Beiträge von Marcus Matinius Ticinius

    Auch Ticinius gefiel die Idee, dass er direkt Mars opfern sollte - Während der Praxis lernte man ja doch am meisten. Dennoch hatte er noch einige Fragen: "Ich bin damit einverstand. Da Du der Opferherr bist, sprichst du das Gebet, ist das richtig? Und müssen wir nicht noch zuerst ein Voropfer durchführen?" Diese Fragen, die ihm im Moment einfielen, waren wahrscheinlich einfach zu beantworten, doch die Antworten musste er wissen, sollte er das Opfer richtig durchführen. Fragend schaute er den Flavier an.

    "Die mola salsa besteht aus gemahlenen Getreide und Salz und wird von den Vestalinnen hergestellt.", antwortete Ticinius auf die Frage des sacerdos. Was man stattdessen verwendete? Irgendetwas Flüssiges war es, da war es sich sicher. Doch was? Wahrscheinlich Wein, der wurde sowieso zu allen möglichen Zwecken verwendet. "Ich glaube, man kann auch Wein anstatt der mola salsa verwenden. Der weitere Ablauf - dann muss ich die symbolische Entkleidung vornehmen, also das Tier mit dem Opfermesser von Kopf bis Fuß streichen. Dann folgt das Gebet. Ich frage 'Agone?'" und der Opferherr sagt 'Age!'. Wirst Du dies machen?", fragte er den Flavier. "Dann wird es blutig - ich muss das Tier mit dem Opferhammer betäuben und dann die Halsschlagader so durchschneiden, dass das Tier stirbt. Dann muss ich die Innereien begutachten, wie wir es eben besprochen haben. Falls diese erfolgreich war, verkünde ich dies durch den Ausruf 'Litatio!'. Dies sollte eigentlich alles gewesen sein."


    Sein Blick streifte kurz das Ferkel, dass langsam unruhig wurde, beachtete es jedoch nicht weiter. Weit wichtiger waren ihm die Gegenstände, die zum Opfern nötig waren, wie Opfermesser, Opferhammer und auch die mola salsa. Diese versuchte er zu entdecken.

    Jetzt erkannte auch Ticinius die eisernen Ringe, die am Altar angebracht waren. Sie waren gut versteckt und konnten leicht übersehen werden. Während er die Leinen an den Ringen anbrachte, dachte er noch einmal kurz darüber nach, was er eben von dem Flavier über die Vorbereitungen des blutigen Opfers gelernt hatte. Als er mit dem Anbinden fertig war, antwortete er dem sacerdos: "Nun müssen die Anwesenden mit Wasser besprengt werden, ich muss mir rituell die Hände waschen und das Opfertier mit der mola salsa bestreichen." Wieder hoffte Ticinius, er habe nichts vergessen. Langsam wurde er aufgeregter. Die Opferübung näherte sich ihrem blutigen Höhepunkt.

    Im Moment achtete Ticinius gar nicht auf das Aussehen des schönen Tieres, denn er war innerlich sehr angespannt bei dem Versuch, alles richtig zu machen. So nahm er sich zwei Leinen, während er den camillus bat, das Ferkel noch kurz festzuhalten. Beide Leinen legte er um den Hals des Tieres und zog sie so fest zu, dass das Ferkel nicht mehr atmen könnte, wenn es sich von dem Ort, wo sich die Leine befände, wegbewege. Dies hatte er mit zwei Leinen gemacht, denn er wollte verhindern, dass sich das Ferkel im Todeskampf bewegte und herumrannte. Zwischen zwei Pfählen, wo die Leinen befestigt waren, oder zwei camilli, die die Leinen hielten, könnte es nicht noch in eine Richtung bewegen - so war zumindest seine Überlegung.


    Nun fiel ihm ein, dass er gar nicht geguckt hatte, ob es hier Pfähle in der Nähe gab. Doch erst einmal fragte er den Flavier: "Habe ich das so richtig gemacht?", während er das Ferkel auf den Boden setzte und mit der Leine wie bei einem Hund verhinderte, dass es sich aus dem Staub machte.

