Beiträge von Marcus Matinius Ticinius

    Ticinius begab sich am späten Vormittag des Tages, an dem er und der sacerdos Flavius verabredet waren, zum Forum Augustum. Er trug seine beste Tunica - schließlich musste man einen guten Eindruck machen - und wurde von seinem Sklaven Palamedes begleitet, der eine tabula in der Hand hielt. Ticinius war so aufgeregt, dass er keinen Blick für die Statuen, die in den Säulenhallen und Exedren rund um das Forum standen, obwohl er sonst ein Kunstliebhaber war.


    "Warte hier in Sichtweite des Tempels", wies er seinen Sklaven an, "damit ich dich bei Bedarf herbeiwinken kann. Ich glaube zwar nicht, dass das nötig ist, doch wir sollten für diesen Fall bereit sein.". Mit diesen Worten ließ er Palamedes stehen, ging die Stufen zum Tempel hinauf und betrat ihn.
    Er schaute sich nach einen camillus um. Schnell sah er einen, ging zu ihm hin und sprach ihn an: "Salve, mein Name ist Marcus Matinius Ticinius. Berichte bitte dem sacerdos Flavius Aquilius, dass ich angekommen bin. Er sollte mich erwarten."


    Während der camillus davoneilte, erregte die Figur des Mars Ultor Ticinius Aufmerksamkeit. Es war eine prächtige Statue, die den Gott mit Rüstung, Lanze und Schild zeigte. Bewundernd schaute er sie an.

    Palamedes hatte zurzeit nicht viel zu tun. Seit der Ankunft des jungen Ticinius war er dazu ausersehen worden, diesem als Leibsklave zu dienen. Doch dieser genoss sein Leben als Civis und lehnte es sogar ab, bei seinen Ausflügen in die Stadt von ihm begleitet zu werden. Umso überraschter war er, dass in kurzer Zeit zwei an Ticinius adressierte Briefe vom Cultus Deorum im Haus abgegeben worden. Mit diesen zwei Briefen begab er sich zum Officium seines Dominus.


    "Ich habe hier zwei Briefe vom Cultus Deorum für dich, Dominus", sagte Palamedes, kaum war er eingetreten. "Gib sie mir!", verlangte Ticinius und überflog diese. Er sollte sich also in zwei Tagen beim sacerdos Flavius Aquilius melden. "Wo liegt noch einmal der Tempel des Mars Ultor?", fragte er Palamedes. In all der Zeit, wo er nun in Rom weilte, hatte er immer noch Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. "Auf dem Augustusforum, in der Nähe des Forum Romanum.", anwortete Palamedes bereitwillig. "Dann führe mich in zwei Tagen am Vormittag zum Tempel des Mars Ultor. Nimm auch eine tabula mit. Und lege mir meine beste Toga raus", wies Ticinius Palamedes an. "Sehr wohl!", antwortete dieser und ging aus dem Raum.

    Auch heute war Ticinius wie jeden Tag auf dem Forum und wurde so des Redners auf der Rostra gewahr, der gegen den Senat hetzte. Ticinius hatte nichts vor und beschloss deshalb, seine rhetorischen Fähigkeiten etwas zu üben, indem er diesem Unruhestifter antwortete:


    "Ist es nicht eher Kompetenzanmaßung, wenn ein Ritter meint, dem Senat irgendwelche Vorschriften machen zu dürfen? Du beleidigst den gesamten Senat, wenn du ihn als Ort düsterer Machenschaften bezeichnest, dessen Mitglieder nichts anderes zu tun hätten, als sich Macht anzuhäufen.


    Ist dir nicht bekannt, dass der erste Augustus einst neue Ämter schuf, darunter auch das des Procurators, der nun in der Provinz Hispania eingesetzt werden soll? Ist dir außerdem bekannt, dass der erste Augustus die Provinzen in senatorische und kaiserliche aufteilte? Und ist dir auch bekannt, dass der Kaiser die Ämter in den kaiserlichen Provinzen besetzt und der Senat die in den senatorischen, zu der auch Hispania gehört?


    Wie es das Recht des Kaisers ist, einen Legatus Augusti pro Praetore in einer kaiserlichen Provinz einzusetzen, so ist es das Recht des Senates, einen Proconsul in einer senatorischen Provinz einzusetzen. Warum sollte dies bei einem Procurator anders sein? Wie sonst will der Senat die Provinz verwalten? Der Procurator ist für die Steuererhebung zuständig. Kannst du mir sagen, wie der Senat eine Provinz verwalten will, wenn er nicht über die Steuern dieser Provinz verfügen kann?


    Die Trennung der Provinzen in senatorische und kaiserliche ist seit 133 Jahre eine gute Tradition und wurde von vierzehn Kaisern und fünf Generationen Senatoren akzeptiert. Und nun willst du, ein Ritter, diese Tradition brechen, obwohl die eben noch darüber beschwert hast, unsere Sitten und Gebote würden zu wenig beachtet? Es scheint, als würdest du dich selber in den mos maiorum zu wenig auskennen. Deshalb schlage ich dir vor, diese erst einmal zu lernen, bevor du auf der Rostra große Reden schwingst!"

