“Ach, wer weiß, vielleicht hättest du dann für mich getanzt und ein wenig musiziert?“ Es war ja nicht so, dass Faune ausschließlich den Nymphen nachstellten, um mit ihnen zu kopulieren. Den Geschichten nach feierten sie ja auch ganze Nächte hindurch mit verzaubernder Musik, und das hier war vielleicht kein mystisches Fest im Wald, aber doch immerhin eine Festivität. Da wäre ein musizierender und tanzender Patrizier sicher ein Hingucker gewesen.
Bei seinen Schmeicheleien musste Axilla ein wenig lachen. Sie konnte es nicht unterdrücken, und so kicherte sie ein wenig vor sich hin. “Das ist aber auch wirklich ein sehr schöner Busch, den ihr hier habt, das musst du zugeben.“ Sie hatte keine Ahnung, was für eine Pflanze das war, geschweige denn, wie sie hieß. Aber sie war wirklich hübsch und blühte, selbst jetzt im Herbst.
Doch dann war Flaccus mit einem mal ganz gefangen, als sie Alexandria erwähnte. Er selbst sagte nur wenig zu Athen, nur dass er dort wohl nicht herstamme, sondern nur gewohnt hatte. Ein wenig erinnerte sie das an sie selbst, stammte sie doch auch nicht aus Alexandria.
“Oh, was willst du denn wissen?“ fragte sie offen und ebenfalls deutlich gelöster als noch vor Augenblicken. Axilla LIEBTE Alexandria. Sie war dort nur zwei Jahre gewesen, und dennoch fühlte sie sich mit der Stadt, dem Land, den Menschen dort immer verbunden. Und das würde wohl auch immer so bleiben. “Vielleicht sollte ich mit dem Paneion anfangen?“ setzte sie gleich wieder etwas neckischer hinzu, ehe er antworten konnte. Das Heiligtum von Pan und Dionysos war sicherlich etwas, das am ehesten zu ihrem bisherigen Gespräch passte. “Es ist wirklich wunderschön. Es erhebt sich über die Stadt wie ein grüner Berg. Oben drauf steht das Heiligtum des Pan, ein ganz kleiner Tempel, fast nur das Kultbild und ein kleiner Altar. Aber es ist wirklich wunderschön und passt zu ihm. Und die Aussicht! Du kannst die ganze Stadt überblicken, bis weit hinaus aufs Meer! Und wenn du in die andere Richtung siehst, ins Land, dann siehst du den Lacus Maetoris und den Nil, wo alles so sattes Grün ist, und weiter nach Osten, wo die Wüste beginnt, verschwimmt der Blick in der Hitze, und auf dem Boden spiegelt sich der Himmel und du siehst Berge, obwohl sie Meilen entfernt sind...“ Axilla merkte, wie sie in sehnsüchtiges Schwärmen verfiel und lächelte verlegen, blickte zu Boden. “Und am Fuß des Berges ist der Park. Tausend Pflanzen, eine bunter als die andere. Orchideen von solcher Schönheit, wie ich sie noch nirgends gesehen habe. Und ein Tierpark mit wilden Tieren. Dort hatten sie einen Elefanten, und eine Giraffe, ein paar Löwen, Hyänen.. andere, von denen ich keinen Namen weiß.
Wenn die Sonne untergeht, verwandelt sie das alles in sattes Gold, als würde für einen Augenblick alles von Midas berührt. Und dann, wenn es dunkel ist, werden an allen Wegen dort Fackeln angezündet. Feuerspeier treten auf und andere Schausteller. Ich meine, sie sind infam, das ganz ohne Frage, aber... wenn sie tanzen und jonglieren, das ist wirklich, als würde man kurz einen Blick nach Arkadien werfen dürfen.“ Das verlegene Lächeln wurde immer stärker. “Ich weiß, das klingt albern. Aber es ist wirklich wunderschön dort.“
Und dann wurde sie unterbrochen. Gerade, als sie versuchte, sich wieder etwas weniger schwärmerisch zu geben, kam Piso herüber gewankt. Wortwörtlich, denn er hatte wohl ordentlich Wein getrunken. Und er war aggressiv dabei. Er trat direkt auf sie zu, lallte sie anklagend an. “Du bist betrunken“, wich sie angeekelt einen kleinen Schritt beiseite, als er ihr seinen schalen Atem ins Gesicht hauchte. Und sie verstand nicht ganz, was er hatte. Archias war schon eine Ewigkeit tot und unter der Erde. Sollte sie Zeit ihres Lebens nun ihm nachtrauern, nur weil er sich ohne Grund vom Tarpejischen Felsen geschmissen hatte? Weshalb war Piso ihr so böse? Sie verstand es nicht ganz, hatte noch nie verstanden, was er an ihr auszusetzen hatte. Um sie – vor ihrer Ehe – betrunken zu machen und in sein Bett zu zerren, war sie gut genug gewesen. Aber nicht als Frau seines Freundes. Und jetzt das hier! Sie verstand es nicht, aber es war ihr unendlich peinlich.
Nachdem Piso also weitergetorkelt war, nachdem er ihr Aussehen runtergeputzt hatte, blieb sie nur da stehen und drehte etwas verlegen den Becher in ihren Händen. Sie holte zweimal Luft, um etwas zu sagen, aber irgendwie fiel ihr nichts ein. Ein schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit, und sie fühlte sich wieder klein und nichtig und fehl am Platz. Nichts mehr von der lockeren Fröhlichkeit von gerade eben, auch wenn sie versuchte, ihr Lächeln zu behalten. “Ich... es tut mir leid, das war...“ Sie hatte keine Erklärung. Sie konnte nur hoffen, dass Flaccus nun nicht von ihr so angewidert war, wie es sein Vetter ganz offensichtlich war.