gegend zu begucken.




    Es tat sich nichts. Überhaupt nichts. Dabei hatte Valerian den deutlichen Eindruck, daß durchaus jemand Zuhause war. Merkwürdig. Er hatte das Gefühl, schon ewig hier zu stehen. Etwas unschlüssig blickte er sich um. Und klopfte dann noch einmal. Sehr kräftig und wiederholt. Das mußte doch jemand hören.