    Da nun alles wichtige besprochen worden war, sah Ticinius keinen Grund mehr, noch länger hier zu bleiben. Deshalb erhob auch er sich und nickte dem Aurelier zu: "Vale, Aurelius Corvinus", sagte er zu ihm und ging dann, sofern dieser nichts mehr zu sagen hatte, aus dem officium des Septemvirs.

    "Dann danke ich dir für deine Mühe", sagte Ticinius zu dem Aurelier. Das Gespräch neigt sich nun wohl dem Ende zu. "Du hast Recht, im Moment kann man mich in der Casa Matinia erreichen."


    Aufmerksam schaute er den Septemvir an, ob dieser noch etwas zu sagen hatte. Wem er wohl zugeteilt werden würde? Hoffentlich einem Priester, der nicht allzu streng mit ihm und seinem mangelnden Wissen sein würde.

    "Senator Matinius Agrippa ist mein Vater.", antwortete Ticinius auf die erste Frage des Aureliers und begann, die anderen zu beantworten: "Ich habe schon einige Vorkenntnisse, doch viele Dinge sind mir noch unbekannt. Eine präferierte Gottheit habe ich noch nicht."

    Ticinius zuckte kurz, als er unerwarteterweise von der Seite aus angesprochen wurde, riss sich dann aber schnell wieder zusammen und antwortete: "Salve. Ich will zum Septemvir Aurelius Corvinus. Wenn du dieser bist, dann ja."


    Mit diesen Worten trat er in das officium ein und nahm Platz. Kaum hatte er sich hingesetzt, begann er zu reden: "Mein Name ist Marcus Matinius Ticinius. Der scriba bei der Anmeldung in der Regia hat mir mitgeteilt, dass du mich als discupulus einem Priester zuteilen würdest."

    Rechts, am Ende des Ganges links, Treppe hoch, links in den Gang, letzte Tür auf der rechten Seite. Nun stand Ticinius vor der Tür und klopfte.


    Hoffentlich hatte er sich die Beschreibung richtig gemerkt und klopfte jetzt nicht aus Versehen an die Tür eines anderen Priesters.

    Ticinius hörte wieder aufmerksam zu und versuchte, sich den Weg zum officium des Septemvirs zu merken: Rechts, am Ende des Ganges links, Treppe hoch, links in den Gang, letzte Tür auf der rechten Seite. Hoffentlich würde er sich den Weg merken können und sich nicht verlaufen.


    "Danke. Ich werde mich jetzt auf den Weg zu Aurelius Corvinus machen."


    Mit diesen Worten stand er auf und ging aus dem Zimmer, um zum Septemvir zu gelangen.

    Es dauerte einige Zeit, bis der scriba zurückkehrte. Als er Ticinius zu sprechen aufforderte, begann dieser:


    "Salve, mein Name ist Marcus Matinius Ticinius. Ich möchte Mitglied im Cultus Deorum werden. An wen muss ich mich dafür wenden?"


    Wenn er großes Glück hatte, war der scriba dafür zuständig, aber richtig glauben konnte er es nicht. Wahrscheinlich musste er durch das ganze Gebäude rennen, um irgendeinen speziellen Priester zu finden.

    Ticinius hatte sich endlich entschlossen, etwas sinnvolles zu machen und sich nicht nur die Zeit mit Nichtstun zu verbringen. Er wollte Mitglied des Cultus Deorum werden. Seit er in Rom war, hatte er an einigen Opfern teilgenommen und den Entschluss gefasst, auch den Göttern im Cultus Deorum zu dienen. Wie genau, wusste er zwar noch nicht, war aber der Meinung, dass die Priester ihn dort beraten können. Nachdem er den Entschluss gefasst hatte, begab er sich zur Regia und klopfte an die Tür zur Anmeldung.

    Ticinius hatte sich, bekleidet mit einer dunklen Toga, vor dem Tempel der Vesta eingefunden, um am Opfer teilzunehmen. Dies war der Anfang der Parentalia, und diese Zeit nutzten alle, um ihrer verstorbenen Vorfahren zu bedenken.


    Schon am Morgen hatte Ticinius den Manen in der Casa Salz und Wein aufgestellt, damit sie milde gestimmt werden und keine bösen Träume schicken. Am Nachmittag hatte er vor, zum Familiengrab der Matinier zu gehen und dort mit dem Ahnen zu speisen.


    Als das Opfer begann und der Herold schweigen gebot, beobachtete er aufmerksam die Ziegen, die die Opferdiener in den Kreis zogen. Es waren prächtige Tiere, und er war sicher, dass die Manen diese Opfer annehmen würden. Doch zuerst kam das Voropfer, und als dieses beendet war, beobachtete er aufmerksam die Virgo Vestalis Maxima, die nun auch das blutige Opfer vollziehen würde.

    Ticinius war gerade auf dem Forum Romanum, denn er hatte sich angewöhnt, während seines täglichen Spazierganges das Forum zu besuchen und die neuesten Gerüchte zu hören.


