Cimons Bett war jetzt bezogen, er sah ganz schön müde aus und ich fühlte mich ein bisschen fehl am Platz. Dass was ich ihm über die Freiheit gesagt hatte, war wohl nicht die Antwort, die er gerne gehört hätte. Er sagte nichts dazu. Er sagte eigentlich gar nix mehr, was mir anfangs gar nicht aufgefallen war, doch als ich gehen wollte und ihn nochmal zulächeln wollte, da sah ich, dass er weinte.
Ich dachte schon, Taranis trifft mich. Ein Typ der heult, das gibt’s doch gar nicht! Mist, verdammter! Hatte ich schon wieder was Böses zu ihm gesagt? Oder etwas falsch gemacht? Konnte ja sein, dass ich was verpasst hatte! Manchmal hatte ich echt Talent, es mir mit den Leuten zu verscherzen, die es gut mit mir meinten.
Logisch, dass ich jetzt erst mal nicht ging, sondern stehen blieb und grübelte, was ich sagen sollte.
"Is was? Warum öhm.. sag mal, hab ich dir was getan, weil du… auf einmal.. öhm weinst?" Ich versuchte krampfhaft rauszukriegen, was die Ursache dafür war. Aber mir fiel nichts Genaues ein. Dass ihn die Traurigkeit überkam, weil ich jetzt gehen wollte und er nicht allein sein mochte, darauf wär ich nie im Leben gekommen! Der kannte mich doch noch gar nicht, erst höchstens eine Stunde.
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Ich seufzte tief. Cimons Aussage nach, war die Überfahrt ein Kinderspiel gewesen. Er wollte mich bestimmt nur beruhigen. Netter Versuch! Aber ich stand dem etwas skeptisch gegenüber. Selbst bei leichtem Wellengang verkrampfte ich jedes Mal und wenn es noch schlimmer wurde, dann konnte es auch passieren, dass ich mir die Seele aus dem Leib kotzte. Ich dachte nicht gerne an die Überfahrt vor einem Jahr zurück. Danach wäre ich beinah tot gewesen. Mal ganz ehrlich, das wäre damals nicht das schlechteste gewesen.
"Das kannst du laut sagen! Ich finde Wellen im wahrsten Sinne des Wortes echt zum kotzen! Ich bin eben nicht für das Leben auf ´nem Schiff geboren. Sonst könnte ich ja auch schwimmen. Und wer ist eigentlich, wie hast du gesagt, heißt der? Mba?"Da musste ja mächtig was los gewesen sein, auf dem Schiff. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, was. . Wahrscheinlich deswegen, weil ich eher der Typ Mensch war, der sich Schiffe nur gerne aus der Ferne betrachtete.
Cimon sah auf einmal so bedrückt aus, als habe man ihn gerade beim Klauen erwischt. Hatte ich mal wieder was Falsches vom Stapel gelassen, oder was war?
"He, is was? Du guckst so… komisch!"
In dem Moment hatte man einen ersten Blick auf den Hafen. Man konnte die vielen Schiffe sehen und ich kriegte Muffensausen.
"Oh Kacke!" wir waren gleich da und dann wurde es ernst! -
Das Landgut hatten wir hinter uns gelassen. Von weitem konnte man noch einige Olivenhaine erkennen. Der Wagen polterte über die Landstraße und wir wurden ordentlich durchgeschüttelt. Ich schaute immer noch zurück, als wollte ich mich nicht trennen. Ob Cimon froh war, wieder von hier weg zu kommen? Er sah nicht besonders glücklich aus.
"Nein, nicht wirklich. Das hier hat mir nie viel bedeutet. Das war auch nur eine Station von vielen." Bedrückt war ich trotzdem, aber nicht weil ich Sardinia den Rücken kehrte.
"Wie war denn eigentlich die Überfahrt? Ich meine, war´ s arg schlimm mit den Wellen?" Die Überfahrt war die nächste große Hürde, die ich zu nehmen hatte, bevor ich mich Ursus in Rom stellen musste, was mir auch noch schlaflose Nächte bereitete. -
Cimons Frage riss mich aus meiner Trübsal heraus. Ich verstand erst nicht, weil es für mich ja das normalste auf der Welt gewesen war. Für mich, nicht für ihn!
