Na los! Schlag doch! Schlag doch endlich zu! Ich wollte es ihm trotzig entgegen schreien, als er seine Faust zu ballen begann. Aber ich tat´s dann doch nicht, weil ich es auf einmal mit der Angst zu tun bekam. Der Kerl war doch viel stärker als ich. Gegen den hatte ich doch überhaupt keine Chance. Na toll, ich hatte mich mal wieder richtig in die Scheiße geritten, so wie ich es immer machte, wenn ich was anfing. Dafür hatte ich ´ne besondere Begabung. Egal ob ich auf Arbeitssuche war und in ´nem Puff gelandet war oder ob ich abgehauen war und bei diesem Mistkerl gelandet war, der jetzt auch noch das verbriefte Recht hatte, noch alles Mögliche mit mir anstellen zu können, bis ich endlich mein beschissenes Leben hinter mir hatte. Und eins war sonnenklar dabei, diesmal kam keiner vorbei, der mich mal schnell aus dem Schlamassel rettete. Weder mein Bruder, noch Ursus, noch sonst wer.
Komisch, irgendwie schlug er gar nicht zu! Damit verwirrte er mich total. Meine Angst wuchs, weil er dadurch so unberechenbar wurde. Wahrscheinlich wäre zuschlagen, die weitaus humanere Strafe gewesen, die mich erwartete, als dieses zögerliche Getue. Oh Mann, ich hielt das nicht mehr lange aus. Mein Herz überschlug sich gleich mein Atem zitterte. Na los, schlag doch endlich! Wie lange willst du mich noch quälen?
Er schlug nicht. Er machte überhaupt nichts. Außer dass er mich los ließ. Ihm musste das richtig schwer gefallen sein. Zumal meine Spucke immer noch in seinem Gesicht hing. Echt eklig!
Aber noch glaubte ich nicht, dass es vorbei war. Irgendwas kam jetzt noch. Irgend so eine miese Tour würde er mit mir noch abziehen. Fragte sich nur wann? Irgendwie kam er nicht in die Pötte. Anscheinend kämpfte er mit sich. Mannomann, was für ´ne Körperbeherrschung. So was müsste mir mal passieren!
Er atmete tief durch. So wie einer, der wieder die Gewalt über sich hatte. Jetzt würde er nicht mehr zuschlagen. Jetzt nicht mehr. Etwas fiel von mir ab, irgendwas schweres. Etwas was so schwer war, dass mir beinahe schwarz vor Augen geworden wäre.
Ich zuckte zusammen, als er was sagte. Er war ganz ruhig, aber seine Stimme hatte so was ungewohnt raues. Ins Servitricium gehen - ich - ja, das war wohl das Beste. Bis ich mich wieder beruhigt hatte - ja. Und dann? Dann ließ er mich doch nicht gehen, oder?
Plötzlich erschien Diomedes wieder. Ich konnte mir schon denken, dass er alles mitgekriegt hatte. Ich hatte ja auch laut genug geschrien. Und Sermo auch. Der Sklave spurte sofort. Wieder einer, der mir auf penetrante Weise vor Augen hielt, wie man sich richtig als Sklave zu verhalten hatte. Scheiße Mann, irgendwann würde ich wie er sein. Oder so wie Cimon. Irgendwann, wenn das letzte Flämmchen Freiheitsmut erloschen war.
Diesmal machte ich keine Zicken mehr. Ich ging mit Diomedes, ohne dass er mich zerren oder schupsen musste und ohne dass ich mich noch einmal nach Sermo umdrehte . Jetzt merkte ich, dass ich dieses Spiel niemals gewinnen konnte.
Diomedes brachte mich in einen kleinen Raum, in dem sich zwei bis drei Leute ihren Schlafplatz teilen konnten. Einer der Plätze war bereits in Beschlag genommen. Das musste Diomedes Lager sein. Mir machte es nix aus, mit ihm in einem Raum zu schlafen, solange er seine Finger bei sich behielt. Ohne lange zu überlegen, welche Schlafmatte denn die bessere sei, hockte ich mich auf eine der beiden noch verbliebenen und sah noch, wie der Sklave die Tür schloss. Er schloss sie nicht einfach nur. Er verriegelte sie auch, um sicher zu gehen, dass ich nicht einfach in der Nacht abhaute.
