Beiträge von Lucius Quintilius Valerian

    Eigentlich war es noch ein wenig früh. Doch Valerian wollte noch ein wenig über den Markt schlendern. Vielleicht fand er ja eine kleine Nettigkeit, die er ihr mitbringen konnte. Tatsächlich fand er einen Stand, an dem es wunderbar farbenprächtige Blumenkränze gab. Er wählte einen, in den dunkelrote und indigofarbene Blüten gebunden waren und kaufte ihn für Calvena.


    Langsam schlenderte er weiter. Er kaufte noch eine Tüte mit Beeren und Trauben, das würden ihnen während der Vorstellung schmecken. Er näherte sich schon dem Treffpunkt, als er zarte Saitenklänge vernahm. Unwillkürlich schaute er nach dem Ursprung der schönen Melodie, da erkannte er Calvene, wie sie bei einem Instrumentenbauer ein Instrument erprobte. Lächelnd näherte er sich ihr - von hinten natürlich - und legte ganz leicht den Blumenkranz auf ihr in der Sonne glänzendes Haar. "Nicht nur eine Schönheit, nicht nur klug und mit Witz gesegnet. Auch noch eine begnadete Musikerin", lobte er sie in bewunderndem Tonfall und übertrieb es dabei nicht einmal, wie er fand. "Salve, Calvena. Ich habe mich über Deine Nachricht wirklich sehr gefreut."

    Schon viel zu lange hatte Valerian sich nicht mehr bei seinem Patron blicken lassen. Und vieles war geschehen. Noch mehr war nicht geschehen. Auf jeden Fall wurde es allerhöchste Zeit, das Gespräch mit Balbus zu suchen. Und so klopfte Valerian an der Porta an, in der Hoffnung, Balbus zuhause anzutreffen.

    Valerian erwiderte das Lächeln. "Lebe wohl, Appius. Vale!" Ein schneller Abschied war immer besser, als es damit zu übertreiben. Trotzdem war es schwer. Es würde hier im Haus wieder schrecklich still werden.


    Nachdem sich die Tür hinter Promotus geschlossen hatte, wandte sich Valerian Diomedes zu. "Ich werde bald nach Verstärkung für Dich suchen. Eine Köchin wäre nicht schlecht, findest Du nicht auch? Dann bist Du hier nicht so allein. Sicher wird sich das Haus bald wieder füllen, dann kannst Du die Arbeit unmöglich allein schaffen." Er klopfte dem Sklaven auf die Schulter, bevor er einen Rundgang durch alle Räume startete. Er hatte vor, noch so einiges zu verändern. Neue Möbel anzuschaffen. Und vielleicht ein schönes Mosaik für das Atrium anfertigen zu lassen.

    "Danke." Valerian setzte sich weider und zog den Hocker etwas näher zum Schreibtisch, hinter dem sich Annaeus Varus gerade niederließ. "Ich bin vor allem noch unschlüssig, ob ich den ganzen Fußboden mit einem Mosaik versehen lasse oder nur den Grund des Impluviums. Es soll schon ein bißchen was hermachen. Aber auch nicht überfrachtet wirken." Er nahm die Papyri entgegen und schaute sich die Motive interessiert an. Diejenigen, die ihm gefielen, legte er schon mal zur Seite, während er die anderen mit einem Kopfschütteln zurückgab.

    Valerian erhob sich, als der Hausherr das Officium betrat. Und nahm gerne die Hand, die ihm dargeboten wurde. "Salve, Annaeus Varus." Tatsächlich, das war der Mann, den er damals kennengelernt hatte. Ob er sich auch an ihn erinnerte?


    "Ja, das ist korrekt. Ich lasse ohnehin gerade mein Haus renovieren. Und da ich nach meiner Beförderung nun doch weit mehr Mittel zur Verfügung habe, würde ich das Atrium gerne ein wenig aufwerten durch ein schönes Mosaik. Es ist kein großes Haus. Aber ich möchte es nach und nach schön ausstatten." So hatte wenigstens die ganze Familie etwas von seinen guten Einkünften.

    Valerian erwiderte den Blick lächelnd. "Einen Fremden ließ ich in meinem Haus wohnen, ja. Das war ein Risiko. Doch ich habe dabei den höchstmöglichen Gewinn gemacht und nicht nur einen Freund, sondern einen Verwandten gewonnen. Als ich Dich in meine Familie aufnahm, warst Du schon kein Fremder mehr." Valerian nahm die dargebotene Hand, zog Promotus dann aber in eine kurze Umarmung. "Hab eine gute Reise und bleib gesund!" Dann löste er die Umarmung wieder.


