Beiträge von Iunia Axilla

    Ich würd das mal mit einem ganz klaren Jain beantworten :D


    Es ist Sinn der Wisim, dass wer daran teilnimmt, auch daran teilnimmt. Es ist nicht Sinn, dass alle ihre virtuellen Sesterzen horten für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Staat mal einundelfzig Grundstücke auf dem Markt wirft und man dann eins kaufen kann. Es gilt nicht, für eine Rente im Spiel vorzusorgen und Bausparverträge hat hier auch keiner. Die WiSim funktioniert nur, wenn die, die ein Konto haben, nicht nur produzieren, sondern auch konsumieren. Ansonsten haben wir eine ständig steigende Geld- und Warenmenge, die durch Steuern nicht wirklich eingedämmt wird. Und was haben wir, wenn die Leute immer mehr Geld auf dem Konto haben? Inflation. Und das lernt jeder Kaufmann im ersten Ausbildungsjahr, dass das was ganz, ganz schlechtes ist :D
    Von daher sollten alle zusehen, dass wenn sie ein Konto haben, dieses auch entsprechend ihrem dargestellten Lebensstil nutzen. Wem das zu stressig ist, der muss kein Konto haben. Wie Vala schon gesagt hat, es gibt auch prima Möglichkeiten, ohne Konto durch die Sim zu kommen. Für die paar Fälle, wo man wirklich Pixelgeld braucht, findet sich auch ein Spender, der es einem finanziert. Sei es ein Patron, ein Gensmitglied oder ein Fan des persönlichen Schreibstils. Irgendwer findet sich.


    Jetzt aber zum zweiten Teil deiner Frage: Darfst du einfach von den Balken auf das momentane Erscheinungsbild schließen: Das ist etwas komplizierter. Die Balken kann man ja nur nach oben mit etwas einsatz auf die Schnelle ändern, nach unten eher weniger. Wenn jetzt jemand im alltäglichen Leben eher "normal" lebt und sich kleidet, sich aber für ein besonderes Fest in Schale schmeißt, muss er die Balken dann steigern? Wär natürlich schön, wenn er das tut, aber ist kein Muss. Und andersherum, wenn er sie gesteigert hat, und in sämtlichen anderen Threads aber normal herumläuft, muss man dann beeindruckt von seiner Erscheinung sein, nur weil er andernorts sich aufgebretzelt hat und nun der blaue Balken voll ist?
    Da würde ich sagen: Nein. Generell empfiehlt es sich, zu lesen, was der andere denn schreibt, was er anhat und wie er rumläuft. Einige machen das ja ausführlicher, andere weniger. Man sollte generell immer lesen, was der jeweilige Postingpartner schreibt und es berücksichtigen, auch unabhängig von Aussehensbeschreibungen :D
    Da muss man dann so flexibel sein, die Balken auch zu ignorieren, wenn es logisch ist. Die Balken sollen eine generelle Hilfe sein, die sind aber sicher kein Dogma, an das man sich halten muss. Wenn ein gut situierter Tribun sich für einen Einsatz als Bettler verkleidet, dann muss man nicht von der Pracht seiner Bettelklamotten geblendet sein ;) Logik und das, was das Gegenüber schreibt, sollten immer mehr Stellenwert haben als ein paar bunte Balken. Wir sind hier ja schließlich kein Browsergame, wo es nur auf Stats und die richtigen Knöpfe ankommt.
    Und im Zweifelsfall, vor allem im Hinblick darauf, dass man mit dem ein oder anderen auch mal mehr schreiben möchte, empfiehlt es sich, einfach demjenigen eine PN zu schicken und zu fragen. Mich hat bislang noch keiner gebissen, wenn ich ihn was gefragt habe (und ich kann verdammt blöde Fragen stellen :D ), und ich bin sicher, auch kein anderer wird aufgefressen, wenn er fragt "Kann ich vom Stand deiner Balken davon ausgehen, dass dein Charakter grade knapp bei Kasse ist?" Der angesprochene wird dann schon "ja" oder "nein" antworten :D

    Jetzt hätte Axilla sich merken müssen, wo das denn gewesen war, damit sie ordentlich hätte beeindruckt sein können. Sie hatte sich nur gemerkt, dass er in Athen gewesen war, aber wo er geboren war... gähnende Leere in den Gedanken. So also rettete sich Axilla in ein schüchternes Lächeln. “Ja, gerne.“ Und wenige Momente später konnte sie auch schon beobachten, wo der Saft denn versteckt gewesen war. Als die Sklavin ihr den Becher gab, flüsterte sie ihr ein leises “Danke“ zu. Auch wenn sie wusste, dass man das eigentlich nicht machen sollte und manche Menschen komisch darauf reagierten, wenn man sich bei Sklaven bedankte. Alte Gewohnheiten legte man nur schwer ab. Und zuhause bedankte sie sich auch immer, ohne darüber nachzudenken.


    Axilla nahm einen kleinen Schluck und sah sich leicht weiter um, während Flaccus zu erzählen anfing. In dem nahen Baum saß ein Vogel, Axilla wusste nicht, was für einer, und zwitscherte immer wieder zu ihnen herunter. Sie musste darüber etwas ehrlicher lächeln, was einen Teil der Anspannung löste, so dass sie sich etwas entspannter Flaccus widmen konnte. Auch wenn seine Frage ihr ein ganz klein Wenig die Röte in die Wangen trieb.
    Axilla erinnerte sich noch an die Reaktion von Nigrina, als sie ihr gesagt hatte, dass sie eigene Betriebe leitete. Die Flavia war nicht irgendwie abfällig geworden oder vergleichbares, hatte aber doch zurückhaltend reagiert. Und sie glaubte nicht, dass es bei Flaccus groß anders sein würde, waren sie doch beide Flavier. “Ich hab auch jede Menge Zeit, die irgendwie ausgefüllt werden will. Ich glaube, inzwischen habe ich die gesamte Bibliothek in der Casa Iunia gelesen.“ Ein schüchternes Lächeln, ehe ein “Zweimal“ folgte.
    Der Vogel flog mit einem Mal weg, und kurz lenkte die plötzliche Bewegung ab und Axilla sah ihm hinterher. Vielleicht eine Amsel, er war klein und dunkel, aber nicht so klein wie ein Fink. “Ich arbeite noch bei der Acta Diurna als Lectrix und habe ein paar eigene Betriebe, aber um die kümmern sich hauptsächlich meine Verwalter. Sie sind auch in Ägypten, da geht es ja nicht anders.“ Bevor wieder jemand dazukam und sie verpetzte, gestand Axilla es lieber gleich von selber, aber in einer Art und Weise, die es verharmloste. Es war ja auch nichts schlimmes, zumindest ihrer Auffassung nach. Und von irgendwas musste sie ja auch ihre schönen Kleider bezahlen, Silanus war ja mit dem Großteil seines Vermögens zur Genesung nach Hispania gegangen. Und das Vermögen ihres verstorbenen Mannes war eingefroren, mitsamt ihrer Dos.
    “Und du bist im Cultus? Meine Cousine Iunia Serrana ist auch Aeditua... für Minerva, glaube ich.“ Ein gefährliches Thema eigentlich. Axilla stritt sich eigentlich immer mit ihrer Cousine. Jedes Mal. Auch wenn sie das gar nicht vorhatte, es passierte immer. Und Axilla war auch dem Cultus Deorum nicht unbedingt sehr verhaftet, im Grunde bezweifelte sie die Nützlichkeit der ganzen Rituale, von wenigen Ausnahmen und besonderen Anlässen einmal abgesehen. Aber das musste sie ja Flaccus nicht auf die Nase binden, und für den Anfang war es sicher unverfänglich genug. “Und du begibst dich deinen Worten nach bald auf den Cursus Honorum? Dann hast du sicherlich schrecklich viel dann zu tun, wenn du beides gleichzeitig machen willst. Dann ist es ja gut, dass wir uns jetzt getroffen haben, sonst ergäbe sich zu so einem Treffen gar keine Möglichkeit.“ Axilla wusste noch immer nicht, worüber sie so genau reden wollte, was sie aber nicht daran hinderte, trotzdem was zu sagen. Es würde sich schon alles ergeben, und wenn sie ihre Nervosität ganz abgelegt hatte und nicht mehr ganz so überwältigt war, würde es sicher auch noch besser. Sie brauchte nur einen Moment, um richtig warm zu werden.