"Was? Na, klar war ich frei. Öhm, ich meine ja." Ich zügelte mich wieder. Der Nubier war demnach nie frei gewesen. Was konnte ich im dann sagen, wie es war, frei zu sein? Dass es ein tolles Gefühl war, keinen erst um Erlaubnis zu fragen zu müssen, wenn man was machen wollte. Oder dass man auf sich selbst angewiesen war, damit man immer ein Heim und genug zu essen hatte. Früher war ich immer stolz auf meine Freiheit gewesen, auch wenn ich stehlen und auf der Straße leben musste. Aber ich war frei gewesen! Allmählich hatte ich mich aber auch daran gewöhnt, immer gut gekleidet, ein Dach über dem Kopf und satt zu sein. Also, wie fühlte es sich an, frei zu sein? Es gab keinen Grund, etwas zu beschönigen.
"Die Freiheit ist dann gut, wenn du nicht arm bist." sagte ich trocken.
Den Nubier beschäftigte sein Zeichen im Nacken immer noch, denn er hatte seine Hand darüber geschoben, als wolle er es so verstecken.
"Ich lass dich jetzt besser allein. Du bist sicher müde. Wir sehen uns dann später, beim Essen." -
Wir gingen zurück. Ich musste jetzt endgültig von "meinen" Olivenbäumen Abschied nehmen.
Im Hof stand der Wagen des besagten Händlers schon bereit. Wir mussten uns sogar beeilen, damit der Händler, der uns zum Hafen mitnehmen wollte, nicht zu lange warten musste. Mir machte es nicht viel aus, hinten auf der Ladefläche des Wagen Platz zu nehmen. Hauptsache ich musste die Strecke nicht zu Fuß gehen.
Bevor der Wagen losfuhr sah ich mich noch mal um. Das war meine Heim für ein Jahr gewesen. Das ließ ich jetzt hinter mir. Ein bisschen traurig machte es mich schon. Ich sprach auch nicht viel, als wir unterwegs zum Hafen waren. Vielmehr machte ich mir bereits um die Überfahrt Gedanken. Hoffentlich war uns das Meer friedlich gesinnt, An mehr konnte ich nicht vorerst nicht denken. -
"Morgen schon?" platze es aus mir heraus. Aber ich sah es Cimon schon an, er war nicht so begeistert davon. So Hals über Kopf von hier verschwinden zu müssen, damit hatte ich auch nicht gerechnet. Aber andererseits hielt mich nicht mehr, also konnten wir auch morgen oder übermorgen oder auch erst in einigen Tagen von hier verschwinden. "Ich richte mich da ganz nach dir. Wenn du sagst, es geht los, dann geht´s los!" Das war einfach die beste Lösung, womit der Nubier und ich zufrieden sein konnten.
Nach und nach fand ich den Nubier nun doch ganz nett. Naja, er hatte halt seine Macken, aber die hatte ich auch uns sogar Ursus hatte welche. Vielleicht konnten wir ja tatsächlich so was wie Freunde werden… Aber das hätte ich jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen können. Dafür hatte ich schon zu viel erlebt in meinem Leben. Die, die meine Freunde werden wollten, mussten sich erst einmal bewähren.
"Ich bin Gallierin," sagte ich schlicht. "Nein, ich bin erst vor ungefähr drei Jahren nach Rom gekommen. Vorher war ich frei. Ich hab in Augustodunum gelebt. Das ist ´ne Stadt nördlich von Lugdunum. Mein Bruder und ich lebten auf der Straße. Nachdem unsere Mutter vor einigen Jahren gestorben war, wollte keiner unserer Verwandten uns aufnehmen. Wir waren damals noch Kinder. Wir haben von dem gelebt, was wir geklaut haben. Es gab nur ganz wenige Leute, die uns geholfen haben. Naja, irgendwann bin ich erwischt worden und statt mich ans nächste Kreuz zu nageln, haben sie mich verkauft. Im Nachhinein war das vielleicht nicht das schlechteste. So gut, wie´s mir danach gegangen ist, ist es mir bis dahin nur in meiner Kindheit gegangen, als unsere Mutter und mein Großvater noch gelebt hatten. Vor fast zwei Jahren hat Ursus dann meinen Bruder zu mir geholt. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein, auch wenn mein Bruder jetzt tot ist." Betroffen schwieg ich. nicht nur wegen meinem Bruder, auch weil ich nicht wusste, wie´s jetzt mit mir weitergehen sollte. -
Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, was so lustig gewesen war, wieso er jetzt zu schmunzeln an fing. Aber wenigstens entspannte das die Situation. Und mir ging´s davon auch wieder besser.
