Beiträge von Aurelia Camilla

    Die raue Oberfläche der kleinen Amphore störte Camilla. Ein eindeutiger Kunstfehler, den man nicht bedacht hatte, bei der Herstellung. Zumindest die zarte Haut an ihren Händen fand es nicht besonders angenehm Amphoren zu tragen. Wozu hatte man eigentlich Sklaven? Plötzlich wurde sie abgelenkt. Camilla registrierte eine etwa gleichaltrige Frau, die sich von einer kleinen Gruppe um sie süße Sisenna löste und zielstrebig auf sie zuhielt. Erfreut stellte sie fest, dass es hier sogar mehrere Frauen ihres Alters gab. Jetzt stellte sich für Camilla die Frage, wieso der doch noch recht junge Corvinus soviele ältere Personen eingeladen hatte. Bestimmt alles Senatoren, dessen Unterstützung er brauchte, um in der Politik weiter Karriere zu machen.
    Als die Frau - Claudia Ofella - sie ansprach, zauberte sie schnell ein freundliches Lächeln auf ihre Lippen. Die Amphore war vergessen, jetzt widmete sie sich voll und ganz Ofella. „ Salve. Aurelia Camilla, es freut mich dich kennen zu lernen “, freute es Camilla doch tatsächlich, schließlich hatte sie kaum Bekannte oder Freunde in Rom. Zu lange hatte sie in der Einöde Norditaliens gelebt, „ Ähm ... Ja, ich habe auch einen kleinen Teil dazu beigetragen. Das größte Lob ist jedoch Prisca zu überbringen. Sie hat am meisten Zeit investiert. “ Mal davon abgesehen, dass sie den kleine Anmerkung gemacht hatte, man könne kleine Amphoren herstellen lassen, hatte Camilla nichts beigetragen. Sie hatte sich eher Gedanken gemacht, wie sie sich kleiden könnte. Keine leichte Entscheidung.


    „ Oh, nur zu gerne würde ich mit euch die Komödie betrachten! “ Entzückt von dieser Idee wollte sie in die Hände klatschen, doch dann fiel ihr ein, dass sie auch noch den Wein halten musste. Und kein Sklave war in Sicht, der das unnütze Tongefäß auffangen konnte. Allerdings muss ich noch das Opfer vollziehen, ihr könnt bereits vorgehen. Meine Sklavin hält mir einige Plätze in der ersten Reihe frei. “ Wahrlich zufrieden mit dem selbstständigen Vorschlag der Sklavin war sie gewesen. Hatte diese aber auch noch etwas gutzumachen, wegen der langen Verspätung Camillas.
    Mit den letzten Worten entschuldigt, entschwand Camilla der Claudierin und fädelte sich geschickt in die ziemlich kurze Schlange vor der Opferschale ein, so dass sie als nächste ihren Opferwein den Göttern Opfern konnte. Vorsichtig löste die den Verschluss und begann langsam den Wein in die bereits gut gefüllte Schale laufen zu lassen. Ehrfürchtig blickte sie leicht gen Himmel und sprach die Opferworte. „ Novum vetus vinum bibo, novo veteri morbo medeor. “ Nachdem auch der letzte Tropfen roten Weines die Amphore verlassen hatte, übergab sie selbige einem Sklaven, sprach noch ein kurzes Gebet an Iuppiter und Meditrina, bevor sie sich auf den Weg zum Theaterstück machte. Da sie nicht lange gebraucht hatte, holte sie Ofella noch ein, bevor diese das atrium verlassen hatte. „ Da bin ich wieder. Lassen wir uns jetzt an der Komödie erfreuen. “ Ein wirklich schönes Stück. Camilla kannte die Texte nicht, aber hatte es sich von Prisca sagen lassen, und derem Urteil vertraute sie.

    Vorsichtig lugte sie hinter der Säule hervor. Ihre Laune wendete schnell zum Guten. Zuerst war sie ungehalten gewesen. Ihre ornatrix hatte einmal mehr zu lange gebraucht und auch noch heute. Den Abend des Festes wollte Camilla keinesfalls versäumen. Wie es sich gehörte hatte sie sich mit allen Mitteln herrichten lassen für einen gesellschaftlichen Abend. Und natürlich hatten sich ihre Sklavinnen in der Zeit verkalkuliert und nun war sie spät dran. Welch Schmach. Als eine der letzten würde sie eintreffen. Doch als sie sah, dass man sich immer noch im atrium zusammenfand und ausgelassen plauderte, pochte ihr Herz. Sie zog ihren Kopf zurück und trat zur Treppe, die vom Obergeschoss des Atriums, zum impluvium herunterführte. Hier war sie noch nicht für die vornehmen Gäste sichtbar. Ein letztes mal kontrollierte Freya den Sitz der stola und der Frisur. Für die Zeit des Abstiegs - war Camilla sich zumindes sicher - würde die Aufmerksamkeit im Saale allein ihr gehören. Alle würden Augen haben für das schönste Gewand am Abend. Ein Sklave hatte ihr berichtet, dass momentan wohl eine Claudierin protzte und vorne lag. Doch die hatte nicht mit ihr gerechnet. Generell war Camilla leider unbekannt in den Reihen der Römer, in Ravenna jedoch als hinreißende Schönheit bekannt.


