Melinas Körpersprache sagte vieles aus. Und nichts davon gefiel Valerian. Er wußte natürlich, daß er mit ihr nicht so umspringen konnte wie mit ungehorsamen Rekruten. Damit würde er nur Widerstand erzeugen. Doch sie mußte sich den Regeln beugen, sonst würde sie die Familie sehr schnell in Verruf bringen.
Sermos Worte konnte er nur unterstützen. Und er hatte dazu durchaus auch einiges zu sagen. Trotzdem wartete er einen Moment, damit die Worte des Vetters sich setzen konnten.
"Melina, wir sind beide sehr froh, daß Du heimgekehrt bist. Du gehört zu uns. Und Du hast das Recht auf ein gutes Leben im Schutz der Familie. Doch wenn Du dieses gute Leben und den Schutz der Familie in Anspruch nimmst, dann mußt Du Dich eben auch den Regeln beugen. Es gibt nicht das Eine ohne das Andere."
Eindringlich blickte er ihr in die Augen. "Du benimmst Dich zwar wie eine Zwölfjährige, doch Du bist es nicht mehr. Schon sehr lange nicht mehr. Du bist eine junge Frau. Die sich ihrer selbst, ihrer Stellung im Leben und auch ihrer Verantwortung bewußt sein sollte. Eine Familie, das bedeutet, daß jeder für die anderen mit einsteht. Das bedeutet, daß jeder nach seinen Kräften dazu beiträgt, die Familie weiterzubringen. Und auch jedes einzelne Familienmitglied weiterzubringen. So funktioniert das Leben. Natürlich kann es mal Streit geben. Und ein Anfall von Bockigkeit oder Starrsinn hier unter uns ist sicher kein Weltuntergang. Ein reingendes Gewitter kann auch gut sein, damit niemand dem anderen ohne zwingenden Grund wehtut, sondern merkt, daß er einen Fehler gemacht hat. Aber nach außen darf so etwas nicht passieren! Draußen schmutzig und ungepflegt herumzulaufen, eine grobe Sprache zu führen und alten Damen Gegenstände an den Kopf zu werfen, dient niemandem. Am allerwenigstens Dir selbst." Zwar hatte er wenig Hoffnung, daß seine Worte durchdrangen. Aber einen Versuch war es immerhin wert.