    Wiederum merkte sich Ticinius gut, auf was er achtgeben musste: Leber, Lunge, Herz, Bauchfell und Galle. Während des Redens hatten sie den Altar erreicht. Nun sah er einen camillus, der ein quikendes Ferkel brachte. Dies würde er also opfern müssen? Wahrscheinlich nicht, dachte er, sondern nur töten. Obwohl dies sicher nicht so leicht war, wie es bei den großen Staatsopfern aussah. So verstand er zumindest das Grinsen des Flaviers. Diesem antwortete er: "Nun üben wir das opfern? Ich nehme an, ich soll das Ferkel töten und sehen, ob es auch innerlich unversehrt ist? Dann bräuchte ich einen Opferhammer und ein Opfermesser." Ticinius hoffte, dass die Antwort nicht vollkommen falsch war. War sie richtig, würde es nun blutig werden. Er versuchte, sich innerlich darauf vorzubereiten.

    Wiederum hörte Ticinius aufmersam zu und versuchte, sich so viel wie möglich einzuprägen. Doch bei der darauffolgenden Frage des sacerdos wusste er keine Antwort, sondern konnte nur raten: Was untersuchten denn die Haruspices? Soweit er wusste, war es besonders die Leber. Doch welche anderen Organe wurden geopfert? Das Herz? Das sicherlich, schließlich hatte Ticinius erst kürzlich bei Aristoteles gelesen, dass dieses der Sitz der Seele sei. Die Lunge? Auch die vielleicht, denn schließlich war sie für die Atmung wichtig. Vielleicht auch alle lebenswichtigen Organe? Das wäre eine Idee. Deshalb sagte er: "Ich glaube, zu den vitalia gehören alle lebenswichtigen Organe. Dies sind zum Beispiel die Leber, die Lunge und das Herz." Hoffentlich war diese Antwort richtig.

    Ticinius hörte aufmerksam zu und versuchte, so viel wie möglich zu behalten: Voropfer im Inneren des Tempels, Opfer vor dem Tempel, Wasserbesprengen der Zuschauer, das Opfertier mit der mola salsa bestreichen, bei normalen Opfern kein Haruspex. Langsam bedauerte er es, keine tabula mitgenommen zu haben. Dann antwortete er auf die Frage des Flaviers: "Der Priester sollte beim Tier gucken, ob es auch innerlich gesund ist. Wenn die Eingeweide krank aussehen, sollte man die litatio nicht verkünden." Was man dann machen sollte? Verschwommen erinnerte er sich an einen Artikel in der letzten Acta Diurna, wo so etwas beschrieben wurde. "Dann sollte man das Opfer abbrechen oder so lange wiederholen, bis es angenommen wurde."

    Ticinius folgte dem Flavier schweigend zum Altar, der abseits des Hauptweges stand. Er sollte also den Ablauf des blutigen Opfers beschreiben? Hoffentlich erinnerte er sich an alle Dinge. Er antwortete:


    "Zuerst wird die Menge zum Schweigen aufgefordert." Dann tritt der sacerdos vor den Tempel. Auch das oder die Opfertiere werden von dem oder den Opferdienern dorthin geführt. Der sacerdos schaut sich an, ob die Tiere unversehrt sind, und beginnt dann zu beten, und unblutige Dinge zu opfern. Ich glaube, dies nennt man Voropfer. Ist das richtig?" Fragend blickte Ticinius den Flavier an. "Dort werden beispielsweise Getreide oder Salz geopfert. Der sacerdos legt es auf den Altar. Dann wäscht er sich die Hände und reinigt die Tiere rituell. Dann betet er wieder. Nachdem es fertig ist, fragt der Opferdiener "Agone?" und der sacerdos antwortet mit "Age!". Dann betäubt und tötet der Opferdiener das Tier. Der Opferdiener fängt das Blut auf und stellt es auf den Altar. Dann kommt ein Haruspex und untersucht die Eingeweide. Wenn er nichts ungewöhnliches findet, ruft er "Litatio!". Damit ist das Opfer erfolgreich und beendet."


    Während seiner Antwort beobachtete Ticinius einen camillus, der ihn anscheinend beobachtete. Da dieser aber kurz darauf wieder veschwand, beachtete er ihn nicht weiter. Nun fiel ihm auf, dass die Opferhandlung, die er beschrieben hatte, für ein normales Opfer wohl zu aufwenig war. Deshalb fügte er hinzu: "Ich glaube aber, diese Opferhandlung wird nur bei Feiertagen angewendet." Nun war Ticinius gespannt, ob alles richtig war.