"Das wär mir auch ganz schön schwer gefallen, die ganze Zeit die Klappe zu halten!" gab ich schmunzelnd zurück. Mir war aufgefallen, dass ich nicht mehr so sehr über Louans Tod nachgrübelte, wenn ich mit Cimon redete. Jedenfalls dann, wenn Louan nicht das Thema unseres Gesprächs war. Vielmehr wollte ich noch etwas mehr über den Nubier herausfinden. Naja, er musste ja nicht mit allem auf einmal herausrücken. Allein schon die Rückreise nach Rom dauerte ja einige Tage. Da hatte ich noch genug Zeit um ihn besser kennen und verstehen zu können.
"In zwei Tagen schon? Naja, schön. Umso besser. Wird Zeit, dass ich hier wegkomme." Ich dachte mit gemischten Gefühlen an die Rückreise. Nicht nur wegen Ursus. Auch wegen dem Schiff, das wir nehmen mussten. Bei hohem Seegang, war ich nämlich die erste, der es schlecht wurde. Bereits bei der Herfahrt hatte ich feststellen müssen, dass ich den Hang zur Seekrankheit hatte. Tja, ich war eben ´ne Landratte. Was konnte ich da schon ausrichten? -
Auch wenn ich fast ein ganzes Jahr auf Sardinia gewesen war, hatte es niemand gegeben, von dem ich mich hätte verabschieden müssen. Ich hatte mich mit keinem der Sklaven angefreundet. Wahrscheinlich fiel allen ein Stein vom Herzen, wenn ich endlich weg war.
Eigentlich hatte ich also nichts mehr zu erledigen. Aber bevor ich ging, um mit Cimon zum Hafen zu fahren, wollte ich noch mal hinaus zu den Olivenhainen. Naja, die Gegend war echt nett gewesen und auch die Luft war um einiges besser als in Rom.
Meine Sachen hatte ich schon längst fertig gepackt. Es war ja auch nicht so viel.
In wenigen Tagen begann die Ernte. Dann wimmelte es hier in den Hainen von Erntehelfern, die die Früchte von den Ästen abschlugen und aufsammelten. Die Netze hatte man schon lange bereit gelegt. Jetzt war es noch ruhig. Nur der Wind strich durch die Blätter und sorgte dafür, dass ab und zu einige der reifen Oliven herab fielen.
Die Bäume waren meine einzigen Vertrauten gewesen, denn ihnen hatte ich alles anvertrauen können. Jetzt musste ich Abschied nehmen.Irgendwann dachte ich, dass es war Zeit, Cimon zu suchen. Ich ging langsam zum Haus zurück. Dieser Morgen war wirklich wunderschön. Es war, als wollte die Sonne noch einmal mit aller Kraft scheinen, damit ich die Zeit auf Sardinia in guter Erinnerung behielt.
Der Nubier hatte mich wohl schon gesucht. Er wollte bestimmt los, um seinen Auftrag zu erfüllen und seinen Herrn nicht zu enttäuschen.
"Morgen! So, von mir aus können wir!"
Wie immer, wenn ich auf eine Reise ging, war ich innerlich aufgewühlt. Diesmal war es noch eine Spur schlimmer. Diesmal wusste ich nicht, was auf mich zu kam und womit ich zu rechnen hatte. Noch konnte ich das vor dem Nubier ganz gut verbergen. Fragte sich nur, wie lange noch. -
Na Klasse! Das mit den Haaren war eindeutig die falsche Antwort gewesen. Wie immer war ich mal wieder gekonnt ins Fettnäpfchen getreten. Am besten ich sagte gar nichts mehr dazu. Vielleicht musste ich den Nubier erst besser kennenlernen, um zu verstehen.
Er hatte sich aufs Bett gesetzt und sah ziemlich geladen aus. Auch wenn er sich jetzt entschuldigte für seine scharfe Bemerkung, in ihm brodelte es gewaltig, auch wenn er das gekonnt zu unterdrücken versuchte.
