Beiträge von Iunia Axilla

    Axilla wusste, dass Seiana keinen Kontakt mehr gehabt hatte, weil sie das nicht mehr wollte. Archias hätte das wohl sehr gerne gewollt. Und im Grunde war Axilla ja sogar recht froh gewesen, dass die Decima ihn da vor die Tür gesetzt hatte. Welche Frau wollte schon gerne, dass ihr Kerl sich mit der Exfreundin traf? Und das auch noch alleine? Axilla hatte Archias früher zwar getraut, aber es war ein Unterschied zwischen Vertrauen und Vertrauen. Und Axilla wusste auch, wie Männer waren. Ihr hätte es auch nie etwas ausgemacht, wenn er sich eine Sklavin oder eine Lupa ab und zu genommen hätte. Aber eine andere Frau aus einer einflussreichen Familie... das war was anderes. Bei Archias schon zweimal.
    Mittlerweile allerdings, trotz Archias' Abschiedsworten, war sie da nicht mehr so sicher, ob sie wirklich froh sein sollte, dass es so gekommen war. Es hätte ihr wohl viel Kummer erspart, wenn es anders gewesen wäre. Und sie müsste sich nun nicht damit beschäftigen, warum ihr Mann sich vom tarpejischen Felsen geworfen hatte anstatt sich wie ein ordentlicher Römer im Bad die Pulsadern aufzuschneiden. Wenn man denn schon Selbstmord beging. Warum er es überhaupt getan hatte, verstand Axilla ja nach wie vor sowieso nicht. Es war so... so... unlogisch. Selbst emotional war es vollkommen unlogisch. Aber nungut, es brachte auch nichts, darüber nachzudenken.


    Als Seiana meinte, ihre Sklaven würden vor der Casa warten, war Axilla kurz verwundert. Araros hatte weiter gedacht, als sie selber. Sie wusste zwar nicht, warum Seiana hier war, aber an ein Attentat glaubte sie auch nicht so wirklich. Gut, sie wusste auch nicht, mit was für Sklaven sie angekommen war. Dennoch gab sie einem Sklaven einen Wink. “Bitte einmal Wasser für unseren Gast. Und Araros soll die Sklaven bitte in die Küche bringen und ihnen auch etwas zu trinken anbieten.“


    Der Sklave nickte und eilte davon, kurze Zeit später hatte die Decima auch schon ihr gewünschtes Getränk. “Es ehrt dich, dass du wegen der Kondolenz hierher gekommen bist...“ fing Axilla wieder vorsichtig an. Sie wusste nicht so recht, was sie mit der Decima denn nun genau anfangen sollte. Aber wenn die Sklaven hereinkommen sollten, ließ das ja darauf deuten, dass Seiana mit einem längeren Gespräch rechnete.

    Da stand sie. Einfach so, in ihrem Atrium. Als wäre nichts gewesen. Wie eine Statue, erhaben und resolut, stand sie da. Nichtmal ein Muskel zuckte. Gut, doch, die Augenbraue, aber sonst... nichts. Als wäre nie etwas gewesen. Und das machte Axilla nervöser, als es jeder Wutausbruch je zu tun vermocht hätte. Ihre Hände rangen leicht miteinander, weil sie nicht wusste, wohin damit, ehe sie sie in dem Versuch, sich selbst zu beruhigen und gefälligst sich nicht lächerlich zu machen, gerade herunter nahm. Sie wollte gerade etwas leichtes sagen, etwas unbekümmertes, als Seiana ihr ihr Beileid aussprach und Axillas Versuch damit im Keim erstickte. Kurz konnte man die Unsicherheit auf ihrem Gesicht ablesen, als sie nach einer passenden Antwort suchte. “Danke, wobei ich denke, dass ich dir meines hierbei ebenso aussprechen sollte.“ Axilla war sich ziemlich sicher, dass es eine dumme Idee war, noch einmal darauf zu sprechen zu kommen, dass Seiana ja auch mit Archias verlobt gewesen war, aber es nützte auch nichts, so zu tun, als wisse sie es nicht mehr. Sie wusste es ja, ebenso wie die decima. Und kurz fragte sich Axilla, ob sie vielleicht auch deshalb hier war. Entweder, um der vermeintlich trauernden Witwe noch die eigene Überlegenheit zu demonstrieren, oder aber, um vielleicht doch ihre Entschuldigung nach der langen Zeit anzunehmen. Axilla wusste es nicht, aber es machte sie nervös.
    “Möchtest du vielleicht etwas trinken? Wasser? Wein? Einen Saft?“