    "Grüß mir auch Terentius Primus und Terentius Lupus herzlich. Die beiden sind bei der Reiterei, waren aber in ihrer Grundausbildung bei mir im Contubernium. Werde ein guter Soldat und mach der Familie Ehre. Damit gleichst Du alles, was ich für Dich tat, mehr als aus."

    Valerian nickte, ohne seinen Blick von ihr zu wenden. Als sie sich an ihn schmiegte, legte er für einen Moment den Arm um sie und drückte sie an sich. "Zur selben Zeit am selben Ort", bestätigte er, ohne sich zu bewegen. Erst nach einer ganzen Weile lachte er abermals und löste langsam die Umarmung und seine Finger von den ihren, denn mit einer Hand hatte er noch immer die ihre gehalten. Er trat einen Schritt zurück. "Mögen die Götter Dich beschützen! Vale." Dann wandte er sich schnell um und ging davon. Er durfte sich auf keinen Fall umdrehen. Sonst würde er nicht gehen können.

    Hoffentlich war es kein schlechtes Omen, daß der Himmel in diesem Moment blutrot war. Valerian wußte nicht, warum ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoß. Gleich heute Abend wollte er noch ein bißchen Weihrauch verbrennen, vielleicht würde dies die Götter gnädig stimmen.


    Sie war so schön. So wunderschön. Wie das Licht der untergehenden Sonne sich in ihrem Haar fing und es leuchten ließ. Und ihre Augen, so unendlich tief! Es war so leicht, sich in ihnen zu verlieren. Und wie sie seinen Namen aussprach! Als wäre er ein kostbares Juwel.


    "Am liebsten würde ich Dich gar nicht gehen lassen..." Es war jugendliche Unvernunft, die ihn da überfiel. Aber er war zu vernünftig und vermutlich auch nicht mehr jung genug, um dem nachzugeben. "In einer Woche..." Er mußte plötzlich lachen. "Der alte Großvater... er hatte so Recht!"

    Es war so schön zu sehen, wie sehr ihre Gedanken in die gleiche Richtung gingen. Valerian konnte es kaum glauben, daß ihm doch noch einmal solch ein Glück beschieden sein sollte. Philogena kam ihm in den Sinn. War es Untreue ihr gegenüber? Nein, eigentlich nicht. Immerhin war sie es, die geheiratet hatte. Und er vergaß sie ja nicht. Und hatte er nicht auch das Recht, glücklich zu sein nach all dem Schmerz, den sie ihm zugefügt hatte?


    Er hatte gerade Calvenas Hand ergriffen, um wenigstens sie an seine Lippen zu ziehen, da kam sie ihm plötzlich näher und ihre Lippen berührten die seinen. Seine Augen weiteten sich kurz vor Überraschung, dann trat ein glückliches Leuchten in seinen Blick. Er erwiderte den Kuß vorsichtig und sanft. Es war ein geradezu magischer Moment, als würde die Welt um sie herum stillstehen. Kein Gedanke war mehr da, ob sie jemand sehen könnte. Allein sie existierte noch.


    Nur zögernd lösten seine Lippen sich von den ihren. Er schaute ihr in die Augen. Konnte kaum glauben, was gerade geschehen war. "Calvena...", flüsterte er leise und hob seine Hand zu ihrem Gesicht, um es sanft zu streicheln.

    "Naja, je höher der Status, umso mehr Gründe, nehme ich mal an. Wie gut, daß ich ein einfacher Mann bin und mir über so etwas keine Gedanken machen muß." Er lächelte. Tatsächlich konnte er sich kaum enien Grund vorstellen, warum er ein Kind nicht anerkennen sollte. Vielleicht wenn es schrecklich entstellt wäre? Aber sicher nicht wegen seiner Mutter.


    "Das ist eine gesunde Einstellung", grinste er. "Aber ich bin nicht unglücklich darüber, daß Du Dich das eine Mal dorthin verirrt hast. Vermutlich würden wir uns sonst gar nicht kennen", sprach er den Gedanken aus, von dem er nicht wußte, daß er ihr auch gerade gekommen war.


    "Gut, dann ist es abgemacht. Ich bin natürlich selbst schuld, daß es schwer sein wird, den heutigen Tag zu übertreffen. Aber ich werde mir Mühe geben, versprochen!" Bei seinen letzten Worten war er ihr unwillkürlich näher gekommen. Sein Blick versank schier in ihren. Immer näher kamen sich ihre Lippen. - Bis ihm bewußt wurde, was er im Begriff war zu tun. "Bitte verzeih!", sagte er schnell und ging wieder auf Abstand. Das gehörte sich nicht! Was, wenn sie jemand sah? "Dann nächste Woche, ja?"

