...sah in der Regel so aus:
Da ich stets in meiner Insula zu schlafen pflegte, die ich mir vom Erbe meines Vaters zugelegt hatte, musste ich keine großen Arbeitswege zurücklegen. Früh morgens stand ich von meiner Pritsche auf, holte mir vom Brunnen auf der Straße Wasser und machte meine Morgentoilette. Gleich darauf kam auch schon der Erste ins officium, ich hatte nicht einmal Zeit, richtig zu frühstücken. Noch kauend begrüßte ich ihn und bat ihn, sich zu setzen. Der Tag lag noch in den ersten Wehen und ein angenehm warmer Wind strich durch die Fenster herein. Er trug schon die Verheißung eines schönen, aber wahrscheinlich heißen Frühlingstages in sich. Von der Straße drang der Lärm der Marktschreier der Anwohner zu mir heraus. Zusammen mit dem Hämmern und Sägen der Handwerker verband sich das alles zu einem einmaligen Geräuschbrei, den man nirgends so intensiv und ungefiltert wahrnahm wie hier. Trans Tiberim mochte vielleicht nicht das Haupt Roms sein, aber es war sicher sein Herz. Hier konnte man noch sehen und spüren, wie alles pulsierte und in Bewegung blieb. Als Octavier war ich Besseres gewohnt, wollte aber dieses Viertel nicht mehr missen. Als ich vor Wochen hierher kam, um meine Arbeit als schmieriger Privatermittler aufzunehmen, kroch mir noch unangenehm heftig der Gestank des Trubels in die Nase, aber mittlerweile hatte er das Aroma von Meeresluft. Nichts hörte ich lieber als das morgendliche Gekeife der Frauen an ihren Ständen, wenn sich wieder ein Unglücklicher in ihre Gasse verirrte und von ihnen belagert wurde. Dazwischen standen die Werkstätten der kleineren Handwerker. Der Lärm der Schläge auf Ambosse, Stein und Holz ließ die Luft zittern. Irgendwo leerte eine Frau ihre Notdurft auf der Straße aus. Dann wieder Kindergekreisch, sie spielten wohl dieselben Spiele, die ich früher mit meinen Kameraden gespielt hatte. Wehmut stieg in mir auf. Vielleicht auch der lange verschütt gegangene Wunsch nach eigenen Kindern. Wenn mittags der Hunger stark genug geworden war, stieg ich nach unten und kaufte mir etwas an einem der zahlreichen Imbisse. Dabei kam ich auch ins Gespräch mit vielen Menschen, eine unverzichtbare Informationsquelle für meine Arbeit.
Aber was tat ich eigentlich? Genau umrissen war meine Arbeit nicht, ich bezeichnete mich scherzhaft als Ermittler für alles. Im Grunde kamen Leute in mein officium. Meistens Männer, die ihre Frauen aus krankhafter Eifersucht beschatten lassen wollten. Manchmal auch einfach Menschen, die Informationen suchten, die es nicht so einfach auf der Straße gab. Ich beschaffte allen ihre Genugtuung. Erstaunlicherweise kamen nicht nur die Plebejer und Rechtlosen, es waren auch viele Oberschichtler dabei, die nicht schlecht zahlten. Auch, um sich mein Schweigen zu erkaufen. Welcher hohe Beamte ließ schon gern durchsickern, dass er seine Frau der Unzucht verdächtigte. Auch von den Urbanen kam so mancher, der für seine Ermittlungen nützliche Informationen brauchte. In der Regel half ich ihnen. In den Wochen hatte ich mir mit dem verbliebenen Erbe ein gutes Netzwerk an Informanten aufgebaut. Es erweiterte sich stetig durch Mundpropaganda. Für ein paar Sesterzen war hier im Viertel jeder bereit, seine Mutter zu verraten. Von meinem Einkommen, das nicht schlecht war, wanderte daher ein beachtlicher Teil an Informanten, Zwischenhändler und zwielichtige Gestalten. Nach meiner Liebe für Trans Tiberim war das wohl der Grund dafür, dass ich noch immer in einer Insula hauste. Aber beschweren konnte ich mich nicht, meine Arbeit war abwechslungsreich und selten langweilig.
Abends ging ich meistens noch eine Runde durch die verschiedenen Tavernen des Viertels. Kontaktpflege war schließlich oberstes Gebot. Ich hatte vielleicht kein Gesicht, das einem sofort auffiel, aber mein Ruf innerhalb des Viertels war solide, man kannte mich. Wer Informationen brauchte, kam zu mir.