    Man hatte ebenfalls das Geländer der Treppe mit rotem Stoff verhängt, sodass man ihr Unterleib zu ihrem Ärgernis vollkommen verdeckt war. Nur die Spitze ihrer zarten Fußzehen lugte hervor. Dafür wurde ihre stola sichtbar. Sie bestand aus purpurner, leicht transparenter Seide aus dem fernen Osten. Ein Vermögen hatte sie einem angesehenen Boutiquebesitzer Roms dafür übereignet. Darunter trug sie die nur kaum sichtbare ebenfalls dunkelpurpurne tunica, die allerdings aus dem südlichen Africa stammte. Ihr Stoff fühlte sich sonderbar weich an und eignete sich perfekt aufgrund des bequemen Stoffes zum Unterziehen. Ein breiter Ledergürtel umschlang das Gewand in der Mitte und sorgte für einen guten Halt. Außerdem sah er durch die vergoldeten Muster äußerst elegant aus. Um ihre Schulter hatte man ein strahlend rotes Seidentuch gelegt, dass sich wunderbar an die Wandbedeckungen in den Festräumen anpasste. Sowohl stola, als auch Tuch besaßen einen goldfarbenen Saum, der die Kleidung äußerst edel erscheinen ließ. Camillas Hand ruhte auf dem silbernen Geländer. Sie war mit zwei glänzenden Echtgoldringen versehen. In diese hatte der aurelische Juwelier sorgfältig jeweils einen im Licht glitzernden Saphir eingearbeitet. Am Handgelenk schimmerte ein dünner Armreif.
    Für dem aufmerksamen Beobachter wurde nun auch langsam Kopf und Hals sichtbar. Um letzteren lag ein wertvolles Kollier, mit kleinen Diamanten aus Africa besetzt. Ihr Gesicht war vorsichtig eingepudert, was ihr einen zusätzlichen vornehmen Touch verlieh. Durch einige Tricks der erfahrenen Sklaven waren ihre schmalen Lippen besser durchblutet als sonst und sahen kräftiger aus. Eine kleine Narbe an der Nase hatte man heute besonders sorgfältig verdeckt und mit allen Mitteln der Kunst die Wimpern über den blauen Augen, die bereits die Menge nach der sondersamen Claudierin absuchten, elegant geschwärzt. Die Frisur war wie sonst auch hochgesteckt, gehalten allerdings durch ebenfalls mit Edelsteinen besetzte Haarspangen. Einige hinten herabhängende Zöpfe vollendeten das Bild ihres Kopfes.
    Endlich unten angekommen, wurde auch ihr Unterleib vollends sichtbar. Ihre festliche stola besaß unten einen breiteren goldenen Saum. In diesen waren saubere, nur auf den zweiten Blick erkennbare Muster eingestickt. Ihre Füße wurden durch die polierten Schlangenledersandalen aus Tylus vor dem kalten Boden geschützt. Die Bänder waren mit winzigen Perlen bestickt.


    Nachdem sie ihre Lust nach Aufmerksamkeit befriedigt hatte und sich ohne ein überflüssiges Wort eine der kleinen Amphoren mit Wein - die ihrer Kreativität entsprangen - hatte reichen lassen, hielt sie zielstrebig, aber doch ein wenig abgelenkt von der festlich gekleideten Menge, auf die Opferschalen zu.

    Auf einmal kehrte die Situation von vorhin in ihren Kopf zurück. Cotta - nach ihrer Ohrfeige mit einigen Tränen im Gesicht - hatte sich von ihr abgewendet. Philonicus - am Geruch eindeutig zu identifizieren - neigte immer mehr zu übermäßigem Alkoholkonsum. Kurz senkte sie ihren Blick; eine gewisse Frustration war in diesem zu erkennen. Ihre Söhne hatten auch nie geschrieben. Kein einziger Brief war jemals aus Griechenland gekommen. Nur durch Zufall hatte sie überhaupt davon erfahren, dass ihre Söhne in Roma weilten. Ein Besuch hatte sich da eben ergeben. „ Aber Marcus, dich trifft keine Schuld. Ich kann verstehen, dass du durch dein Tribunat bei der legio keine Zeit hattest für Briefe. Zumal ich überhaupt nicht deine Mutter bin ;)“ , Was sie allerdings ohne weiteres hätte sein können, „ Von meinen Söhnen hätte ich da halt mehr erwartet. Und Appius, er ist so ... Ach, lass uns gleich darüber reden... “ Corvinus konnte nicht wissen, dass gleich sich in eine Stunde wandeln würde. Camilla ahnte, dass es dauern würde die klebrigen Honigreste auf der Haut zu entfernen, die fettige Milch aus den Haaren zu waschen, sich ankleiden und die Frisur herrichten zu lassen.


    Langsam zog die Milch in die Haare ein. Es fühlte sich äußerst unangenehm an. Der Honig hatte aufgehört zu tropfen, allerdings war von ihm noch genügend auf dem gesicht von Camilla vorhanden. Auf Grund der äußerlichen Umstände schaute sie etwas merkwürdig drein. „ Die Reise war nicht anstrengend. Nur weit und langweilig. Und es war mit trotz dem niedrigen Sold, den mein Mann aufweisen konnte, mir möglich mit einem gewissen Standard an Komfort zu reisen. “ Ihre Augen zeigten, dass sie nicht gewillt war, über ihren Mann zu sprechen. Mit diesem Thema hatte sie sich schon zu lange beschäftigt. Er war eine Schande für die Familie gewesen. Als probatus, der niedrigste Rang im Heer, war er zur legio gegangen. Da hätte er doch gleich zur ala gehen können. Lange hatte sich Camilla mit ihm über die Entscheidung zur Legion zu gehen gestritten, und dadurch war ihre Beziehung - nicht doch ihre Ehe - in die Brüche gegangen.
    Sie lächelte wieder freundlich. „ Danke, ich habe bereits ein cubiculum. Ein wahrlich schönes Gemach. Selbst der Kaiserin würdig “, übertrieb sie. Doch tatsächlich war es äußerst angenehm sich in ihrem cubiculum aufzuhalten. Überall dufteten frische Blumen und der Blick war ihr ebenfalls genehm.



    ~~~ Später ~~~


    Elegant ließ sie sich auf einer der Liegen nieder. Vielleicht wahr der Ausschnitt der stola etwas weit und sie lehnte sich mit ihrem vollbusigem Oberkörper etwas zu weit nach vorne. Aber sie musste zumindest mit Corvinus auf gutem Fuß bleiben. Sie hoffte inständig, er würde ihr Verhalten nicht anstößig finden. Vorerst griff sie nicht zum Wein, sondern beließ es beim Genuss einiger wohl erlesenen Trauben. „ Wohl wahr, Marcus “, begann sie zu antworten, „ Aber dein Werben würde ich ganz gewiss nicht zurückweisen. Welch Versäumnis wäre das nur “, schmeichelte sie ihm. Sein Kompliment hatte sie sehr erfreut. Wenigstens einer, der sie noch schätzte. Sie nahm sich eine gut ausschauende Dattel; die süße Südfrucht entspannte sie. Dennoch setzte sie nun einen etwas besorgten Gesichtsausdruck auf. Sie würde wohl nicht drumherumkommen mit Corvinus über ihren Sohn zu reden. „ Weißt du, Appius macht mir Sorgen. Er war so ... so ... “, ihr lag das Wort auf der Zunge, es mochte ihr aber nicht einfallen, „ ... abweisend mir gegenüber. Ach und Manius, ist der jetzt vollends dem guten vinum verfallen? Er roch äußerst besorgniserregend vorhin. “ Auf ihrer durch das Make-Up so zarten Haut bildeten sich einige Falten.

