Beiträge von Caelyn

    Die kühle frische Nachtluft hatte es mal wieder gezeigt, wie betrunken ich wirklich war und nicht nur ich! Sermo stand mir da in nichts nach. Schade eigentlich, so´n paar Schluck Cervisia hätte ich schon gern mitgenommen! Dem Alkohol aber noch länger nachzutrauern wäre reine Zeitverschwendung gewesen, denn hey, ich war nicht mehr allein! Sermo war bei mir. Nicht genug, dass er seinen Arm um mich gelegt hatte, zwischendrin küssten wir uns auch, nachdem wir viel gelacht und jede Menge Blödsinn gemacht hatten. Irgendwie hatten wir uns gesucht und auch gefunden. Und wir wollten beide das gleiche, das war unschwer festzustellen.


    Irgendwann standen wir vor einem Haus. Aha, da wohnte er also! Die Hütte war natürlich nicht mit dem Protzkasten der Aurelier zu vergleichen. Wie es von Innen aussah, musste ich meiner Fantasie überlassen, denn es war dunkel und Sermo hatte es jetzt echt eilig. Er zog mich durchs halbdunkle Atrium, ´ne Treppe hinauf, Tür auf, Tür zu und zack, da waren wir.
    Zum umschauen blieb wenig Zeit, in besagter Höhle des Löwen. Ich grinste zurück. "Ohweia, muss ich jetzt Angst haben, dass du mich in Stücke reißt?" Naja, in Stücke riss er mich nicht. Er war sogar ganz vorsichtig dabei, als er die beiden bronzenen Fibeln, die auf meinen Schultern ruhten, öffnete, damit meine Tunika am Rücken langsam herunterrutschte. Das Vorderteil wurde noch etwas länger oben gehalten, einfach deshalb, weil wir so dicht zusammenstanden.
    Meine Finger machten sich auch an die Arbeit. Zum Glück hatte ich ja reichlich Erfahrung darin, wie man Männer gekonnt auszieht. Was ein Glück trug er nicht so´ne unnütze Toga! Sonst hätte ich ihn erst auswickeln müssen.
    Nicht lange, und wir standen uns nackt wie seine und meine Götter uns geschaffen hatten, gegenüber. Ich liebte es, wie er mit seinen Händen meinen Körper erforschte und tat es ihm gleich. Ich zitterte vor Verlangen. Komisch, dass ich dabei ständig an Ursus denken musste! Oh Mann, konnte der mich selbst jetzt nicht in Ruhe lassen!

    Noch´n bisschen, noch´n bisschen und jetzt! Er war mir noch ein Stückchen entgegengekommen. Dann trafen sich unsere Lippen. Oh Mann, das Rudel Schmetterlinge in meinem Bauch begann Amok zu laufen. Dem flüchtigen Kuss, der schon mal ein kleiner Vorgeschmack sein sollte, was der Junge zu bieten hatte, folgte ein richtig intensiver. Und ich zeigte auch, was in mir steckte. Wenn ich nicht aufpasste, verknotete sich meine Zunge mit seiner. Junge, Junge, das hatte echt was! Naja, und weil ich ja schon so meine Erfahrungen mit den Typen gemacht hatte, wenn man da nicht ständig auf der Hut war, machten sie sich auch ganz schnell wieder aus dem Staub. Damit mir diesmal so was blödes nicht wieder passierte, legte ich mal vorsorglich meine Arme um ihn. Sicher ist sicher!
    Jammerschade, als er aufhörte, mich zu küssen! Dafür sah er mich so an, als wolle er mehr als nur das. Da war er nicht alleine! Der Alkohol in meinem Blut und der Schmerz in meinem Herz taten ein übriges, weshalb ich nicht so abweisend war, wie sonst, wenn mich ein Kerl anmachte. Lachend meinte ich: "Wenn du wüsstest, was so alles in Keltinnen an sich steckt!" Dann wich mein Lachen. "Zu dir oder zu mir?" Blöde Frage! Zu mit ging ja wohl schlecht. So ´ne Nacht im Sklavenquartier war nicht besonders prickelnd. "Öhm, bei mir is momentan schlecht! Geh´n wir zu dir?"