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    Araros war kurz vorm Herzkasper. War es nicht genug, dass sich der Mann seiner Herrin vom Felsen gestürzt hatte? Mussten sich nun sämtliche Bürger Roms als Ausgleich dafür auf seine Herrin stürzen? Ein wenig fühlte er sich an die Blumeninvasion nach der Krankheit seiner Herrin erinnert, denn auch dort war er kurz davor gewesen, die Porta einfach zuzumauern. Ja, er war Ianitor, aber deshalb musste man doch nicht andauernd anklopfen!
    Bemüht, doch irgendwie ausgeglichen zu wirken, öffnete der in die Jahre gekommene Mann mit Effet die Tür und blickte dem Sklaven und seiner Herrin erwartungsvoll – manche mochten es auch genervt nenne – entgegen. Zu Axilla. Welch Überraschung aber auch! Araros war kurz davor, die beiden einfach abzuweisen und auf später zu vertrösten, wie er es nun schon seit 2 Tagen mit so ziemlich jedem machte, der nicht wichtig aussah, als irgendwas doch klingelte. Decima... Dominus Silanus war Klient eines Decimers. Und... oh... OH! Da war doch was! Kurz blickte Araros unsicher zwischen den beiden hin und her. “Sie ist zugegen und wird deine Herrin empfangen.“ Araros zögerte noch einen Moment. “Wenn ihr mir folgen möchtet, domina.“ Ihre Diener hingegen würden entgegen den eigentlichen Sitten wohl vor der Tür warten. Araros wollte nicht riskieren, dass dies hier doch ein Racheakt war, denn immerhin hatten die beiden Frauen nicht unbedingt eine glorreiche gemeinsame Vergangenheit.

    Axilla war im Atrium und dirigierte gerade zwei Sklaven mit Blumen herum. Nur, weil sie trauern musste, hieß das nicht, dass die Casa Iunia aussehen musste wie ein Mausoleum. Da mussten einfach auch mal Frische Blumen ins Atrium. Hier konnte ja nicht alles trist und traurig und heruntergekommen aussehen. Schlimm genug, dass sie so aussehen musste. Schlimm genug, dass die Casa Iunia sowieso schon nicht so herrschaftlich war.
    Und genau in diesen Versuch, es wenigstens ein bisschen herrschaftlicher zu machen, kam Araros. Axilla hörte seine Schritte und die einer weiteren Person und seufzte schon innerlich auf, einen weiteren Kondolenten zu empfangen, als sie im Umdrehen sah, wen der Ianitor da mitbrachte. “Seiana...“ rutschte es Axilla erschrocken raus, noch ehe der Ianitor sie ankündigen konnte.
    Nachdem die erste Schrecksekunde aber gleich überwunden war, nahm sie sich zusammen und stellte sich möglichst matronenhaft und gerade hier. “Du kannst uns allein lassen, Araros. Danke.“ Axilla versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie angespannt sie gerade war, als sie Seiana dann auch begrüßte. “Salve, Decima. Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal zu sehen. Verzeih meine Überraschung.“

    Sim-Off:

    Ich hoffe, die noch lebenden Mitglieder der Gens Aelia haben nix dagegen. Wenn doch, einfach kurz melden. :D


    Auch heute war es ein armer Sklave, der eigentlich nichts an der Porta zu suchen hatte und dennoch zum Türdienst verdonnert worden war. Als es klopfte, öffnete der Mann die Porta und blickte einem einzelnen Mann mit traurigem Lächeln entgegen. Musste wohl jemand vom Palast sein, ansonsten waren ja die Prätorianer immer mit dabei, selbst jetzt bei diversen Trauergästen.
    “Salve. Du wünscht?“ Eigentlich war die Frage ja fast überflüssig, aber es gab ja noch den verschwindend kleinen Teil an Menschen, die nicht zum Toten wollten.

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    Löcher in der Deckung, die man noch ausmerzen musste. Zuviel Konzentration auf den rechten Arm, zuwenig auf den Linken. Wäre dies ein Kampf in der Arena gewesen unter dem Beifall des Publikums, Malachi hätte den Parther wohl zerfetzt. Oder aber, wenn noch kein Blut an diesem Tag geflossen wäre, ihn entwaffnet und auf die Knie gezwungen, und das Publikum entscheiden lassen. Immerhin gab es einen Ehrenkodex unter ihresgleichen, und es gab nur wenige unter ihnen, denen es wirklich Freude bereitete, einen anderen zu töten. Und solange das Publikum noch kein Blut geleckt hatte, waren die Chancen größer, die Arena lebendig zu verlassen. Je weiter der Tag voranschritt, umso mehr forderte die hungrige Meute ihren Zoll.
    Aber er war brauchbar, zumindest nach Malachis Meinung. Wahrscheinlich weit brauchbarer als er selbst gewesen war. Er selber war nur ein aufständischer Ziegenhirte gewesen, und es war fast ein göttliches Wunder, dass er nicht wie so viele andere am Kreuz gelandet war, sondern in der Arena. Aber er war groß gewesen und kräftig, wenn auch nichts im Vergleich zu jetzt. Und wer wusste schon, was Gott für einen vorgesehen hatte? Vielleicht war es ja sein Schicksal, auf parthische Bogenschützen einzuprügeln.