    “Oh, muss ich eifersüchtig sein?“ Zu dieser kleinen Spitze der Albernheit ließ sich Axilla dann doch noch hinreißen. Sie glaubte ja nicht, dass hier Nymphen wären, dazu war der Garten zu... zu... ordentlich. Zu sehr vom Menschen unterworfen und in Bahnen gebracht. Und Nymphen waren noch letzte Reste des Chaos, des Verspielten und ungebundenen, der fröhliche Teil der wilden Natur. Wo Silvanus und Mars rohe Kraft waren, da waren sie eher munter plätschernde Quellen und uralte Bäume, das Rauschen im Laub. Aber das würde Axilla sicher nicht so sagen, sie war ja hier, um sich zu unterhalten, und nicht, um philosophische Streitgespräche zu führen. Vor allem, was sollte sie da anführen? 'Aber mein Vater hat mich in einen Nymphenwald mitgenommen, und da war kein so sauber gemähter Rasen weit und breit?' Nein, sie fand es ja schön hier. Und Flaccus war auch nett und lud sie gleich ein.


    Axilla lächelte ihm also noch einmal zu, sah sich noch einmal kurz um und setzte sich dann auf den angebotenen Platz. Eine Winzigkeit lang sah es so aus, als wolle sie ihre Beine auf die Sitzfläche hochziehen. Zuhause tat sie das fast immer, saß irgendwo entweder mit untergeschlagenen Beinen oder die Knie angewinkelt. Hier aber erinnerte sie sich rechtzeitig an ihre Manieren, auch wenn sie nervös war und diese Haltung ein wenig Sicherheit versprach. So strich sie nur einmal über das Kleid und sah zu der Quelle, als Flaccus auch schon seine Qualitäten als Gastgeber unter Beweis stellte.
    “Oh, gerne, das wäre nett. Aber keinen Wein.“ Axilla lächelte entschuldigend bei den letzten Worten, aber wenn sie eines aus ihren Begegnungen mit dem anderen Geschlecht gelernt hatte, dann das, dass sie niemals Wein trinken sollte. Das führte fast augenblicklich zu schlimmen Katastrophen. Immer. Ohne Ausnahme. Jedes. Einzelne. Mal.
    Sie wartete also, bis ihr ein Becher gereicht wurde, und bekämpfte noch ein wenig mehr ihre Nervosität. So allein mit Flaccus im Garten, das war schon etwas anders als auf einer Feier inmitten von dutzenden anderer Leute. Auch wenn sie sich eigentlich keine Gedanken darüber machte, er könne sich dabei etwas anderes gedacht haben, als eben noch ein wenig über Alexandria zu plaudern. Wenn sie das gedacht hätte, dann wäre sie vielleicht nicht gekommen. Oder gekommen, aber die ganze Zeit vor Nervosität am plappern gewesen. Oder stocksteif und misstrauisch dahingeschritten. So aber war sie nur etwas nervös und erschlagen von der Pracht der patrizischen Villa und suchte nach einem vernünftigen Gesprächsanfang.
    “Und du hast dir heute extra für mich frei genommen, oder hast du so viel Muße?“ Axilla meinte das im Sinne der Zeit, in der sie lebten, und damit alles andere als abfällig. Wer es sich leisten konnte, nicht zu arbeiten und sich den schönen Künsten hinzugeben, tat das auch. Deshalb hießen sie ja die schönen, die freien Künste. Und abgesehen davon fiel Axilla auch nichts originelleres so ad hoc ein.

    Wäre das hier ein Training gewesen, Codrus hätte sein Gegenüber scherzhaft gefragt, ob er heimlich Wein getrunken habe. Oder ob er krank sei. Ob sie eine Pause machen sollten, bis er seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen widmen konnte. Nur: Das hier war kein Training, und sie beide damit keine Freunde.
    Codrus sah den Hieb kommen, drehte den Dreizack beiseite und ließ das Schwert so ins Leere stoßen. Er selbst nutzte die Möglichkeit zu einem weiteren Angriff mit seinem Netz. Seine Hand ging mit der viel geübten Drehung nach vorne, das Netz öffnete sich und die kleinen, runden Steine, die zu dessen Beschwerung am äußersten Rand befestigt waren, prasselten mit leichtem Klacken auf Helm und Manica seines Gegners, als er ihn nicht ganz so voll traf wie erhofft. Den Dreizack setzte er mit einer leichten Wendung hinterher, aber auch dieser traf nur auf das Schild.


    Codrus zog sich einen Schritt zurück und brachte sich damit außer Reichweite von Schwert und Schild. Er brauchte einen neuen Ansatzpunkt, eine neue Lücke. Wieder züngelte der Dreizack vor, diesmal höher und auf den Kopf gerichtet. Die Gabeln des Tridens waren zwar nicht klein genug, um durch den Seeschlitz eindringen zu können, dennoch verleitete es die meisten Murmillones zu einem instinktiven Zurückzucken, das häufig in einer geeigneten Lücke in der Deckung resultierte. In dem Fall war es nur ein geschickter Wurf und ein Stoß mit der Stange des Dreizacks, um den Kampf günstigstenfalls für sich zu entscheiden. Wie gesagt, günstigstenfalls, auch wenn Meletes eigentlich niemand war, dem solche Anfängerfehler unterliefen.



    Der flavische Garten war... groß. Also, so wirklich groß. Richtig groß. Und grün. Und herrschaftlich. Und gepflegt. Ordentlich. Axilla sah sich auf dem Weg ein wenig unauffällig um, die vielen Kleinigkeiten, die den Garten noch ein wenig besonderer wirken ließen. Je weiter sie schritt, umso größer kam ihr das ganze vor im Vergleich zu dem, was sie kannte. Nun, nicht zu ALLEM, was sie kannte, sie hatte auch lange genug im Palast gelebt. Und die Palastgärten standen diesem hier auch nicht wirklich nach. Nur hatte sie bei diesen nie das Gefühl gehabt, das wären IHRE Gärten gewesen. Ihre Gärten waren zuhause in Tarraco, ein Stückchen trockener Erde, auf der mit Wasser und gutem Zureden ein paar Blumen wuchsen, und die weiten Wiesen vor dem Haus bis hin zum Wald, wo alles wuchs, wie es ihm gefiel. Ihr Garten war in Alexandria gewesen, mit der Statue des Faunen, den Farngewächsen und den intensiv riechenden Blumen, die überall wucherten, wenn man nicht aufpasste. Und ihr Garten war in der Casa Iunia, einfach, klein, nur mit dem großen Baum in der Mitte und den Steinwegen überall, den mühsam gepflegten Blumen. Das hier, das war dagegen überwältigend groß. Und herrschaftlich. Und grün. Und gepflegt.
    Axilla ging dem Sklaven nach, bis sie zu einem kleinen Teich kamen, an dem Flaccus sie begrüßte. Dass er sie nur mit dem Cognomen anredete, obwohl sie einander ja eigentlich so gut wie kannten, bemerkte sie dabei nur am Rande. Ihr persönlich waren solche Kleinigkeiten auch nicht so wichtig, auch wenn sie das eigentlich sein sollten. So nahm sie es nur als Einladung, es bei ihm genauso zu handhaben und lächelte ihn etwas schüchtern an. Sie war noch immer sehr überwältigt von der ganzen Pracht der flavischen Villa. “Salve, Flaccus. Euer Garten ist wirklich atemberaubend schön.“ Da er keine Anstalten machte, ihr die Hand zu küssen, drehte sich Axilla einmal um die eigene Achse, auch wenn es vielleicht etwas albern aussehen mochte, als müsse sie den Garten noch einmal in seiner Gesamtheit erfassen, ehe sie vernünftig mit ihrem Gastgeber reden konnte.
    “Ich bin mir sicher, wenn sich das bei den Nymphen herumspricht, könnt ihr euch vor Baumgeistern bald nicht mehr retten“, meinte sie leichtherzig lächelnd, ehe sie sich mühte, nicht ganz so unbedarft zu erscheinen. Allerdings half ihr die Erkenntnis, dass dies nach wie vor die Villa Flavia war, doch ganz ordentlich dabei, so dass ihr Lächeln mehr in den Bereich des Höflichen geriet und nicht mehr in dem des Verzückten verweilte.