    Langsam köchelte es in Camilla. Die Wut kam plötzlich, aber nicht gänzlich unerwartet. Sie hatte die Abneigung ihres Sohnes von Anfang an gespürt, und ihre Instinkte hatten sie vorgewarnt. In ihrer Wiedersehensfreude hatte sie solche allerdings vollkommen ignoriert. Nie hatte sie glauben wollen, dass ihre Kinder so auf sie reagieren würden. Dass sich Cotta demonstrativ bei der unnützen Sklavin bedankte, konnte Camilla schon nicht verkraften. Wie konnte er es wagen sich gegen ihre Meinung - die seiner Mutter - zu stellen. Mit leicht rotem Gesicht trat sie näher. Nur noch ein Schritt trennte die Beiden voneinander. Das Fass kochte vollends über, als Cotta höhnisch seine Mutter zurechtwies. Camillas Gesicht wurde nun hochrot, zum Einen aus Wut, zum Anderen, weil Cotta sie soeben bloßgestellt hatte vor der Sklavenschaft. Sie atmete heftig, die warmen Luftstöße waren für ihren Sohn schon spürbar. Dann hob sie blitzartig den Arm. Einige Augenblicke später hatte Cotta zwei gerötete Wangen. Solch ein Verhalten würde Camilla auch jetzt nicht dulden, wo ihre Kinder nicht mehr bei ihr wohnten, sondern sie eher bei ihnen zu Gast war.


    Ihr wütender Blick richtete sich abermals auf Cotta. „ Wie kannst du es wagen, mich so bloßzustellen! “, zischte sie nun kaum hörbar. Ihre Hände ballten sich zu kleinen Fäustchen, sie verbarg diese aber in einer Falte ihrer stola. Ihre Knie zitterten ein wenig. Plötzlich kam Reue in ihr auf. Wann war sie das letzte mal so wütend gewesen, dass sie ihrem Sohn zwei Ohrfeigen verpasst hatte? Nun gut, es war bei seiner Abreise gewesen, als Camilla ihn das letzte mal gesehen hatte. Aber sie hatte sich danach per Brief entschuldigt, ganz im Gegensatz zu ihm. „ Du solltes an deine Manieren denken, die ich dir einst beigebracht habe! “ Trotz der vielen Zuneigung, war Camilla bei den Manieren und Tugenden hart gewesen, daher hätte es „ eingeprügelt “ wohl besser getroffen. Sie hatte ihren Zeigefinger an das Kinn von Cotta gelegt. die spitzen Fingernägel schnitten in die Haut. Durchdringend blickte sie ihn an, um diese „ Lektion “ nochmals zu verschärfen.

    Als die Sklavin das Tablett fallen ließ, war Camilla kurz davor erneut aus ihrer Haut zu fahren, allerdings wurde sie vom Eintreffen ihres zweiten Sohnes überrascht. Im Gegensatz zu ihm hatte sie keine Schwierigkeiten ihren Kleinsten zu identifizieren. Den Geruch, der von Philonicus ausging, nahm sie wahr, ignorierte es aber. Dem Jüngsten würde sie doch alles verzeihen. 8) Er war schließlich auch fast noch ein Kind. Dass er sich nicht angemessen kleidete, war allerdings ein Misstand, der noch behoben werden musste. Cotta war vergessen, sie ließ ihn einfach im Raum stehen. Derweil eilte sie auf den kleinen Philonicus zu und drückte ihn fest an sich. Der unangenehme Weingeruch war zwar hinderlich, aber Camilla verkraftete es. „ Manius, mein Sohn! Endlich kann ich dich wieder drücken! “ Diese Art der Zuwendung, die ihr lange Zeit nur ihr Jüngster geben konnte, der schließlich am längsten noch im Elternhaus gelebt hatte, hatte ihr gefehlt. Und genau diese Zuwendung brauchte sie nun um sich abzureagieren.

    Nicht nur Maron verwunderte das Verhalten des jungen Cotta. Camilla beobachtete fast besorgt, wie ihr Sohn schwer atmete und richtig erregt schien. Es war doch nur eine fast beiläufige Frage zu den Fähgikeiten des Sklaven gewesen? Sie beließ es dabei und konzentrierte sich dann auf den Sklaven, denn Cottas Schweigen war eindeutig: Der Sklave sollte die Antwort selbst vortragen. Camilla kam dies recht, obwohl sie es nicht mochte vom niederen Gesindel direkt angesprochen zu werden. Man konnte viel über einen Mann lernen, wenn man seine Ausdrucksweise aufmerksam wahrnahm. Ihr Blick lag nun auf dem Sklaven, mit dem auch irgendetwas nicht in Ordnung war.
    Etwas erschrocken hörte sie zu. Doch bevor sie dazu kam etwas zu erwidern, blickte dieses Ding ihr in die Augen. Sofort unterbrach sie ihn mit ihrer vernichtenden Stimme. „ Bah! Schau mir nicht in die Augen! “ Disziplin war eine wichtige Tugend. Der letzte Satz ging unter, Camilla nahm ihn nicht wahr. Außerdem interessierte es sie sowieso nicht, ob er nun aus Griechenland, Illyrieren, Kilikien oder Thrakien stammte. Allesamt waren sie Barbaren, die das Glück hatten von einer zivilisierten Kultur besetzt worden zu sein.