    Heute war kein gewöhnlicher Tag, denn kaum hatte er das Forum betreten, begann ein Mann zu verkünden, dass der Kaiser gestorben sei. Kaum war dies geschehen, begann ein offensichtlich verrückter Mann, den Untergang der Welt anzukündigen.


    Der Untergang der Welt wird dies nicht werden, dachte Ticinius, dennoch war die Gefahr vorhanden, dass es zu einem Bürgerkrieg kam. Der Caesar war, soweit er wusste, in Illyrien, und es würde einige Zeit dauern, bis er nach Rom kommen kann. Und Ticinius wusste nicht, wer die Zeit nicht nutzen würde, um die Macht an sich zu reißen und so einen Bürgerkrieg im Imperium Romanum, vielleicht sogar in Rom selbst, anzuzetteln. Er nahm sich vor, bald der Concordia zu opfern, damit sie die Eintracht der Römer bewahrt.


    Während er so nachdachte, wurde es auf dem Forum immer voller und die Leute immer erregter. Er beschloss, das Forum zu verlassen, und versuchte, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen.

    Da Lucanus nichts mehr zu sagen hatte, verabschiedete sich Ticinius entgültig: "Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben. Vale, Flavius Lucanus."


    Nachdem er dies gesagt hatte, ging er gemächlich aus der Bibliothek und den Thermen, um sein Abendessen zu genießen.

    Ticinius hörte aufmerksam zu. Anscheinend wusste Lucanus auch nicht, was im Cursus dran kommt. Das war zwar bedauerlich - bedeutete dies ja lernen - doch niemand bekam etwas umsonst, nicht einmal der Kaiser.


    "Nun, wir werden sehen, was auf uns zukommt. Doch so weit ich weiß, kann der Cursus nicht so schwer sein, gibt es doch fast keinen, der ihn nicht bestanden hat. Die Hauptsache für mich ist, ich bestehe ihn. Ob besser oder schlechter, ist eher zweitrangig."
    Nachdem er zuende gesprochen hatte, guckte er auf eine Wasseruhr, die auf einem Tisch stand, um die Zeit anzuzeigen. Es war schon die 11. Stunde, und langsam bekam Ticinius Hunger. Deshalb sagte er zu Lucanus:


    "Ich fürchte, es ist spät geworden. Da ich heute noch wenig gegessen habe, wirst du wirst mir sicher verzeihen, wenn ich jetzt gehe." Er machte eine kurze Pause, um zu hören, ob Lucanus Einwände dagegen hat. "Ich werde demnächst zur Schola kommen. Dort werden wir uns bestimmt wiedersehen." Warum auch nicht, er arbeitete ja schließlich dort.


    Ticinius wartete noch einen Moment, um Lucanus Gelegenheit zu geben, ihm noch etwas zu sagen.

    "Nun, ich werde sehen, wann ich Zeit erübrigen kann, um in die Bibliothek zu kommen." Dies wird wahrscheinlich in den nächsten zwei Tagen sein, denn Zeit hat Ticinius reichlich zur Verfügung. "Du hast Recht, ich habe mich zum CRV eingetragen. Ich habe eben überlegt, woher ich deinen Namen kenne, doch es ist mir nicht eingefallen. Weißt du denn, welche Themen im Cursus dran kommen, wo du doch in der Schola arbeitest?" Wahrscheinlich nicht, muss Lucanus doch ebenfalls den Cursus absolvieren., aber Fragen schadet nicht. "Ich habe nämlich leider überhaupt keine Ahnung, was ich dafür können muss. Ich vermute aber mal Wissen über den Cursus Honorum, vielleicht auch über einige Gesetze" Der Cursus war ja die Voraussetzung für das Vigintivirat, deshalb wird so etwas vielleicht vorkommen.


    "Deine Schilderung von Flaviobriga erinnert mich an meine Jugend. Rom ist da ja schon quasi das Gegenteil." Ob besser oder schlechter, konnte Ticinius für sich persönlich mit besser beantworten. Doch einigen geht es vielleicht nicht so.

    "Ich danke dir für deine Hilfe", sagte Ticinius, "ich werde der Schola demnächst einen Besuch abstatten. Darf ich annehmen, dass du in der Schola arbeitest, wo du doch so viel über sie weisst?" Wenn dem so wäre, würde er ihn dort vielleicht treffen.


    "Ich freue mich immer, so fern der Heimat auf einen Hispanier zu treffen, Cnaeus Flavius Lucanus. Mein Name ist Marcus Matinius Ticinius." Der Name kam ihm des Flaviers kam ihm irgendwoher bekannt vor, doch er wusste nicht, woher. Wahrscheinlich hatte er ihn mit irgendeinem seiner Verwandten oder berühmten Vorfahren verwechselt. Ausserdem war es erstaunlich, dass anscheinend nur Patrizier in Rom lebten, waren seine Zufallsbekanntschaften doch alle Patrizier gewesen. "Darf ich fragen, aus welchem Grund du nach Rom gekommen bist?" Wahrscheinlich aus dem selben Grund wie er selbst auch - eine Karriere im Cursus Honorum. Vielleicht ist es ihm auch nur in Flaviobriga zu langweilig geworden.