"Das ist natürlich noch besser", freute sich Valerian über diese Nachricht. Immerhin bestand nicht nur ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Optio, sondern auch zu seinen Männern. Sie waren gut aufeinander eingespielt. "Wie lange bleibt uns denn Stallius Paulinus noch erhalten bleiben? Es wäre doch sicher das beste, wenn er mich einarbeiten würde, solange er noch da ist?"
Beiträge von Lucius Quintilius Valerian
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Valerian lächelte. Die Männer taten ihm leid. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er sich nach dem langen Marsch gefühlt hatte und wie sehr er sich danach gesehnt hatte, sich zu waschen und ein wenig auszuruhen. Doch man hatte volle Leistung von ihnen verlangt an jenem Tag. Und so würde es den Neuen heute auch ergehen. So unangenehm das auch war.
"Ja, ich konnte alles zu meiner Zufriedenheit regeln. Du sprichst mit einem stolzen Landbesitzer." Er lächelte, denn tatsächlich war er sehr stolz darauf, auch wenn es nur ein kleines Fleckchen Erde war, das er nun sein eigen nennen konnte. "Die Prima ist immer noch ohne Legaten, ich verhandelte daher direkt mit Tribunus Artorius Reatinus. Eben jenem Mann, der mich damals ausgebildet hat und mir nun das Stück Land überließ. Die Verhandlung über die Männer verlief daher sehr entspannt. Die Reise nach Mantua kann ich daher mit Fug und Recht als vollen Erfolg bezeichnen."
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Endlich war es soweit, daß Valerian die heiligen Hallen der Academia betrat. Er freute sich darauf, die Ausbildung hier antreten zu dürfen. Und hoffte natürlich, den Anforderungen gerecht zu werden.
Nach kurzem Anklopfen betrat er das Officium, in dem die Anmeldungen entgegen genommen wurden. "Salve", grüßte er und salutierte. "Centurio Lucius Quintilius Valerian ist mein Name. Und ich möchte mich zum Examen Primum anmelden."
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Staunend hörte Valerian mit an, was sein Patron da vorschlug. Er sollte die Speculatores übernehmen? Das war mehr als ein gewaltiger Vertrauensbeweis. An diesem Posten hing sehr viel Verantwortung und er erforderte viel Fingerspitzengefühl. "Das ist in der Tat eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Und eine sehr interessante dazu. Zwar fällt es mir auch nicht leicht, meine Centuria zu verlassen, aber ich werde mich gerne dieser neuen Aufgabe widmen."
Auch zu dem zweiten angesprochenen Punkt nickte Valerian. "Das hatte ich ohnehin mit Dir besprechen wollen. Dann werde ich mich also baldmöglichst an der Academia anmelden."
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Valerian meldete sich zunächst beim scriba an und klopfte nach dessen Zustimmung bei seinem Patron und Kommandanten an. Erst nachdem er von innen eine Aufforderung erhielt, einzutreten, trat er ein und grüßte zackig. "Salve, Praefectus. Centurio Quintilius meldet sich aus Mantua zurück. Ich habe dreißig Männer mitgebracht, sie sind auf dem Campus angetreten. Möchtest Du sie selbst begrüßen?"
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Viel Gelegenheit hatten die Männer nicht, sich Rom anzusehen. In unvermindertem Tempo ging es direkt zur Castra. Vor dem Tor saßen die drei Praetorianer ab und meldeten die Ankömmlinge bei der Torwache an. Ein kurzer Wortwechsel folgte, woraufhin ein Praetorianer die Pferde wegführte.
Valerian wandte sich an die Neuen. "Milites! Antreten auf dem Campus! Jetzt sofort!" Nein, es gab keine Pause. Die gab es nie. Nicht für die Neuen. Einer seiner Begleiter würde mit den Neuen gehen. Er selbst machte sich auf den Weg zum Praefectus, um ihn zu informieren.
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Den ersten Tag überstanden alle ohne Probleme, wie nicht anders erwartet. Die folgenden Tage würden zeigen, inwieweit Valerian gute Augen bei der Auswahl der Männer gehabt hatte. Er hoffte natürlich, daß keiner von ihnen schlappmachte. Erklärungen gab er den Männern keine weiteren. Es genügte vorerst, daß die Männer wußten, wohin die Reise ging.