    Ein ungutes Gefühl beschlich Axilla, als sie ausgerechnet hier her kam. Nicht, dass sie sich auf das Gespräch mit Flaccus nicht freute, denn das tat sie. Und sie war auch neugierig auf den flavischen Garten. Und es war auch für einen Tag im Spätherbst noch schönes Wetter, gar nicht so kalt – wenn auch SEHR weit entfernt von ägyptischer Wärme, an die sich Axilla noch ganz entfernt erinnern konnte. Nein, so gesehen war alles in Ordnung.
    Und dennoch hatte sie ein ungutes Gefühl. Es war nun zwar schon einiges an Zeit verstrichen, aber manche Dinge heilten einfach langsam. Und an die Sponsalia, die sie zuletzt zu diesem Haus geführt hatte, dachte sie nicht allzu gern zurück.


    Dennoch ließ sie sich galant aus der Sänfte helfen, während einer ihrer mitgenommenen Sklaven schon zur Tür eilte und dort anklopfte. Als jene sich öffnete, verkündete dieser “Meine domina Iunia Axilla ist hier auf persönliche Einladung des ehrenwerten Flavius Flaccus.“ Und in der Hoffnung, dass der flavische Hausstand auch entsprechend auf einen Gast eingerichtet war, verzichtete der Mann auf weitere Erklärungen, während Axilla sich langsam selbst der Porta näherte. Dieses Mal deutlich sittsamer gekleidet, wenngleich immernoch auf das trauernde Schwarz verzichtend. Sie trug ein langes, dunkelgrünes Kleid, dem Wetter angepasst aus sehr fein gesponnener Wolle, dazu einen mit Silber besetzten Gürtel und ebenso ein paar silberne Armreifen. Ihr Haar wurde von ein paar Haarnadeln gehalten, deren Enden die Form von silbernen Sternen hatten. Weit sittsamer als das letzte Mal, und doch mit mehr Ausschnitt und Verspieltheit als einer trauernden Witwe sicher angemessen. Aber Axilla war ja auch nicht wegen Piso hier, für den sie diese hätte spielen müssen.

    Ich mag jetzt etwas euphemistisch verklärt sein, aber: sind die 195 Einheiten von Lucius Annaeus Florus, die 120 von Quintus Claudius Lepidus und die sage und schreibe 7248 von Decius Germanicus Corvus nicht genug? Was hast du vor? :D

    Mit der Sänfte war sie nach Hause gekommen. Malachi war wie ein unheilvoller Schatten daneben hergeschritten und hatte für einen ruhigen Heimweg gesorgt. Niemand hatte sie aufgehalten. Zuhause hatte sie sich aus der Sänfte helfen lassen und war aufrecht und ruhig durch die geöffnete Porte geschritten. Als Araros sie gefragt hatte, ob das Fest schön gewesen sei, ob sie sich gut amüsiert habe, hatte sie nur geantwortet: “Es war ein wirklich wundervolles Fest. Sehr noble Gesellschaft, doch, sehr schön“ und war ins Innere gegangen.
    Den fragenden Blick zwischen Araros und Malachi bekam sie nicht mit. Auch nicht, dass Malachi nur gleichgültig mit den Schultern zuckte und sich auf den Weg in seine Kammer machte, während Araros die Tür schloss.
    Sie war ins Atrium gegangen, das im Dunkel der Nacht lag. Nur eine Lampe erhellte notdürftig den Raum und warf ihr flackerndes Licht in die blaue Düsternis ringsherum. Im Impluvium schwammen ein paar Blumen, die jetzt schwarz aussahen, in Wirklichkeit aber von tiefem Rot waren. Axilla hatte sie erst am Mittag ausgesucht. Axilla sah zu ihnen hinüber. Ihr Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln, aber sie fühlte eigentlich keinen Grund, zu lächeln. Sie fühlte im Grunde gar nichts. Absolute Leere. Da war... nichts.
    Sie lächelte noch einmal ein wenig über die Absurdität dieser vollkommenen Leere, als sie beschloss, Schlafen zu gehen. Also wendete sie sich ab in Richtung der Treppen.


    Araros sah, wie sie dastand, sah auch, wie sie losging. Auch wenn alles normal schien, irgendetwas war faul. Und schon einen Moment später wurde seine Ahnung auch schon bestätigt. Seine Herrin machte einen unsicheren Schritt, taumelte leicht, als hätte sie getrunken. Er wollte zu ihr eilen, als sie sich fing, und so blieb er stehen. Eine Sekunde später wünschte er sich, er hätte es nicht getan und wäre gleich zu ihr, denn mit einem Mal klappte die Iunia einfach in sich zusammen. Sie hielt sich den Bauch, als wäre sie verwundet, und sank in die Knie.
    “Herrin?!“ rief Araros auf und eilte zu ihr. Sie gab keinen Laut von sich, obwohl sie so aussah, als wolle sie schreien. “Herrin?!“ Diesmal lauter, eindringlicher, als araros sie an den Schultern fasste.
    Einige andere Sklaven kamen schlaftrunken herbei, wischten sich den Sand aus den Augen und betrachteten die Szene. “Jetzt steht nicht so rum, macht was! Macht Licht!“ keifte der alte Ianitor den Rest an. Sofort zerstreuten sie sich und holten eiligst Lampen herbei, die das dunkle Atrium erhellten. Inzwischen zitterte Axilla stark und ihr Körper schüttelte sich immer wieder, als würde sie schluchzen, aber noch immer kam kein Laut von ihr, und das machte Araros Angst. “Herrin, bist du verletzt? Was ist passiert?“
    Im Licht der Lampen konnte Araros noch immer keine Wunde ausmachen, aber seine Herrin hielt sich den Bauch und sie weinte.
    Schließlich kam Levi herbei, sah so verschlafen wie der Rest drein. “Levi! Du kennst sie am längsten, was ist mit ihr?“ fragte Araros hilflos, während seine Herrin in seinen Armen lag und so entsetzlich leise weinte.
    “Ich... ähm... domina Axilla?“ Levi kam dazu, drehte sie leicht, damit sie ihn ansah. Einen Moment schien es, als sei ihr Verstand wohl gewichen. Dann endlich kam das befreiende Aufschluchzen, ein kaum mehr menschlicher Schrei, und sie fiel dem jüdischen Jungen um den Hals, zog sich an ihn heran und hielt sich schluchzend fest.


    Die Sklaven betrachteten die groteske Szene. Keiner wusste so recht, was tun. Was tat man, wenn die Hausherrin wie von Sinnen weinte? Selbst Malachi stand nur da und zuckte mit den Schultern. Auch wenn er Axilla zu den Flaviern und auf dem Rückweg begleitet hatte, was während des Festes geschehen war, davon hatte er keine Ahnung.
    “Vielleicht sollten wir sie ins Bett tragen, und morgen früh einen Medicus rufen“ entschied Araros. “Ja, so machen wir das.“
    Noch ein paar Anweisungen hier und da, und Axilla wurde in ihr Zimmer getragen.