    Echt, der Kerl hatte was! Todesmutig pfiff er die Kellnerin zurück und änderte die Bestellung. Die war natürlich alles andere als begeistert. Tja, aber so war eben das Leben! Aus Wein wurde Cervisia. Klasse, und das war ein Römer! Ich war schon drauf und dran, meine Meinung über die römischen Trinkgewohnheiten gründlich zu überdenken.
    Für Sermo war das dann ´ne Premiere, gestand er mir. Ich war ja mal gespannt, ob ihm das Zeug munden würde. Die Römer warn ja in der Beziehung manchmal richtig komisch drauf.
    "Klar, einmal is es immer das erste Mal." Jetzt zwinkerte er mir auch noch zu. Das war ja ein richtig schnuckliges Kerlchen, was mich da aufgegabelt hatte. Mit so einem machte ´ne Fluch gleich noch viel mehr Spaß. Apropos Flucht, oh Kacke! Wenn die in der Villa merkten, dass ich gar nicht mitgekommen war, dann öhm, dann hetzten die mir doch garantiert die blöden Vergiles auf den Hals. Für ´nen kurzen Moment wich das Grinsen aus meinem Gesicht. Aber es kam schnell wieder, denn mal ganz ehrlich, wer sollte mich denn schon groß vermissen? Und wenn ich mit dem Süßen hier irgendwann fertig war, konnte ich immer noch ganz entspannt nach Hause gehen. Oder auch nicht.
    Meine Bedenken überspielte ich ganz einfach. Sermo musste das ja nicht wissen, dass ich ´ne Sklavin war. Was er nich weiß, macht ihn nich heiß. Öhm genau heiß! Wieso war´s denn auf einmal so heiß hier drin? Ich hatte doch noch gar nix getrunken. Das warn seine blauen Augen und der Spruch, den er abließ. Er nannte mich Schätzchen. So hatte mich noch nie einer genannt. Und wenn das einer getan hätte, dann hätte derjenige meine Faust in seinem Gesicht wiedergefunden, oder zumindest den Abdruck derselben. Nicht so bei Sermo. Ich war grade in der Stimmung, von ihm Schätzchen genannt zu werden.
    "Das hast du schön gesagt, Süßer!" Irgendwie, ich konnt´s mir auch nicht erklären, näherte sich mein Gesicht seinem. Und dann war da auch noch das Kribbeln in meinem Bauch, als wenn da´n ganzes Rudel Schmetterlinge drin rumflatterte.

    Komisch, auf einmal war auf der Bank viel weniger Platz. Na, das lag bestimmt am Alkohol, da verschätze man sich eben manchmal. Aber macht nix! Er reichte trotzdem für uns beide. Da musste man einfach ein bisschen näher zusammen rücken. Mir machte das gar nichts aus. Ich fand´s sogar ganz nett. Den Typ neben mir kannte ich ja nicht wirklich und wenn der morgen sowieso wieder weg war, musste ich mir wegen ihm auch keinen Kopf mehr machen. Das war eh das Beste, wenn man sich nie mit ´nem Kerl auf was Richtiges einließ. Dann tat´s auch nicht weh, wenn er dann plötzlich ankam und dir sagte, so das war´s dann Schätzchen! Scheiß Kerle, echt!
    Ab jetzt machte ich´s einfach auch so wie die meisten Typen, mitnehmen, was geht und genießen. Wenn das Sermo so oder so ähnlich sah, dann hey Mann, willkommen im Club!


    Als die Bedienung mit Sermos Bestellung schon längst weg war, wurde es ein bisschen still. Er sagte nichts, ich sagte nichts, sondern grinste nur blöd. Was sollte ich auch anders machen? Meine Frage wegen seinem Bruder hatte er entweder vergessen oder vielleicht wollte er auch nicht drauf antworten. Ich hatte ja mal davon gehört, dass man richtig vergesslich werden konnte, wenn man zu oft einen über den Durst trank. Was es bei Sermo auch war, ich würde es noch rauskriegen.