    Irgendwann nickte der doctor vor sich hin, und Malachi nahm an, dass er genug gesehen hatte. Der Parther war gerade noch im Schwung der Bewegung, und mit einer Schnellen Klingendrehung und einem geschickten Schritt durchbrach Malachi dessen Deckung und legte seine Klinge ruhig und präzise auf dem Halsansatz des Parthers ab.
    Der Ausbilder klatschte nur einmal in die Hände, und Malachi trat einen Schritt zurück und ließ die Waffen sinken. Er sagte kein Wort, sondern wartete einfach geduldig auf das Urteil des doctor. Dieser schritt mit kritischem Blick noch einmal um Shayan herum, ehe er schließlich nickte. “Na gut, hab schon schlechteres Material gehabt.“ Er sah hoch zur Tribüne und gab dem Lanista mit der Hand ein zustimmendes Zeichen, ehe er die beiden mit einem “Genug Training für den Moment“ entließ.


    Malachi nickte und lockerte noch einmal kurz die Muskeln, indem er die Schultern rollen ließ. Diese Übung hatte länger gedauert als üblicherweise, und wenn er eines gelernt hatte, dann dass es das wichtigste war, die Muskeln geschmeidig zu halten. Er sah kurz zu seinem Gegner, der wohl bald sein Bruder sein würde. Sobald alle Papiere unterzeichnet waren, würde er wie jeder andere schwören müssen, und dann gehörte er zur Familie. “Ich bin Malachi. Deine neuen Brüder werden sich vorstellen, wenn du den Eid gesprochen hast. Lass uns die Waffen wegbringen.“ Er machte einen kleinen Wink mit dem Schwert, dass Shayan ihm folgen solle. Er selbst wollte gern ins Balneum und sich den Schweiß und den Staub abwaschen. Allerdings durfte kein Gladiator mit Waffen die Arena verlassen.



    Oben auf der Tribüne hatte Axilla sich alles mitangesehen. Auch sie sah ab und an ein Loch in der Deckung von dem Sklaven der Flavia, aber weit seltener als Malachi in der Arena unten. Und er war gelenkig und wich gut aus. Es war schön, den beiden zuzuschauen. Auch wenn Axilla so ein wenig Angst hatte, dass doch Blut fließen könnte. Sie hatte zwar keine Angst davor – Blut war ja nur Blut. Das sah man täglich auf den Straßen, in den Küchen und auf den Altären – wenngleich Menschenblut an letzteren beiden Orten seltener war. Aber sie wollte trotzdem ihre frisch geschlossene Bekanntschaft nicht gleich so besiegeln.
    Und dann mit einem Mal war der Kampf vorbei und Malachi hatte gewonnen. Seine Klinge lag am Halsansatz des Parthers, und der Ausbilder rief die beiden auseinander. Ganz kurz lächelte sie – immerhin hatte ihr Sklave gewonnen, auch wenn es ein recht ungleicher Kampf gewesen war. Und kurz darauf gab der doctor auch schon ein Zeichen an den Lanista.
    “Der doctor schätzt deinen Sklaven als tauglich ein, werte Flavia. So es dein Wunsch ist, werde ich dann die Verträge aufsetzen lassen. Über den Termin, wann dein Sklave dann seine Eide ablegt, müssen wir noch befinden, ebenso über den Beginn seiner Ausbildung.“

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    Es dauerte eine ganze Weile, bis der Mann sich darauf einließ, ihn zu schlagen. Malachi wartete einfach nur geduldig ab und machte sich im Geist Notizen. Er war zwar kein doctor, auch wenn er vom Alter her gut und gerne einer sein könnte. Aber er war schon lange genug dabei und hatte lange genug überlebt, um sich eine Meinung über die Eigenschaften eines Mannes zu machen, der ihm gegenüber stand. Er war vorsichtig, vielleicht etwas unsicher. Gut, als Bogenschütze nicht weiter verwunderlich. Wenn große Schlachten nachgestellt wurden, gab es ab und an Sagittarii, die mit ihren Bögen Tod und Verderben brachten, allerdings auch aufgrund ihrer Gefährlichkeit dann das Ziel Nummer 1 waren. Aber die wurden hier nicht ausgebildet.
    Shayan ging überlegt vor, machte keine großen Experimente. Sehr auf Sicherheit bedacht. Keine großen Kunststücke. Malachi würde sagen, ehemaliger Soldat. Nur schnell und effizient kämpfen, ohne große Einlagen, die die eigene Haut in Gefahr brachten. Nicht schlecht, für den Anfang, wenngleich ihm die Übung fehlte, um auch nur ansatzweise durch Malachis Deckung zu brechen.