    Die kleine Gruppe an Leuten wurde Axilla vorgestellt, und sie versuchte, sich einigermaßen die Namen zu merken. Im Grunde war es ihr doch gleich, wer das hier war, sie wollte wissen, was mit Vala los war. Jetzt aus der Nähe konnte sie auch viel besser die roten Striemen sehen, die seinen Körper zierten. An seinen Handgelenken war die Haut rot und rissig, als hätten Fesseln die Haut dort noch vor nicht allzu langer Zeit aufgescheuert. Und am Kragen konnte Axilla einige rote Striemen ausmachen, die an seinem Hals entlangliefen. Es bedurfte nicht viel Vorstellungskraft, um zu erahnen, wie der Rest seines Körpers aussah. Wer hatte ihm das angetan? Axillas Blick wurde immer Sorgenvoller, als sich Valas Begleitung auf einmal einmischte und die Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Die Iunia blinzelte kurz und versuchte, sich auf die Worte zu konzentrieren. Sie klangen ja freundlich, und Axilla war auch naiv, aber sie war nicht dumm genug, um den Sinn zu übersehen. Die Worte zu ihrem Mann, diese kleine Spitze, wie schlecht es ihr gehen müsste, natürlich hörte Axilla das. So betrunken war sie nicht. So dumm war sie nicht. “Man tut, was man kann. Und eine Iunia hat sich noch nie vom Tod einer nahestehenden Person unterkriegen lassen.“ Axilla vermochte es nicht, das ganze in ein ebenso falsches Lächeln zu verpacken, so dass sie unbeabsichtigt ernst bei diesen leicht selbstironischen Worten wirken mochte. Aber auch, wenn man es nicht glaubte, sie wusste schon, wer und was sie war. Meistens jedenfalls.


    Endlich reagierte Vala. Er sagte ihren Namen, sah sie an, und dann... flüchtete er. Er packte die Vinicia an der Hand und zog sie weg von Axilla und den anderen, in Richtung des nahen Ausgangs aus dem Tablinum. Was war denn nur los mit ihm? Flüchtete er vor ihr? Hatte sie denn irgendwas getan, dass er jetzt weglief? Eben wollte er noch was sagen, und jetzt... ging er einfach.
    Axilla stand noch einen Moment in der Gesellschaft, in der er sie so unvermittelt zurückgelassen hatte. Sie lächelte den Damen und dem Claudius kurz zu, versuchte, so zu tun, als tangiere sie das gar nicht, und entschuldigte sich dann doch, ehe sie keine Möglichkeit mehr hatte, mit Vala zu reden. Hier, wo Leute waren, konnte sie ihm nicht hinterherlaufen wie ein Hund. Aber durchs Atrium würde sie rennen können und ihn dann draußen auf der Straße noch kurz zur Rede stellen.


    Sie kam aber gar nicht so weit. Sie schob sich an anderen Gästen vorbei, verteilte hier ein Lächeln, dort ein Nickten, als sie endlich den Durchgang zum Atrium erreichte. Dort machte sie drei Schritte, bis zur ersten Säule, und blieb stehen. Ihr Blick ging durch den Raum, wo Vala gerade die Vinicia gegen die Wand drückte und küsste, wie er es mit Axilla vor einigen Wochen getan hatte. Er hielt sie auch so. Axilla stand nur da und schaute hinüber, unfähig, sich abzuwenden. Unfähig, sich auch nur zu bewegen. Sabina und Vala wechselten leise ein paar Worte, als er sie weiter zog, die Axilla nicht hörte. Die letzten Worte von Vala aber waren so laut, dass sie durch das Atrium schallten bis zu ihr herüber. Axilla ist niemand. Niemand.


    Wenn die Welt zerbrach, war das nicht laut. Es war noch nicht einmal gewaltig oder hell. Es geschah einfach, leise, wie Schnee. Axilla stand da und sah dabei zu, wie Vala mit der Vinicia das Haus verließ, und blieb stehen. Ganz still. Es gab keinen Abgrund, der sich auftat. Keine Schwärze, die sie verschluckte. Kein Schrei, der ihr entfuhr, kein Fels der sie zerschmetterte. Da war stilles, farbloses Nichts, das sich um ihr Herz legte und das aufgeregte Flattern, das sie dort bisweilen verspürte, nicht zerriss oder ausbrannte, sondern einfror. Leise, still und kalt. Es war ein wenig wie sterben, eigentlich ganz unspektakulär, und doch so unabänderlich und gerade durch seine Einfachheit gewaltig.
    Es gab viele Menschen, die sich nie bildhaft vorstellen konnten, wie Proserpina in die Unterwelt einging und damit das Sterben der Natur auf der Welt einläutete. So jemand hätte in diesem Moment nur das Tablinum verlassen und zu Axilla sehen müssen. Es war nicht so, als ob sich wirklich etwas veränderte an ihr. Ihr Kleid war noch immer ein aufreizendes Stück griechischer Modekunst, ihr Haar reich frisiert, ihre Erscheinung jugendlich gerade. Und doch wich in diesem Moment jegliches Leben aus ihr, ihrer Haltung, vor allem aus ihren Augen. Sie stand noch immer da und lächelte, aber ohne jedes Anzeichen von Leben dahinter.
    Verlust kann man nicht beschrieben, nur empfinden. Und Axilla empfand diesen gerade in jede seiner Facetten. Hinter ihr hörte sie die feiernden Menschen, die Musik, das Stimmengewirr. Sie war hier, auf dieser Feier, umgeben von Dutzenden Leuten, und hatte sich seit 6 Jahre, 9 Monaten und 17 Tagen nicht mehr so vollkommen einsam gefühlt. Und doch durfte sie dem nicht nachgeben. Sie war eine Iunia. Sie hatte eine der ältesten Familiengeschichten Roms vorzuweisen. Sie hatte sich in das Kaiserhaus eingeheiratet, wenn auch über zig Ecken. Sie war auf der Sponsalia einer Patrizierin.
    Bar jeden Gefühls drehte sich Axilla um. Kurz schwankte ihr Schritt, als sie von der Säule weg wieder Richtung Tablinum ging, beinahe wäre sie gestürzt, aber sie fing sich. Einen Moment hatte sie den Arm ausgestreckt, als müsse sie ihre Balance halten. Dann nahm sie ihn runter und betrat gerade und wie eine perfekte Matrone das Tablinum. In diesem Moment, obwohl sich äußerlich nichts geändert hatte, war sie keine Nymphe mehr. Sie war auch keine Mänade, keine Muse. Kein verspieltes, fröhliches Geschöpf. Sie war der schöne, kalte Tod. Sie lächelte, sie unterhielt sich hier und da. Aber sie lebte nicht. Und auch, wenn es wohl niemand an ihrer Haltung oder ihrem Ausdruck oder auch nur ihrer Gesichtsfarbe festmachen könnte – hier war alles so normal, wie es nur sein könnte – zwischen der Iunia vorhin und ihr jetzt lag ein Abgrund, der unüberwindbarer nicht hätte sein können.

    Ein iunischer Sklave gab bei der Villa Flavia einen kleinen Brief ab. Sonst fasste sich seine Herrin selten so kurz, aber hier waren es wirklich nur wenige Zeilen.



    Iunia Axilla Flavio Flacco s.d.


    Du musst dich nicht entschuldigen. Flavius Piso war betrunken, und ich hätte dir vielleicht eher sagen sollen, wer ich bin, dann wäre diese peinliche Situation nicht entstanden.
    Wenn deine Verwandten keine Einwände erheben, würde ich die Einladung gerne annehmen. Wann wäre es dir denn recht?


    Vale


    Gestern noch hatten sie miteinander gefeiert. Codrus hatte sich noch über die Frau lustig gemacht, die unbedingt mit Meletes in seine Kammer wollte. Sie hatten miteinander Brot und Salz geteilt, hatten gesungen und gelacht. Und heute würde er versuchen, ihn zu töten. Oder zumindest, ihn zur Aufgabe zu zwingen und dann zu töten, wenn es von ihm verlangt wurde. Aber so war das eben. Drei Mal im Jahr stellte er sich allem, was auch immer ihm in der Arena entgegengestellt wurde. Und sei es ein Freund. Auch wenn ihm unbekannte Gladiatoren aus anderen Ludi lieber waren. Aber dafür hatte er an 365 Tagen im Jahr drei Mahlzeiten im Bauch, er hatte einen richtigen Medicus bei der Hand und niemand,d er ihm nur irgendwelche Amulette verkaufen wollte, und wenn sein Vertrag ausgelaufen war und er noch lebte, war er um 12.000 Sesterzen reicher. Gar kein schlechter Preis für das eigene Leben, viele verkauften sich für weitaus weniger.