    Er fing dann irgendwann an, was zu sagen, einfach damit was gesagt wurde. Und ich konnt´s kaum fassen! Nicht dass ich nicht auch den Wein getrunken hätte, den er ja schon bestellt hatte. Besser als gar nix! Aber Cervisia war eindeutig noch ´ne Nummer besser! "Cervisia", berichtigte ich ihn. "Also wenn du mich so fragst, klar doch! So´n kühles Blondes ist was Feines! Hast schon mal probiert? Musste unbedingt mal!" So´nen Römer davon zu überzeugen, dass sein Wein nun wirklich nicht so toll war, war eh schon ´ne kaum schaffbare Aufgabe. Das brauchte viel Geduld und hartnäckige Aufklärungsarbeit, immer und immer wieder.
    Moment mal, mir war´s erst gar nicht aufgefallen, weil ich ganz aus dem Häuschen gewesen war, wegen dem blöden Cervisia und so. Semo starrte mich an. Nö, starren war zu viel gesagt, er betrachtete mich und zwar ziemlich eingehend. Ob ich ihm gefiel? Er sah mal ziemlich zufrieden aus. Ich tat´s ihm gleich. Draußen auf der Straße war mir sein Aussehen gar nicht richtig aufgefallen, weil´s einfach zu dunkel gewesen war. Im Licht der Ölfunzel erkannte man so einiges. Wenn ich mir ihn so betrachtete, musste ich zugeben, der Typ war nicht von schlechten Eltern. Sah richtig gut aus. Und hey, er hatte.. "Du hast ja blaue Augen!", rief ich einfach so, als ob das was total seltenes gewesen wäre.

    Na, wenigstens musste ich jetzt nicht mehr dumm sterben. Denn jetzt wusste ich, dass Sermo ´n römischer Name war. Und so getütert war ich nun auch wieder nicht, um nicht Sermos nervigen Blick zu übersehen. Das war mal wieder typisch Römer! Echt! Bildeten sich sonst was auf sich ein. Pah, wie mir das auf die Nerven ging! Anscheinend konnten die aber einfach nicht anders. Das war wie so´n Zwang.
    Ahja, und sein Bruder hieß Valentinus. Toller Mann, aha, und mehr nicht? Nee, mehr kam nicht, denn da kam endlich die Schänke. „Ahja“, sagte ich und hatte dummerweise vergessen, was ich ihn noch über seinen Bruder fragen wollte. Blöder Alkohol, vernebelt voll das Hirn! Naja, vielleicht fiel mir ja meine Frage wieder bei ´ner schönen kühlem Cervisia ein.
    An Sermos Arm hängend, ließ ich mich einfach mit in die gute Stube schleppen. Oh Mann, war das Mief. Die hatten dieses Jahr bestimmt noch nicht einmal gelüftet, so roch´s in dem Schuppen. Dafür war´s warm. Da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, was deren Devise war: Lieber im Mief erstickt, als in der Kälte erfroren! Klar, das kam hin!
    Eine Kellnerin wies uns einen freien Platz zu. Das Mädel sah ganz schön fertig aus und besonders hübsch war sie auch nicht. Aber trotzdem konnte ich ihr echt nachfühlen. Naja, wenn sie Glück hatte, dann bekam sie ja sogar ein Paar Kröten, für das, was sie da machte. Im Gegensatz zu mir.
    Sermo setzte sich und ich hatte die Qual der Wahl. Setzte ich mich ihm gegenüber oder besser neben ihn, denn da war noch locker für mich Platz. So dick war ich ja nun nicht. Also setzte ich mich neben Sermo. Das war sowieso viel besser, denn dann konnte man sich wesentlich besser unterhalten.
    Tja, mit der Cervisia wurde es leider nichts! Sermo hatte schon Wein bestellt. Den besten, den sie hatten. Wenn ich mir die Bude so betrachtete, dann konnte es mit dem besten Wein nicht weit her sein. So´n Mist! Warum mussten diese dämlichen Römer auch immer nur Wein trinken? Jetzt war´s eh zu spät. Und außerdem bestimmte ja auch der, der die Zeche bezahlte.
    "Ja Mann, das sind wir!" Aber hallo, Caelyn! Tolle Erkenntnis, echt! Ich grinste ihm entgegen. So, und über was unterhielten wir uns jetzt? Eins war klar, bloß nicht über scheiß Hochzeiten, über überkandidelte Patrizier oder abgehauene Sklaven.

