Beiträge von Iunia Axilla

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    Servus? Sklave? Das war mal eine etwas andere Begrüßung. Gut, Araros war de facto Sklave, aber trotzdem war das für ihn kein Grund, so begrüßt zu werden. Seine Miene verfinsterte sich, als er dem Burschen hier zuhörte.
    “Dieser Tage kommen viele Leute mit geschäftlichen Interessen. Kannst du dich etwas genauer fassen?“ 'Etwas Geschäftliches' konnte ja schließlich alles sein.

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    So langsam war es Araros leid, die vielen Kondolenten und sonstigen Speichellecker an der Tür nach ihren Absichten zu befragen (und gut dreiviertel davon zum Orcus zu jagen), aber was sollte er machen? Er konnte die Tür schlecht nicht öffnen, ab und an kam ja doch mal jemand Wichtiges vorbei. Und so öffnete er auch hier die Tür und besah sich den jungen Burschen.
    "Wenn du kondolieren möchtest, kann ich ein Schriftstück entgegennehmen", sagte er instinktiv, da er den Mann hier nicht kannte und sich keinen sonstigen Grund vorstellen konnte, was er hier wollte. Und falls er sich irrte, würde der Bursche ihn schon aufklären.

    So, letzte Chance. Jemand Interesse an einem Weber Stufe 2? Günstig abzugeben an liebevolle WiSim-ler, ansonsten wird er Ende der Woche eingestampft.
    Ist kein Lagerbestand mehr dabei, nur noch der Weber an und für sich. Vernünftig ausspielen > Pixelgeld oder anders gesagt, wenn jemand gewillt ist, das vernünftig auszuschreiben, bin ich auch bereit, ihn SEHR günstig herzugeben.
    Angebote bitte per PN

    Ne, diesmal hab ich wirklich keinen drin, denn: Ich bin ausverkauft und mangels interessiertem Käufer wird der Weber eingemottet. Musst dich an einen anderen Händler deines Vertrauens wenden, fürchte ich

    Und plötzlich wurde Axilla miteinbezogen. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, nicht offensichtlich zuzuhören, aber naja, sie hatte ja auch nicht weghören können. Sie war nur zwei Sitzreihen entfernt, und auch wenn der Lanista und die Flavia nicht laut waren, sie waren eben auch nicht gerade leise. Und es gab ja sonst nichts, bei dem man hätte zuhören können. Und so spannend waren die schwitzigen Männerkörper nach über einer Stunde auch nicht mehr. Trotzdem war Axilla überrascht, dass sie so mir nichts, dir nichts angesprochen wurde, und drehte sich mit einem verblüfften umschauen zu den beiden um.
    “Was, ich? Ja, hab ich.“
    Der Lanista sah kurz zwischen den beiden Damen hin und her und übernahm souverän die Kontrolle über die Situation. Man merkte ihm durchaus an, dass er gewohnt war, als Herr der Lage zu fungieren und alles in seine Bahnen zu lenken. Axilla vermutete, dass er dies notfalls auch mit Gewalt tun würde, auch wenn der Mann immer ruhig und überlegt erschien. “Flavia Nigrina, darf ich dir Iunia Axilla vorstellen. Sie hat vor sechs Wochen einen Thraker hier erstanden, der nun unten trainiert. Iunia, darf ich dir Flavia Nigrina vorstellen. Sie beabsichtigt, einen Dimachaerus ausbilden zu lassen.“ Natürlich wusste der Iuventier, dass Axilla zugehört hatte. Aber die Höflichkeit gebot, so zu tun, als wisse er dies nicht.


    Axilla lächelte kurz verlegen zur Begrüßung, bekam aber keine Gelegenheit, dem Vorschlag der Flavia zuzustimmen. Der Lanista fuhr gleich fort. “Dein Sklave wird erst untersucht und dann passend eingekleidet. In dieser Kleidung kann er nicht in die Arena. Und er sollte vielleicht gegen einen der doctores...“
    “Malachi kann das sicher machen. Er ist doch schon ziemlich lange in der Ausbildung und er passt sicher auf, dass dein Sklave dabei nicht verletzt wird.“
    Der Blick des Iuventiers verfinsterte sich kurz, als er so einfach unterbrochen wurde in seiner hoheitlichen Ansage. Axilla bemerkte es, setzte aber eine völlig unschuldige Miene auf. Sie legte den Kopf ganz leicht schräg – das aber mehr aus Reflex denn aus Berechnung – und sah ihn mit unschuldigst grünen Augen einfach an, während sie immer weiter redete. “Und es wär doch spannend, wenn man das dann gleich sehen könnte. So die beiden Gladiatoren da unten und ihre Besitzerinnen hier oben. Das hätte etwas aufregendes, nicht?“
    Es entwickelte sich beinahe so etwas wie ein kleines Starrduell. Nur dass Axilla nicht starrte, sondern dreinschaute wie ein Reh oder ein Hundewelpe oder etwas mit ähnlich hohem Niedlichkeitsfaktor. Sie musste sich nicht einmal anstrengen dafür, sie musste nur eben ein wenig lieber schauen wie normal schon. Und auch, wenn der Lanista keine Miene verzog, es schien doch eine gewisse Wirkung zu erzielen. Er wandte sich zu der Flavia, noch immer ganz Stoiker. “Wenn es dein Wunsch ist, könnten wir ihn uns ja im Zweikampf mit diesem Gladiator ansehen.“
    Axilla verkniff sich ein breites Grinsen und wandelte es nur in ein erfreutes Lächeln. Nun stand sie auch auf und gesellte sich zu den beiden anderen richtig hinzu. War ja doof, immer über eine Sitzreihe hinweg sich zu unterhalten.

