Beiträge von Titus Octavius Nerva

    Ich zuckte zusammen. Etwas war ich von meinen Kameraden auf so einen Anschiss vorbereitet gewesen, aber so etwas hatte ich nicht erwartet. Lag wohl auch daran, dass ich mit dem Militär bisher außer ein paar Fechtstunden mit einem paedagogus keinerlei Gelegenheit gehabt hatte. Neben mir verkniffen sich die anderen schmerzhaft das Lachen.


    Jawohl, Princeps Prior!


    Princeps Prior, ich melde mich wie befohlen!

    Endlich hatte ich alles, was ich brauchte, um endgültig ein Rekrut der Urbanen zu sein. In der Unterkunft hatte ich alles nochmal einer gründlichen Prüfung unterzogen und auf Hochglanz poliert. So hatten es mir meine neuen Kameraden geraten. Es ging das Gerücht, dass der Ausbilder ein wahres Kampfschwein war, das keine Fehler durchgehen ließ und so gut wie nie lobte. Ich machte mich also auf einiges gefasst. Die Grundkniffe des Salutierens hatten mir meine Stubenkameraden bereits im Kurzverfahren beigebracht. So kam ich auf den Exerzierplatz gerannt und stand stramm. Kurz salutierte ich.


    Princeps Prior Peltrasius Bibulus, Probatus Octavius Nerva meldet sich wie befohlen!

    Etwas aufgeregt kam ich in die Kleiderkammer und reihte mich ein. Nach ein paar Minuten kam ich endlich an die Reihe.


    Salve, Titus Octavius Nerva mein Name. Ich soll mir hier meine Kleidung abholen.

    Endlich hatte auch ich die Ehre, den Fahneneid zu sprechen. Mit erhobener Hand stand ich vor dem Fahnenheiligtum und sprach die eingeübten Worte.


    IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA.


    Mit dem Nicken des zuständigen Offiziers wurde ich entlassen und ging weiter zur Kleiderkammer.

    ...sah in der Regel so aus:


    Da ich stets in meiner Insula zu schlafen pflegte, die ich mir vom Erbe meines Vaters zugelegt hatte, musste ich keine großen Arbeitswege zurücklegen. Früh morgens stand ich von meiner Pritsche auf, holte mir vom Brunnen auf der Straße Wasser und machte meine Morgentoilette. Gleich darauf kam auch schon der Erste ins officium, ich hatte nicht einmal Zeit, richtig zu frühstücken. Noch kauend begrüßte ich ihn und bat ihn, sich zu setzen. Der Tag lag noch in den ersten Wehen und ein angenehm warmer Wind strich durch die Fenster herein. Er trug schon die Verheißung eines schönen, aber wahrscheinlich heißen Frühlingstages in sich. Von der Straße drang der Lärm der Marktschreier der Anwohner zu mir heraus. Zusammen mit dem Hämmern und Sägen der Handwerker verband sich das alles zu einem einmaligen Geräuschbrei, den man nirgends so intensiv und ungefiltert wahrnahm wie hier. Trans Tiberim mochte vielleicht nicht das Haupt Roms sein, aber es war sicher sein Herz. Hier konnte man noch sehen und spüren, wie alles pulsierte und in Bewegung blieb. Als Octavier war ich Besseres gewohnt, wollte aber dieses Viertel nicht mehr missen. Als ich vor Wochen hierher kam, um meine Arbeit als schmieriger Privatermittler aufzunehmen, kroch mir noch unangenehm heftig der Gestank des Trubels in die Nase, aber mittlerweile hatte er das Aroma von Meeresluft. Nichts hörte ich lieber als das morgendliche Gekeife der Frauen an ihren Ständen, wenn sich wieder ein Unglücklicher in ihre Gasse verirrte und von ihnen belagert wurde. Dazwischen standen die Werkstätten der kleineren Handwerker. Der Lärm der Schläge auf Ambosse, Stein und Holz ließ die Luft zittern. Irgendwo leerte eine Frau ihre Notdurft auf der Straße aus. Dann wieder Kindergekreisch, sie spielten wohl dieselben Spiele, die ich früher mit meinen Kameraden gespielt hatte. Wehmut stieg in mir auf. Vielleicht auch der lange verschütt gegangene Wunsch nach eigenen Kindern. Wenn mittags der Hunger stark genug geworden war, stieg ich nach unten und kaufte mir etwas an einem der zahlreichen Imbisse. Dabei kam ich auch ins Gespräch mit vielen Menschen, eine unverzichtbare Informationsquelle für meine Arbeit.