"Mir tut´s mir leid. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich wollte nicht… ich, ach Mist. Ich halte besser meine Klappe!" meinte ich zu ihm.
Cimons Bett war eigentlich so weit fertig. Ich hätte mich jetzt aus dem Staub machen können, was sicher das Beste gewesen wäre. Aber irgendetwas hielt mich noch hier. Ich konnte nicht sagen, was.
"Öhm, wann verduften wir von hier? Äh, ich meine, wann reisen wir ab?" Vielleicht brachte ihn das auf andere Gedanken. -
Bruchstücke also nur! Mehr nicht? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Vielleicht hatte Ursus ja seine Gründe dafür gehabt, weil er dachte, ich würde Cimon schon alles erzählen. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr steigerte ich mich hinein. Ich musste damit aufhören, sonst machte es mich noch richtig krank.
"Er klang sehr um mich besorgt?" wiederholte ich. Schnell schaute ich ihn wieder hoch. "Wirklich? Echt besorgt?" Das konnte bedeuten, dass ich noch immer wichtig für ihn war. Genauso gut konnte es aber auch sein, dass ich für ihr einfach nur ein Klotz am Bein war, den man abschütteln musste. Diese blöden Selbstzweifel machten mich noch schier verrückt!
Aber den Nubier plagte auch etwas, was mir bisher gar nicht aufgefallen war. Er hatte es echt prima unter seinem sklavischen, unterwürfigen Verhalten versteckt gehalten. Aber dadurch, dass ich sein Zeichen im Nacken entdeckt hatte, war es ans Tageslicht gekommen. Er hatte sich, verständlicherweise wie wahrscheinlich jeder normale Mensch, dagegen gewehrt, dass man ihn wie ein Stück Vieh zeichnen wollte. Und er hatte es hinnehmen müssen. Welche Alternativen hätte er denn sonst gehabt? Ich fragte erst gar nicht, ob er sich dagegen zur Wehr gesetzt hatte. Obwohl ich Cimon nicht länger als eine Stunde kannte, konnte ich es mir überhaupt nicht vorstellen, dass er es jemals wagen würde, aufmüpfig zu sein.
"Ja, kann ich mir gut vorstellen! Mich hat das am Anfang auch total genervt! Meines sieht man wenigstens nicht, wegen meiner Haare. Aber ich hab mit der Zeit auch einfach angefangen, nicht mehr daran zu denken. Dann war es für mich einfach nicht mehr da. Verstehst du?" Naja, ein echter Trost war das ja nun nicht für den Nubier, denn ihm fehlte da einfach etwas essentielles. Die Haare! Er konnte sein Zeichen nicht einfach hinter seiner Haarpracht vor allen verstecken. Aber mir fiel einfach nichts Besseres ein. Ich wollte ihm doch einfach etwas Nettes sagen, was ihn wieder aufbauen sollte. Dabei fiel mir ein, selbst mein Bruder hatte nichts von dem Zeichen gewusst. Jung, Junge, hätte er davon Wind gekriegt, dann wäre wahrscheinlich die Bude zu klein gewesen! Bei solchen Sachen war Louan ganz schon empfindlich gewesen. Es hatte ihn auch ganz schon fertig gemacht, als er erfahren hatte, dass seine Schwester jetzt ´ne Sklavin war. Vielleicht war es auch gut so, dass er jetzt nichts mehr davon erfuhr. -
Ursus hatte ihm also nichts erzählt! Kein Wort! Warum eigentlich nicht? Irgendwie wollte mir das nicht in den Kopf gehen. Wie stellte sich das Ursus nur vor? Naja, ihm war´s vielleicht egal. In einem Jahr konnten sich Menschen komplett ändern. Deshalb hatte er sich auch einen neuen Sklaven besorgt. Natürlich, so musste es sein! Da konnte ich mich ja warm anziehen, wenn Cimon mich wieder nach Rom zurück brachte!
"Ja, das hab ich!" Ich schaute betroffen zu Boden und ließ das erst mal im Raum stehen. Mir war zum heulen zumute.