    Nun verarbeitete sie die Fähigkeiten des Sklaven nochmals. Sofort fiel es ihr auf. Und sie konnte es nicht verbergen, wie geschockt sie war. „ Appius! “, ihre schrille Stimme schmerzte ihr selber in den Ohren. Schnell versuchte sie ein paar Oktaven herunterzukommen. „ Du hälst dir hier einen Spion! Schaff ihn hier raus! “ Sie meinte es ernst und sie spielte ihrem Sohn auch nichts vor. Sofort distanzierte sie sich einige Schritte von dem Sklaven, der anscheinend gerade von einem anderen hübschen Mädchen im Raum abgelenkt wurde. Es fiel Camilla wieder ein, dass war die andere unfähige Sklavin.
    Der Gedanke, dass ihr eigener Sohn seinen Sklavin vielleicht auch ausnutzen würde um ihr hinterherzuspionieren, gefiel ihr nicht. Der Sklave musste weg. „ Du bringst das Teil noch heute Nachmittag zum Markt, haben wir uns verstanden, Appius? “ Sie war in den befehlsgewöhnten Ton verfallen, den ihr Sohn aus seiner Jugend nur zu gut kannte. Wie oft hatte Camilla schon zu ihrem Mittlerem gesagt „ Haben wir uns verstanden, Appius? “. Es war an sich unzählbar.

    Was dachte sich Cotta eigentlich? Sah sie todkrank aus? Sie wirkte allerdings etwas zu bestürzt. Es war klar, dass Camilla einmal mehr ihr Schauspielertalent ausnutzte. „ Mir geht es gut “, meinte sie nun schon wieder freundlicher. Von ihrer erst eben geschehenen Schockattacke war nichts mehr zu spüren. „ Ich wollte nur einmal wieder meine Kleinen besuchen. “ Sie lächelte liebevoll. Würde Cotta nicht so Distanz zu Vertraulichkeiten nehmen, würde sie ihm jetzt über die Wange streichen. Da es aber nicht möglich war, ließ sie es bleiben und legte nur etwas den Kopf schief um wieder sein Vertrauen zu gewinnen.

    Sie hätte es gerne gesehen, hätte Corvinus der unfähigen Sklavin weitere Konsequenzen angekündigt. Da dem allerdings nicht so war, musste Camilla das eben selber in die Hand nehmen und das auch noch möglichst diskret. Über die Tollpatschigkeit der Sklaven konnte sie nicht schmunzeln. Sie war eher bestürzt über die Zustände der Sklavenschaft in dieser villa. Als man sie vorhin im adedis empfangen hatte, wusste eines dieser Dinger auch nicht, dass man Wein nicht pur trank. Eine Barbarensitte war das. So etwas durfte in diesem Haus auf keinen Fall toleriert werden. Sie sah schon, hier wurde die harte Hand einer Hausherrin gebraucht um für Ordnung zu sorgen. Die eines schlecht rasierten decemvirs reichte hier nicht. Auch ihre Söhne hatten anscheinend besseres zu tun. Wie konnte man hier nur leben?
    Die jämmerliche Sklavin war nun kurz davor auch Camillas Mitleid auf sich zu ziehen. Wer beim Herausholen eines Apfels aus einem Becken in selbiges stürzte, musste es wirklich schwer haben. Ein fieses, spöttisches Lächeln auf ihren zarten Lippen blickte er triefenden Sklavin entgegen. Den Apfel in der Linken, stand sie frustriert neben einer der zahlreichen Säulen. Sie wagte es nicht eine der Herrschaften anzusehen, war ihr doch das erneute Missgeschick ziemlich peinlich.


    Sofia sammelte gerade mehrere kleine, spitze Scherben mit scharfen Kanten vom Boden auf. Einige kleine Schnittwunden hatten sich bereits auf ihrer grobmotorischen Hand gebildet. Kleine Blutrinnsale färbten die milchigen Pfützen etwas rötlich. Doch es fiel nicht auf, schließlich bemerkte man fast keinen Unterschied zwischen Rotwein und dem Blut der Sklavin. Selbige war nun bei den Scherben neben Camilla angekommen. Diese ließ sich die Möglichkeit nicht entgehen, und ergriff nun die Eigeninitiative. Sie trat einen Schritt zurück, zum einen um das bedauerndswerte Paket einer zusammengekrümmten Sklavin aus ihrem Blickfeld zu schaffen, und zum anderen um etwas näher an Corvinus zu treten. Dabei trat sie ausversehen auf die einladene Hand, die immer noch fleißig am Boden Scherben aufsammelte. Der harte Ton schnitt sich unter dem Druck von Camillas halbem Gewicht tief in die Innenseite der Hand. Statt sich zu entschuldigen, nahm sie einfach einige Sekunden später ihren Fuß wieder weg und tat so, als wäre nichts gewesen. Nur noch die wimmernde Sklavin, die sich ihre Hand hielt, wies darauf hin.


    Camilla mochte es nicht vor eine blanke Fassade gestellt zu werden. Sie verabscheute diejenigen, die ihr etwas vorspielten. Sie wollte stets die pure Wahrheit erleben. Stets trat sie unangekündigt und dann auf den Plan, wenn es für die Anderen unpassend und überraschend kam. „ Ach, Marcus. Es war so langweilig in Ravenna. Niemand hat mir geschrieben außer dir, und von dir kamen auch nur ein paar Briefe im Jahr. “ Und die wahrscheinlich auch nur aus Anständigkeit und Respekt gegenüber dem Alter. Beides Tugenden, die ihre Söhne teilweise nicht besaßen. Zumindest letztere wies keiner ihrer Sprösslinge auf, sonst hätten sie ihr geschrieben. „ Ich dachte, ich komme euch einfach mal besuchen. Es war ein spontaner Entschluss, für Boten war keine Zeit mehr. “ Camilla kam überhaupt nicht in den Sinn, dass sich Corvinus nicht über ihren Besuch freute. Im Gegensatz zu Cotta stellte sie bei ihm echte Freude fest, statt nur eine freundlich lächelnde Fassade. Auf die Frage, ob sie ihre Söhne bereits unterrichten ließ, nickte sie nur kurz. „ Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich noch schnell umkleiden lasse. “ Ihr Zustand war wirklich erbärmlich.



