Beiträge von Caelyn

    Mmmhhh, da duftete es auf einmal so gut! Nach Kuchen. Genauer gesagt, nach Apfelkuchen. Lecker! War schon verdammt lang her, seit ich mein letztes Stück gegessen hatte! Meine Mutter konnte leckere Apfelkuchen backen… Aber das war schon lange, sehr lange her. Besser ich ging weiter, sonst kam ich nur noch auf blöde Ideen! Besser war´s, wenn ich dort hinging, wo sie das Vieh verkauften. Da stank´s einfach nur nach Mist und man kam auch nicht auf dumme Gedanken. Von Aretas war nix zu sehen. Klar doch! Hatte ich was anderes erwartet? Seufzend blieb ich mitten im Weg stehen, was mir prompt ein paar Verwünschungen und Schupser eigebracht hatte, von Leuten, die hinter mir gelaufen waren und jetzt an mir vorbei wollten. Besser war´s ich ging zurück. Genau dann, als ich wieder weiter gehen wollte, bließ mir irgendso ein Kerl ins Ohr und murmelte noch was dazu.
    Sofort wollte ich mich umdrehen und dem Typ eins verklickern. Gut, dass ich diesmal nicht so voreilig war! "Hee, was… ach du bist´s! Ja, salve auch. Ich wollte grade wieder geh´n." Der letzte Satz war mir einfach so rausgerutscht. Aber das machte nichts. Ich strahlte ihn an, als wenn´s sonst nichts mehr gegeben hätte.

    Was sollte ich eigentlich da? Das hatte ich mich die ganze Zeit über gefragt. Eigentlich schon gleich nach Aretas Besuch in er Casa. Echt, warum nutzte ich den Tag nicht für was Besseres? Fragte sich nur, was besser war. Aber mal ehrlich, was wollte ich von einem, der mich beinahe abgestochen hätte, der mich einfach stehen ließ, wenn er keine Lust mehr hatte oder nur kam, wenn er mal wieder nach ´ner Schlägerei zusammengeflickt werden musste und mich dann noch mit seiner Schwester verglich, die, wie er dann auch noch zugab, ´ne echte Nervensäge war. Mann, musste ich bescheuert sein, dass ich wegen so einem alles riskierte und Sermo dann auch noch ´ne Vorlage bot, seine Grausamkeiten an mir auszulassen.
    Trotzdem ging ich zum Markt, weil ich eben bescheuert war und weil mich Sermo mal konnte. Ich hatte keine Sesterze in der Tasche, aber das war nicht weiter schlimm. Sich die Sachen anzuschauen, war auch mal ganz schön. Das meiste Zeug hätte ich mir eh nie leisten können. Das Schmuckzeug da zum Beispiel! Das war viel zu teuer, aber es gab immer wieder Rindviecher, die das trotzdem kauften. Oder dort die feinen Klamotten. Am besten war´s ja, die Leute zu beobachten, die die Kohle hatten und somit Kaufpotential hatten, wie´s so schön hieß. Da zum Beispiel die zwei Schnepfen, die sich gegenseitig erzählten, wieviel Schmuck sie schon zu Hause hatten und dass sie ja eigentlich gar nix mehr bräuchten, aber das… ja das fehlte ihnen noch. Zum schießen war auch das Ehepaar dort. Er, ziemlich fett, schüttere Haare, jenseits der fünfzig und total uninteressiert. Sie, hager, faltig im Gesicht und dauernd nur am rummeckern, besonders an ihm versteht sich. Trotzdem versuchte sie mit allen Mitteln doch ein paar Sesterzen bei ihm locker zu machen, für die sündhaft teure Tunika, die ihr eigentlich gar nicht stand. Als sie ihm mit der Scheidung drohte, willigte er schließlich doch ein.
    Ich ging weiter, sah mich um, nach einem bekannten Gesicht. Nach dem bekannten Gesicht! Aber vielleicht hatte der mich doch schon längst wieder vergessen und war gar nicht da…

    Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem es mir nur noch egal war, was Sermo zu mir sagte und vor allem,wie er es sagte. Er hatte Spaß daran, so mit mir umzugehen. Und wie er das hatte! Ich blieb einfach ruhig stehen und verzog kein Gesicht . Ein kleiner Trost nur, dass ich ihn einige Zeit nicht sehen musste, wenn er in Ostia war. Solange er nicht auf die Idee kam, mich da mit hin zu schleppen, war mir alles recht.
    Seine gewissen Freiheit waren einfach nur lachhaft! Ausgang an Markttagen, na klar, zum Einkaufen! Die Tempel interessierten mich nicht. Wenn ich zu meinen Göttern beten wollte, dann machte ich das wie meine Vorfahren es schon gemacht hatten oder wie ich´s früher auf der Straße gemacht hatte. Zuhause hatten sie eine wie mich auch nicht in ihre dämlichen Tempel gelassen.
    Aber eins wusste schon, dass dies sein voller Ernst war und mir nicht nur Angst machen wollte. Wenn ich hier weiter auf stur machte, kam ich hier nie wieder raus. Das schlimmste für mich war, eingesperrt zu sein in irgendeinem Loch. Aber das band ich ihm besser nicht auf die Nase. Bestimmt würde er´s eines Tages auch spitz kriegen.
    Was ich von Diomedes halten sollte,wusste ich noch nicht. War er Freund oder Feind, der mich ohne mit der Wimper zu zucken verpfiff?
    "Ja.", krächzte ich zu allem. Mir war alles klar. Mir war klar, dass das ein Scheißtag war und dass noch viele folgen würden, besonders dann, wenn Sermo solche tollen Witze auf Lager hatte, über die nur er lachen konnte.

    Ganz ehrlich, dass seine Schwester nur ´ne Stiefschwester war, munterte mich jetzt auch nicht besonders auf. Und da er mir ´ne Antwort schuldig geblieben war, konnte ich mir schon denken, was er wirklich von mir hielt. Verwirrend bloß, als Aretas mir die Haare aus dem Gesicht strich, ´ne Weile nur so da saß und lächelte, aber im nächsten Moment ganz schnell wieder weg musste.
    "Aber… Ja, bis zum nächsten Markttag!", rief ich ihm betrübt hinterher. Warum der´s nur so eilig hatte!



    Der Grieche war Aretas bis zur Tür gefolgt und hatte sie hinter ihm geschlossen. Sein erster Weg war der in die Küche, wo er die neue gallische Sklavin grübelnd vorfand. Ein hämisches Grinsen hätte ihm jetzt nicht gut zu Gesicht gestanden. Die Sklavin trösten, war aber auch nicht seines. Er verlor kein Wort mehr über den fremden Besucher und ihr vorlautes Mundwerk, was Caelyn ihm unter ihrer rauen Schale auch sehr dankte, es aber nie laut zugegeben hätte. "Geh wieder an die Arbeit!", sagte der Alte nur. Und Caelyn spurte.

    Wie hatte ich nur auf einen wie den reinfallen können! Echt, wenn ich gekonnt hätte, ich hätte mir selbst in den Hintern gebissen. Jetzt stand ich erst mal blöd in der Gegend rum, während er saß. Junge Junge, das musste ihm mächtig Spaß machen. Und dann noch das Gesülze, was er vorbrachte. Nee, klar doch, er will mir nichts böses! Nee, wohin denn? Ich seufzte nur leise, auf so ´n Schwachsinn konnte ich auf nüchternen Magen noch nichts sagen. Auf jeden Fall würden jetzt andere Zeiten anbrechen. Und der würde auch nicht so zimperlich mit mir sein, wie Ursus.
    Der Realität hatte ich schon am Abend zuvor ins Auge geblickt, schließlich war ich ja nicht ganz verblödet. Auch wenn er das vielleicht von mir dachte. Logisch, wer tauschte schon freiwillig ´ne Klasse Villa in 1a Lage mit so ´ner vergleichsweisen Bruchbude. Naja, Bruchbude war ja auch nicht ganz richtig. Damit tat ich ihm dann doch unrecht. Das hier war ein nettes Häuschen am Stadtrand, in dem alle Sklaven, in Worten zwei, zusammen in einem Raum schlafen mussten. Bei den Aureliern waren wir wenigstens getrennt, was aber hier wegen der Masse sich einfach nicht lohnte. Ob´s mir hier wirklich besser ging, wagte ich mal zu bezweifeln. Na schön, das hier war eindeutig besser, als ein Verschlag in Augustodunum, wo´s nur was zu beißen gab, wenn man´s vorher geklaut hatte.
    Der absolute Hammer kam aber noch! Ganz zum Schluss, wie die Pointe in ´nem guten Witz! Am Ende winkt womöglich die Freiheit! Ja, laber du schön weiter, dachte ich mir! Auf so ´ne Scheiße fiel ich nicht mehr rein! Trau nur keinem Römer! Das war der beste Rat, den man jemand geben konnte, der neu in der Stadt war. Das waren alles Lügner und Verbrecher! Allesamt! Und dabei war´s Jacke wie Hose ob sie nun Patrizier oder Plebejer waren.
    Wie Sermo mich jetzt anguckte! Meinte er jetzt, ich würde ihm aus lauter Dankbarkeit die Füße küssen, oder was? Nee, das wäre echt das Letzte, was ich machen würde! Wieder sah ich ihn ´ne Weile an, bis ich was sagte. "Na schön! Ich hab ja keine andre Wahl, oder? Aber tu mir einen Gefallen, gib mir keine Versprechen mehr, die du eh nie halten wirst!" Nicht ums verrecken hätte ich jetzt den Blick gesenkt!