"Mein Bruder war der liebenswürdigste Mensch, den du dir nur vorstellen kannst. Ich habe immer darauf geachtet, damit ihm nichts passiert. Aber dann hab ich versagt. Deshalb ist er jetzt tot. Hat dir Ursus nicht darüber erzählt? Wirklich gar nichts?" Wieder schaute ich in das Gesicht des Nubiers, um nachzuforschen. Ich konnte es echt noch nicht glauben. Irgendeine Bemerkung musste er doch gemacht haben. Aber Cimon schien wirklich keine Ahnung zu haben."Hat man dir auch so eine blöde Tätowierung verpasst?" fragte ich Cimon plötzlich. Ich hatte da eine Verfärbung in seinem Nacken gesehen, was wie das Zeichen der Aurelier aussah. "Als ich damals meine gekriegt hab, da hab ich dem Kerl, der mich tätowieren wollte erst mal eine gescheuert, als er mich angefasst hat.“ Ein wenig schmunzelte ich, als ich mich daran erinnerte. Ursus war deswegen ganz schön sauer gewesen!
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Cimon half mir. Das erleichterte die Sache mit dem Laken und ich war kurze Zeit abgelenkt. Allmählich glaubte ich zu erkennen, der Nubier könnte doch ein netter Kerl sein, der eben einfach so war, wie er war und dafür genauso wenig dafür etwas konnte, wie ich etwas für mein Gehabe konnte. Meine Wut wich. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich richtig froh, nicht mehr allein zu sein, bis, tja bis Cimon wieder zu reden anfing. Anfangs war ich ja noch erleichtert darüber, dass er mir meinen Ausraster nicht krumm nahm, aber was dann kam, raffte ich absolut nicht. Für mich war es, als spräche er in einer Fremdsprache zu mir. Wieso Ursus zu mir kommen sollte? Warum sollte er das nicht? Ich sah ihn nur ganz verwirrt an, konnte ihm nicht folgen und schüttelte verständnislos den Kopf. Und als er dann noch ganz beiläufig verlauten ließ, Ursus Schwester sei gestorben, kam allles wieder hoch, was ich im Laufe des Jahres versucht hatte zu verdrängen, als habe mich soeben die Vergangenheit wieder eingeholt. Fassungslos war ich, mein Kiefer sackte nach unten. "Was?"Ich drehte mich von dem Nubier weg, damit er mich nicht heulen sah. Innerhalb kürzester Zeit fiel meine Fassade endgültig in sich zusammen. Das war echt zuviel! Nicht dass ich um Ursus Schwester trauerte. Ich kannte sie ja kaum. Aber dass es ihm genauso erging wie mir, machte mich fertig. Ich musste wieder an Louan denken, wie er so da gelegen hatte in seinem Blut. Ich erinnerte mich wieder daran, wie ich seinen Leichnam wusch und ihn für seine letzte Reise vorbereitete. Er war so kalt gewesen.
"Ich bin hier, weil ich meinen Bruder getötet habe!" Ich wischte mir die Tränen weg und drehte mich wieder zu Cimon, den ich herausfordernd, richtig trotzig ansah. Was mochte er nur von mir denken? In dem Augenblick war mir das völlig egal, denn ich hatte Schuld an Louans Tod!
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Es blieb nicht aus, dass sich irgendwann die Tür öffnete und Cimon eintrat. Er blieb schweigend stehen. Ich hielt kurz inne, machte aber dann weiter, womit ich gerade beschäftigt war. Das Laken stellte sich als besonders widerspenstig heraus. Aber wenn ich ehrlich war, dann lag es an mir. Nur wegen mir war alles eskaliert. Ich besaß eben die besondere Gabe, alles klein zu kriegen. Den Nubier betrachtete ich mir aus dem Augenwinkel heraus, ohne etwas zu ihm sagen. Ich hatte ja schon genug gesagt. Das hatte wahrscheinlich hundertmal ausgereicht, um einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.
Nach einer Weile kam er dann auf mich zu. Ich tat so, als bemerkte ich ihn nicht. Erst als er zu mir sprach, hörte ich damit auf, das dämliche Laken über die Matratze zu spannen, sah ihn aber immer noch nicht an. Das konnte ich einfach nicht! Ich schämte mich, weil ich so ungerecht gewesen war und jetzt nicht über meinen eigenen Schatten springen konnte.