    Der Procurator verschwand und sie blieben in der Arena zurück. Am Rand standen die harenarii, von den Zuschauerrängen so gut wie unsichtbar. Aber wenn sich Riemen lösten oder der Kampf besonders lange dauerte, brauchte man schnell Hilfe, die mit ein paar schnellen Griffen in der entstehenden Pause für Abhilfe zu sorgen, und vielleicht noch etwas zu trinken zu reichen. Ein Gladiatorenkampf war schließlich kein wildes Hauen und Stechen.
    Der Schiedsrichter trat beiseite und gab das Signal, dass er angreifen konnte. Ein letzter, freundlicher Blick zu seinem Freund, der ab jetzt zum Gegner wurde. Codrus war leichter armiert. Keine Rüstung abgesehen von dem galerus, der seinen linken Arm und seinen Hals schützte, und die Bandagen der manica. Kein Schild. Kein Helm. Nichts, was ihn in seiner Bewegung einschränkte also. Und er war gut, noch keine einzige Niederlage hatte er zu verzeichnen.
    Seine Fans johlten auf, als er also leichtfüßig und flink auf seinen Gegner zusprang und mit den Dreizack zustieß. Ein kleiner, sicherer Stoß auf das Schild, nur um Meletes zu ärgern. Reichweite und Agilität waren seine Waffen, der Murmillo hatte beides nicht. Mit einer geschickten Handbewegung drehte Codrus das Netz in seiner linken, ließ es fast wie ein eigenes Lebewesen nach vorne sich öffnen und wie ein großes Maul nach dem Schwertarm seines Gegners schnappen. Er musste mit dieser Bewegung nur ein einziges Mal Glück haben, dass sich das Schwert im Netz verfing, und schon hätte er seinen Fisch sicher gefangen. Nur dass dieser Fisch hier scharfe Zähne hatte und wusste, was auf ihn zukam.



    Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, was du hast (und ob das denn wirklich ernst gemeint ist oder nur ein Scherz, der aufgrund der Schriftform und damit fehlender Gestik und Mimik nicht richtig zündet).
    Axilla hat keine Arbeit (bis auf gelegentlich durch die Acta) und kriegt auch von niemandem Geld, ich hab NUR meine Betriebe, und guck dir meine Balken an *g* Um ins normale Mittelfeld zu kommen, brauchts da nicht viel. Nur natürlich, wenn man wer sein will und was gelten will, dann muss man investieren. Aber ist halt wie im richtigen Leben: Wer die Penthousewohnung mit Meerblick will und dazu nen schicken Sportwagen, der braucht halt Geld :D

    Nachdem das Publikum immer lautstarker den Beginn forderte und in Gesangeschören anfing, den einen oder auch den anderen Gladiator anzupreisen, betraten auch schon die ersten beiden die Arena, begleitet von einem Schiedsrichter in weißer Toga. Neben dem Murmillo liefen drei Diener. Einer hielt Schwert und Schild, der zweite hielt den Helm deutlich sichtbar nach oben. Der dritte schließlich hielt eine Tafel hoch.

    Dies ist der


    MURMILLO


    MELETES


    Er hat 14 Kämpfe bestritten, davon 9 Siege und 4 Unentschieden!


    Auch neben dem Retarius liefen 3 Diener. Der eine trug feierlich das Netz über beide Arme gelegt, der zweite hielt den Dreizack. Als Retarius trug der Gladiator schließlich keinen Helm. Der dritte wiederum trug ebenfalls eine Tafel.

    Dies ist der


    RETARIUS


    CODRUS


    Er hat 9 Kämpfe bestritten, davon 7 Siege und 2 Unentschieden!


    Die Menge bejubelte die beide, die schließlich in ehrerbietiger Haltung vor dem editor stehen blieben und ihn grüßten, auf dass er die Waffen in Augenschein nehme und auf Echtheit prüfe. Als dies schließlich getan war, gingen die beiden Kämpfer beiseite, um sich von ihren Helfern die Rüstung noch einmal festzurren zu lassen, Waffen und Helme anzulegen und sich auf den Kampf vorzubereiten.


    Unterdessen betraten geschwind zwölf Mädchen die Arena, jede von ihnen noch keine zehn Jahre alt, nackt und von oben bis unten entweder in goldener oder in silberner Farbe angemalt, so dass sie einander glichen wie ein Ei dem anderen. Jeweils ein silbernes und ein goldenes Kind stellten sich einander gegenüber, jedes Mädchen bewaffnet mit zwei glitzernden Dolchen. Musik setzte ein, und in perfektem Takt begannen die Mädchen scheinbar, miteinander zu kämpfen, verrenkten dabei die jungen Körper stießen zu. Wenn sich die Dolche trafen, sprühten jedes Mal Funken, was im Publikum zu einigen erheiterten „Ah“'s und „Oh“s führte. Der Takt der Bewegungen wurde immer schneller, die Angriffe immer fließender, bis schließlich ein lauter Trommelschlag ertönte und die Mädchen plötzlich wie vom Blitz gefällt alle niederfielen und liegen blieben.
    Inzwischen waren die Rüstungen angelegt und die Kämpfer bereit, so dass diese nun wieder vor den Procurator traten, um das Startsignal zu erhalten. Unterdessen schlichen sich die Mädchen heimlich, still und leise aus der Arena.

    Die Feierlichkeiten eines Arenatages begannen eigentlich schon einen Abend vor dem eigentlichen Spektakel. Der Veranstalter der Spiele, der sog. munerarius oder editor, stiftete den Gladiatoren ein Essen. Zu dieser cena libera konnte jeder hinzukommen, so dass dies vor allem für die Fans, die amatores eine willkommene Gelegenheit war, ihren Idolen nahe zu kommen. Vor allem Frauen sollen zu solchen Festen ihre Chance genutzt haben und nicht selten die Möglichkeit genutzt haben, ihrem Idol auch körperlich nahe zu kommen. Doch auch für diejenigen, die Wetten abschlossen, war das ein willkommener Anlass, die Gesundheit und allgemeine Verfassung der Gladiatoren so hautnah zu prüfen.


    Der Arenatag selbst begann früh morgens mit einer prächtigen Prozession, der pompa thriumphalis. Als erstes betrat der editor die Arena, gefolgt von Musikanten, und ließ sich vom Publikum bejubeln. In größeren Arenen betrat der Geldgeber vermutlich direkt die Ehrenloge, das podium, ohne Umweg über die Arena und ließ sich bequem von dort aus feiern.
    Daraufhin folgten Diener mit Schrifttafeln, die die wichtigsten Informationen festhielten: Wer aus welchem Anlass die Spiele veranstaltete, wieviele Tiere getötet werden würden, welche Gladiatorengattungen und -paare kämpften, und aus welchen Gründen die damnatii verurteilt worden waren.
    Hernach kamen Diener mit den Waffen und Helmen der Gladiatoren, die diese dem Publikum feierlich zeigten, und die eigentlichen Protagonisten: Die Gladiatoren. Für diesen Umzug waren sie besonders feierlich gekleidet, häufig mit goldbestickten Umhängen oder Purpur, und liefen in Zweier- oder Dreierreihen feierlich eine Runde durch die Arena, um sich dem Publikum zu präsentieren, ehe sie vor dem podium Halt machten, um den editor zu grüßen. Der berühmte Satz „morituri te salutant“ allerdings ist nur von Sueton überliefert und wurde in seiner Erzählung NICHT von Gladiatoren, sondern von zum Tode Verurteilten gesprochen. Daher ist anzunehmen, dass dies nicht als generelle Floskel gebraucht wurde.
    Zuletzt schließlich wurden die noxii oder damnatii, die zum Tode Verurteilten, hereingeführt und dem Publikum präsentiert. Mit Ketten aneinandergefesselt mussten sie den Spott des Publikums über sich ergehen lassen.
    Danach wurden die Spiele vom editoroffiziell eröffnet.