    Eine ganze Weile ließ Malachi sich einfach angreifen, ohne etwas nennenswertes dagegen zu unternehmen. Erst, als er das zufriedene Nicken des Ausbilders bemerkte, fing er an, die Schläge aktiv abzufangen. Die Rechte blockte er mit seinem Schild geschickt ab, hier war die Hauptkraft des Parthers. Die Linke benutzte er eher beiläufig, streute sie ein, wenn es ihm passend schien. Nur war er dadurch noch vorausberechenbar. Malachi wartete einen solchen Angriff ab und fing ihn mit seiner Sica ab. Ein schneller Schritt, den der Parther gut mitmachte, aber nicht gut genug. In einem ernsten Kampf hätte Malachi seine Klinge weiter gedreht und so ein Loch in seine Deckung gezwungen. Aber das hier war kein ernster Kampf.
    Ohne weitere Ansage oder Vorwarnung ging nun Malachi zum Angriff über. Ohne Schild blieb einem Dimachaerus nicht viel, um sich zu verteidigen. Er konnte die Klingen nur abfangen oder auf die leichte Rüstung vertrauen, mehr blieb ihm nicht. Und ausweichen, ausweichen, ausweichen. Malachi startete langsam, ließ dem Parther die Gelegenheit, sich auf seine Schläge einzustellen. Klinge traf auf Klinge, immer wieder auf die Linke, dann auch so weit, dass er die Rechte einsetzen musste. Schneller, härter, präziser. Wie zuvor auf seinem palus führte Malachi fast mechanisch eine Übung durch, alternierte Höhe und Kraft der Angriffe, ebenso wie ihre Geschwindigkeit.

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    Ja, offensichtlich noch kein Tiro. Allerdings dachte Malachi das, ohne dabei zu lächeln. Der andere war wirklich neu, ganz neu. Nicht nur neu in dieser Schule, sondern so neu, dass er wohl noch in keiner Arena gestanden hatte. Eher ein novicius. Und Shayan... als Rang war dieses Wort Malachi unbekannt. Er vermutete, es war der Name.
    Er nickte nur einmal kurz und machte sich selber etwas locker. Leicht beobachtete er sein Gegenüber und schätzte ihn gewohnheitsmäßig ab. Er hatte einen trainierten Körper, wenngleich nicht so trainiert wie die übrigen hier. Gute, stabile Grundmasse, würde er sagen. Und er hatte gutes Gleichgewicht. Kein hoffnungsloser Fall.
    Sein Blick glitt kurz zum Ausbilder, der schon etwas ungeduldig wirkte. Sie sollten ja nicht hier stehen und sich unterhalten, sondern kämpfen und zeigen, ob der Neue brauchbar war. Unterdessen antwortete der Parther auf die Frage, und Malachi nickte nochmal. “Wenn sie dich nehmen, wird sich das ändern. Zeig erstmal ein paar Angriffe. Komm.“ Malachi ließ sein Schwert einmal auf seinem Schild klingen. Das Geräusch war dumpf und hohl, aber irgendwie beruhigend. Zumindest für den Juden, es sagte ihm, dass das Schild noch da war. Er ging in eine leicht defensive Stellung und wartete auf den ersten Angriff.

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    Ah, schon wieder einer! Araros beäugte diesen Burschen hier einen Moment kritisch. Gut, er war Patrizier, da konnte man schon annehmen, dass er ordentliche Manieren besaß. Aber wer wusste das schon so genau, wie er wirklich war? Aber zumindest hatte er bei dem hier ein besseres Gefühl als beim letzten, der hier begrüßte zumindest richtig und kam gleich zum Punkt.
    "Meine Herrin ist zugegen. Folge mir bitte"