Louan würde wahrscheinlich sagen, ich solle mich nicht so anstellen. Was hatte ich denn noch zu verlieren? Eigentlich gar nichts. Wenn man an so einem Punkt angekommen war, dann gab es nicht mehr viele Möglichkeiten. Dann musste man nehmen, was übrig blieb. Das kannte ich doch noch von früher!
"Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Das war gemein von mir. Es ist nur, ich hab mir das anders vorgestellt. Ich hab gehofft, Ursus würde selber her kommen und mich abholen." Und jetzt war alles anders gekommen. Er hatte einen, für mich, fremden Menschen geschickt, der mir mit jedem seiner noch so kleinen Handgriffe aufzeigte, wie wertlos ich doch war. Wenn das kein Schlag ins Gesicht war! Vielleicht war ja auch alles von Ursus völlig unbeabsichtigt gewesen und ich war nur über meine eigene Eifersucht gestoßen, die ab und zu ans Tageslicht trat. Seit Louans Tod war ich so leicht verletzbar geworden und es war immer leichter, den anderen die Schuld für etwas zu geben. -
Ich war wütend! Ich war mehr als wütend und stampfte einfach davon. Auf wen ich wütend war, wusste ich selbst nicht so genau. Auf Cimon vielleicht, weil er neu war und weil er es war, der mich abholen sollte. Auf Ursus, weil er mir nach der langen Zeit einfach den Prototypen des perfekten Sklaven schickte und nicht den Mut hatte, selbst herzukommen. Oder war ich auf mich selbst wütend, weil ich es mal wieder vermasselt hatte?
Dass der Nubier mich einholen könnte, daran hatte ich nicht eine Minute lang gedacht. Aber dann stand er plötzlich neben mir und begann auf mich einzureden. Aber jedes Wort von ihm machte mich nur noch wütender, bis ich mich nicht mehr zurückhalten konnte.
"Ach hör doch auf! Tu doch nicht so! Ich bin auch nur eine verdammte Sklavin! Genau wie du einer bist! Also komm mir nicht mit diesem unterwürfigem Gehabe! Das kannst du dir für Ursus aufheben!"
Ich ließ den Nubier einfach stehen und betrat die Unterkünfte. Dort stand für Cimon ein separates Zimmer zur Verfügung. Nachdem ich hinter mir die Tür zugeknallt hatte und das Bett zu beziehen begann, plagten mich doch tatsächlich einige Gewissensbisse. Was konnte denn schon der Nubier dafür, dass ich in einer so vertrackten Lage war? Allerdings fiel es mir nicht ein, mich bei ihm zu entschuldigen. -
Bin voraussichtlich bis Mitte kommender Woche noch voll im Stress. Ich hoffe dann auf Besserung.
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Cephisodotus war nur stummer Beobachter gewesen. Das Verhalten der Sklavin jedoch erstaunte ihn. Bisher war sie sehr zurückhaltend gewesen, hatte kaum mit jemanden ein Wort gewechselt und wenn dies doch einmal geschah, hatte er sie niemals so gereizt erlebt.
"Caelyn! Was ist nur los mit dir!", schalt er mit ihr und richtete sich dann wieder an den Nubier. "Wenn es dir möglich ist, kannst du gerne noch ein paar Tage hier bleiben, bevor ihr beide dann gemeinsam abreist! Caelyn, du könntest unserem Gast eine Unterkunft bereiten!"~~
Ich hörte ja wohl nicht richtig! Jetzt sollte ich diesem Kerl auch noch ein Zimmer fertig machen! Eigentlich wusste ich ja auch nicht, warum ich plötzlich so wütend wurde. Der Nubier konnte dafür am wenigsten. Er tat nur das, was ihm befohlen worden war. Außerdem sah er ganz schön mitgenommen aus. Es war eben doch eine lange Reise. Und was den Brief anging, so stand ja ganz eindeutig drin, dass ich diesen Cimon kennen lernen sollte und mich, wenn möglich auch mit ihm anfreunden sollte. Ob das mit dem anfreunden tatsächlich klappen würde, war mehr als fraglich. Vorerst war dieser Nubier eine Konkurrenz für mich. Ich wollte erst gar nicht dran denken, was sich in Rom alles verändert hatte, seit ich weg war. Außerdem hatte ich mir meine Rückkehr ganz anders vorgestellt. Ich hatte gehofft, Ursus käme selbst vorbei, um mich abzuholen. Aber nein, er schickt mir seinen neuen Sklaven, damit ich gleich sehen konnte, dass von nun ab ein anderer wind wehte. Wirklich toll!