    Wie? Was? Nur Sermo? Na das war ja jetzt aber enttäuschend! Der erste Römer, der nicht mit seinem ewig langen Namen prahlte! Na, das konnte ja noch was werden. Und nett war er auch noch! Auch wenn er sich vielleicht für heute Nacht etwas für sich erhoffte, was er unter Umständen sogar bekam, wenn er so freundlich blieb, wie er tat, ging ich mit Sermo mit. Man wusste ja nicht, wozu´s noch gut war. Zum Glück laberte er nicht länger von Kanten und so ´nem Zeug, was eigentlich keiner hören wollte.
    Ich merkte mir nicht, welchen Weg wir einschlugen. Solange Sermo wusste, wo es lang ging. Für mich war einfach zu viel und außerdem war es ja schon spät. Den ganzen beschissenen Tag war ich auf den Beinen gewesen und hatte irgendwelche wichtigen Penner bedient, die Gäste auf Ursus Hochzeit gewesen waren. Auch ich brauchte einmal Ruhe. Und heute brauchte ich noch viel mehr, denn heute war endgültig was kaputt gegangen.
    "Danke! Is´n gallischer Name. Und Sermo? Is das römisch?" Bestimmt war´s das! Schließlich war´n wir ja in Rom. Wo genau, danach durfte mich im Augenblick keiner fragen. Aber wollte das denn auch wissen? Da vorne war irgendwo die Taverne, von der Sermo gesprochen hatte. Endlich! Ich konnte jetzt echt noch was gebrauchen. Öhm, Moment, wo war denn die Taverne? Entweder war Sermo einfach zu besoffen oder er hatte was anderes im Sinn. Dann kam auch noch das Gesülze über meinen Bruder. Ausgerechnet jetzt, wo ich mich plötzlich zu fragen begann, ob es Sermo wirklich ehrlich mit mir meinte oder ob er sich gleich hinter der nächsten Ecke auf mich stürzen wollte. Aber dann konnte ich mich doch noch erinnern, dass er damit angefangen hatte, über seinen toten Bruder zu reden.
    "Louan hieß er. Er war mein kleiner Bruder." Diesmal flennte ich nicht. Eigentlich hatte ich auch nicht wirklich wegen Louan geflennt. Das war jetzt schon über ein Jahr her.
    "Und deiner? Wie hieß er? Und öhm, warum ist er eigentlich tot?" Naja, Taktgefühl war noch nie meine Stärke gewesen und jetzt mit Alkohol im Blut, noch viel weniger.

    Tja, damit hatte der Typ wohl am wenigsten gerechnet und ich eigentlich auch nicht. Mit nur ein paar läppischen Tränen hatte ich ihn ganz kirre gemacht. Toll, was?! Wenn das nur mal bei Ursus geklappt hätte! Ach Mist! Warum ging mir dieser Kerl nicht endlich aus dem Kopf! Ich kannte ihn nun schon so lange, um zu wissen, dass er nicht der Typ war, der sich neben seiner Frau noch eine Geliebte hielt. Und überhaupt, er liebte mich ja gar nicht! Niemand liebte mich! Alle die mich geliebt hatten, waren entweder tot oder ganz weit weg. Es war echt zum kotzen! Ach nein, lieber nicht noch mal!
    Naja, wenigstens eins stand ja schon mal fest, der Kerl hier war garantiert keiner von der Sorte, der Mädels wie mich einfach einkassierte und sie ans nächst bestbezahlende Lupanar verscherbelte, sonst hätte er mich kaum so tituliert. Und wenn schon, wäre mir auch egal gewesen! Im Augenblick wäre mir alles recht gewesen, um nur nicht mehr zurückgehen zu müssen.
    Der Typ streckte mir ganz plötzlich, einfach so, ein Tuch entgegen. Anscheinend war er doch nicht so besoffen, wie ich dachte. "Danke Mann! Ist echt nett von dir." Ich nahm es und wischte mir die Tränen damit ab.