Kaum war ich allein, begann ich zu heulen. Mein ganzes Unglück wollte auf einmal aus mir herausspringen. Ales war schief gegangen. Ich hatte mich sogar noch tiefer in die Scheiße hineingeritten. Alles, worauf ich gehofft hatte, war auf einmal unerreichbar geworden. Augustodunum würde ich nie wieder sehen.
So verzweifelt war ich schon lange nicht mehr. Damals, als Louan gestorben war. Ja, damals. Als dieser Dreckskerl ihn abgestochen hatte. Ich hatte ihn dann gewaschen, nachdem man ihn in die Villa Aurelia gebracht hatte. Die Nacht bevor sie ihn dann auf ´nem Scheiterhaufen vor der Stadt verbrannten, hatte ich bei ihm gelegen. Louans Körper war so furchtbar kalt gewesen. Aber ich wollte nicht loslassen. Er sollte noch nicht gehen. Jetzt noch nicht. Damals hatte ich es schon geahnt, als der Scheiterhaufen in Flammen aufging, dass ich von nun an allein war. Das es nie wieder jemanden gab, der mich so lieben könnte, wie mein Bruder mich geliebt hatte. Und ich sollte Recht behalten! Jetzt war ich verraten und verkauft und meine Freiheit konnte ich mir erst mal abschminken. Dabei wäre ich doch so gerne nach Hause gegangen, nach Augustodunum.
Augustodunum! - Scheiß drauf! Mal ganz ehrlich, was hätte ich da denn noch gewollt? Da gab es doch keinen mehr, zu dem ich hätte gehen können! In Nullkommanix wäre ich wieder auf der Straße gelangt. Dann hätte es nicht mehr lange gebraucht, bis ich wieder mit dem Klauen angefangen hätte. Diesmal hätte wahrscheinlich keiner mehr mit mir Mitleid.
Also, dann war doch Rom gar nicht so schlecht. Und vielleicht war Sermo gar kein so schlechter Kerl. Er hatte mich zwar gelinkt, aber er hatte mich nicht verprügelt, obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte. Wenn ich mich jetzt nicht total blöd anstellte, konnte das doch noch was werden. Ach was sollte das werden. Er hatte doch klipp und klar gesagt, er wäre jetzt mein neuer Besitzer. Also nicht der, der sich zu sich geholt hatte, weil er mich mochte.
Mein Bauch knurrte. Ich hatte Hunger. Aber hier gab es nichts, was man hätte essen können, außer man war vielleicht ´ne Kakerlake oder so was. Früher hatte mir so was nicht viel ausgemacht. Da konnte ich auch mal zwei Tage ohne Essen auskommen. Aber in den letzten Jahren hatte ich immer mein Geregeltes. Da sah man mal wieder, wie verweichlicht man wurde, wenn man im Schatten der Herren lebte.
Irgendwann wurde mir klar, dass es nichts brachte, wenn ich mir weiterhin selbst leid tat. Und dann schlief ich ein.
Mitten in der Nacht wurde ich von einem lauten Geschnarche aus dem Schlaf gerissen. Ich war längst nicht mehr allein. Diomedes hatte sich irgendwann schlafen gelegt und oh Wunder, neben meiner Schlafmatte ertastete ich ein Schälchen mit Puls. Der Puls war nicht lange in dem Schälchen. Mit meinen Fingern löffelte ich ihn und verschlang ihn. Ich leckte sogar die Schüssel aus, damit auch ja nichts übrig blieb.
Ich hatte zu hastig gegessen. Jetzt lag mir der Brei wie ein Stein im Magen. Na toll, das war´s dann mit schlafen.