    ~~~ Später ~~~


    Kurze Zeit später, genau genommen hatte es über eine Stunde gedauert, erschien Camilla wieder im adedis. Normalerweise hätte es länger gedauert, aber sie hatte sich gleichzeitig ankleiden, Make-Up auftragen und ihre Frisur herrichten lassen. Und gewaschen werden musste sie auch noch. Das hatte zwar ein richtiges Durcheinander in ihrem cubiculum gegeben, aber nun sah sie wieder menschlich aus. Ihre Haare waren elegant hochgesteckt, so konnte man einige zurückgebliebene Milchreste in ihren Haaren nicht erkennen. Silberne und goldene Haarspangen zierten das nicht mehr verklebte Rot. Ihr Gesicht hatte man mit einem Hauch zuviel Make-Up versehen, es sah einfach zu künstlich aus. Man hatte ihr ein wertvolles Kollier umgelegt. Über der schlichten Unterziehtunica trug sie eine seidene stola, die raffiniert genau die Stellen betonte, bei der mehr gezeigt werden sollte. Das leicht grünliche Gewand passte gut zu den roten Haaren.

    Camilla nahm gar nicht zur Kenntniss, dass die serva sich entfernte um den entstandenen Fehler zu beheben. Sie nahm Tilla erst wieder wahr, als sie abermals in den Raum trat. Zu ihrer Zufriedenheit stellte sie fest, dass nun auch Wasser neben dem Wein vorhanden war. Von den Nüssen und den getrockneten Früchten ließ sie allerdings die Finger. Sie zog frisches Obst vor. Freya trat sogleich herbei und mischte einen Becher Wein für die Herrin. Dies wäre eigentlich auch Tillas Aufgabe gewesen. Doch vielleicht war es auch besser so. Denn dem armen Geschöpf blieben eventuelle weitere Fehler nun erspart. Der Becher mit dem edlen Wein wurde nun Camilla gereicht. Diese nippte allerdings nur kurz daran, um ihn danach lässig in der Hand zu halten.


    Dann wandte sie sich wieder ihrem Sohn zu. Es fiel ihr schwer ihre offene Meinung zu diesem Sklaven zu unterdrücken. Nämlich dass er sie nicht interessierte, und Cotta gefälligst mehr von sich und nicht von diesem Gesindel erzählen solle. Stattdessen aber wirkte sie nach außen hin geradezu umgekehrt. Sie würdigte den Sklaven tatsächlich eines Blickes, musterte ihn sogar genauer. „ Sag, mein Sohn, was kann denn dieser Sklave alles? Wenn du ihn bereits in Griechenland gekauft hast, ist er auch einigermaßen gebildet, nehme ich an? “ Camilla tat weiterhin intressiert. Sie wusste, wenn sie sich bereits am Anfang nicht gut stellte mit ihrem Sohn, würde dessen Abneigung immer größer werden. „ Und was planst du sonst noch in naher Zukunft zu unternehmen, Appius? “ Über die Umstände, die sie in diese villa geführt hatten, sprach sie nicht. Das sollte er sie schon nochmals fragen.

    Da wagte man sich einmal ohne seine Leibsklavin aus dem cubiculum und schon passierte ein Unglück. Völlig frustriert starrte Camilla diese Sklavin an. Sie brauchte einige Momente um sich zu sortieren. Was war passiert? Sie hatte nur wahrgenommen, dass diese serva gegen sie gerannt war, als Camilla aus einem der zahlreichen fauces kam. Nun stand dieses erbärmliche Wesen kleinlaut wimmernd vor ihr und bat um Verzeihung. Nur kurz konnte Camilla ihre Wut zurückhalten, dann gab sie auf und ließ ihrem Zorn freien Lauf. „ Du ... “ Sie atmete schwer. Sie war zwar schlank, aber trotzdem besaß sie keine gute Kondition. Blitzschnell überlegte sie, mit welchem verletzenden Flüchen sie diese Sklavin bestrafen konnte. Ihr Lieblingsspruch - der mit der Tochter einer lupa aus Gallien - erschien ihr am passensten. Doch davor musste sie noch dieses prickelnde Gefühl in ihrem Arm loswerden. Selbiger schnellte vor und verpasste der Sklavin eine Ohrfeige, wie man sie in diesem Haus bestimmt nur selten sah. Die körperliche Ertüchtigung Camillas hatte allerdings zur Folge, dass ihre rechte Hand fürchterlich schmerzte. Einen gedämpften Schmerzensschrei konnte sie nicht unterdrücken. Wieso mussten Sklaven nur immer verstärkten Wangenknochen haben?

    Ihre Stimme hallte ohrenbetäubend durch das atrium. Einige Vögel, die auf dem Dach des Hauses gesessen hatten flogen geschockt weg. „ Du unfähige Tochter einer gallischen ... “ Abermals konnte sie ihren Satz nicht zu Ende bringen. Aber dieses mal nicht, weil ihr der Atem ausging, sondern weil sie eine schemenhafte Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes wahrnahm. Ein kurzer Blick zeigte ihr, dass Corvinus aus dem adedis kam. Der Krach hatte ihn anscheinend aufgeschreckt. Vielleicht war er auch an diesem Schlamassel mit Schuld, weil er den Imbiss bestellt hatte, der nun ungenießbar auf dem Boden verstreut war. Aufjedenfall nahm die Tonlage ihrer Stimme rapide ab und Camilla brachte das letzte Wort ihres Fluches nicht mehr hervor. Stattdessen fand sie schnell Ersatz. „ ... Brotbäckerin. “ Sie klang fast gelassen. Camilla war völlig aus dem Konzept gekommen. Corvinus' Erscheinen hatte sie zur Ruhe kommen lassen. Sie wollte sich nicht völlig blamieren, und das noch bei ihrem ersten Zusammentreffen seit langer Zeit.