    "Gute Idee!", pflichtete ich dem Fremden bei. Besaufen war die einzig wirkliche Alternative zu so einem Scheißtag. Und als der Kerl dann noch was von ´ner Schänke faselte, die ganz in der Nähe war, wurde er mir richtig sympathisch.
    "Na klar! Von mir aus." Dann schnäuzte ich noch mal kräftig in das Tuch. Endlich war meine Nase wieder frei. Ich konnte durchatmen. Die stinkende Fahne von dem Typ, die ich jetzt vollends in meinem Riecher entfalten konnte, machte mir auch schon gar nicht mehr so viel aus. Mit der Zeit gewöhnte man sich eben an alles. Ohne groß meinen Grips einzuschalten, hielt ich ihm das reichlich versaute Tuch wieder hin, nicht dass es am Ende hieß, ich würde dem Kerl was klauen wollen. Das hatte mir ja Ursus ständig einzubläuen versucht, ich sei sein Aushängeschild. Alles was ich verbocke, geht auf ihn zurück. Ursus konnte mich mal!
    "Ich heiß Caelyn, und du?" Klar, jetzt kam garantiert irgend so ein überkandidelter römischer Name, wie Gaius Schwanzus Longus*, oder so was! Ha, dabei musste ich echt laut lachen, weil mir gerade eingefallen war, wie mein Bruder und ich uns als Kinder über diese langen römischen Namen lustig gemacht hatten. Wenigstens konnte man sich über die Herrn der Welt noch lustig machen, wenn sie schon alles um sich herum unterworfen hatten und es nichts mehr zu lachen gab.


    "Hör mal, also da, wo ich herkomme, heißt es Kanne und nicht Kante! Aber ist eh Wurscht! Komm, lass uns was trinken. Ich hab Durst!" Der Kerl zeigte schon die ersten Ermüdungserscheinungen und dass bevor wir überhaupt losgezogen waren! Ich harkte mich bei ihm ein, nicht dass er hier am Ende noch absackte und einpennte.



    Sim-Off:

    * Monty Python lässt grüßen! :D

    Eiterbeule? Hatte der stinkende Saftsack Eiterbeule zu mir gesagt? Ich war zwar leicht angetrunken, aber meine Ohren waren noch voll auf Empfang! Ich wollte auch schon zum Gegenschlag ansetzen, aber da traf mich was voll in die Magengegend, was mich innerlich so was von runter zog, dass ich auf einmal nur noch wimmernd da stand und um ein Haar angefangen hätte, fürchterlich zu heulen. Scheiße noch eins, warum musste mich dieser Blödmann jetzt an meinen Bruder erinnern, wo ich doch sowieso heute am Rand des Erträglichen angekommen war!?
    "Dein Bruder? Der ist im Elysium?" Oh Mann, wie ich schluchzte! Das mich das immer noch so mitnahm! Dem blöden Kerl hätte ich zu gern die Meinung gegeigt, von wegen Eiterbeule und so! Aber das ging jetzt nicht mehr! Und das, obwohl ich heute einen ziemlich beschissenen Tag hinter mir hatte. Wahrscheinlich den beschissensten in meinem ganzen Leben, mal abgesehen von dem Tag, als Louan starb, oder als mich diese Penner in Augustodunum irgend so einem hergelaufenen Sklavenhändler überlassen hatten.
    "Scheiße, Mann! Mein Bruder ist auch tot! Und heute, ausgerechnet heute hat der Kerl, den ich wirklich liebe, irgend so eine dahergelaufene Kuh geheiratet! Ist das nicht ungerecht, he?" Jetzt heulte ich auch noch Rotz und Wasser. "Das ist total ungerecht! Das mit deinem Bruder und mit meinem und das mit... ach scheiß drauf! Ich hätte jetzt große Lust, mir die Kanne zu geben! Weißt du, wo man jetzt noch was kriegt?"
    Ich war auf den Stickmorchel zugegangen, auch wenn er erbärmlich aus dem Maul stank und dazu noch so bös guckte. Dann klopfte ich ihm freundschaftlich auf die Schulter. Hoffentlich hatte der noch ein paar Sesterzen, um in die nächste Kneipe einzufallen, denn er Alkoholpegel in meinem Blut war bedrohlich gesunken, was ein weiterleben unter diesen Bedingungen beinahe unmöglich machte.