    Ticinius war bei der Opferung als Zuschauer anwesend, und das aus zwei Gründen. Erstens hielt er es für seine Pflicht als römischer Bürger, die Göttin Tellus um die Fruchtbarkeit der Felder zu bitten. Er wollte nämlich in diesem Jahr keinen Hunger leiden - obwohl dies bei einem Mann wie ihm unwahrscheinlich war. Zweitens wollte er als discipulus des Cultus Deorum anwesend sein, um das Opfer aufmerksam zu beobachten und vielleicht etwas über den Ablauf von Opfern zu lernen.


    Deshalb beobachte er aufmerksam die trächtigen Kühe, die auf dem Tempelvorplatz standen, den Pontifex, der die Kühe auf Unversehrtheit prüfte, sich rituell die Hände wusch, vortrat und das Gebet von einer Papyrus-Rolle vorlas. Ticinius hoffte, sich diese Handlungen merken zu können.

    Ticinius hörte aufmerksam zu - sie würden also blutige Opfer üben. "Ich habe sehr wenig Erfahrung mit dem Opfern größerer Tiere. Ich war nur bei einigen Opfern anwesend, wie beispielsweise bei den Parentalia", beantwortete er die Frage des sacerdos und betrachtete die Ferkel genauer. Eines oder mehrere würde er also wahrscheinlich töten müssen - wie gut, dass er Blut sehen konnte.


    In Hispania, wo er aufgewachsen war, hatte er öfters Tiere in der Arena sterben sehen, wenn er diese besuchte. Dennoch war es ein Unterschied, Tieren beim Sterben zuzusehen und sie selber zu töten - doch hoffentlich war es kein großer und er würde sich nicht blamieren.

    Am Morgen nach seinem Gespräch mit dem Flavier erschien Ticinius pünktlich beim Tempel des Mars Ultor, um das opfern zu üben. Er fragte sich, ob das Opfer blutig oder unblutig sein würde, vielleicht es auch beides. Mit diesen Gedanken überquerte er das Forum Augustum und übersah fast den Flavier, der vor dem Tempel stand, in den Himmel schaute und nicht gerade einen zufriedenen Eindruck machte - vielleicht fürchtete er, dass es anfing zu regnen. Ticinius schritt auf ihn zu und begrüßte ihn erst einmal: "Salve, Flavius Aquilius.". Nun würde er vermutlich von dem sacerdos erfahren, was für den heutigen Tag vorgesehen war.

    Nach dem Gespräch mit Flavius Aquilius wurde Ticinius von einem camillus hierhin geführt, um den Schwur zu leisten. Er sprach er feierlich und mit fester Stimme den Schwur:


    "Ego, Marcus Matinius Ticinius, deos deasque imperatoremque romae in omnibus meae vitae publicae temporibus me culturum et virtutes romanas publica privataque vita me persecutorum esse iuro.


    Ego, Marcus Matinius Ticinius, religioni romanae me fauturum et eam defensurum et numquam contra eius statum publicum me acturum esse ne quid detrimenti capiat iuro."

    Ticinius erhob sich gleichzeitig mit dem sacerdos. "Dann werde ich jetzt meinen Schwur leisten und morgen zum Tempel kommen.", sagte er. Es würde also eine praktische Übung geben - die sicher wichtiger war als Theorie, konnte man diese ja aus Büchern lernen, jene aber nicht. "Ich danke dir noch einmal, dass du dir für mich Zeit genommen hast. Wir werden uns morgen wieder sehen. Vale, Flavius Aquilius!". Nach diesen Worten nickte er noch einmal freundlich dem Flavier zu, dann verließ er den Raum, um seinen Schwur zu leisten.

    Das Gespräch schien sich dem Ende zuzuneigen - da war sich Ticinius fast sicher. Weitere Fragen hatte er momentan auch nicht. "Im Moment habe ich keine Fragen mehr", sagte er also zum sacerdos , "und ich freue mich, morgen am Unterricht teilzunehmen. Wenn du momentan nichts mehr zu besprechen hast, würde ich dir jetzt auch nicht deine Zeit übermaßig beanspruchen und aufbrechen." Fragend schaute er dem Flavier an, ob dieser noch etwas sagen wollte.