    Noch immer in tristem Schwarz gekleidet, ohne erkennbaren Schmuck, saß Axilla im Tablinum. Die Reihe der Kondolenten flaute langsam ab, so dass sie auch Zeit für die Briefe hatte, die sie schreiben musste. Sie entwarf gerade ein schreiben auf einer Wachstafel, als Araros herein kam und einen jungen Mann mitbrachte.
    “Tiberius Lupus möchte mit dir über die Weberei verhandeln, domina“ meldete der Ianitor pflichtschuldig.
    Axilla spannte sich leicht an. Das letzte Gespräch, das wegen der Weberei geführt worden war, steckte ihr noch in den Knochen. Noch immer war sie nicht sicher, ob das nun eine Drohung oder eine Warnung gewesen war, die sie erhalten hatte. Und vor allem, was sie damit nun anfangen sollte. Dennoch nahm sie sich zusammen und erhob sich höflich von ihrem Stuhl. “Salve, Tiberius“ grüßte sie höflich. Ein Patrizier... vor langer Zeit waren die Iunii auch patrizisch gewesen. Aber das war wirklich schon sehr lange her. Axilla lächelte leicht wehmütig und wartete auf die Begrüßung durch den Tiberier.

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    Und wieder war es Araros, der die Tür öffnete. Misstrauisch beäugte er die Herrschaften, die vor der Tür standen. Sklave und Herr. Ein Blick auf die Schuhe verriet den Patrizier. Das sah doch schonmal gar nicht so schlecht aus.
    "Ihr wünscht?" fragte er in höflichem Tonfall die beiden, da er nicht wusste, ob nun der Sklave oder gleich der Herr antworten würde.

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    Der Scriba des Lanista kam kurzzeitig in die Arena und winkte einen der drei doctores herbei, wechselte mit ihm ein paar Worte. Malachi beachtete sie nicht weiter, sondern hieb weiter brav auf seinen palus ein, wie es ihm als Übung aufgetragen worden war. Präziser sollte er werden. Wuchtiger. Was zur Folge hatte, dass er versuchte, eine Kerbe so präzise und wuchtig wie möglich immer wieder zu treffen, ohne dass er sich dabei einen Muskel im Arm zerrte. Er ließ sich auch nicht von seiner Übung ablenken, als sowohl Scriba als auch doctor immer mal wieder zu ihm herschauten. Er war nicht dumm und wusste, dass irgendwas da auf ihn zukam. Nur war es ihm schlicht gleichgültig.
    Er erinnerte sich an die Frage, die ihm seine Herrin gestellt hatte, als sie ihn gekauft hatte. Ob er keine Angst hatte, zu sterben. Hatte er nicht, hatte er schon sehr lange nicht mehr. Die Angst war gegangen, als man ihn hierher gebracht hatte. In Iudaea, da hatte er ständig Angst gehabt. Ob sie genug Wolle auf den Märkten tauschen konnten. Ob die Ziegen genug Milch geben würden. Ob der Brunnen noch Wasser führen würde. Ob eine römische Patrouille ihn oder seine Frau auf dem Weg einfach so aufgreifen und töten würde. Als man ihn zum Sklaven gemacht hatte und nach Rom verschifft hatte, nachdem so viele andere einfach erschlagen worden waren, da hatte er Angst gehabt. Doch irgendwo in diesen Mauern, während er immer wieder auf dem Boden knien musste und darauf warten, ob der Lanista ihn doch wirklich töten lassen würde oder es wieder nur eine Übung war, irgendwo, als er seinen ersten Gegner getötet hatte, irgendwo da hatte die Angst aufgehört. Er hatte sich damit abgefunden, dass die Dinge eben passierten, und dass der Tod wie ein Begleiter immer neben einem war. Das war nichts, wovor man sich fürchten musste. Nichts, vor dem man fliehen konnte.
    Und dieses Wissen gab ihm die Ruhe, einfach hinzunehmen, dass der doctor wohl etwas mit ihm plante. Vielleicht würde er dabei sterben, und seine kleine, verrückte Herrin würde auch nichts daran ändern können. Vielleicht würde er leben. Vielleicht war es unangenehm, vielleicht angenehm. Es machte alles keinen Unterschied. Er wiederholte nur geduldig seine Übung, bis der doctor ihn schließlich zu sich rief. “Du, komm her!“
    Malachi nahm das Schwert mit der Schneide nach unten, wie es ihm ebenfalls eingehämmert worden war, und trat im Laufschritt auf den Ausbilder zu, um direkt vor ihm mit ergeben gesenktem Kopf stehen zu bleiben. “Ja, doctor?“
    “Wir kriegen einen Neuen. Du sollst mit ihm kämpfen, damit er zeigen kann, was er drauf hat. Mach ihn aber nicht gleich kaputt.“
    Malachi nahm die Information auf. Nur kurz huschte die Frage durch seine Gedanken, warum ausgerechnet er das tun sollte, was sonst ein Ausbilder selber tat, während die anderen zusahen. Aber im Grunde war das nicht weiter von Belang. Er würde so oder so gehorchen müssen, warum also den Befehl in Frage stellen? Er nickte nur einmal und wartete so auf den Tirones.