    Der Lanista versuchte sich an einem fruendlichen Lächeln. In etwa so eines, was man auch kleinen Kindern von Bekannten zukommen ließ, um zu zeigen 'Hey, schau her, ich mag dein Kind' und sich dabei gleichzeitig dachte 'Elende Rotzplage, zum Glück bist du nicht von mir'. “Ich fürchte, du hast das falsch verstanden, werte Flavia. Ich habe schon mit den verbilligten Kosten gerechnet, denn immerhin muss ich sowohl Ausrüstung als auch Ausbildung bereit halten, ebenso wie Versorgung, Verpflegung und Unterkunft, selbst wenn dein Mann nicht hier ist. Man kann schwerlich mit nur halben Menschen kalkulieren. Natürlich kostet es nicht mehr, wenn er nicht da ist, allerdings kostet es nicht nichts, wenn er hier fernbleibt.“
    Der Iuventier ließ die Flavia in Ruhe ausreden, hörte sich ihren Vorschlag an und verfiel wieder in sein schweigendes brüten, als müsse er genau nachrechnen, wie sich dies alles auf die Kosten auswirken würde und was machbar wäre. “Unter folgenden Bedingungen bin ich einverstanden“, begann er schließlich, als koste es ihn wirkliche Überwindung und wäre nur einem persönlichen Gefallen an sie geschuldet, dass er es überhaupt machen könne. “Du wirst sicher verstehen, dass ich den Trainingsablauf nicht für einzelne unterbrechen kann. An den Tagen, an denen er hier ist, hat er sich direkt zur hora secunda hier einzufinden für das Morgentraining und zur hora octa für das nachmittägliche Training. Und er wird ebenso wie jeder andere ebenfalls behandelt, während er hier ist und hat bis zum Ende des Trainings zu bleiben, ohne Ausnahme.“ Und die gesamte Körpersprache des Iuventiers machte grundsätzlich deutlich, das die in keinem Fall verhandelbar war, egal was die Flavia ihm auch anbieten mochte. “Desweiteren wird es unter Umständen Anlässe geben, die seine Anwesenheit erforderlich machen. Repräsentationen des Ludus und dergleichen. Solche Termine werde ich dir aber mindestens eine Woche im Vorhinein mitteilen können, so dass du diene Planungen dementsprechend auslegst.“
    Noch ein kurzer Blick zu Shayan, dann zu der Arena. “Die flexible Gestaltung erschwert natürlich den Trainingsplan, aber um dir und deiner ehrwürdigen Gens mein Entgegenkommen zu zeigen, bin ich mit dem zuvor genannten Preis einverstanden. Allerdings ist er wöchentlich im Voraus zu bezahlen, erste Rate fällig bei Vertragsabschluss. Wenn du damit einverstanden bist, weise ich dann meinen Scriba an, die Unterlagen so fertig zu machen und zur Unterzeichnung durch dich und deinen Tutor zur Villa Flavia zu schicken.“ Immerhin waren Frauen nur bedingt geschäftsfähig, und der Iuventier war nicht verrückt genug, um wegen dem Geschäft mit einer Frau sich mit den männlichen Vertretern dieses Namens anzulegen. Er hätte gern das flavische Siegel auf diesem Vertrag. “Sofern der Medicus ihn für geeignet und der zuständige doctor ihn für brauchbar einstuft, versteht sich.“ Das musste natürlich zunächst geklärt werden. Immerhin war nicht jeder für den Kampf mit zwei Waffen geeignet, einige waren schlicht zu sehr auf ihre Schreibhand fixiert und konnten ihre zweite Hand kaum mehr als zum Heben oder Senken der Waffe benutzen.