    Auf einmal wurde ihr klar, dass ihre Haare von fettiger Milch getränkt waren und klebriger Honig von ihrem Kinn auf ihre Brust, und von dort auf den Boden tropfte. Ihre unbedeckten Füße standen in einer Pfütze aus Kekskrümeln und Wein, der sich durch das Zusammentreffen mit Honig deutlich versüßt hatte. Auch die Konsitenz hatte sich deutlich verändert. In ihren Ausschnitt war ein kleines Gebäckteilchen gefallen, was Camilla nun etwas umständlich herausfischte und achtlos zu Boden fallen ließ. Bevor sie sich Corvinus zuwandte, stellte sie eilig den weiteren Schaden in der Umgebung fest. Der Honig klebte nicht nur in ihrem Gesicht, sondern auch in den Ritzen eines kleinen Mosaiks. Das zu entfernen würde der unfähigen Sklavin bestimmt Freude bereiten.
    Camillas Kopf fühlte sich etwas merkwürdig an. Als ob etwas daraufgefallen wäre. Schnell war die Ursache gefunden. Ein Apfel war der Sklavin im Eifer des Gefechts vom Tablett gerutscht. Unglücklicherweise traf dieser den Kopf der eher kleinen Camilla. Nun ruhte das Obst in Frieden im impluvium. Die Sklavin selber hatte Glück gehabt. Diese hatte den Imbiss um sich herum, aber nicht auf sich selber verstreut.

    Sie wusste selber nicht wie, aber aufjedenfall schaffte sie es ein freundlich und echt aussehendes Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern. Auch ihre Stimme klang wieder freundlich. „ Marcus! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich freue dich zu sehen. “ Wären die äußeren Umstände des Zusammentreffens glücklicherer Art, hätte Camilla nun zu einer herzhaften Umarmung angesetzt, unterließ es aber, schließlich wollte sie nicht Corvinus Gewand auch noch mit dem klebrigen und fettigen Zeug verdrecken.
    Ihre eigenen Sachen waren sowieso nicht mehr zu gebrauchen. Doch gerade das betrübte Camilla. Die stola hatte ein Vermögen gekostet, und war außerdem so unglaublich schön und vor allem der neusten Mode entsprechend. Für die Frisur hatte ihre ornatrix über eine Stunde gebraucht. Zum Glück hatte sie nicht ihre unersetzbaren Schlangenledersandalen an. Wären diese besudelt gewesen, wäre die Sklavin am Kreuz gelandet.

    Äußerst misstrauisch verfolgte sie die Bewegungen der Sklavin. Sie traute diesem Gesindel nicht. Erst recht nicht, wenn es fremd war. Den Sklaven passierten immer nur Missgeschicke. Am liebsten würde Camilla das ganze Pack wegscheuchen, aber das hieß auf den alltäglichen Luxus verzichten zu müssen, was für sie nicht in Frage kam. Die immer noch andauernde Abwesenheit ihrer Söhne nutzte sie, um sich von Freya die stola richten zu lassen. Die liebevoll gestaltete Frisur wurde von der eher untalentierten Livilla gerichtet. Camilla wusste selber nicht, wieso sie sich von dieser parthischen Ziersklavin an ihren Wertvollen Haaren herummachen ließ. Diese Sklavin konnte es nicht halb so gut wie Camillas ornatrix.


    Erfreut nahm sie wahr, dass auch das Geschirr in dieser villa vom Feinsten war. Das silberne Tablett war außerdem gut poliert und glänzte in der Sonne, die durch ein Fenster hereinfiel. Aber trotzdem konnte das geübte Auge von Camilla einige unnötige Fingerabdrücke auf dem edlen Metall erkennen. Weniger erfreut war sie über das, was sich auf dem Tablett befand. Ungehalten blickte sie Tilla an. Ihr Blick und ihr Ton brachten ihre Meinung über das Mädchen klar zum Ausdruck. „ Hat man dir nicht beigebracht Wasser zum Wein zu stellen? “ Camillas Stimme blieb ungewohnt ruhig. Sie verlor sich nicht gleich in den üblichen Flüchen und Kraftausdrücken. „ Wir Römer sind keine Barbaren. Wir trinken Wein verdünnt. Wo stammst du her, Mädchen? Nehmt ihr dort den Wein pur zu euch? “ Die Frage war sachlich gestellt, als ob Camilla sich tatsächlich für die Sitten der Barbaren interessiere. Schnell wandelte sich der unzufriedene Ausdruck in ihrem Gesicht zu einem Freundlichen. Nun wartete sie ungeduldig auf die Antwort der Sklavin. Sie wollte sich nicht mit einer Sklavin unterhaltend zeigen, wenn ihre Söhne kamen. Mittlerweile lächelte sie hämisch. Ihr Blick zeigte Tilla nun, dass Camilla eigentlich überhaupt keine Antwort haben wollte. Außerdem vernahm sie Schritte. Geschwind erhob sie sich.


    Doch anscheinend nicht schnell genug, denn ihr Sohn - zu ihrer Enttäuschung nur Cotta - sah sie noch, wie sie auf der Kline bequem und für eine Römerin nicht anständig lag. Eilig zupfte sie ein letztes mal ohne Hilfe ihrer Dienerinnen ihr Gewand zurecht und wandte sich dann ihrem Sohn zu. „ Appius! Ich freue mich so dich zu sehen. “ Im Gegensatz zu ihrem Sohn freute sie sich tatsächlich, liebte sie doch alle ihre Söhne. Die Abneigung Cottas gegenüber seiner Mutter war dieser gänzlich unbekannt. Vielleicht wollte diese das auch einfach nicht wahrnehmen. Vielleicht war es ein Schutzreflex des Körpers zur Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Sohn und Mutter.
    Gründlich musterte Camilla ihren Sohn, bevor sie weitersprach. Groß war er geworden. Ein richtiger Mann. Und stark sah er auch aus. Oder war das nur die typische Erscheinung, die eine Mutter immer wahrnahm? Dass sie ihren Sohn für stark, mutig und schlau hielt? Aber bei der Intelligenz, da zweifelte Camilla nicht. Sie war überzeugt, aus Cotta würde einmal ein tugendhafter Politiker werden. Die Beurteilungen seiner Lehrer, die man Camilla hatte zukommen lassen, waren fast nur positiv ausgefallen.