    Den Anfang bildeten die venationes, die Jagd auf Tiere. Dies war beim römischen Publikum sehr beliebt, und selbst nach Abschaffung der eigentlichen Gladiatorenspiele wurden in den Arenen immernoch Tierkämpfe und Jagden veranstaltet. Heutige Stierkämpfe kann man durchaus als letzte Überreste dieser Tradition verstehen.
    Im Ludus Matutinus (was „der Morgentliche“ bedeutet und durch die Tageszeit der Tierkämpfe leicht erklärt werden kann) wurden hierfür in Rom die Jäger ausgebildet. Außer bei zum Tode Verurteilten kam es allerdings selten dazu, dass ein Jäger anstatt den Tieren den Tod fand.
    Doch auch Kämpfe zwischen verschiedenen Tieren waren gern gesehen. Besonders beliebt war das Aneinanderketten eines Stieres und eines Bären, da hierbei oftmals hohe Wetten geschlossen wurden. Auch wurden Löwen gegen Hunde häufiger gezeigt.


    Gegen Mittag begannen die Hinrichtungen. Bei der Verurteilung gab es hierbei drei Möglichkeiten:
    Damnatio ad ferrum bedeutete, dass die Verurteilten so lange gegeneinander Kämpfen mussten, bis nur noch ein einzelner Mann stand, der dann von einem als Charon verkleideten Gladiator mit einem Eisenhammer erschlagen wurde. Die Möglichkeit auf Begnadigung war hierbei ausgeschlossen.
    Damnatio ad bestias hieß, dass derjenige den Tieren vorgeworfen wurde. Hierzu wurden nicht nur Löwen oder Hunde eingesetzt, sondern auch häufig Stiere, die die verurteilten niedertrampelten und mit den Hörnern in die Luft warfen.
    Damnatio ad gladium hingegen bedeutete den (aussichtslosen) Kampf des Verurteilten gegen einen ausgebildeten Gladiator.
    Die einzige Perspektive auf Gnade hatte ein Verurteilter ad ludum gladiatorum, also zum Dienst als Gladiator. Hierbei konnte er, wenn er siegreich war, wie jeder andere Gladiator begnadigt und als freier Mann entlassen werden.
    Bei der Umsetzung der Verurteilungen bediente man sich den Verurteilten, um kuriose lebendige Bilder nachzustellen. Nicht nur Schlachten wurden nachgestellt, sondern gerne auch Bilder aus der Mythologie. So gibt es Berichte, wie das Kolloseum in einen Wald verwandelt wurde, um die Geschichte von Orpheus und Euridike nachzustellen (nur dass der Verurteilte die wilden Tiere nicht mit Gesang besänftigen konnte). Wurde eine Frau verurteilt, war ein beliebtes Motiv wohl die Geschichte der Parsiphae, die sich mit einem Stier vereinigte und den Minotaurus gebar. Solche Vereinigungen zwischen einer zum Tode verurteilten Frau, der zu diesem Zweck eine Kuhhaut umgehängt wurde, und einem Stier, sind unter anderem unter Kaiser Titus und Nero dokumentiert. Weitere Motive waren gern Prometheus, die Entmannung des Attis, die Fesselung Ixions an ein brennendes Rad oder die Selbstverbrennung des Hercules auf dem Berg Otia. Verbrennungen schienen besonders beliebt, so wurden auch pyricharii dargeboten. Der Pyrrhikos war ein antiker Kriegstanz, der viel Kunstfertigkeit erforderte. Bei den pyricharii wurden die Verurteilten in prunkvolle Tuniken gekleidet, die mit leicht brennbaren Stoffen getränkt waren. Die Verrenkungen der Verbrennenden wurden dann von lauter Musik untermalt.


    Nachmittags gingen dann die eigentlichen Gladiatorenspiele los. Die Gladiatoren schritten nochmalig feierlich in die Arena und präsentierten sich dem Publikum, ihre Waffen und Helme wieder von Dienern getragen. Ein weiterer Diener trug eine Tafel, die die Kampfstatistik des einzelnen Gladiators aufführte, wie oft er gekämpft und wie oft er davon gesiegt hatte. Da Gladiatoren teuer waren und der Tod eines Gladiators dem Lanista mit Schadensersatz bezahlt werden musste, ist davon auszugehen, dass nur etwa jeder zehnte Gladiator in der Arena starb.
    Der editor hatte die besondere Ehre, die Waffen auf Echtheit zu prüfen, doch konnte er dieses Recht auch an einen anderen Gast abgeben. Dies geschah meist direkt vor dem jeweiligen Gladiatorenkampf, oder auch vor einer kleinen Gruppe von Kämpfen.


    Die prolusio folgten schließlich, Schaukämpfe mit hölzernen Waffen. Hierbei traten die Gladiatoren oder aber auch Adelige auf, um ihr Können zu beweisen und einige Techniken vorzuführen. Im Gegensatz zur Teilnahme an den „richtigen“ Spielen war es nicht verpönt, wenn ein Mitglied der Nobilitas hier ihre Stärke unter Beweis stellte. Berühmt sind wohl die Auftritte von Kaiser Commodus als secutor im Zuge dieser Vorbereitungskämpfe.


    Erst hiernach fanden die eigentlichen Gladiatorenkämpfe statt, wobei die begehrtesten Kämpfe mit den erfahrensten Gladiatoren meist zuletzt stattfanden. Ein in Weiß gekleideter Schiedsrichter stellte dem Publikum die einzelnen Gladiatoren, die nun vollgerüstet jeweils hereinkamen, nochmals vor, und eröffnete jeweils den Kampf. Gekämpft wurde bis zur Aufgabe eines Kämpfers. Ziel eines Kampfes war es, den anderen durch Entwaffnen oder Verletzen zur Aufgabe zu zwingen, NICHT ihn zu töten. Natürlich kam es auch während der Kämpfe zu tödlichen Verletzungen, aber als ehrenhafter galt es, den anderen zu bezwingen. Die Entscheidung über Leben und Tod eines Gladiators oblag dem editor, der sich hierbei aber häufig nach dem Publikum richtete. Dabei galt es als ehrenhaft, einem tapfer Kämpfenden Gnade zu erweisen, weshalb häufig die missio erteilt wurde. Nur wenn noch gar niemand getötet worden war bislang, wollte das Publikum früher oder später jemanden sterben sehen.
    Aufgeben konnte ein Gladiator, indem er sich hinkniete und den linken Arm hochnahm, oder indem er seine Waffen wegwarf und die Arme vor dem Bauch oder hinter dem Rücken verschränkte. Die Schiedsrichter achteten streng darauf, dass der Überlegene danach nicht mehr angriff und schritten notfalls auch ein.
    Weigerte sich ein Gladiator hingegen, zu kämpfen, wurde er mit Peitschen dazu angetrieben.
    Ein Unentschieden wurde dann erreicht, wenn beide Gladiatoren so schwer verletzt wurden, dass der Schiedsrichter den Kampf unterbrach. Dann wurden beide Gladiatoren 'stehend entlassen' (stans missus)
    Ein Kampf wurde unterbrochen, wenn Riemen der Rüstung sich lösten. Auch konnte ein Gladiator jederzeit eine Unterbrechung dem Schiedsrichter anzeigen, um sich von seinen Helfern massieren zu lassen oder einen Schluck zu trinken. Auch wurden Wunden von den Ärzten häufig schnell bei dieser Gelegenheit versorgt. Normalerweise wurde ebenfalls unterbrochen, wenn ein Gladiator seine Waffen verlor, doch nicht zwangsläufig.


    Zwischen den einzelnen Teilen der Veranstaltungen und vor allem zwischen den einzelnen Kämpfen traten Akrobaten auf. Jongleure, Feuerspucker oder auch dressierte Tiere wurden gezeigt. Manchmal auch amüsante Einlagen wie der scheinbare Kampf zwischen zwei Kleinwüchsigen oder vergleichbares, um das Publikum anzuheizen und die Wartezeiten zu überbrücken.

    Auch hier meinte Bacchus es wohl gut mit ihr, denn sie dachte gar nicht erst daran, dass Vala vielleicht wütend auf sie sein könnte. Sie machte sich eigentlich nur Sorgen um ihn. Er wurde von einem Mann gestützt, den Axilla nicht kannte. Wunder auch, sie kannte hier im Grunde nur Piso. Und der war im Vollrausch irgendwo abgetaucht. Und was es ihr gebracht hatte, den zu kennen, hatte sie vorhin ja gesehen.


