Beiträge von Titus Decimus Cursor

    Fast gequält, wenn es um seine familia ging, beantwortete der decurio die Fragen seines Vorgesetzten, so wie sie gestellt waren, der Reihe nach.


    "Zu meiner familia und somit auch zu meinem Familienoberhaupt habe ich keinen Kontakt. Bisher vertrat ich die Auffassung, es aus eigenem Antrieb zu etwas zu bringen. Das war mitunter auch der Grund, weshalb ich dich damals von Ostia aus nicht mit nach Rom begleiten wollte und mir deshalb deinen Vorwurf der Lächerlichkeit einhandelte.


    Daß Decimus Livianus dein Patron ist, das ist mir bekannt, aber was um ihn passiert entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin Soldat und noch liegen mir die politischen Ränke fern, praefectus."

    Der decurio sah auf. Bereits schon einmal hatte der praefectus diese Frage an ihn gestellt. Damals noch als tribunus der LEG II GERM in Mogontiacum. Warum fragte er wieder? Und auch das Alter seines Vorgesetzten dürfte es nicht sein! Aber irgendeinen Zweck mußte er dieses Mal verfolgen.


    Der decurio blieb reserviert und ließ sich nichts anmerken. Wie seinerzeit antwortete er nur auf die ihm gestellte Frage und bestätigte.


    "Es stimmt. Ich bin mit Decimus Livianus verwandt, praefectus."


    Er wollte etwas hinzufügen, hielt es aber für besser, sich vorsichtshalber weiterer Erklärungen zu enthalten.

    Der decurio war froh seinen patronus zu sehen. Nachdem er ihn gegrüßt hatte, nahm er sich einen Sessel und setzte sich. Dann beantwortete er die ihm gestellten Fragen.


    "Für mich nur einen Becher Wasser. Das reicht."


    Er sah kurz auf die große Karte, auf die darin abgesteckten Fähnchen und großen Richtungspfeile, bevor er weiter antwortete.


    "Mir geht es gut. Die Wunden sind dank unserer guten medizinischen Versorgung schnell verheilt, praefectus."

    Wie er ins valetudinarium kam wußte der decurio nicht. Er konnte sich nur daran erinnern, daß er, um dem feindlichen Pfeilhagel zu entgehen, sich eng an den Hals seines Incitatus preßte und versuchte, die Pfeile zu unterreiten. Er erinnerte sich vage, ein paar stechende Schmerzen zu verspüren, dann wurde es um ihn dunkel.


    Drei Pfeile hatte man ihm aus dem Leib gezogen. Seine erste Frage, als er die Augen wieder aufschlug, galten seinem Pferd. Ein capsarius beruhigte ihn, seinem Incitatus ging es gut. Ein eques hatte ihn heil ins Lager zurückgebracht.


    Während seines Aufenthaltes im valetudinarium hatte der decurio genügend Gelegenheit, über so manches nachzudenken. Nun wurde er als gesund entlassen. Der Aufforderung sich bei seinem Kommandeur zu melden kam er sofort nach.


    Vor dem Zelt des praefectus meldete er dem Posten.


    "Decurio Decimus. Der praefectus erwartet mich."

    Und es kam so, wie es sich der decurio erhofft hatte. Die milites ergriffen ohne langes Zögern die sich ihnen bietende Gelegenheit und nutzen die, wenn auch nur kurze, Verwirrung der Banditen.


    Dasius war stolz. So kämpften nur Römer. Die jungen milites hatten einen derartigen Mut gezeigt, der manchem alten Soldaten zur Ehre gereicht hätte.


    Die zwei letzten der unbekannten Reiter, die ihren Überfall noch nicht mit dem Leben bezahlt hatten, wendeten ihre Kamele und versuchten den Kampfplatz zu verlassen und zu flüchten.


    "Los, vier Mann ihnen nach und nehmt sie gefangen!"


    befahl er, saß ab und ging auf den centurio zu.
    "Decurio Dasius von der II. turma. Was war hier los?"


    Und bevor der antworten konnte, rief er seine speciales und befahl.
    "Kümmert euch um die Kameraden, erste Wundversorgung. Vier equites reiten Rundumsicherung."


    Dann besah er sich den verwundeten centurio.

    Decurio Dasius war mit seiner turma, der turma II, auf Patrouille. Von weitem hörten sie ein Geschrei, das nach allem anderen als nach dem der Freude klang. Und dann sahen sie die fremden Reiter, die irgendwen angriffen.