    Camilla wollte ihren Sohn umarmen, doch sie spürte in diesem Moment den Drang von Cotta jede Vertraulichkeit zu meiden. Sein unbeholfener Ansatz zu einem Gespräch, bevor Camilla ihren Sohn richtig umarmt hatte, enttäuschte sie ein wenig. Hatte sie etwas falsch gemacht? Wieso war Cotta ihr abgeneigt? Sie hatte nicht vor sich so abservieren zu lassen. „ Der Sklave intressiert mich nicht. “ Eigentlich merkwürdig für Camilla. Schließlich hatte sie, beziehungsweise ihr damaliger Ehemann Galerianus den Sklaven bezahlt. Das studium hatte sich Cotta schließlich nicht selbst finanziert. „ Ich möchte etwas von dir hören. Wie geht es dir? Bildest du dich bereits weiter in Roma? “ Eine Arbeit, die einem Patrizier nicht würdig war, würde Camilla ihrem Sohn niemals erlauben. Das würde sie zu verhindern wissen, auch wenn sie Corvinus anflehen musste, mit Cotta zu reden.
    Nochmals fiel ihr ins Auge, dass sich Cottas äußeres Erscheinungsbild sehr zum Positiven hin verändert hatte. Doch sie wusste, dass ihre Söhne es nicht mochten, wenn man solche Dinge ansprach. Ihr eigener Bruder war als Kind auch immer genervt gewesen, wenn Verwandte zu Besuch kamen, die dann immer die üblichen Floskeln runterleierten, wie „ Bist du aber gewachsen. “.

    Sie war sichtlich erfreut darüber, nicht ins atrium geführt zu werden. Dort war es manchmal leicht kalt und außerdem mochte sie kein Wasser, von dem schließlich im impluvium einiges vorhanden war. Sie hätte noch einige Nachteile des atriums aufzählen können, beließ es aber bei der simplen Tatsache, dass sie zur Überraschung von Livilla ins adedis gebracht wurde. Ihre palla hatte sie achtlos auf dem Weg fallen gelassen, mit der festen Überzeugung, dass eine der Sklavinnen ihre Pflicht schon sorgfältig erledigen und das Kleidungsstück aufheben und verstauen würde.


    Mit einem prüfendem Blick inspizierte sie genauestens den Raum. Die hellen und warmen Wandfarben sprachen sie durchaus an. Nicht allerings das Gelbe. Sie verschmähte diese unsegliche Farbe. Am liebsten hätte sie den Befehl gegeben, die Wand mit einem schönen hellroten Tuch zu verhängen. Doch es war nun mal nicht ihre villa, das sah sogar Camilla ein. Die weichen Polster auf den Klinen gefielen ihr ebenfalls, und so zögerte sie nicht und legte sich auf eine nieder. Sie machte es sich bequem und stellte zu ihrer Genugtuung fest, dass man an Kosten nicht gespart hatte. Zumindest nicht in diesem Raum.


    „ Du! “ Sie deutete auf Tilla. „ Bring mir einen Becher Wein. “ Camilla hoffte, dass das Mädchen den richtigen Wein wählen würde. Eine gute Sklavin wusste, welchen Wein man welcher Person zu geben hatte. Und auch wichtig war das Mischverhältnis. Camilla hielt es für eine wichtige Grundlage, die Sklaven erlernen mussten, mit einigen Blicken festzustellen, wie die Herrschaft den Wein bevorzugte. Abschätzig und leicht verachtend musterte sie auch die zweite Sklavin. Eins musste man ihrem Vetter lassen. Er hatte aufjedenfall ein gutes Auge für hübsche Sklavinnen. Ob er wohl auch ein ebenso gutes für hübsche Frauen hatte? Es war Camilla nicht bekannt, dass Corvinus bereits vermählt war mit einem Weibe. Welchem Ursprung es zu entstammen hatte, war schließlich klar. Sie meinte etwas von einer Verlobung gehört zu haben, war sich aber nicht sicher. Hoffentlich war es keine von diesen politischen Ehen, die Camilla so verabscheute. Sie würde ihren Söhnen etwas nicht zumuten. Sie selber war nie wirklich glücklich gewesen mit ihrer Ehe, auch wenn sie eine schöne Zeit teilweise mit ihrem Ehemann gehabt hatte.


    So in Gedanken versunken fiel ihr Blick noch auf die Türe, bei der sie sich erhoffte, dass endlich einer ihrer Söhne den Weg finden würde. Oder waren die Sklaven hier zu langsam? Camilla hoffte, dass ihre Sprösslinge erfreut waren, dass ihre Mutter zu Besuch war. Alles andere hätte sie bitter enttäuscht und traurig gemacht. Auch hoffte sie für die hübsche Sklavin, dass sie ihre Beine in Bewegung setzen würde und ihr endlich ein erfrischendes Getränk bringen würde. Derweil vernahm sie mit ihrer feinen Nase den Geruch von wohlduftenden Blumen. Einige Augenblicke später hatte Camilla die Quelle des schönen Duftes erfasst. Das Gewächs war frisch, und eine wahre Augenweide. Konnten Männer so guten Geschmack haben? Camilla bezweifelte es. Es war bestimmt eine Sklavin oder eine der hier lebenden Damen gewesen, die diesen Raum so eingerichtet hatten.

    Zitat

    Original von Leone
    Sobald Leone den Namen der Dame vernommen hatte, die hier nicht nur Einlass begehrte, sondern auch gleich ihre Söhne zu sprechen wünschte, straffte sich seine Haltung, und er begann nachzudenken - laut. "Die Söhne der Herrin Aurelia Camilla ... das sind Lupus, Cotta und Philonicus Aurelius, nicht wahr?"


    Um seine kurzzeitige Unsicherheit zu überspielen, lächelte er die attraktive Kollegin umso souveräner an - und legte gleich eine Frage nach: "Wie ich sehe, kümmern sich die Sklaven deiner Herrin bereits um ihr Gepäck. Wünscht die domina, sogleich ins atrium gebracht zu werden?"


    Livilla hatte zum Empfangsort keinerleri Instruktionen bekommen, daher ging sie davon aus, dass das atrium normalerweise zum Empfang von Gästen diente. Zumindest in dieser villa. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob das Normale für ihre Herrin genug war. Für Camilla war es üblich im Luxus zu leben. Vielleicht sollte man sie gleich ins triclinium führen. Dem Bedarf ihrer Herrin nach Trauben zu urteilen, war sie hungrig. Doch auf Grund des Zeitmangels zum genaueren Nachdenken fasste sie ihren Entschluss. „ Ins atrium, genau. “ Bei den Namen der Söhne hatte sie nur stumm genickt.