Ohne noch die Antwort von Ursus´ neuem Sklaven abzuwarten, ging ich einfach weg, um ein Zimmer zu richten. Für Cimon.~~
Der Verwalter sah Caelyn noch kopfschüttelnd nach. Er war über ihr Verhalten etwas verärgert. Bevor sie die villa rustica verlassen würde, wollte er mit ihr noch einige ernste Worte wechseln.
"Du solltest etwas Nachsicht mit ihr haben. Eigentlich ist sie ganz umgänglich. Ich weiß auch nicht, was in sie gefahren ist!" -
Cimon? Kannte ich nicht! Und unser Herr? Was sollte das denn? Dabei hätte mir doch einleuchten können, dass Ursus sich nach all dem Schlammassel und der langen Zeit einen Ersatz besorgt hatte. Eigentlich hätte es mir ja auch gleichgültig sein können. Aber das war es auf einmal nicht mehr. Ich sah den Nubier jetzt mit ganz anderen Augen an, fast feindselig betrachtete ihn. Alles an ihm, von der Körperhaltung angefangen, war das komplette Gegenteil von mir. Na dann, sagte ich mir, warum lässt er mich dann nicht einfach hier, wenn er endlich den perfekten Sklaven gefunden hatte, den er sich wahrscheinlich immer gewünscht hatte.
Widerwillig nahm ich den Brief entgegen und öffnete ihn. Ich hatte das Übliche erwartet. Ursus gezückter Zeigefinger, der mir immer vor Augen hielt, was ich alles falsch gemacht hatte. Aber was er mir schrieb war anders. Irgendwie mitfühlender, persönlicher. Mir standen die Tränen in den Augen. Die wischte ich mir schnell weg, denn ich wusste ja, der Verwalter und dieser Cimon, oder wie sein Name, beobachteten mich die ganze Zeit.
Den Brief hatte ich mir zwei oderdreimal durchgelesen, bis ich ihn sinken ließ, noch einmal schniefte und mich dann an den Nubier wandte. "Wann reisen wir ab?", fragte ich, wobei ich meine wahren Gefühle verbarg. Nicht etwa, weil ich es nicht mehr abwarten konnte, endlich die villa rustica wieder verlassen zu können. Mir war es hier ganz gut ergangen. Vor allem hatte ich Zuflucht in der Arbeit gefunden. -
Ich war gerade dabei gewesen, eines der Sammelnetze, die für die Olivenerntegebraucht wurden, zu flicken. Das war doch echt komisch. Wenn mir vor Monaten einer gesagt hätte, ich solle was nähen oder etwas flicken, dann hätte ich alles dafür getan, um dem zu entgehen. Ich hatte Nähen immer wie die Pest gehasst und jetzt machte ich es sogar freiwillig! Und als so ein kleiner Knirps zu mir gerannt kam und etwas von einem schwarzen Mann erzählte, der auf mich wartete, sagte ich ihm, der könne ja noch ein bisschen länger warten, bis ich hier fertig sei. Der Knirps ließ aber nicht locker und erzählte, der Verwalter würde auch auf mich warten.
"Na,dann!", sagte ich und ging mit dem Jungen mit. Tatsächlich, da wartete ein schwarzer Mann auf mich, den ich noch nie gesehen hatte. Ich kannte nur einen einzigen Schwarzen und das war Leone. Den musste man aber erst von der porta der Villa in Rom abschweißen, bevor der irgendwohin ging. Dieser Kerl da war wirklich schwarz, wie die Nacht. Ich konnte mir auch nicht erklären, was der von mir wollte und ganz ehrlich war mir das auch ziemlich Schnuppe.
"Was gibt´s?", fragte ich den Verwalter, dessen Name ich mir nie merken konnte. Den Fremden ließ ich erst mal links liegen. Ich strich auch meine zerknitterten Klamotten nicht glatt oder machte meine Haar wieder ordentlich zusammen, das irgendwann heute Morgen von einem Band zusammengehalten worden war, aber mir jetzt stränenweise im Gesicht hing.~~~
Cephisodotus war dem Nuber nicht böse gewesen, weil er ihm das Schriftstück vorenthielt. "Wenn das der Wille deines Herrn ist!", meinte er und zuckte mit den Schultern.