    Dann war sie also offiziell anerkannt. Damit war für Valerian alles in Butter. Mit ihrer Vorgeschichte hatte er keine Probleme, im Gegenteil machte es sie eher interessant, fand er. Sicher gab es viele interessante Dinge, die sie erlebt hatte. Und Germanicus Sedulus war ihr Vormund! Nicht Germanicus Avarus! Das war gut. Sehr gut. "Du hast Recht, es gibt viele uneheliche Kinder. Wenn sie anerkannt werden, ist das ja auch kein Problem. Ich weiß wirklich nicht, warum ein Vater das nicht tut. Kinder zu haben, ist doch ein großes Glück!" Er wünschte sich jedenfalls Kinder. Je mehr, desto besser.


    Ihr treuherziges Versprechen nötigte Valerian ein Lächeln ab. "Das ist gut. Zusammen können wir es natürlich nochmal versuchen. Irgendwann einmal." Bestimmt nicht als nächstes. Da gab es noch andere Dinge, die sie vorher tun konnten. "Also, ich könnte nächste Woche wieder. Und Du?"

    Die Renovierung seines Hauses war in vollem Gange. Und Valerian hatte sich überlegt, daß ein schönes Mosaik das Haus doch mächtig aufwerten würde. Sein Geld würde dafür inzwischen reichen. Und dann hatte er noch diesen Aushang am Markt entdeckt. Annaeus Varus, der Name sagte ihm etwas. Vor langer Zeit hatte er den Mann einmal kennengelernt. Das war gewiß eine gute Verhandlungsgrundlage. Bald hatte er das Haus erreicht und klopfte an der Porta an.

    Nun war es also soweit. Promotus war zum Aufbruch bereit und würde nun nach Germanien reise. Valerian versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, daß ihn Wehmut überkam. Dann würde er wieder allein sein. Aber gut, so war das Leben. Und zumindest war das Haus jetzt versorgt, wo Diomedes da war. Der hatte sich auch als zuverlässig und vertrauenswürdig herausgestellt.


    "Ich wünsche Dir eine gute Reise, Promotus! Und viel Erfolg bei der Legion! Hier, diese Briefe habe ich noch für Dich. Einen für meine Schwester und einen für meinen alten Freund Iulius Drusus." Er übergab ihm zwei Wachstafeln.



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    Quintilia Valentina



    Salve, liebste Schwester!


    Sicher wunderst Du Dich ein wenig über die Art und Weise, wie dieser Brief Dich erreicht. Der Überbringer ist Appius Quintilius Promotus - und Du wirst vermutich lachen: Er ist rechtlich mein Sohn. Ja, Du liest richtig, ich habe ihn adoptiert. Er möchte sich der Legio II in Mogontiacum anschließen und wann immer Du Hilfe brauchst, kannst Du Dich vertrauensvoll an ihn wenden.


    Ich hoffe, es geht Dir gut. Wie lange schon warte ich vergeblich auf einen Brief von Dir. Bitte melde Dich doch mal, damit ich weiß, daß es Dir gut geht. Du weißt doch, ich hatte damals eine Familienwertkarte erstanden, so daß Dir für den Brief keine Kosten entstehen.


    Möchtest Du wirklich nicht nach Rom zurückkehren? Frag Promotus, wir haben das Haus renovieren lassen und er hat den Garten auf Vordermann gebracht. Es ist jetzt wieder richtig schön hier!


    Inzwischen habe ich es zum Centurio gebracht, da staunst Du, was? Meine finanziellen Mittel reichen nun aus, um Dir ein gutes Leben zu bieten. Und auch, um Dir eine anständige Mitgift mitzugeben, solltest Du einmal heiraten wollen.


    Bitte laß bald von Dir hören! Mögen die Götter stets über Dich wachen.


    In brüderlicher Liebe,


    Valerian




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    Praefectus Castrorum
    Tiberius Iulius Drusus



    Salve, alter Freund!


    Habe ich Dir überhaupt schon zu Deiner Beförderung gratuliert? Du hast es ja wirklich weit gebracht, alter Tunichtgut! Ich hoffe, es geht Dir gut.


    Der Überbringer dieses Briefes ist übrigens mein Adoptivsohn Appius Quintilius Promotus. Er möchte sich der Legion verpflichten und hat sich für die Legio II entschieden. Eine gute Wahl, wie ich finde! Könntest Du Dich seiner annehmen und ihn ein wenig fördern? Ich wäre Dir dafür ewig dankbar. Er ist ein guter Mann, pflichtbewußt und fleißig. Du wirst sicher zufrieden sein mit ihm.