    Aha, diese Pandora war also keine Schnepfe, ie ihm schöne Augen machen konnte. Gut zu wissen! Ich vermutete mal, er war in einem guten Haus aufgewachsen, entweder als Sklave oder auch nicht. Woher hätte er die Geschichte denn sonst her haben sollen? Ich tippte eher auf frei geboren. Denn bei ihm war dieses nervige unterwürfige Getue so gut wie gar nicht vorhanden, was ich totalerfrischend fand.


    Mannomann, fing der an zu jammern, als ich loslegte. Da wurde ja die Milch sauer. Naja, das wurde sie auch so, ohne sein Zutun. Ich ließ mich aber davon nicht aus der Ruhe bringen, sonst ging vielleicht noch ein Stich daneben und dann hatte er noch ein viel größeres Problem. "Ach meinste? Aber du bist doch gut. Öhm ich meine als Fahrer, oder? Da wird er dir höchstens ein paar mit dem Stock verpassen oder meinetwegen auch mit der Peitsche, na und?!" Na klar, mir tat´s ja dann auch nicht weh!
    "Jetzt krieg dich mal wieder ein und red von was anderem!" Wenn er schon mal hier war, dann sollte er hier nicht seinen ganzen Frust bei mir abladen. Mich hätte es viel mehr interessiert, was mit seiner Schwester war! Wenigstens erinnerte er sich dran, das da noch was war, was er erzählen wollte. Seine Schwester musste ja echt ´ne totale Nervensäge sein! Öhm was, ich sei genauso wie sie? Das hatte er doch noch kurz vorher gesagt.
    „Na dankeschön!“, sagte ich für dieses nette Kompliment! Kein Wunder, dass der es sich mit jedem versemmelte! Aber irgendwie passte der zu mir. Ja ja, jetzt versuchte er sich noch schnell aus der Schlinge zu ziehen, von wegen, ich sei gar nicht so schlimm. Dafür gab ich mir beim letzten Stich besonders viel Mühe.
    "So, jetzt aber! Na, sieht doch gar nicht so schlecht aus!" Ich war richtig stolz auf mein Werk. Der arme Kerl war bestimmt froh darüber, dass ich ihn aus meinem Klauen entließ.
    Dann sah ich ihn eine Weile einfach nur so an. "Bin ich wirklich so schlimm?", fragte ich. Ich meinte es ernst mit der Frage, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich auf die meisten Typen, die mit mir zu tun hatten, abstoßend und grob wirkte. Was aber bestimmt nicht meine Absicht war. So war ich halt, so hatte mich das Leben geformt.