    Mein Gesicht hatte sich in der Tunika des Nubiers vergraben. Auch wenn sich das gut anfühlte, so fühlteich mich ganz und gar nicht gut. Ich war da gelandet, wo ich eigentlich gar nicht hin wollte. Warum war das nicht Ursus, der mich umarmte? Was hätte ich dafür gegeben! Aber damit war jetzt endgültig Schluss. Für immer! Auch wenn´s schwer fiel und es fiel mir enorm schwer. Ich hatte mich umsonst zum Affen gemacht.
    "Doch, das will ich." Meine verheulte Stimme drohte zu versagen. Was wusste Cimon denn schon von meinen Problemen? Überhaupt nichts! Nur weil wir die letzten Tage zusammen waren?
    "Ich bin ihm doch völlig egal! Sonst hätte er mich abgeholt. Sonst… wäre er jetzt an deiner Stelle hier!" Davon war ich überzeugt. Mehr wollte ich doch auch gar nicht. Nicht mal meine Freiheit. Auf die hätte ich locker verzichten können. Nur ein bisschen geliebt werden! So wie früher. Mehr nicht!

    Was machte ich jetzt nur? Ich stand mitten auf der Straße und keiner war mehr zu sehen. Zum Glück hatte meine dämliche Tunika nichts abbekommen. Der blöde Fetzen hatte suboptimal zur restlichen Dekoration der Hochzeit gepasst. Wirklich tolle Idee!
    Logisch, auf mich wartete ja keiner! Na dann, konnte ich mir ja noch einen schönen Abend machen. Jetzt noch dem escheuerten Hochzeitszug hinterherzurennen, nur um mit ansehen zu müssen, wie er mit diesem Weib in die Kiste stieg? Nein, das brauchte ich echt nicht!
    Am Ende träumte ich das alles nur und wenn ich morgen aufwachte, lag ich in meinem Bett in den Sklavenunterkünften. Und wenn schon, dann war´s eben nur ein Traum. Das flaue Gefühl in meinem Magen fühlte sich allerdings weniger traumhaft an. Das war richtig real. Verdammter Wein! Ich sollte echt nicht so viel trinken, das hatte mir noch nie gut getan.
    Plötzlich war dann da dieser Kerl, der zehn passus gegen den Wind stank. Wo der auf einmal aufgetaucht war, entzog sich meiner Aufmerksamkeit. Ich war einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen.
    "Selber Salve!", antwortete ich genervt. Mit fremden Kerlen wollte ich erst gar nichts mehr anfangen. Wegen so einem war mein Bruder jetzt tot! "Verpiss dich, du Penner! Und probier´s mal mit Seife!"
    Wenn einer schon so stank, dann konnte ja nichts Gutes dabei rauskommen. Auch wenn er mir zulächelte, auf so was gab ich nichts mehr. Der Drecksack, der mich damals in die Scheiße geritten hatte, war auch stinkfreundlich gewesen. Am Ende war ich in einem Lupanar gelandet, nachdem ich entführt worden und mein Bruder musste sterben, als er mich retten wollte. Also ignorierte ich den Kerl und wollte schon weiter gehen.

    Ach ja, Sorgen machte er sich. Warum kam er dann nicht selbst? War schon klar, für solche unwichtigen Fälle hatte er ja jetzt Cimon.
    Ich sagte nichts auf Cimons Worte, ich schluchzte nur. Außerdem dachte erst ich gar nicht dran, mich von Cimon trösten zu lassen, auch wenn der sich richtig Mühe machte und es ernst meinte, mit dem was er sagte. Dafür hatte ich jetzt aber kein Ohr. Ich war wütend und fraß die Wut immer mehr in mich hinein.
    Mir war klar, die Zeiten würden schwieriger werden, egal was kam. Das, was letztes Jahr war, war eben Schnee von gestern. Danach krähte kein Hahn mehr. Je schneller ich mich dran gewöhnte, desto besser für mich.
    Auch wenn ich es eigentlich nicht beabsichtigt hatte, kam ich Cimon näher und wurde von seinem Arm aufgefangen. Einfach fallen lassen. Ja, das war gut. Trost finden, für etwas wofür ich untröstlich war. Das alles war so ungerecht!
    "Ich will hier weg!", sagte ich plötzlich und ich meinte es so, wie ich es sagte. Einfach weg und zwar ganz weit weg.