So marschierten sie weiter in strammem Tempo Rom entgegen. Die Straße war durchaus belebt und sie ernteten viele neugierige Blicke. Von denen sich allerdings keiner der Männer beeindrucken ließ.
Tag für Tag im Eiltempo, das kostete Kraft, Valerian wußte das nur zu gut. Und doch konnte er dies den Männern nicht ersparen. Es gehörte eben dazu. Nur die allerbesten durften aufgenommen werden in die Reihen der Garde. Und das bedeutete: Sieben, sieben, sieben. Bis am Ende die wahre Elite übrig blieb.
Er konnte die Erleichterung in manchen Mienen sehen, als die ewige Stadt endlich in Sicht kam. Doch wer glaubte, die Strapazen seien vorbei, der täuschte sich.
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Tatsächlich bezweifelte auch Valerian, daß je ein Sechsjähriger den Campus betreten hatte. Insoweit konnte Pius tatsächlich sehr stolz darauf sein, diese Ehre zu haben. "Ich gehöre zu den Praetorianern. Aber auch wenn es unsere Hauptaufgabe ist, den Kaiser und seine Familie zu beschützen, haben wir noch ein paar Aufgaben mehr. Wußtest Du, daß der Cursus Publicus den Praetorianern untersteht? Und wir verfolgen jede Art von Hochverrat. Außerdem stellen wir den Geheimdienst, den der Kaiser braucht, um immer über alles gut informiert zu sein. Wir bilden nicht selbst aus, sondern wir holen uns aus allen Legionen die besten Männer. Deshalb habe ich vorhin gesagt, daß der Soldat ein Elitesoldat ist. Er ist einer der besten Soldaten Roms. Und findest Du nicht, daß es so richtig ist? Den Kaiser sollten doch wirklich nur die allerbesten Soldaten beschützen, nicht?"
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"Natürlich ist das verständlich. Vollkommen", stimmte Valerian der alten Frau zu und nickte dazu. Dabei überlegte er, warum Laevina so schnell aufgab. Das paßte so gar nicht zu dem, was er bisher über sie zu wissen glaubte. Bestimmt hatte sie noch irgend etwas in der Hinterhand.
"Du brauchst Dir wahrhaftig keine Sorgen zu machen. Ich bin noch jung und habe nicht vor, auf dieser Stufe der Karriereleiter stehen zu bleiben. Meiner Familie wird es an nichts fehlen. Und das Haus ist frisch renoviert und hat einige schöne Mosaike erhalten. Die Einrichtung möchte ich auch noch erneuern, aber das möchte ich mit Calvena gemeinsam tun." Er erwiderte den leichten Druck von Calvenas Hand und schaute sie verliebt an. "Das wirst Du, mein Herz." Er verkniff sich die Frage, wann Calvena denn mal Zeit hatte, sich mit ihm zusammen nach neuen Möbeln umzusehen, denn dann hätte Laevina vermutlich mitkommen wollen. Und das wollte Valerian nun wirklich nicht!
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Pünktlich traten die Männer wieder an, mit vollem Marschgepäck. In der Zwischenzeit hatten seine Männer auch gepackt und die Pferde fertig gemacht. So saßen die drei Praetorianer bereits zu Pferd, als die Soldaten sich aufstellten. Zu spät kam keiner, das hatte Valerian auch nicht erwartet. Derjenige hätte dann gleich hierbleiben können und das ahnten die Männer wohl.
"Milites! In agmen venite! Pergite!" Er ritt voran, flankiert von den beiden anderen Praetorianern. So verließen sie die Prima und machten sich auf den Weg nach Rom.
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Drei Praetorianer ritten voran, dreißig Soldaten, noch mit unterschiedlicher Ausrüstung, da einige von ihnen bei den Reitern gewesen waren, folgten zu Fuß. Und genau so wie es Valerian selbst damals ergangen war, legten sie ein rasches Tempo vor. Diese Männer hatten Glück. Mantua war lange nicht so weit von Rom entfernt wie Mogontiacum! Dennoch war es ein erster Test, ob sie das Tempo mehrere Tage durchzustehen fähig waren. Ab und an blickte sich Valerian um und ließ seinen Blick über die Männer schweifen. Er wollte es frühzeitig bemerken, sollte einer von ihnen schlappmachen.
