Victor und ich hielten Kriegsrat. Wir hatten die äußere Mauer nicht halten können, trotz unserer erbitterten Gegenwehr. Die Kampfhandlungen um die äußere Mauer hatten sich bis zum Einbruch der Dunkelheit hingezogen. Bereits unter dem Licht des Mondes mußten wir den Angreifern der Legio I weichen und uns in den Schutz der inneren Mauer zurückziehen. Unser Rückzug erfolgte kämpfend und geordnet. Die Cohortes behielten dabei kühlen Kopf.
Sobald wir die äußere Mauer geräumt hatten, blieben die Soldaten der Legio I zurück. Sie wußten, das sie keine Aussichten hatten, einen Kampf um die innere Mauer zu gewinnen, da wir dort noch starke Reservekräfte zur Verfügung hatten. Stattdessen hätten sie bei einem Gegenangriff durch uns riskiert auch die äußere Mauer wieder zu verlieren. So waren die Kampfhandlungen plötzlich verebbt.
Wir zogen eine erste Bilanz. Wir hatte bei unserer Rückeroberung der äußeren Mauer zahlreiche Legionäre gefangen nehmen können, mehr als 300. Von unseren Leuten war meines Wissens niemand gefangen worden. Auch bei den Verletzten neigte sich die Waage zu unseren Gunsten. Die Legio I hatte wesentlich mehr Verletzte als wir zu beklagen, bedingt dadurch das sie den Sturmangriff auf die äußere Mauer infolge unserer zwischenzeitlichen Rückeroberung zweimal unternehmen mußten.
Dadurch hatte sich das Kräfteverhältnis der noch einsatzfähigen Soldaten zwischenzeitlich zu unseren Gunsten gewandt. Mit den frischen Reservekräften, die in der inneren Mauer verblieben waren und Teilen der anderen Einheiten hätten wir durchaus einen erneuten Gegenangriff auf die äußere Mauer mit einiger Aussicht auf Erfolg versuchen können.
Allein uns fehlte die Zeit dafür. Um Mitternacht sollte das Manöver vereinbarungsgemäß zu Ende gehen. Allein die für einen erfolgreichen Gegenangriff erforderlichen Maßnahmen hätten den Rest der zur Verfügung stehenden Zeit beansprucht. So war das Manöver zwischen der Legio I und den Cohortes Urbanae zu Ende.
Wir waren nicht unzufrieden. Letzlich hatten wir die äußere Mauer zwar nicht halten können. Aber bei der zwischenzeitlichen Rückeroberung hatten unsere Männer ihre Kampfkraft und Entschlossenheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das wir die äußere Mauer gegen die in der Erstürmung von Städten erprobte und erfahrene Legio I vielleicht nicht halten würden, war durch uns einkalkuliert worden.
Viel wichtiger war, das die innere Mauer zu keinem Zeitpunkt des Manövers in Gefahr geriet. Kein gegenerischer Soldat war während des Manövers auch nur in ihre Nähe gekommen. Natürlich mit Ausnahme der Gefangenen, die wir hinter der inneren Mauer in Sicherheit gebracht hatten. Und auch die Anzahl der Verluste sprach zu unseren Gunsten. Vor dem Manöver waren wir der Legio I zahlenmäßig unterlegen gewesen, nach dem Manöver waren usere einsatzfähigen Kräfte stärker als die des "Gegners". Und wir hatten Gefangene gemacht, die Legio I keine.