    Während der ganzen Feier hatte ich mich im Hintergrund gehalten. Irgendwie hatte ich es hingekriegt, nicht aufzufallen. Denn um ehrlich zu sein, hatte mich sowieso keiner vermisst. Ursus war ja komplett vernarrt in diese Frau, die er geheiratet hatte.
    Die letzten Wochen, seit ich wieder zurück war, waren schwer für mich gewesen. Nicht nur weil ich meinen Bruder so vermisste. Auch weil sich alles geändert hatte. Ursus hatte sich geändert. Cimon war jetzt da. Er war ja immer sehr nett und freundlich zu mir, aber mal ehrlich, gegen so ein perfektes Exemplar eines Sklaven hatte ich nicht die geringste Chance. Er hielt mir jeden Tag vor Augen, wie ich nie sein würde. Ich fühlte mich nutzlos und überflüssig. Das wurde auch nicht besser, als diese verdammte Hochzeit immer näher rückte.
    Schon beim ersten Mal, als ich Ursus Braut sah, war mir klar, dass sie nicht auf meiner Wellenlänge lag. Mit einer wie der würde ich nie klar kommen. Ich wusste gar nicht, was er so toll fand an dieser verwöhnten Zicke!
    Beim Hochzeitszug zur Villa Aurelia hatte ich mich abseits gehalten. Den einen oder anderen Wein hatte ich getrunken, weil ich geglaubt hatte, damit würde es nicht mehr so schlimm für mich sein. Das Ende vom Lied war aber, dass es mir davon nur noch schlecht wurde. Unterwegs hatte sich mir mein Magen umgedreht und die Natur forderte ihr dann eben ihr Recht. Als ich endlich fertig war und ich wieder Gewalt über mich hatte, war der Zug schon weiter gezogen.
    Erst fand ich das richtig schlimm, mitten in der Nacht zurückgelassen worden zu sein. Aber als ich mir´s genauer überlegte, fand ich das als das Beste, was mir heute noch passieren konnte.

    Nur noch weg hier! Das war mein erster Gedanke. Aber wohin nur? So einfach an Leone vorbeispazieren, ging auch nicht. Hätte ich doch nur auf Sardinien bleiben können. Dann hätte ich nicht hier sein müssen, um mir dieses verlogene Getue von Ursus anzutun. Ich fragte mich, warum er es nicht einfach frei heraus gesagt hatte. Damit wäre ich zehnmal besser klar gekommen, als mit dieser miesen Nummer. Oh ja, es hatte sich was geändert und zwar gewaltig! Er hatte sich geändert. Dass er sich Cimon ins Haus geholt hatte, damit konnte ich leben. Er war echt ein netter Kerl, wenn auch einen Tick zu unterwürfig für meinen Geschmack. Vielleicht war´s aber gerade das, was Ursus wollte. Einer der ständig vor ihm auf dem Boden kroch und niemals kontra gab. Nee, so war ich nicht und so würde ich auch niemals sein.
    Auf einmal hörte ich Cimons Stimme. Na toll, war Ursus nicht mal Manns genug, um selber hier anzutreten! Klar, dafür hatte er ja jetzt einen treuen Sklaven, der wirklich alles machte.
    „Lass mich! Hau ab!“ Mir konnte keiner helfen und Cimon schon gar nicht.
    "Geh zurück zu deinem Herrn, der braucht dich im Augenblick mehr für seine großen Veränderungen."
    In solchen Augenblicken konnte ich gegenüber denen, die es ja eigentlich gut mit mir meinten so verletztend sein. Das fiel mir dann gar nicht mehr auf. Nur hinterher, wenn es dann meistens zu spät war, tat´s mir dann wieder leid. So auch jetzt. Ich grub mein Gesicht in meine Ellenbeuge, damit ich den Nubier und er mein verheultes Gesicht nicht sehen konnte.

    Phraates! Ja, genau, so hieß er! Jetzt erinnerte ich mich wieder und ich hätte mich jetzt immer noch kringeln können, wenn ich an die Hochzeit zurück dachte.
    Wie es schien war dieses eine Jahr, in dem ich weg gewesen war, spurlos an Phraates vorübergegangen. Naja, sein Latein war eine Spur besser geworden. Aber das war´s dann auch.
    "Cimon hat mich nach Hause geholt. Ich war ein Jahr lang auf Sardinien. Tja, und jetzt bin ich wieder hier.", antwortete ich auf seine Frage. Ein klein wenig angespannt sah ich daraufhin zu Cimon hinüber, der sich vielleicht vorstellen konnte, was in mir vor ging. Nein, eigentlich konnte er das nicht, denn er hatte ja keine Ahnung davon, wie mein Leben vor einem Jahr ausgesehen hatte.