    Inzwischen stützte sich der Duccier schon wieder völlig auf seinen Stab. Er sah immernoch so undefinierbar drein, und Axilla konterte mit einem Blick vollkommener Unschuld und ehrlicher Sorge. Inzwischen war sie auch nah genug, um den gereizten Unterton seiner Begleiterin zu hören, die ihn anfauchte. Irgendwas war wohl gewesen, weswegen es eben auch kurz ganz leicht gerumpelt hatte. Vielleicht war er ja gestürzt oder so? Wirklich fit sah er nicht aus. Überall diese Anzeichen von Verletzung.
    “Alles in Ordnung?“ Ohne Begrüßung, ohne alles, stellte Axilla einfach ihre Frage, ehe sie sich an ihre Manieren rudimentär erinnerte und auch der anderen Personen rundherum so wirklich gewahr wurde. “Oh, verzeiht. Salvete, ich bin Iunia Axilla.“ Ihr Blick wanderte aber nach dem höflichen Lächeln an die drei Damen und den Herren mit dem dekorativen Halbmond auf dem Schuh wieder zu Vala, und wurde sehr schnell wieder sorgenvoll. Am liebsten hätte sie ihn auch berührt, aber das hatte sie ihm damals im Hafen geschworen, dass sie das nicht mehr ungefragt machte.

    Bacchus war ein sehr gnädiger Gott. Vielleicht war er den meisten Römern deshalb nicht so ganz geheuer. Er feierte gern, lachte gern, hatte Spaß an Weiblein und an Männlein und lebte das in exzessiven Orgien gerne aus. Und wer ihn nicht ehrte, den strafte er sehr unbarmherzig und zwang ihn, mitzumachen, oder zu sterben. Bacchus kannte keine Verbote. Alles, was Spaß machte, war erlaubt. Nur eines nicht: traurig sein.
    Und so hatte auch Axilla ein bisschen was von seinem Segen abbekommen, denn sie bemerkte rein gar nichts von dem schneidenden Unterton in Nigrinas Stimme. Auch wenn sie nicht betrunken war, noch nicht einmal annähernd wankte oder gar lallte, sie hatte das unerschütterliche Selbstvertrauen, das einem nur Wein geben konnte. Und dabei gleichsam die Gabe der absoluten Ignoranz der tatsächlichen Umstände, wobei sie sich klarer und wacher fühlte als seit Monaten. Kurzum, sie wunderte sich nur ein wenig über Nigrinas Frage, war aber weit davon entfernt, sich deshalb Sorgen zu machen.
    “Ich bin allein hier. So auf die Schnelle einen Begleiter auftreiben, bei dem sich nicht halb Rom das Maul zerfetzt, war ein Ding der Unmöglichkeit. Ich soll ja eigentlich noch immer trauern, aber... bei so feierlichen Anlässen muss man doch einfach mitfeiern und sich freuen!“ Keine Spur eines Untertons, nur naive Ehrlichkeit und unbeständiges Glück. Axilla lächelte Nigrina offen an und dachte sich gar nichts an dem kleinen Wortwechsel, als sie kurz hinter sich ein kleines Rumpeln hörte. Mehr instinktiv drehte sie sich danach um, es war nicht wirklich ein lautes Geräusch gewesen oder etwas, was sie erschreckt hatte. Sie guckte nur eben kurz hin, wie man auch mal beiläufig aus dem Fenster sah. Nur ging ihr Blick nicht wieder beiläufig zurück zu dem Paar, sondern wurde von grauen Augen gefangen gehalten. Reglos wie eine Statue stand Axilla einen Moment da, den Oberkörper leicht gedreht, um über die Schulter schauen zu können, und sah Vala an. Er sah sie an. Nein, er starrte sie an. Und sein Blick sah nicht fröhlich aus. Fast schon entsetzt, aber auch nicht wirklich. Mehr... wütend. Und doch auch nicht.
    “Aber ich will hier die anderen nicht so lange aufhalten. Bevor es noch Beschwerden gibt, ich hätte euch den ganzen Abend in Beschlag genommen.“
    Axilla wartete noch einen Moment auf die Abschiedsfloskeln und ging dann in Richtung des Ducciers.

    Es waren einige Gratulanten, aber Axilla hatte es nicht eilig. Sie reihte sich einfach ein, lächelte hier und da und versuchte, so zu tun, als wäre nichts weiter. Einfach nur ein fröhliches Fest voller fröhlicher Menschen. Auf dem sie niemanden kannte. Außer Vala. Den sie sich nicht anzusprechen traute. Sie nahm noch einen Schluck Wein, während die Reihe etwas weiter aufrückte und sie weiter in Richtung des Paares schob.
    Fast schon ulkig, wie viele Gedanken sie sich gemacht hatte über ihre Garderobe. Wie lange es gedauert hatte, die Frisur zu machen. Alles unwichtig. Alles beiseite gewischt von einem betrunkenen Flavier in einer einzigen Sekunde. Eben hatte sie noch gelacht. Nicht nur so gespielt, nein, richtig echt gelacht, und sich gefreut und von etwas erzählt, was ihr noch mehr Freude bereitete. Einen Moment hatte sie wirklich alles andere vergessen, was sie hätte traurig machen können. Und jetzt? War es wieder da. Schlimmer als vorhin. Grauer als vorhin. Und die ganzen Gedanken, die sie sich im Vorfeld gemacht hatte, hatten dieses eine nicht bedacht: einen betrunkenen Piso, der sie anblaffte. Das besaß schon eine ganz eigene Komödie.
    Noch ein Schluck, noch ein Schritt. Im Grunde war es ja egal. Sie hatte keinen Grund zur Enttäuschung, weil sie ja eigentlich auch nur einen Moment der Freiheit sich erkämpft hatte, der ohnehin nicht von Dauer gewesen wäre. Im Grunde wusste sie das. Warum also sollte sie jetzt traurig sein? Es gab ja schließlich keinen Grund dazu.
    Noch ein Schluck, noch ein schritt. Im Grunde war es ja sowieso lächerlich. Wieso machte sie sich überhaupt Gedanken? War doch gleichgültig, wie sie sich fühlte. Was sie wollte, bekam sie sowieso nicht. War vielleicht auch besser so. Also, warum machte sie sich überhaupt Gedanken?


    Durch den Wein aufgelockert, aber von einem Schwipps doch noch entfernt -wenngleich bei Axillas Konstitution zwischen einem Schwipps und einem Vollrausch etwa 1 Becher Wein Unterschied bestand – kam sie also an die Reihe. Mit einer Herzlichkeit, die ihrer eigentlichen Gemütsverfassung widersprach, griff sie nach Nigrinas Händen und gab ihr schwesterlich einen Kuss auf die Wange, wie es vielleicht etwas überschwänglich, aber nicht unüblich war. “Flavia Nigrina, ich gratuliere dir. Und auch dir Aurelius meine besten Wünsche.“ Zu ihrer Schande musste Axilla gestehen, dass sie seinen Namen vergessen hatte. Was aber auch nichts machen sollte, sie kannten einander ja immerhin sowieso nicht. “Mein Geschenk für dich hab ich beim Eingang abgegeben. Ich hoffe, es wird dir gefallen. Ich habe es extra aus Ägypten kommen lassen. Und mit grün und blau kannst du sparsam umgehen, die decken sehr kräftig.“
    Axilla war sich recht sicher, dass das kleine Ebenholzkästchen gut ankommen würde. Sie hatte sich das beste Sortiment zusammensuchen lassen aus ihrer Farbmischerei, mit dem feinsten Balsam verarbeitet. Und teilweise mit Safran, welcher alles andere als billig war, versetzt, um einen verführerischen Duft zu erhalten. Lippenrot mit Belladonna, dunkelste schwarze Stifte, um sich wie die Ägypter die Augenbrauen nachzuzeichnen, grüner und blauer Lidschatten. Nur kein Bleiweiß, weil Axilla das nicht ausstehen konnte. Aber sie war sich durchaus sicher, dass Nigrina dieses Geschenk durchaus zu schätzen wissen würde.