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Tatsächlich ließ der Junge sich überzeugen und sagte endlich seinen Namen. Als Valerian diesen hörte, staunte er nicht schlecht. Calvena hatte gar nichts von einem kleinen Jungen erzählt? Valerian wußte nur von der kleinen Sabina. "Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Germanicus Pius. Wohnst Du in der Casa, in der auch die beiden Senatoren Germanicus wohnen? Zum Exerzierplatz geht es hier entlang. Komm, um diese Zeit sollte dort einiges los sein." Valerian ging voran und sorgte dafür, daß der Junge durchgelassen wurde, wann immer sie an Wachen vorbeikamen.
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Tatsächlich wurde fleißig trainiert auf dem großen Platz. Nicht nur Praetorianer trainierten hier, sondern auch Urbaner. So gab es an einem Ende eine Gruppe Soldaten, die sich darin übten, gemeinsam zu agieren, sich gegenseitig zu schützen und wie eine undurchdringliche Mauer jeden Angriff abzuwehren. Dann waren Männer paarweise dabei, den Schwertkampf zu trainieren, andere kämpften gegen einen Pfahl. Wieder andere übten sich im Speerwerfen oder aber im waffenlosen Kampf. Einige Männer trugen sogar Zivilkleidung und eine für den Kampf ausgesprochen unpraktische Toga. Dann gab es noch einige Männer, die einfach um den Platz liefen oder durch Liegestützen oder andere Übungen ihre Kondition trainierten.
"Du weißt sicher, daß in dieser Castra sowohl die Cohortes Urbanae als auch die Cohortes Preatoriae untergebracht sind, oder? Kennst Du den Unterschied zwischen diesen beiden Truppen?" Da der Junge sich so für Soldaten interessierte, konnte er ihm schon zutrauen, diese Frage beantworten zu können.
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In Nullkommanix waren sie allein in dem kleinen Raum, in dem Valerian seine Schreibarbeiten erledigte oder auch erledigen ließ. Sein Patron setzte sich, gerade bevor Valerian ihm einen Platz anbieten konnte, was dem Centurio ein leichtes Schmunzeln entlockte. Er wollte mit ihm über seine Karriere sprechen? Und hatte sich dafür sogar hierher bemüht? "Es ehrt mich sehr, daß Du Dir daraüber Gedanken machst und Dich sogar zu mir bemühst, mein Patron." Er selbst hatte sich natürlich auch schon reichlich Gedanken gemacht und sich überlegt, bei Gelegenheit mal wieder seinen Patron deswegen zu belästigen. Nun war er aber erst einmal unglaublich gespannt darauf, was sein Patron für Pläne mit ihm hatte.
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Einen Moment wartete Valerian noch, doch keiner der Männer rührte sich auch nur im Geringsten. "Die Prima hat ihren guten Ruf zu Recht! In Rom werdet ihr noch einer gründlichen Aufnahmeprüfung unterzogen. Nur die besten Soldaten Roms werden tatsächlich aufgenommen in die Reihen der Praetorianer! Ihr habt nun zwei Stunden, um euch zu verabschieden und für den Abmarsch bereit zu machen. Dann sehen wir uns wieder hier an dieser Stelle und marschieren los!" Eine reichlich kurze Ansprache, aber seiner Meinung nach ausreichend. Die Männer wußten, was sie zu tun hatten. "Abite!"
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Valerian sah den Ärger auf dem Gesicht des Jungen. Er konnte ihn wirklich gut verstehen. Als Kind hatte er die Gefahren auch nie sehen wollen. Und er stammte aus vergleichsweise einfachen Verhältnissen, im Gegensatz zu diesem Jungen, nach seiner Kleidung zu urteilen. Von daher war er weit mehr in Gefahr. Als Erwachsener konnte er das Kind nicht weiter unbeaufsichtigt durch Rom laufen lassen, trotz allen Verständnisses für die Abenteuerlust eines Jungen. "Ja, ich darf da hin. Und ja, ich bringe Dich dort hin, wenn Du mir sagst, wer Du bist und Dich später heimbringen läßt. Soldatenehrenwort." Dabei legte er seine Faust auf seine Brust, ungefähr da hin, wo die Brust war. Er wußte, daß man Kindern gegenüber ein Versprechen nicht brechen durfte. Und hatte auch kein Problem damit, dies auf seine Kappe zu nehmen, auch wenn normalerweise Zivilisten auf dem Campus nichts zu suchen hatten.