    Der Alte schob mich vor sich her und ich ließ mich schieben. Die Nacht war furchtbar gewesen. Das sah man mir auch an. Ich hatte mich in den Schlaf geheult und mitten in der Nacht auch noch ´ne Schale kalten Puls verdrückt, der den Rest der Nacht mit mir erzählt hatte, so dass ich das mit dem Schlafen knicken konnte. Erst heute Morgen, kurz bevor es hell wurde, hätte ich wieder schlafen können. Dann kam aber Diomedes und schmiss mich aus dem Bett. Dafür und auch weil er schnarchte, wie ein Holzfäller, hätte ich ihn echt kaltmachen können, wäre ich in besserer Stimmung gewesen.
    Das war aber alles nichts gewesen, gegenüber dem, was jetzt noch kommen sollte. Der Grieche ließ mich doch jetzt tatsächlich mit diesem Ekelpaket alleine stehen. Na Klasse!
    Nachdem ich ein Türklicken gehört hatte, sah ich verstohlen auf. In meinem Gesicht war nichts mehr übrig von der Aufmüpfigkeit des vorigen Tages. Ich war müde und einfach nur ernüchtert. Eigentlich hätte ich mich ja über mich selbst ärgern können, denn ich hatte mich mal wieder selbst in die Scheiße geritten.
    Da saß er jetzt und sagte nix. Und ich? Ich sagte auch nix, was aber auf die Dauer ganz schön blöd war. Irgendwas musste ich doch sagen! Oder er. Aber er sagte nix. Na dann! "Morgen!", brummte ich dann. Ich hätte auch noch Schicke Toga sagen können, wenn man so was denn schick fand. Aber das schenkte ich mir. Denn Speichel lecken fand ich nicht so prickelnd.

    Öhm, wie bitte? Was? War ich was gewesen oder hatte das jemand anders gesagt? Ich wurde ganz rot im Gesicht, erst recht als Aretas dann auch noch mal nachfragte. So was sagte man doch nicht zu´ nem Kerl! Außer wenn man… öhm wenn… ach Mist!
    "Na, is wenigsten ein bisschen Abwechslung, wenn du da bist. das meinte ich." Gut, wenn man schnell ein paar Ausflüchte fand, die auf der Zunge so rumlagen. "Und wer is eigentlich diese Pandora?" Na sag mal, war ich etwa eifersüchtig auf irgendso ´ne Kuh, namens Pandora? Mist, alle Typen, die ich traf hatten schon ´ne andere oder liebten mich aus Prinzip nicht! Aber wieso kam ich eigentlich drauf, dass ich ihn liebte oder er mich? Später müsste ich mir echt ernsthafte Gedanken über meine Wortwahl, aber noch viel mehr über meine Gefühle machen müssen.
    Das mit dem Nähen war so´ne Sache. Wenn ich eins hasste, dann war das nähen. Damit konnte man mich jagen! Aber hier wurde nach meinem Talent gefragt, was eigentlich so gar nicht vorhanden war. Aber von Frauen verlangte man einfach, dass man´s konnte.
    "Na klar kann ich nähen!" Ich stand auf, ging an ein Regal und holte ein Kästchen hervor – richtig, ein Nähkästchen!
    "So, jetzt pass mal auf!" Ich hatte nach mehreren Versuchen endlich den Faden auf die Nadel eingefädelt. Jetzt konnt´s los gehen. "Entspann dich, mach dich locker!" Das waren nur drei vier Stiche. Hoffentlich tat´s nicht zu weh!
    "Wie meinsten das, wenn du den Tag überlebst?" Jetzt grinste er auch noch. Ich fand so Sprüche gar nicht lustig!
    "Deine Schwester? Du hast ´ne Schwester? Is sie auch hier?" Irgendwie musste ich jetzt wieder an Louan denken. Mein Bruder war schon fast zwei Jahre tot.

    Und dann begann der Typ, (Mist, ich hatte schon wieder vergessen, nach seinem Namen zu fragen!) zu erzählen. Beinahe dachte ich, der hört gar nicht mehr auf. Ich blickte es erst gar nicht, wovon er redete. Gewaltfreier Ort, gab´s denn so was? Wo man nur hinsah, schlugen sich die Leute die Köppe ein, entweder mit Muskelkraft oder mit der Kraft ihrer Zunge. Naja, egal auch. Dann fiel mir wieder ein, was ich vor einigen Tagen auf der Straße gehört hatte. Da waren ziemlich viel Leute, die wegen irgendwas total sauer gewesen waren. Ich hatte mich nicht dran stören lassen. Aber das, was er so erzählte, passte da gut dazu.