    Ohne lange zu überlegen dröhnte seine Stimme.


    "Köpfe an die Hälse! Angriff! Wir versuchen, sie von den Kamelen zu schlagen!"


    Und dann ritten sie im gestreckten Galopp auf die Angreifer zu. Ehe sich die einen versahen und die anderen erneut ihre Bögen spannen konnten, hatten sie equites erreicht, zogen ihre spathae und hieben auf die Banditen ein.


    Nun galt es, die Angreifer abzulenken um so den milites, unter denen er centurio Posca erkannte, Luft zu verschaffen.


    "Speciales!" rief der decurio,


    "Kreis bilden!"


    Mehrerer Befehle bedurfte es nicht. Die speciales wußten wie sie die Banditen angehen mußten: Ein jeder ritt im Kreis, dann eine Volte und dann im entgegengesetzten Kreis zurück. Somit ergaben sich für die Banditen mit einem Mal neue Ziele, die diese vorab nicht berechnen konnten.


    Ihre abgeschossenen Pfeile flogen ohne zu treffen in alle Richtungen und eine gewisse Verwirrung unter den Banditen machte sich bemerkbar.


    Damit hatte der decurio gerechnet, und er hoffte, daß die milites sich diese Situation zunutze machen würden.

    Der decurio war beeindruckt. Mit einer derartig großen Karawane hatte er nicht gerechnet. Er sah das hektische Treiben innerhalb ihres Lagers und er sah auch die Wachen, die darauf schließen ließen, daß sie zu einem sofortigen Zugriff bereit waren.


    Er winkte Valerius zu sich.


    "Umgeh` von jeder Seite das Lager. Die Einteilung überlasse ich dir. Besonderheiten melden! Denkt an die Pfeifen!"


    Nachdem sich der decurio III abgemeldet hatte wandte sich sich der decurio an Neco.


    "Wer ist der Stammesälteste dieser Karawane?"

    Auf das, was der Nomade daherbrachte, von wegen was der praefectus erlauben wird und einem gegebenen Wort, ging der decurio nicht mehr ein. Er mußte weiter. Und vor allem hoffte er, anderen Orts brauchbarere Nachrichten zu erhalten oder aber Gefangene zu machen.


    Er drehte sich zu den beiden equites.


    "Ihr wißt Bescheid! Bringt den Händler zum praefectus. Von ihm erhaltet ihr weitere Befehle. Abite!"


    Dann wandte er sich an den Nomaden, der bisher geschwiegen hatte.


    "Kannst du uns zu euerer Karawane führen?"

    "Nun gut",


    meinte der decurio,


    "da ihr zu unserem Lager reiten wolltet, werden dich zwei meiner equites dorthin bringen, ich selbst werde mit meinen Männern deinem Begleiter in euer Lager folgen."


    Er winkte Alienus zu sich.
    "Rupus und Veratius zu mir!"


    Nach deren Erscheinen deutete er auf den wortführenden Nomaden und befahl.
    "Begleitet den Händler ins Lager und meldet ihn dem praefectus. Es gilt der allgemeine Befehl!"


    Für ein paar Augebblicke wartete der decurio die Reaktionen der beiden Nomaden ab.

    So leicht war der decurio nicht zufriedenstellen.


    "Du fragst, ob ihr weiterziehen könnt. Wen meinst du mit "wir"? Meinst du damit deinen Begleiter oder aber deine Karawane?"


    Er ließ den Nomaden nicht zu Wort kommen und fragte weiter.


    "Wie groß ist deine Karawane und wo lagert sie?"

    Der decurio merkte, daß es keinen Sinn machte sich mit dem Nomaden über diese mysteriösen Kopflosen zu unterhalten. Er wechselte das Thema.


    "Du sagst, du seiest Händler und sprichst von deiner Karawane. Zudem bist du in der Finsternis unterwegs. Dann kann ich davon ausgehen, daß du dich hier in der Gegend auskennst?"

    Als der Nomade die Kopflosen ins Gespräche brachte horchte der decurio auf. Von wem oder von was redete der da? Sollte es die wirklich geben? Die Gerüchteküche brodelte im wahrsten Sinne des Wortes. Genaues aber wollte niemand wissen.


    Mit einem ungläubigen Lächeln forschte er nach.


    "Du sprichst von Kopflosen? Kannst du nicht deutlicher werden?"


    Gespannt versuchte der decurio im Gesicht des Nomaden zu lesen.

    Geht doch! dachte der decurio und ließ das radebrechende Latein über sich ergehen ließ. Aber immer noch besser als dieses Griechische!