    Nachdem der Bote also nach einiger Zeit an der richtigen Stelle war und seinen Brief abgeben konnte, machte er sich mit gestempelter Wachstafel auch schon auf den Rückweg. Eigentlich ein einfacher Auftrag. Mit einer ganz stattlichen Belohnung. Vielleicht sollte er sich darauf spezialisieren. Es schien ja umso einträglicher zu sein, umso höher gestellt der Empfänger war.


    In der Poststelle der kaiserlichen Villa fand sich also folgender, kleiner Brief wieder:



    Iunia Axilla Imperatori Caesari Augusto s.d.


    Ich weiß, wir kennen einander nicht, und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das Recht habe, dir zu schreiben. Aber ich dachte, es ist meine Pflicht und die letzte Schuldigkeit meinem Mann gegenüber.
    Ich weiß nicht, ob es dir bekannt ist, aber ich war die Frau von Aelius Archias, deinem Verwandten. Und da du nicht selbst an seiner Beerdigung teilnehmen konntest, wollte ich dir davon berichten. Wie man dich vielleicht unterrichtet hat, hat er sich selbst das Leben durch einen Sturz vom Tarpejischen Felsen genommen. Ich weiß nicht, warum er dies getan hat und was ihn dazu verleitet hat. Ich wünschte, ich könnte es mir, oder auch dir, mein Imperator, erklären, doch ich habe keine Antwort hierauf. Durch den Sturz war sein Körper zerschmettert, so dass wegen des Anblicks sein Körper mit einem Tuch verhüllt war. Es tut mir leid, wenn ich dir damit Schmerz verursache, aber ich will dich nicht anlügen.
    Nach der Aufbahrungszeit von 7 Tagen haben wir ihn nach einer feierlichen Prozession verbrannt und bei seinen Ahnen beigesetzt. Ein Freund meines Mannes, Aulus Flavius Piso, war mir eine große Hilfe beim Ausrichten des Begräbnisses. Er hat alles notwendige organisiert, auch für genügend Gesang und Gaben gesorgt, selbst die passende Urne stammt von ihm. Ohne seine Hilfe hätte ich das nicht bewerkstelligen können, also falls du jemandem danken möchtest hierfür, wäre er derjenige, dem deine Dankbarkeit gelten sollte. Soweit ich weiß, beendet er gerade seine Quästur. Vielleicht kannst du ihn erwägen, wenn du über neue Senatoren nachdenkst. Auch wenn es mir sicher nicht zusteht, dir solches vorzuschlagen.


    Aber noch etwas gibt es, das ich dir berichten will. Ich weiß, ich darf mir sicher nicht anmaßen, über Recht und Unrecht dieser Entscheidung zu urteilen, oder dich um Hilfe zu bitten. Wir kennen uns nicht, auch wenn ich das persönlich sehr bedauere, und uns verbindet auch nichts. Dennoch weiß ich mir keinen Rat und hoffe auf Nachsicht.
    Der Präfectus Urbi hat das Erbe von Aelius Archias beschlagnahmt. Warum er dies tat, weiß ich nicht. Es geht wohl um Beleidigung, aber welcher Grund nun genau vorliegt, weiß ich nicht. Und ich muss gestehen, dass ich nicht mutig genug war, nachzuforschen.
    Vielleicht kannst du in deiner nächsten Korrespondenz mit ihm ihn ja bitten, die Beschlagnahmung aufzuheben? Ich weiß, es ist viel verlangt, noch dazu, wo du mich nicht kennst. Ich weiß, ich habe nicht das Recht, dich darum zu bitten. Und dennoch hoffe ich auf dich, mein Imperator.
    Ich werde mich in den nächsten Wochen auch um einen Termin bei Vescularius Salinator bemühen und hoffe auf seine wohlwollende Freigabe. Aber bestimmt würde ihn dein Wille weit mehr beeindrucken als meine Bitte.


    Mögen die Götter dich schützen und dich bald zurück nach Rom führen.


    [Blockierte Grafik: http://img509.imageshack.us/img509/3392/axillaunterschrph0.gif]


    Da war sie, die Wirklichkeit. Rauh, hart und unbarmherzig, ohne schöne Schleier, ohne Träumerei, ohne alles. Das schlechte Gefühl von eben wuchs immer weiter, bis die graue Masse der Realität jedes bisschen Zauber hinfortgetragen hatte. Oder nein, nicht weggetragen, erstickt, zermalmt und zu feinem Pulver zermahlen.
    Sie hatte doch nur ein wenig fröhlich sein wollen! War das denn wirklich schon zu viel verlangt. Sie war gerade mal achtzehn Jahre alt. Achtzehn! War es da falsch, wenn sie nicht in Sack und Asche daheim im Dunkeln sitzen wollte, sondern raus, unter Menschen, und sich einfach ein wenig freuen? Sie war es nicht, die gestorben war. Sie war am Leben. War es da wirklich falsch, wenn man jung und lebendig war, auch jung und lebendig sein zu wollen?


    Offensichtlich ja.


    Axilla sah beiseite weg, wollte und konnte Flaccus nicht direkt anschauen. Er sagte auch eine ganze Zeit lang nichts, schaute nur sie an und schien sie fast zu mustern. Das Gefühl, nichtig und fehl am Platz zu sein, wuchs beständig weiter. Hier waren alle so schick und schön und edel. Ihr Blick glitt wieder zu der Begleitung von Vala. Durch die fielen Leute hindurch konnte Axilla sie nicht einmal richtig sehen. Und doch genug, um sich noch lächerlicher und kleiner zu fühlen. Wem machte sie etwas vor? Sie war keine feine Dame, die mit geschickten Worten die feine Gesellschaft um den Finger wickelte. Sie war... Axilla. Nymphe, vielleicht, aber wer unterhielt sich schon mit einem Naturgeist?


    “Ja, ich bin Witwe“, kam die etwas tonlose Antwort auf seine Frage. Bitterkeit stieg in Axilla hoch, ebenso wie der Wunsch, zu weinen. Aber eine Römerin weinter nicht. Nie. Also blieb nur die Bitterkeit, die sie traurig lächeln ließ. “Mein Ehemann war Aelius Archias.“ Sie ließ ihm einen kleinen Augenblick, ehe sie ihn wieder direkt ansah. “Ja, ein Verwandter des Kaisers.“ Vermutlich die erste Assoziazion ihres Gesprächspartners. “Ja, der Mann, der sich vom Tarpejischen Felsen gestürzt hat.“ Axilla blinzelte einmal, dann nahm sie einen Schluck Wein. Sie hatte das Gefühl, ihn jetzt zu brauchen. Haltung wahren, erschallte irgendwo in ihrem Geist eine Stimme, die sich verdächtig nach der von Leander anhörte. Oder der ihrer Mutter. Auch wenn beide Stimmen sich eigentlich nicht ähnlich waren, konnte Axilla das im Moment dennoch nicht so gut unterscheiden.
    Sie streckte den Rücken durch und lächelte, als wäre nichts weiter. Wer sie nicht kannte, konnte wohl kaum einen Unterschied ausmachen. Zumindest nicht, wenn man ihr nicht in die Augen sah. “Naja, vielleicht kommst du ja mal nach Alexandria und siehst es mit eigenen Augen. Es ist sicher eine Reise wert.“ So zu tun, als wäre nichts weiter, ging allerdings auch nur sehr bedingt. Vor allem blieb die unangenehme Situation zwischen ihnen dann bestehen, und Axilla gehörte nicht zu den Menschen, die sich solchen stellten. Sie floh eher, und so bereitete sie auch hier ihre Flucht vor. “Ich denke, ich gratuliere den Verlobten eben. Bevor ich es vor lauter Ägypten noch vergesse.“
    Sie sah Flaccus nun doch einmal richtig an, und in ihren Augen stand einen Moment lang das aufrechte Bedauern. Ihr tat es leid, nicht zu sein, was sie beide wohl gerne gehabt hätten, dass sie es wäre. Aber daran konnte sie wohl nichts ändern.