Endlich kam die keltische Sklavin mit samt dem Jungen, den der Verwalter losgeschickt hatte. "Ah, da bist du ja, Caelyn! Hier ist jemand für dich, der den Auftrag hat, dich zurück nach Rom zu bringen."
Ich sah erstaunt auf und zuckte bei dem Wort Rom sogar etwas zusammen, denn damit hatte ich eigentlich gar nicht mehr gerechnet. Ich war jetzt fast ein ganzes Jahr hier und hatte mich fast schon damit abgefunden, für immer zu bleiben, was mich auch nicht weiter gestört hätte. Eigentlich hatte ich keinen gesteigerten Wert mehr darauf gelegt, wieder nach Rom zu zurückzukommen. Dort gab es nichts mehr, was mir etwas bedeutet hätte. Ich musste nur wieder an die Asche meines Bruders denken, die ich in das Urnengefäß gefüllt und unter der Esche vergraben hatte."Nach Rom?" Endlich drehte ich mich zu dem Fremden hin und seufzte laut hörbar. Vielleicht hatte er geglaubt, ich würde in Freudentänze ausbrechen, weil ich wieder nach Rom durfte. Das tat ich aber nicht. Ich machte eher einen gleichgültigen, gelangweilten Eindruck.
"Ja, was? Freust du dich denn nicht, endlich wieder von deinem Herrn zu hören?", fragte der Verwalter neugierig. Man konnte ganz deutlich seine Enttäuschung heraushören. Er hatte wohl geglaubt, es sei für mich eine Strafe gewesen, hier sein zu müssen.
"Von Ursus? Von mir aus!", sagte ich in dem selben gleichgütigen Ton. -
Im Hof herrschte geschäftiges Treiben. Alles musste für die Ernte, die in wenigen Wochen begann, vorbereitet werden. Das Ganze wurde vom Verwalter, einem Freigelassenen, der einst auch Sklave gewesen war, überwacht. Cephisodotus, der Grieche tat dies sehr gewissenhaft. Denn bis ins kleinste Detail sollte alles korrekt sein, um am Ende ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu können. Er wusste, was er den Aureliern zu verdanken hatte und was seine Pflicht war.
Den Nubier, der sich ihm näherte, hatte er erst registriert, als der direkt vor ihm stand und ihn ansprach.
"Ja! Der bin ich. Wer, wen suchst du? Caelyn? Tribunus Ursus? Ach ja, ich weiß!" Der Verwalter erinnerte sich wieder! Die keltische Sklavin, die man vor Monaten aus Rom her geschickt hatte. Eigentlich sollte sie sich hier erholen und ausruhen. Aber genau das Gegenteil war der Fall gewesen. Die Gallierin hatte vom ersten Tag an fest mit angepackt, was dem Verwalter sehr imponiert hatte. Allerdings war es ihm nie richtig gelungen, an sie heranzukommen, um herauszufinden, was mit ihr los war.
"Warte, ich lasse sie rufen!" Cephisodotus rief einen Jungen herbei und trug ihm auf, Caelyn holen zu lassen. "Darf ich das Schreiben einmal sehen?", fragte er den Nubier.
"Aus Mantua bist du, ja? Ich war schon lange nicht mehr auf dem Festland! Aber vielleicht eines Tages", sinnierte er und wartete, bis die Keltin gebracht wurde. -
Oxyntas nahm das Schreiben entgegen, rollte es auf und betrachtete es. Seine Stirn legte sich in Falten. Er hatte nie Lesen und Schreiben gelernt. Aber er erkannte das Siegel der Aurelier, das er schon tausendmal gesehen hatte.
"Melde dich am besten sofort beim Verwalter. Er wird dir weiterhelfen können." Das Mädchen, von dem der Nubier gesprochen hatte, kannte Oxyntas nicht. Es gab so viele Sklaven in der villa rustica. Da konnte er nicht jeden einzelnen mit Namen kennen. "Geh einfach über den Hof und frage nach Cephisodotus, dem Verwalter!"
Der ianitor wies dem Sklaven den Weg, den er gehen sollte, um dort den Verwalter des Gutes zu finden.