    Malachi lockerte gerade ein wenig seine Muskeln und federte leicht auf der Stelle, als der Mann eintrat. Er war ein bisschen kleiner als er selber, aber nicht viel. Nicht genug, als dass es ein Vor- oder Nachteil wäre. “Tiro“, lenkte er dessen Aufmerksamkeit auf sich und machte eine herwinkende Handbewegung mit dem Schwert, Schwertspitze zur Sicherheit nach unten. Wer wusste schon, wie nervös der Kerl war. Einige starben beinahe, wenn sie die Arena das erste Mal betraten. Das waren auch meist die, die die erste Woche schon nicht mehr überlebten. Aber hier wollte er dem Neuling keine Angst machen.
    “Mach dich ein bisschen warm und locker deine Muskeln. Schonmal gekämpft?“ Bevor Malachi auf ihn eindrosch, wollte er wissen, wie vorsichtig er dabei sein musste. Immerhin sollte er ihn nicht gleich kaputt machen, wie der doctor so schön gesagt hatte.

    Und jetzt wollte der Kerl einfach abhauen! Was bitte war das für ein Besuch gewesen? Hatte er ihr irgendwas sagen wollen? War das irgendeine seltsame Warnung an sie gewesen von Seiten der Germanicer? Und wenn es so war, weswegen hatte sie die erhalten? Was hatte sie denn getan? Gar nicht, nichts öffentliches, und sie hatte auch kein öffentliches Amt, das so eine Drohung rechtfertigen würde. Was also sollte das ganze?
    Und dann nannte dieser Kerl sie auch noch beim Cognomen, als wären sie eng miteinander vertraut. Es blitzte in Axillas Augen auf. “Ich wüsste nicht, dass wir derartig vertraulich miteinander sind, Germanicus“, zischte sie kurz, trotz seines freundlichen Lächelns. Axilla war sicher niemand, der von Vorurteilen geprägt durch die Welt ging und sicher niemand, der allzu viel Wert auf die feinen Umgangsformen legte. Aber das hier, nach diesem Wortwechsel, da fand sie diese Art doch zu persönlich und zu aufdringlich und setzte daher eine sehr klare Grenze.
    “Mein Wächter wird dich hinausbegleiten. Vale, Germanicus.“ Sie machte sich nicht die Mühe, es sonderlich freundlich klingen zu lassen. Weswegen auch? Dachte er wirklich, sie würde ihn allein im Haus herumlaufen lassen, nach dem, was er gerade so häufig angedeutet hatte? Nein, ganz sicher nicht!
    Malachi setzte sich auch schon in Bewegung und machte durch seine bloße Gestalt unmissverständlich klar, dass der Germanicer direkt zur Porta zu gehen hatte, um das Haus zu verlassen. Und nicht mehr wieder zu kommen. Axillas Custos Corporis war weitaus trainierter als der Germanicer, und das war ihm und seiner steinernen Miene durchaus anzusehen.


    Nachdem der Germanicer weg war, saß Axilla noch eine ganze Weile im Tablinum und grübelte über die Worte nach. Hatte er sie wirklich bedroht und ihr gesagt, es gäbe Gerede über sie? Und dass sie etwas zum Nachteil der Germanicer tun würde? War das eine Warnung gewesen? Axilla wusste es nicht, aber in diesem Moment fühlte sie sich sehr allein und schutzlos. Trotz Malachi.

    “Wenn du nichts über mich weißt und keine Gerüchte kennst, warum sagst du dann, dass diese mir Vorteile und dir Nachteile brächten? Wenn sie nicht existieren, können sie ja auch kein Hinderungsgrund sein.“
    Er hatte damit angefangen! Da gab es etwas, sonst hätte er die Sprache nicht darauf gebracht. Axilla war doch nicht blöd und ließ sich jetzt mit einem 'Mein Name ist Hase' abspeisen! Warum hätte er sowas erwähnen sollen und da mehrere Anspielungen machen sollen, wenn er wirklich nichts wusste? Zumal diese Anspielungen ja durch nichts provoziert gewesen waren, und er ja sogar noch implizierte, dass sie darin verwickelt war. Sie nahm ihm nun schlicht nicht ab, dass er nichts wusste, denn dann hätte er damit gar nicht erst angefangen. Vor allem, wo er noch so betonte, dass es der ganzen Gens Germanica Nachteile bringen würde, wenn er redete!
    Was interessierte Axilla da die Weberei? Sie würde doch keine Geschäfte mit jemandem machen, der ihr böses wollte! Wie stellte der Germanicer sich das bitte vor? Sollte sie ihn über den Tisch ziehen als Strafe für sein Auftreten, oder was wollte er von ihr? Und hinterher vergrätzte er diejenigen, die sie lange als Stammkunden erst gewonnen hatte? Mit ihrem Namen womöglich auf dem Türschild? Der Germanicer musste sie wohl für dumm halten, wenn er dachte, sie würde das jetzt so glauben.
    Nach außen hin aber war Axilla ruhig und schaute nur fragend drein. Allerdings auch so, dass klar war, dass sie eine Antwort wollte.