    Aber was tat ich eigentlich? Genau umrissen war meine Arbeit nicht, ich bezeichnete mich scherzhaft als Ermittler für alles. Im Grunde kamen Leute in mein officium. Meistens Männer, die ihre Frauen aus krankhafter Eifersucht beschatten lassen wollten. Manchmal auch einfach Menschen, die Informationen suchten, die es nicht so einfach auf der Straße gab. Ich beschaffte allen ihre Genugtuung. Erstaunlicherweise kamen nicht nur die Plebejer und Rechtlosen, es waren auch viele Oberschichtler dabei, die nicht schlecht zahlten. Auch, um sich mein Schweigen zu erkaufen. Welcher hohe Beamte ließ schon gern durchsickern, dass er seine Frau der Unzucht verdächtigte. Auch von den Urbanen kam so mancher, der für seine Ermittlungen nützliche Informationen brauchte. In der Regel half ich ihnen. In den Wochen hatte ich mir mit dem verbliebenen Erbe ein gutes Netzwerk an Informanten aufgebaut. Es erweiterte sich stetig durch Mundpropaganda. Für ein paar Sesterzen war hier im Viertel jeder bereit, seine Mutter zu verraten. Von meinem Einkommen, das nicht schlecht war, wanderte daher ein beachtlicher Teil an Informanten, Zwischenhändler und zwielichtige Gestalten. Nach meiner Liebe für Trans Tiberim war das wohl der Grund dafür, dass ich noch immer in einer Insula hauste. Aber beschweren konnte ich mich nicht, meine Arbeit war abwechslungsreich und selten langweilig.


    Abends ging ich meistens noch eine Runde durch die verschiedenen Tavernen des Viertels. Kontaktpflege war schließlich oberstes Gebot. Ich hatte vielleicht kein Gesicht, das einem sofort auffiel, aber mein Ruf innerhalb des Viertels war solide, man kannte mich. Wer Informationen brauchte, kam zu mir.

    Irgendwo in Trans Tiberim, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagten, stand eine Insula, die unter den anderen nicht herausstach. Sie war genauso gleichförmig und lieblos angelegt wie die vielen Insulae um sie herum. Und doch war zumindest ihr Inhalt vielleicht einzigartig. Die Außenfassade ließ nichts erahnen, auch nicht die Blumendekoration am Geländer hoch zu den Wohnräumen. Die sorgte höchstens für den Eindruck, dass der Hauseigentümer ein Faible für Blumen hatte. Einzig und allein ein unauffälliges Türschild machte kenntlich, was sich hinter der Fassade befand:




    - OFFICIUM NERVAE -
    Ermittlungen aller Art


    Betrat man trotz einiger Bedenken - die Gegend galt nicht gerade als Tourismusmagnet - doch das officium, wurde man zuerst von einem Ianitor achaischer Herkunft empfangen. Der Hausherr hatte eine Schwäche für alles Achaische. Das Officium selbst war nebst massivem Schreibtisch auch mit mehreren Aktenschränken ausgestattet. In einer Ecke stand eine behelfsmäßige Pritsche.

    Um mich nach Arbeit in der Provinzverwaltung umzuschauen, und um den Proconsul um sein Patronat zu fragen, kam ich endlich vor seine Villa. An der Porta klopfte ich an.

    Des Nachmittags hatte man mir den Weg zum officium des Proconsuls gewiesen. Da es derzeit noch keinen Privatsekretär gab, war der oberste Beamter der Provinz sicher überflutet mit Arbeit. Dementsprechend war ich etwas nervös und fragte mich, wie der Proconsul meine Bitte aufnehmen würde, mir die Gladiatorenschule zu verkaufen. Aber ich wusste, dass er nicht mehr als verneinen konnte. Irgendwann hatte ich mich durch die Gänge der Regia gefunden und stand vor der richtigen Tür.


    *Klopf*