    "Ach echt, sie is die Frevlerin? Alter, das solltest du nicht zu laut sagen, sonst machen sie aus deiner Herrin Hackfleisch und aus dir auch noch dazu." Das war, glaub ich, ein guter Rat, dem man ihm mitgeben konnte, denn die Römer verstanden keinen Spaß, wenn man´s sich, absichtlich oder auch nicht, mit ihren Göttern verscherzte.
    Die Namen die er noch nannte, kannte ich gar nicht. Waren wahrscheinlich Neuanschaffungen gewesen, nach meiner Zeit. Aber bevor ich noch was sagen konnte, stand da plötzlich eine von den Aurelierinnen hier. Wo die bloß hergekommen war! Zum Glück hatte sie mich nicht erkannt, ich aber sie! Damit das auch so blieb, leitete ich mal ganz schnell den Rückzug ein. "Jo, dann mach´s mal gut! Ich muss weg!" Tja, und damit war ich dann auch weg.

    Na sowas! Der Kerl war betrübt, weil er nix zu tun hatte! Also ehrlich, mir hätte sowas nicht passieren können! Aber gut, von mir auf andere zu schließen, wär vielleicht etwas zu vermessen gewesen. Man brauchte sich ja nur mal Diomedes anzuschauen. Der würde garantiert auch krepieren, wenn er nicht mehr putzen und abstauben durfte.
    Der letzte Satz aber ließ mich aber wieder hellhörig werden "Jetzt lass mal den Kopf nicht hängen! wenigstens haben die dir Ausgang gegeben. Ist doch auch schön, oder? Aber sag mal, was ist denn eigentlich vorgefallen?" Man hatte ja so einiges gemunkelt über die Flavia, als ich noch in er Villa gewohnt hatte. Genaues wusste ich aber nicht und eigentlich war´s mir auch ziemlich egal! Eigentlich hätt ich viel lieber gewußt, was Ursus so machte. Aber ich traute mich natürlich nicht zu fragen. Wenn der nämlich erzählt hätte, wie gut es ihm und ihr ging, hätte ich mich wieder total beschissen gefühlt. Also ließ ich es einfach sein.

    Logisch, der Alte musste mal wieder den Aufpasser spielen! Als Aretas ihn was fragte, schaute ich automatisch zu Diomedes, denn mich interessierte das auch brennend. Dummerweise kriegte ich dann nicht mehr mit, was meine Hände da Aretas Wunde machten. "Du wirst uns doch nicht verpfeifen, oder?" Das wäre ja noch besser gewesen. Eigentlich war der Grieche ja ganz verträglich. Mich nervte nur, dass er Sermo jedes Mal beinahe hinten rein kroch.


    Diomedes zeigte sich unbeeindruckt von Caelyns Besuch. Er hatte schließlich das Recht, hier zu sein. Ganz im Gegenteil zu diesem Aretas. "Uns?", fragte er ganz trocken. "Es gefällt mir nicht, welche Leute du mit ins Haus schleppst, Caelyn. Und ausgerechnet dann, wenn der Herr nicht da ist. Das meinte ich. Während seiner Abwesenheit habe ich für die Ordnung im Hause zu sorgen."


    Jaja, na klar! Das musste ja jetzt kommen! "Oh, ´tschulige! Jetzt sei mal nich so wehleidig! Bist doch´n Kerl, oder?" Echt! Rumkloppen konnte er sich, aber hinterher rumjammern. Jetzt flennte er auch noch, weil die Wunde genäht werden musste. "Na, hast du ´ne bessere Idee?" Wieder schaute ich zu Diomedes rüber, dann zu Aretas, der erzählte, wie es zu der Schlägerei gekommen war. Na toll, der saß jetzt richtig in der Scheiße. Und dann nickte Diomedes auch noch, als Aretas sagte, er müsse wieder gehen. Da platzte mir aber echt der Kragen! "Jetzt mach dir mal nicht ins Hemd! Ich pass schon auf ihn auf. Also, du kannst ruhig gehen! Bitte!" Endlich ging der Grieche, vorher verzog er aber noch beleidigt sein Gesicht.