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Als erster erschien der Bursche, mit dem er am Vorabend einen kleinen Kampf gewagt hatte. Das war ein weiterer Pluspunkt auf der Liste, die der Iulier schon gesammelt hatte. Valerian erwiderte den Gruß gewohnt korrekt und nickte. "Salve Eques. Warten wir noch auf die anderen, ich wiederhole mich so ungern." Sein Tonfall war neutral. Er wollte den Mann nicht merken lassen, daß er eine positive Meinung von ihm hatte.
Schon betraten weitere Männer den Platz. Es dauerte nur wenige Minuten, bis alle dreißig versammelt waren. Nachdem sie sich in Reih und Glied aufgestellt hatten, ergriff Valerian das Wort. "Salvete, Milites. Mein Name ist Lucius Quintilius Valerian und ich bin hier, um Männer für die Cohortes Praetoriae auszuwählen. Ich habe euch ausgewählt." Eine kleine Pause sollte den Männern Gelegenheit geben, dies zu verdauen. "Wer von euch diesen ehrenvollen Dienst nicht antreten möchte, der darf jetzt den Campus wieder verlassen." So lange Valerian Soldat war, hatte er nie erlebt, daß jemand diese Ehre abgelehnt hätte. Auch wenn er bei Primus sicher war, daß er es abgelehnt hätte, wäre er gefragt worden. Doch auch wenn er nicht damit rechnete, daß jemand ging, so mußte er den Männern doch die Gelegenheit dazu geben.
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Der Kleine war wirklich eine harte Nuß, das mußte Valerian zugeben. Erstaunlich für das Alter! Was konnte aus dem Burschen für ein Politiker werden! Der würde sie alle in die Tasche stecken. Hoffentlich kam er aus einer Senatorenfamilie. Nur zu gern würde er sehen, wie er den eingestaubten Senat aufmischte.
"So, Du darfst Fremden Deinen Namen nicht nennen? Aber Du darfst allein durch Rom laufen und Dich sogar außerhalb der Stadtmauer aufhalten? Ich denke eher, daß Verbote Dich im Allgemeinen nicht sonderlich kümmern." Auch Valerian war nicht auf den Mund gefallen. "Pius, nenne mir Deinen Namen, denn ich denke, es ist besser, wenn Dich jemand heimbringt." Was natürlich keine verlockende Aussicht war, wie er zugeben mußte. "Das gefällt Dir natürlich nicht, würde es mir auch nicht an Deiner Stelle", gab er daher zu. "Was hältst Du also davon, wenn ich Dir ein bißchen was zeige, bevor Du heimgebracht wirst? Den Exerzierplatz vielleicht, wo die Soldaten trainieren?" Dann hätter er wenigstens ein bißchen was von seinem Ausflug.
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Also, schauspielern konnte sie ja, diese alte Dame. Valerian konnte nicht umhin, ihr dafür Anerkennung zu zollen. Wenn er ihr trauen könnte, würde er seinem Praefecten ans Herz legen, sie hier und da als Spionin einzusetzen. Sie wäre sicher ausgezeichnet darin, anderen Informationen zu entlocken.
Lächelnd ließ er sich die vertrauliche Geste des angedeuteten Kusses gefallen. Für die Alte mußte es doch ein Vergnügen sein, dies bei einem gut gebauten jungen Mann tun zu dürfen. Und warum sollte er ihr das nicht gönnen. "Deine Sorge um unsere Zukunft ist wirklich rührend. Wie Du Dir sicher vorstellen kannst, hat auch Senator Germanicus Sedulus sich besonders gründlich nach eben diesem Punkt erkundigt. Und ich konnte ihm durchaus zufriedenstellende Antwort geben." Näheres auszuplaudern, kam ihm dabei nicht in den Sinn. Was gingen diese Frau seine Vermögensverhältnisse an? Bei Sedulus sah er ein, daß er ihm in gewisser Weise Rechenschaft schuldig war. Doch Laevina brauchte nichts weiter zu wissen, als daß Sedulus das Vermögen des Quintiliers ausreichend erschien.
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Valerian grinste breit. Wie gut daß er die letzten zwanzig nicht danach sortiert hatte, wie gut sie waren. So war es eine gute Mischung, die nun dazu kam. "In Ordnung, dann sind wir uns also einig. Morgen früh auf dem Exerzierplatz werde ich mit den Männern sprechen. Und hoffentlich sind wir dann zwei Stunden später auf dem Weg nach Rom. Ich danke Dir für die unkomplizierte Verhandlung!"