    Mißtrauisch sah er den Nomaden an. Wie es schien wußten die Nomaden über das Lager Bescheid. Und so wie es ihnen bekannt war,
    so hatten alle, die es wissen mußten, und auch die, die es nicht wissen wollten, davon Kenntnis.


    "Und ihr beide seid folglich im Dunkeln auf dem euch bekannten Weg zu unserem Lager",


    fragte der decurio mit einem nicht zu verhehlenden Zynismus


    "um euere Karawane anzukünden?"

    Bedingt durch den Höhenunterschied sah der decurio sichtlich unbehagt zu dem ihm antwortenden Nomaden auf. Hinzu kam seine Aversion gegen die griechische Sprache, in der er von seinem Hauslehrer zwar unterrichtet worden war und die er verstand, die er aber nur wenn unbedingt nötig zu sprechen pflegte. Dazu gesellte sich die Gewißheit, daß sein Gegenüber des Lateinischen mächtig war, dies aber mit seinem griechischen Gequäke zu ignorieren wußte.


    Der decurio wandte sich an den als Händler ausgebenden und demzufolge auch lateinisch sprechenden Nomaden.


    "Du hast dich von deiner Karawane entfernt. Hast du keine Angst in der Dunkelheit von wem auch immer angegriffen zu werden? Und übrigens, du hast meine Frage nicht vollständig beantwortet: Wohin wollt ihr?"

    Equitanus hatte zum decurio aufgeschlossen. Kopf an Kopf ritten beide Pferde nebeneinander.


    Der eques flüsterte.
    "Titus! Da vorne bewegt sich etwas. Es scheint sich zu nähern, aber sehr langsam."


    Der decurio nickte bestätigend.
    "Beobachte es schon länger, Caius. Anzunehmen, daß wir ebenfalls entdeckt wurden. Durchparieren zum Schritt! Decurio Valerius und Alienus ebenfalls zu mir!"


    Im Schritt ritten die turmae vorwärts. Dann wandte sich der decurio an den decurio III und die beiden equites.


    "Ich reite mit Equitanus und Alienus zu den Unbekannten. Währenddessen übernimmt decurio Valerius das Kommando über die turmae. Sicherung rundum! Womöglich ist das eine Falle. Achtet auf die Pfeifen! Equitanus und Alienus folgen mir. Fragen?"


    Der decurio II schüttelte den Kopf, ein kurzes "Dein Befehl, decurio!", dann setzten sich die drei equites in Bewegung und ritten sich nach allen Seiten sichernd auf die Unbekannten zu.


    Vor zwei Kamelen mit ihren Reitern hielten sie an. Kurz und knapp war die Frage des decurio.


    "Bis hierher! Wer seid ihr und wohin wollt ihr?"

    Die beiden turmae waren im Schritt angeritten. Bald war das Lager hinter ihnen verschwunden. Die Wüste hatte sie in Empfang genommen. Es war dunkel geworden. Wie lange sie schon unterwegs waren? Sie dachten nicht darüber nach und sie wollten es nicht wissen.


    Aber eines wußten sie: die Wüste hatte nicht nur Sand, sie hatte auch Augen und Ohren. Und diese waren auf sie, die beiden turmae, gerichtet. Sie hörten und sahen sie, davon absehen, daß sie sie schon vorher gehört und gesehen hatten. Und das wußten alle!


    Sanft umspielte sie der Atem des Re. Sie spürten es nicht. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Ihren Ohren konnte die unheimliche Stille nichts mehr anhaben.


    Der decurio gab den Befehl zum Antraben. Leise wurde er von eques zu eques durchgegeben. Dann trabten sie an.

    Wenig später meldete der decurio III die Marschbereitschaft seiner turma und schloß sich mit seinen equites der bereits wartenden turma I an.


    "Turma III vollzählig marschbereit, decurio."


    "Spezialgeräte?"


    Der decurio III grinste. Er kannte das Steckenpferd des decurio.


    "Bei jedem eques überprüft. Rechtes hinteres Sattelhörnchen, decurio."


    "Gut. Dann mal los! Nach Verlassen des Lagers Einteilung wie besprochen."


    Dann stieß der decurio seinen rechten Arm aus Schulterhöhe einmal senkrecht hoch. Die beiden turmae ritten an. Ein kurzer Gruß an den Posten am Lagereingang. Der sah noch die sich formierenden equites bis diese langsam seinem Blick entschwanden.