    "Der Alte nervt manchmal total!", sagte ich zu Aretas, der anscheinend glaubte, ich sei ´ne durchgeknallte Furie, die über ihn herfallen würde, weil er mit leeren Händen gekommen war. "Ist nicht schlimm, wegen dem Geschenk. Ich krieg sowieso nie was geschenkt." Und wenn doch, dann verlor ich es oder machte es kaputt. "Dass du hier bist, ist ein Geschenk!"

    ..., hätt ich Kuchen gebacke. Nee lass, mal. Mit Backen und so, hatt ichs nicht so. Aber da waren nur die Rezepte dran schuld!


    Ich hatte Aretas mit in die Küche genommen, noch bevor Diomedes was sagen konnte. Er trottete uns schließlich hinterher, sagte aber nichts mehr, sondern guckte nur noch zu, was wir machten.
    Aretas sah echt schlimm aus! Ob ihm das bei so ´nem Rennen passiert war?
    "Hey, echt schön, dass u mich mal besuchen kommst! Aber jetzt sag schon, was ist denn los gewesen? Hat dir einer die Fresse poliert oder ist das vonden Pferden?" Oder war er jetzt doch abgehauen, weil er vielleicht herausgefunden hatte, dass sein Herr ihn doch nicht frei ließ nach viermal gewinnen.


    "Der junge Mann sagte, er solle dir etwas überbringen.", warf Diomedes plötzlich ein. Der Alte hatte sich keinen passus von der Küchentür wegbewegt. Er stand immer noch da und beobachtete uns.
    "Ach echt? Du hast was für mich?", fragte ich Aretas ganz überrascht. "Was denn?" Auf Geschenke war ich schon immer scharf gewesen!
    Mit ´nem feuchten Tuch wischte ich ihm erst mal das Blut weg. Das war schon etwas eingetrocknet, aber es kam immer noch neues Blut nach. So´n Mist! Am besten, die Wunde wurde genäht. Das würde sonst nie von allein aufhören. "Hör mal, die Wunde da am Auge. Ich glaub, die muß genäht werden." Ob man sich das auch selber machen konnte? Ach nee, ich ahnte es schon! Das blieb wieder an mir hängen!

    Der junge Mann holte einen Lederbeutel aus seiner schäbigen Tunika hervor, die schon einiges abbekommen hatte, von der Schlägerei wahrscheinlich. Besonders informativ fiel seine Antwort nicht aus, was Diomedes gar nich zufriedenstellen konnte. Weder seinen Auftraggeber noch was er für die Gallierin abgeben sollte, gab er preis. Und dann auch noch der dubiose Hinweis auf seinen Kopf, mit dem er angeblich haftete und der ohnehin schon angeschlagen war, bewogen den Griechen dazu, diesem Kerl einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen.


    "Aretas!" Ich konnt´s ja kaum glauben! Er war´s wirklich! Und er wollte zu mir! Oder weswegen stand er da an der Tür und laberte dem Alten was vor? Ich ließ alles stehn und liegen. Schnell, bevor Diomedes ihm die Tür vor der Nase zuknallte!
    "Oh Scheiße! wie siehst du denn aus? Wer hat dich denn so zugerichtet?"Diomedes mochte es nicht, wenn ich so böse Schimpfwörter in den Mund nahm. Jetzt aber guckte er ganz schön dumm aus der Wäsche. "Ihr kennt euch? Du und dieser… Mann? Wenn das unser Herr wüsste!"
    "Brauchst ihm ja nicht auf die Nase zu binden! Komm jetzt lass ihn endlich rein! Siehte nicht dass der blutet wie Sau?" Ich wartete erst gar nicht, bis der olle Grieche richtig schaltete. Vor seiner Nase zog ich Aretas einfach zur Tür rein. "Komm mit in die Küche. Wir müssen dich ja erst mal versorgen, so wie du aussiehst!"