    Nach dieser in Axillas Augen reichlich unhöflichen Antwort war sie versucht, ihrem Gesprächspartner zu verstehen zu geben, dass er ihren Cognomen nicht benutzen müsse, war doch keine andere Iunia im Raum.
    “Welche Art von Vorteil?“ fragte sie mit der Unschuld der Naivität im Blick und sah Aculeo an, als hätte er eben etwas gesagt, was sie nicht verstand. Allerdings verstand sie einige Dinge sehr wohl. Sie war wohl Gesprächsthema bei den Germanicern. Sie fragte sich nur, weswegen und bei wem, immerhin hatte sie nie auch nur einen Ton gesagt. Aber wenn es ihr gar einen Vorteil verschaffen würde, wie er sich ausdrückte, musste es etwas weitreichenderes sein. “Und woher soll ich wissen, was über mich gesprochen wird? Meistens sind die Personen, um die sich Gerüchte drehen, die, die sie als letztes erfahren.“

    Nun wurde Axilla aber doch hellhörig. Aculeo war seinen eigenen Angaben nach noch nicht lange in Rom, und die Iunii hatten öffentlich nie auch nur die kleinste Stellung zu den Emporkömmlingen in der Politik genommen. Nicht einmal die winzigste Andeutung. Noch dazu, da Axillas Verwandschaft in diesem Punkt teilweise auch deutlich liberaler gewesen war, was die letzten zehn Jahre in etwa anging. Wenn also Aculeo davon sprach, dass es Konflikte zwischen den Iunii und den Germanici gäbe, mussten diese von Seiten der Germanici ausgehen. Und DAS wiederum interessierte Axilla doch sehr.
    “Oh, aber mich interessiert es wirklich sehr. Von welchen kontroversen Ansichten sprichst du denn?“ Axilla hatte nicht vor, ihn da einfach so wieder rauszulassen. Sollten die Germanici wirklich noch mehr treiben als sie wusste, war das für sie eine durchaus wichtige Information. Und etwas, bei dem sie dann vermutlich noch einmal mit Serrana würde reden müssen. Oder eben sich einflussreiche Freunde der anderen Seite suchen müssen, um nötigenfalls gegensteuern zu können.
    Zur Weberei sagte sie daher erst einmal nichts. Erst musste diese Frage geklärt sein.

    Bleich war wohl ein sehr relativer Begriff für jemanden, der nicht die noble Blässe einer römischen Matrone besaß. Axilla hatte auch diesen Sommer wieder etwas Farbe ins Gesicht bekommen. Allein durch den Ritt nach Ravenna und wieder zurück, wo sie ja viel im Freien sich aufgehalten hatte, hatte ihre Haut einen gesunden, bronzenen Schimmer angenommen. Und mitnichten trug Axilla einen entnervten Gesichtsausdruck zur Schau, im Gegenteil, wenn überhaupt eine Beschreibung den neutralen Gesichtsausdruck beschreiben mochte, dann eher nachdenklich. Um genau zu sein, dachte Axilla darüber nach, warum der Germanicer ihren Weber kaufen wollte, immerhin war der Aushang am Markt nicht gerade der neueste, und bislang hatte sich niemand gemeldet. Und nun war es ausgerechnet jemand aus der Gens, die Axilla aus diversen Gründen nicht besonders gern mochte. Und er streckte ihr seine Hand entgegen.
    Axilla betrachtete einen Moment lang irritiert die dargereichte Hand. Sie kannte einen Handschlag nur nach einem abgeschlossenen Geschäft, um es zu besiegeln, nicht zur Begrüßung. Daher beließ sie es dabei und tat so, als hätte sie die Hand auch gar nicht bemerkt – was angesichts des kurzen Blickes direkt darauf wohl nicht sehr überzeugend sein mochte, und wandte sich stattdessen dem Germanicer zu.
    “Sagt man das so?“ fragte sie nach bester, urgulaniaesker Manier, ehe sie wieder Platz nahm und auch dem Germanicer mit einer freundlichen Handbewegung einen Stuhl anbot. “Nun, Germanicus, es freut mich, dass du Interesse an der Weberei hast. Aus diversen Gründen muss ich sie leider abstoßen, und da ist es natürlich erfreulich, wenn sie jemandem zufällt, dessen Gens mit der meinen verbunden ist.“ Im Grunde war es das nicht. Im Grunde überlegte Axilla, ob es wohl schlimmer wäre, die Weberei abzufackeln. Ihre Familie hatte eine Geschichte, die Jahrhunderte zurückreichte und eng mit Rom verwoben war. Die Germanicer waren halbe Peregrini, die den altehrwürdigen Namen der Iunier und deren Leistungen nicht honorierten. Zumindest hatte Axilla noch keinen Germanicer getroffen, bei dem das so gewesen wäre. (Wobei sie zugegebenermaßen eigentlich nur Calvena als Referenz hatte, denn selbst mit Sedulus hatte sie sich abgesehen von dem leichten Geplänkel bei der Hochzeit nie wirklich unterhalten.) Aber das war ja das schöne an Vorurteilen und Sturköpfen, man brauchte keine begründete Meinung verteidigen. Und der Germanicer hier vor ihr konnte ja sowieso nicht in ihren Gedanken lesen, blieb ihre Miene doch noch immer eine Maske der Höflichkeit. Urgulania wäre wohl stolz auf Axilla gewesen.
    “Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wieviel du dafür ausgeben möchtest?“