    Wenn ich soeben noch gedacht hatte, alles könne wieder so werden, wie es einmal war, dann wusste ich es jetzt besser! Nichts war mehr so, wie es war. Und das lag nicht nur daran, dass Cimon jetzt da war. Ursus hatte mich, zwar auf die nette Weise, wie ein unliebsam gewordenes Kleidungsstück abgestreift.
    Wie ein begossener Pudel blieb ich zurück. Das was Ursus nun sagte hörte ich nicht mehr und Cimons Erwiderung waren unverständliche Worte für mich, so als spräche er ganz plötzlich einen fremdartigen nubischen Dialekt.
    In meinem Inneren breitete sich eine starke Übelkeit aus, einfach so. Ich konnte nichts dagegen tun und auch Cimons vielsagende Blicke konnten daran nichts ändern.
    "Bitte entschuldige mich, ich muss..."
    In letzter Sekunde erreichte ich noch die Tür, die ich hinter mir zufallen ließ.
    Mir half nur noch frische Luft. Kühle frische Abendluft. Ich atmete tief ein und aus, als könne ich so das Stechen in meiner Brust los werden. Im Schein des Mondes wurde mir nun endlich klar, dass ich nicht nur meinen Bruder verloren hatte.

    Als Ursus seine Hand auf meine legte und weiter sprach, da wurde es mir endlich alles klar. Nicht nur ich hatte einen riesigen Verlust erlitten, auch Ursus. Das was mir Cimon über Ursus´ Schwester vor einigen Tagen auf Sardinien erzählt hatte, hatte ich in meiner Trauer fast ganz vergessen. Auch Ursus Schwester war vor kurzem gestorben. Und noch was wusste ich jetzt, was mich ungemein erleichterte! Es war noch alles so zwischen Ursus und mir, wie es vor Sardinien gewesen war, außer dass jetzt noch Cimon da war.
    Ursus hatte gesagt, ich müsse einfach zulassen, dass mich andere gern hatten. Genau das war es! Auch wenn Cimon neben uns stand und uns zuhörte, machte ich plötzlich einen Schritt auf Ursus zu und machte das, was ich schon die ganze Zeit machen wollte. Ich umarmte ihn und hoffte, er würde die Umarmung auch erwidern. Ihn zu küssen hatte ich mich einfach noch nicht getraut. Aber vielleicht kam das ja noch. Oder er tat es von sich aus. Das wäre dann der endgültige Beweis, dass sich seine Gefühle für mich noch nicht geändert hatten. Es konnte wieder so sein, wie früher. Das war eine schöne Erkenntnis. Ich merkte, wie es mir auf einen Schlag besser ging.
    "Ich hab das mit deiner Schwester gehört. Das tut mir so leid für dich!", sagte ich leise und schmiegte mich ganz dicht an ihn.

    Alle redeten sie mir ein, es war nicht meine Schuld. Jetzt auch noch Ursus. Wessen Schuld war es dann, wenn nicht meine? Ohja, liebend gern wär ich für ihn gestorben! Und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Warum also er und nicht ich? Ich hatte in meinem ganzen miesen Leben nichts zustande gebracht. Also, warum er und nicht ich? Niemand hatte darauf eine Antwort. Mein Schicksal war es, mir diese Frage bis an mein Ende immer wieder zu stellen und sehen zu müssen, dass es niemanden gab. Der eine Antwort hatte.
    Eine Leere erfasste mich wieder, wie so oft schon in den letzten Monaten. Aber jetzt war ich zurück, wieder bei Ursus und das erste, was ich ihm gesagt hatte, war nicht besonders nett gewesen. Warum machte ich immer alles falsch? Ich hätte ihn so gerne umarmt, so wie Cimon mich und ich Cimon. Aber jetzt? Wieder mal richtig toll in den Sand gesetzt, Caelyn! Darin war ich ein Meister.
    "Ich weiß," antwortete ich nach einer Weile. "Du bist nicht der erste, der mir das sagt und doch werd ich damit leben müssen. Zurück bleibt einfach nur die Leere. Und das tut so weh!" Ich hatte mich bemüht, nicht wieder gleich loszuheulen. Aber das war sehr schwer. Zu schwer!