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    Diomedes



    Skeptisch schauend, hörte sich der Sklave an, was der abgerissene junge Mann zu sagen hatte. Eine Schlägerei? Also doch! Das hörte sich gar nicht gut an. Gerade heute, da der Herr nicht zu Hause weilte, wollte er sich keinen Ärger einbrocken. Und als er zu verstehen begann, dass Caelyn mit ihm Spiel war, begannen alle Signalglocken in seinem Kopf zu läuten. Die Gallierin, die der Herr vor einger Zeit angeschleppt hatte, machte nur Ärger!
    Hin und her gerissen, was er nun tun sollte fragte er: „Du sollst etwas für eine Caelyn abgeben? Wer ist denn der Absender, wenn ich fragen darf?“ Diomedes wollte unbedingt auf Nummer sicher gehen, bevor er sich noch mehr Ärger ins Haus holte, ausgerechnet heute, da… ja ja, genau, da der Herr nicht zu Hause weilte.

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    Diomedes


    Der alte griechische Haussklave Diomedes eilte zur Tür, als er das Klopfen vernahm, nichtsahnend was ihn dort erwarten sollte. Der Herr weilte an diesem Tag wegen geschäftlichen Dingen in Ostia.
    Als er die Tür öffnete, erschrak er zunächst. Der junge Mann der dort stand, sah furchterregend aus: blutverschmiert, schmutzig, einen dreckigen Lappen an seine Stirn pressend.
    "Was kann ich für dich tun?", fragte er vorsichtig, noch unschlüssig, ob er es mit einem gemeinen Bettler zu tun hatte oder mit einem Boten, der "zufällig" in eine Schlägerei geraten war.

    Irgendwie war was faul an dem Typ. So kam´s mir jedenfalls vor. Entweder hatte er die letzte Nacht durchgemacht und war jetzt nicht mehr richtig ansprechbar oder er hatte große weltbewegende Entscheidungen zu treffen, die jetzt seine ganze Aufmerksamkeit forderten. Na, egal! Eigentlich war ich ja nur auf´n paar Neuigkeiten von den Aureliern aus. Ich hatte schon lange keinen mehr aus der Villa getroffen, den ich kannte. Nur wollte ich dem Kerl jetzt auch nicht unbedingt auf die Nase binden, wer ich war. Nämlich dann würde es garantiert schnell die Runde machen, dass es Caelyn mal verkackt hatte. Alles und zwar gründlich.
    „Ach echt?“, machte ich. Dabei sah ich mich nach ner Sänfte oder wenigstens nach seiner Herrin um. Aber Fehlanzeige, hier war weit und breit keiner außer uns. „Hast sie wohl verloren, deine domina, was? Oder haste heut Freigang?“ Der Kerl konnte einem sowieso schon leidtun, wenn er Eigentum von der ollen Flavia war. Zum Glück hatte ich mit der nie viel zu tun. Aber von ihr gehört hatte ich schon viel.

    Er brachte mich wieder zum grinsen. Das Hühnchen wurde ich bei ihm garantiert nicht mehr los. Na, auch nicht schlimm! Hühnchen war zehnmal besser als blöde Kuh, oder sowas.
    Aretas schnitt sich ´ne Strähne ab und band ein Lederriemchen drum. "Gern gescheh´n!" Wenn´s sonst nichts war! Vielleicht gewann er ja damit. Dann war er seinem Traum wieder´n Stückchen näher. Jedenfalls so lange, wie ihn sein Herr im glauben ließ, ihn nach dem vierten Sieg frei zu lassen.


    Was aber dann kam, haute mich richtig um. Er wollte, das ich ging! Ich sollte jetzt geh´n, damit ich keinen Ärger kriegte. Deswegen auch die Strähne! Mit meinen großen Augen sah ich ihn an. Das konnte er doch nicht ernst gemeint haben! Oder doch? Kleines Hühnchen und wir können uns ja mal wieder sehen. Na klar, wer´s denn glaubte! Er nahm mir´s also doch übel, dass ich blöder Arsch zu ihm gesagt hatte. Na bestens, mal wieder alles versiebt! "Aber warum? Ich hab doch gesagt, ich kann bleiben. Und wenn nicht, is es auch nicht schlimm." So´n Mist, mir kamen schon die Tränen!
    Aretas nahm mich wieder an die Hand und ging zurück in den Hauptgang. Es half alles nix. Er wollte mich los werden. Ich fühlte mich so hilflos und fehl am Platz. "Ja, sicher!",sagte ich gedrückt. Aber irgendwie konnte ich nicht gehen, sondern starrte stattdessen auf meine blöden Sandalen, die vom Staub total dreckig waren.