    Von den vielen Kondolenten schon etwas genervt hatte Axilla im Tablinum Stellung bezogen. Es nützte ja alles nichts, da musste sie durch. Und viele sahen nunmal ihre Chance, so etwas über Archias' Tod zu erfahren und unter Umständen ein Stück des vermeintlichen Kuchens noch abzubekommen, indem sie nur fleißig Mitgefühl heuchelten. Da musste sie wohl einfach durch. Immerhin war sie eine Iunia, da hatte man eine gewisse gesellschaftliche Verpflichtung. Ob man nun wollte, oder eben nicht. Und Axilla wollte nicht.


    Sie saß also im Tablinum auf einem bequemen Stuhl, als Araros schon den nächsten herbeibrachte. “Germanicus Aculeo wünscht, mit dir über den zum Verkauf stehenden Weber zu verhandeln“ meldete der Ianitor den Burschen an und verschwand dann wieder unauffällig zur Porta. Hier bleiben musste er nicht, für den Fall der Notfälle stand Axillas Custos Corporis Malachi unauffällig im Hintergrund.
    “Germanicus“, begrüßte Axilla den Mann höflich und erhob sich.

    Axilla kannte den Lanista mittlerweile gut genug, um zu bemerken, dass ihm der Vorschlag nach wie vor nicht behagte. Sie machte es an seinen Augen aus, die irgendwie noch abweisender als sonst wirkten. Aber immerhin hatte er zugestimmt, und sie empfand das ja nicht als schlimm. Sie wollte ja nur der Flavia einen Gefallen tun, und ob nun Malachi mit dem Parther trainierte oder der doctor auf ihn eindrosch, um ihn zu testen, sollte ja nun nicht so sehr den Unterschied machen. Malachi war vielleicht nicht der palus primus, aber er hatte ja auch Erfahrung. Und Axilla mochte ihren Sklaven gern, womit er für sie ohnehin über Kritik erhaben war. Naja, zumindest über die meiste.
    Aber der Iuventier blieb dennoch ganz ruhig und winkte nur den hektischen, kleinen Beamten herbei, der eben noch versucht hatte, die Flavia aufzuhalten, und flüsterte ihm kurz etwas zu. Dieser besah sich den Parther, der ihn um gut einen Kopf überragte und nur “Komm mit“ zu ihm meinte.
    Der Iuventier hingegen, nun von zwei Damen umgeben, gab sich als großzügiger Gastgeber. Der Sklave wird zum Medicus gebracht und untersucht werden, ehe er die Rüstung und die Waffe erhält. Durch dieses Tor dort“ Er deutete auf einen kleinen, dunklen Eingang in der Arena, “wird er dann eintreten. Darf ich den Damen solange etwas zu trinken anbieten?“


    Axilla steckten ihre letzten Weinerfahrungen noch immer in den Knochen. Entweder landete sie dann immer im Bett mit irgendwelchen fremden Kerlen oder aber küsste andere Frauen und brachte damit Kerle zum johlen. Daher lächelte sie nur etwas ertappt. “Wasser, außer du hast zufällig auch einen Saft da. Sehr nett von dir, Iuventius.“
    Der Iuventier wartete noch auf Nigrinas Antwort und gab dann einem am Rundgang stehenden Diener einen kleinen, unscheinbaren Wink.