    Mit einem kurzen Blick über die Schulter, nahm Livilla war, dass ihre Herrin bereits anrauschte. Camilla war anscheinend gar nicht erfreut darüber, dass sie bereits so lange auf den Einlass in ihre villa warten musste. Zwei servae eilten ihr sogleich hinterher, aber eigentlich nur, um die palla aufzuheben, die Camilla im Eifer fallen gelassen hatte. Livilla eilte ihrer Herrin entgegen, und verbeugte sich hastig. Unterwürfig blickte sie die zarten Füße ihrer Herrin an. Sie wollte gerade zum Sprechen ansetzen, da legten die beiden Sklavinnen Camilla bereits wieder ihre palla um. „ Ihr unfähigen Töchter ... “ Camilla wollte sich in ihren ausführlichen Flüchen verirren, stockte dann aber, und setzte zur eigentlichen Kritik an. „ Doch nicht die palla. Die habt ihr doch eben erst vom Boden aufgehoben! Eilt geschwind und bringt mir eine neue. Am besten die dunkelblaue! “ Ihr Ton zeigte den Sklavinnen, dass sie nur auf Grund der Anwesenheit des Türwächters so freundlich war. In Ravenna wären sie längst bestraft worden.

    Der eigentliche Sinn ihres Vorstoßes war bei Camilla längst abhanden gekommen. Sie stand einige Augenblicke leicht verwirrt vor der villa. In der Zeit fiel ihre Aufmerksamkeit auf ein lästiges Insekt. Dieses schwirrte um ihren Kopf herum. Auch Livilla hatte gestockt, und begann dann doch nicht ihre Entschuldigungen für die ausgedehnte Dauer bis zum Einlass hervorzubringen. Stattdessen ergriff Camilla selbst die Initiative. Langsam schritt sie zum ianitor. Ihr Blick verhieß nichts gutes. „ Los, was stehst du noch so untätig da? Lasse mich ein und bringe meine Söhne her! “ Ungehalten ließ sie sich die neue palla umlegen, obwohl Camilla diese gleich wieder ablegen würde, wenn sie sich im Haus aufhielt.

    Livilla lächelte charmant dem stämmigen ianitor zu. Beeindruckt war sie von der kräftigen und muskulösen Statur des Mannes, und noch erfreuter von der Hautfarbe. Ihre Hände waren nur von ihrer puren Willenskraft gebunden begierig diesen Burschen anzufassen. Sie widerstand jedoch der Versuchung. Ihre Herrin würde nicht erfreut sein, wenn Livilla jetzt mit dem Torwächter herummachen würde. Sie hatte schließlich ihre Pflicht zu erfüllen. Für Spielereien war später noch Zeit. So bliebt es bei einem vielsagenden Blick. „ Salve, ... starker Mann “, meinte sie süffisant und lächelte immer noch „ Meine Herrin - Aurelia Camilla - wünscht eingelassen zu werden. Sie würde am liebsten ihre Söhne wieder sehen. “ Ihre zarte Stimme durchschnitt die Stille. Sie zeigte dem Sklaven, dass sie ihn gerne wieder sehen würde und etwas mehr Zeit mit ihm verbringen würde.

    Die leicht transparente stola wehte im Wind. Die hellgrüne Farbe passte sich an das strahlende Weiß der Sänfte an. Das aufgestickte Wappen der Aurelier wurde halb durch die elegante Dame verdeckt. Nur kurz hatte man sie in voller Schönheit gesehen. Gleich nachdem sie ausgestiegen war, drehte sie sich wieder um und beugte sich ins Innere der Sänfte, als ob sie etwas vergessen hätte. Zahlreiche Sklaven schwirrten umher. Eifrig machten sie sich daran das Gepäck zu versorgen.


    Nun drehte sich Camilla wieder um und warf einen genaueren Blick auf die villa. Schlicht nach außen hin, und dennoch eindrucksvoll. Der Architekt war wahrlich gut gewählt worden. Ein Blick ihn ihren Augen zeigte ihren Leibsklavinnen, dass es sie fröstelte. Sofort trug Livilla - eine wunderschöne Schwarze aus africa - eine palla herbei und legte sie um die Schultern von ihrer Herrin. Camilla war jedoch noch nicht ganz zufrieden gestellt. Freya - eine unterwürfige Blondheit aus dem kalten Norden - erkannte ihren nächsten Wunsch und hielt Camilla eine kleine hölzerne Schale auf bequemer Griffhöhe. Die anmutige Patrizierin langte zu und genoss das frische Obst aus der Schale. Die Trauben - es war ihre Lieblingssorte aus hispania - bedurften zwar etwas Toleranz um noch als frisch durchzugehen, aber die besaß Camilla im Augenblick.


    Lange hatte sie diesen Augenblick herbeigesehnt, fern von der elenden Einsamkeit auf dem Lande, im Schoß der Familie. Ihre Söhne hatten sie schon vor zu langer Zeit verlassen. Alle wollten sie nach Rom. Ein Beispiel hatten sie sich an ihrem Großvater genommen. Dieser hatte es zu viel gebracht. Zu naiv und gutmütig war Camilla gewesen um ihre Einsamkeit zu ahnen. Sie hatte nie damit gerechnet nur noch von Sklaven umgeben zu sein. Und diese waren meist schlechte Unterhalter.


    Livilla huschte unauffällig derweil zur porta. Obwohl ihr weißes Gewand sich mit der reinen Hauswand glich, fiel ihre schwarze Haut dennoch sofort ins Auge. Deswegen konnte sie Camilla's strengem und kontrollierendem Blick nicht entkommen. Doch davon ließ sich die treue Leibsklavin nicht beirren und klopfte mit ihrer zarten Faust an die prächtige Haustür. Sie strahlte wie ihre Herrin eine unglaubliche Eleganz aus. Sie war mit den Ölen der Herrin gewaschen und duftete dementsprechend. Ein unwissender ianitor würde sie selbst für die Herrin halten.