    "Na dann mach´s gut!" Ich schniefte und wischte mir ´ne Träne aus den Augen. Dann ging ich.
    Nachdem ich ein paar schritte gegangen war, dreht ich mich noch mal um. Er war noch da. "Casa Quintilia, Vicus Longus, das is auf´m Viminal, " rief ich ihm noch zu. Dann ging ich. Irgendwie glaubte ich nicht dran, ihn nochmal wieder zu sehen.

    Gemächlich latschte ich so durch die Gegend. Ich wollte noch nicht wirklich nach Hause. Daheim sterben die Leute, sagte ein altes Sprichwort aus meiner Heimat. Und da war irgendwas dran! Ja, seitdem die blöden Römer Gallien besetzt hielten und nur noch Recht und Ordnung herrschte, gab´s nicht mehr viele Möglichkeiten. Entweder man starb im Bett oder am Kreuz, wenn man was ausgefressen hatte. Ich war da aber ´ne Ausnahme. Mich hatten sie irgendwie verschont. Weshalb, das wußte nur der Henker.


    Naja, wie auch immer, ich latschte durch diese Gasse. In meinem Kopf geisterte immer noch den Typ rum, den ich letztens kennengelernt hatte. Am besten, ich vergas den ganz schnell wieder. So Typen wie der machten doch bloß Ärger! Überhaupt machten alle Kerle nur Ärger. Scheiß Kerle, echt!
    Zufällig fiel mir ein anderes männliches Exemplar der Gattung Mensch ins Auge, als ich mich gerade nach dem Weg umsehen wollte. Mist, schon wieder hatte ich mich verlaufen! Scheiß Stadt!
    Irgendwie kam mir der Typ bekannt vor. Den hatte ich schon mal gesehen! „He, dich kenn ich doch! Bist du nicht einer von den Aureliern? Ich meine, ein Sklave von denen, oder so?“ Keine Ahnung, warum ich immer wildfremde Kerle ansprechen musste! War irgendwie ´n Zwang. Wie gesagt, die machten immer nur eins, genau: Ärger. Und der zog mich immer magisch an.

    Junge, hatte der´s aber eilig! Ich kam kaum nach. Unterwegs klärte er mich mal wegen dem Messer auf. Jetzt raffte ich erst, dass Rennen fahren doch ´ne ziemlich gefährliche Sache war, wenn dich die Pferde einfach so umbringen konnten. Ich wollte nicht wissen, wie´s war, wenn man von so ´nem Gaul zu Brei getrampelt wurde. Und noch was kriegte ich mit, nach dem vierten Sieg sollte er also freigelassen werden. Na klar, das hatten sie ihm erzählt, damit er sich noch ein bisschen mehr anstrengte. Wenn er dran glaubte! Ich hatte es jedenfalls aufgegeben, auch nur noch einem Römer zu trauen.
    "Echt? Ach komm, die lassen dich dann frei? Na dann mal toi toi toi!" Oh scheiße, hatte ich jetzt was falsches gesagt, oder was? Oder warum zog mich Aretas jetzt in ´ne leere Box und bedrohte mich mit seinem Messer? Ich hatte ganz schön die Hosen voll. Mist, so aufgeschlitzte Kehlen kamen gar nicht gut!
    "He, ganz locker, Mann! Ich hab´s nicht so gemeint. Na klar lassen die dich frei!" Ich petzte die Augen zu, als er noch näher an mich ran kam und dann das Messer hob. Gleich wird´s eklig, dachte ich.
    Aber im nächsten Moment kam ich mir schon wieder wie der größte Depp vor, als er mich nämlich fragte, ob er ´ne Haarsträhne von mir haben könnte. "Du blöder Arsch! Hast du mich vielleicht erschreckt!" schrie ich, als ich meine Augen wieder aufgemacht hatte. Aber frag mich einer warum, ich konnte dem kerl nicht lange böse sein. "Na gut, aber nur eine!" Es gab ja genug bekloppte Römerinnen, die scharf auf so blondes Haar waren, wie meines, um sich daraus ´ne Perücke häkeln zu lassen. Aber dass jetzt auch schon Wagenlenker dahinter her waren, war mir echt neu.