    Bitte laß bald einmal von Dir hören! Mögen die Götter Dich stets schützen.


    Vale,


    Valerian

    Valerian staunte nicht schlecht, als Calvena ihm ihre Lebensgeschichte erzählte. Sie war also ein uneheliches Kind? Und ihr Vater war unbekannt, konnte sie also nie anerkennen? Was war denn dann ihr Status? "Dann hast Du anhand des Schmuckstücks Deine richtige Familie gefunden? Und sie haben Dich dann anerkannt oder gar adoptiert? Wer ist denn eigentlich Dein Vormund?" Das war eine für ihn sehr wichtige Frage, denn das wäre dann auch sein Ansprechpartner, falls er denn doch eines Tages die Erlaubnis bekam...


    "Niemand kann etwas für die Laken, in die er geboren wurde, Calvena", sagte er dann leise, um ihr zu zeigen, daß ihr Makel für ihn keine Bedeutung hatte. Im Gegenteil wagte er nun zu hoffen, daß er eine Chance hatte. Denn ein Senator würde gewiß nicht über solch eine Vergangenheit hinwegsehen.


    "Auf jeden Fall bin ich froh, daß ich mir um Dich nicht viele Sorgen machen muß. Aber bitte meide die Subura trotzdem. Und es gibt auch noch ein paar dunkle Ecken, in denen Du Dich allein nicht herumtreiben solltest. Dort sind schon Menschen auf Nimmerwiedersehen verschwunden, die weit wehrhafter waren als Du. Und wenn es um das Leben geht, brauchst Du nicht mehr fair sein. Wehre Dich nach Kräften, egal, wohin es geht." Wenn sie bei den Gauklern aufgewachsen war, dann würde er ihr kaum klarmachen können, daß sie nicht allein in die Stadt gehen sollte.


    "Ja, Erwartungen haben viele an uns. Aber man kann niemals alle erfüllen. Deshalb sollte man sich hin und wieder fragen, was für Erwartungen man eigentlich selbst an sich hat. Und sich mehr darauf konzentrieren, diese zu erfüllen." Sie blieben stehen, denn sie hatten die Straße erreicht, in der Calvena wohnte. "Ich denke, es ist besser, wenn wir uns hier trennen."

    "Wir haben in Mogontiacum ein kleines Haus. Es ist bescheiden, aber es genügt." Er erklärte kurz, wie man es vom Markt aus leicht finden konnte. "Vor einigen Jahren hat fast die ganze Familie in Mogontiacum gelebt. Inzwischen... sind sie alle tot." Das war wirklich eine traurige Sache. "Wir sind übrigens durch Heirat mit der Gens Duccia verwandt. Das ist eine germanischstämmige Familie, die in Mogontiacum viele Mitglieder hat, die Du in höchsten Positionen der Verwaltung und des Handels wiederfindest. Wer weiß, vielleicht ist Dir diese entfernte Verwandtschaft mal nützlich."


    Sie erreichten das Haus, trugen die Einkäufe herein und begannen mit den Vorbereitungen für Promotus' Abreise.

    Valerian lächelte als sie von ihrer Ziehfamilie erzählte. "Warum Ziehfamilie? Was ist mit Deiner richtigen Familie? Oder... ich will Dir nicht zu nahe treten, bitte verzeih, wenn ich zu neugierig bin." Doch es interessierte ihn wirklich. Nur bedrängen wollte er sie nicht.


    "Es freut mich, daß Dir der Tag gefallen hat. Mir hat er auch sehr gefallen. Du bist wirklich eine reizende Begleiterin. Die Zeit ist nur so verflogen. Weißt Du, Rom hat viele schöne Seiten. Manchmal sind sie unter Schmutz und Armut verborgen. Doch wer Augen hat, um zu sehen, der wird diese Schönheit entdecken. Aber vergiß nie, daß Rom auch gefährlich ist. Wo Licht ist, ist eben auch immer Schatten."


    Als sie davon erzählte, daß sie sich manchmal fehl am Platze fühlte, nickte er. "Weißt Du, ich glaube, das geht allen Menschen so, daß sie sich manchmal fehl am Platze fühlen. Das liegt daran, daß wir so oft gezwungen sind, Masken aufzusetzen und uns anders zu geben, als wir sind. Bestimmt geht es auch Deinen Verwandten manchmal so."


    Sie gingen recht zügig, denn er wollte auf keinen Fall, daß sie Ärger bekam, weil sie so spät war. Er wollte das Haus, in dem sie lebte, auf jeden Fall vor Sonnenuntergang erreichen. Doch um das zu schaffen, mußten sie sich beeilen.