    Ticinius konnte nicht genau abschätzen, wie der Flavier seine Entscheidung aufnahm, doch er war erleichtert, dass es möglich war, sacerdos der Fortuna zu werden. Dann antwortete er wieder auf die Fragen des sacerdos:


    "Praktische Erfahrungen habe ich bei blutigen und unblutigen Opfern fast keine. An Theorie weiß ich, welcher Gottheit welche Tiere geopfert werden müssen und was als unblutiges Opfer gilt." Damit meinte er beispielsweise die Farbe und das Geschlecht der Tiere, die geopfert werden sollen. Dies hatte er oft genug in Hispania und auch in Rom gesehen. "Ich werde mich also ab morgen hier einfinden, um mich in den Dingen der Götter unterrichten zu lassen und die Praxis zu üben. Nach diesem Gespräch werde ich den Schwur leisten.", sagte er wie zur Bestätigung zu dem Flavier. Ob es noch etwas zu besprechen gab?

    Ticinius setzte sich, als dies ihm bedeutet wurde, und hörte dem Flavier aufmerksam zu und antwortete ihm auf seine Fragen:


    "Als ich mit dem Septemvir Aurelius Corvinus sprach, hatte ich meine Entscheidung noch nicht getroffen. Doch in der Zwischenzeit habe ich nachgedacht. Wenn es möglich ist, würde ich gerne der Göttin Fortuna dienen." Ob dies wohl ein ungewöhnlicher Wunsch war? Vielleicht wählten junge Männer wie er eher Iuppiter oder Mars? "Sie ist die Schutzgöttin der Matinier.", fügte Ticinius deshalb wie zur Erklärung hinzu. "Meinen Schur habe ich noch nicht geleistet.", erklärte er und fragte: "ich nehme an, dies muss ich bald machen?"

    Sim-Off:

    Kein Problem


    Kurze Zeit später kam der camillus wieder und bat Ticinius, ihm zu folgen. Neugierig folgte er diesem. Sie gingen quer durch den Tempel zu einem Nebenraum. Dort wünschte der camillus Ticinius viel Erfolg und verschwand. Jener klopfte aus Höflichkeit zwei Mal gegen die Tür, um zu zeigen, dass er vor der Tür stand, und trat dann ein, ohne ein "Herein" abzuwarten - schließlich wurde er erwartet. Dort saß auch schon Flavius Aquilius, der ihm freundlich bedeutete, näher zu kommen. Ticinius ging näher an den sacerdos heran, setzte sich jedoch nicht, bevor er nicht dazu aufgefordert wurde. Dann antwortete er dem Flavier:


    "Salve, sacerdos Flavius Aquilius. Ich danke Dir, dass Du dich bereiterklärt hast, mich auf meinem Weg zum sacerdos zu begleiten."

    Zu dem Vorwurf, seine Argumentation habe einen Fehler, musste Ticinius einfach etwas erwiedern:


    "Auch deine Argumentation hat einen logischen Fehler. Der Kaiser hat nicht nur das Recht, römischen Bürgern den Ritterstand zu verleihen, sondern auch das Recht, römischen Bürgern den Ordo Senatorius zu verleihen. Nach deiner Argumentation dürfte er alleine die Posten, die für den der Ordo Senatorius notwendig ist, nämlich das Vigintivirat und die Quaestur, ernennen. Doch dies macht er bekanntlich nicht, diese wählt der Senat. Du siehst, dass Recht, einen Stand zu verleihen, schließt nicht das Recht ein, die Ämter, für die dieser Stand notwendig ist, zu ernennen."


    [SIZE=7]Edit: Farbe eingefügt[/SIZE]

    Wie immer, wenn es ludi gab, eilten 14.000 Menschen in das Theater des Marcellus, das größte Theater Roms. Auch Ticinius hatte sich dieser Menschenmasse angeschlossen und befand sich vor dem Eingang des Theaters. Der Titel des Stückes, der auf Holzpatten geschrieben wurde, sagte Ticinius nichts, wahrscheinlich war es neu und eigens für diesen Abend geschrieben worden.


    Voller Vorfreude kaufte er sich einige Süßigkeiten und einen Becher guten Weines, ging ins Theater hinein und nahm dort Platz. Während er den Lyraspielern lauschte, aß und trank er und erwartete gespannt den Beginn des Stückes.