    Der Lanista besah sich ganz in Ruhe die Flavia und ließ sie sprechen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit kurz dem Sklaven zu, um den es gehen sollte. Ein geübter Blick taxierte den Mann. Gute Körperhaltung, genug Muskelmasse. Etwas zu alt, um noch eine große Karriere zu machen. Der Iuventier hatte nie selbst in der Arena gestanden. Er war Beamter, eingesetzt vom Kaiserhof. Gut bezahlt, sollte man hinzufügen. Aber Erfahrung, was die Auswahl anging, hatte er dennoch genug. Für die Ausbildung wiederum hatte er seine doctores dort unten im Arenenstaub.
    “Der Medicus wird ihn auf Tauglichkeit überprüfen. Irgendwelche Gebrechen, die zu Einschränkungen führen würden? Alte Verletzungen, Schwachsinn in der Familie oder dergleichen?“ Er stellte seine Frage der Besitzerin. Sie würde ihrem Sklaven schon einen Wink geben, selbst zu antworten, so sie es nicht wusste. Er befand es nicht für nötig, mit dem Sklaven zu sprechen. Wofür auch? Wenn er nicht tauglich war, würde er nicht aufgenommen werden. Wenn er aufmüpfig war, würde er sterben. Wenn er versuchte, zu fliehen, würde er langsam sterben. Wenn er sich lernwillig zeigte, war das Leben als Gladiator angenehmer als das der meisten Bürger in der Stadt. Medizinische Versorgung, drei Mahlzeiten am Tag, gutes Training, hin und wieder eine Frau zur Entspannung, Zugang zu den Hauseigenen Bädern, Masseure für die Muskeln . All das für den Preis, zwei bis dreimal im Jahr sterben zu können. Ein so guter Tausch, dass einige Kaiser sich schon genötigt sahen, den freien Bürgern starke Einschränkungen zu geben, wie und wann sie sich selbst zum Gladiator melden durften und wann nicht.
    “Ich muss dich auch darüber aufklären, dass er etwas alt für eine Ausbildung ist. Der günstigste Zeitpunkt, eine solche zu beginnen, ist im Alter von 15 bis 16 Jahren, dann sind sie mit 20 gut für die Arena und meist siegreich. Man sollte sie entweder zum doctor oder zum Leibwächter machen, ehe sie 30 werden. Sollte es also dein Ziel sein, ihn bei Spielen antreten zu lassen und zum Champion zu machen, solltest du dir einen jüngeren aussuchen, werte Flavia. Ich will dich ja nicht berauben.“
    Die letzten Worte waren sogar beinahe so etwas wie freundlich, sofern man das an seiner ruhigen Stimme ausmachen konnte. “Sofern das aber im Bereich deiner Zustimmung liegt, können wir gern über die Vertragsmodalitäten verhandeln. Wenn dein Sklave nur teilweise hier bleibt, erhöhen sich natürlich die Kosten für die Logistik seiner Ausbildung. Eine Räumlichkeit muss für ihn ja auch in absentia freigehalten werden, dazu das Risiko der Verletzung außerhalb dieser Mauern, die dennoch medizinischer Versorgung hier bedarf, um den Trainingsablauf nicht zu stören.“


    Der Lanista kalkulierte schließlich noch ein wenig halblaut, gab der Flavia Gründe an, die die Gebühr, die er verlangen musste, verteuern würden. Axilla hörte immer interessierter zu, da bei ihr einige dieser Gründe zu einem Preisnachlass geführt hatten, während sie bei der Flavia zu einer Preiserhöhung führten. Axilla verkniff sich ein schmunzeln, aber die Flavia war ja auch selber schuld. Warum hatte sie gesagt, dass Geld keine Rolle spielte? Das war eine offene Einladung für alle Halsabschneider, Wucherer und eben auch für den Lanista, sie um viel Geld zu erleichtern. Und als er dann den Preis für die wöchentliche Gebühr nannte, lag der auch fast beim dreifachen von dem, was Axilla zahlte – und dabei fand sie ihre Gebühr schon recht happig. Verhandeln war definitiv nicht die Stärke der Flavia. Aber vermutlich hatte sie auch mehr Geld zur Verfügung als Axilla.

    Axilla versuchte in dem unbekannten Gesicht zu lesen, als diese so völlig unbeteiligt meinte, dass die Schwester gestorben sei. Entweder war die Frau darüber so wenig traurig wie Axilla über Archias Tod, oder aber sie verbarg es sehr geschickt. Kurz fragte sich Axilla, ob die Flavia nicht irgendwie trauriger sein sollte. Immerhin war es eine Schwester, jemand vom eigenen Blut. Axilla hatte bei Urgulanias Tod sehr geweint, und auch, sollte Silanus sterben, würde sie wahrscheinlich weinen. Ein bisschen. Vielleicht. Aber andererseits, Axilla hatte keine Geschwister. Sie hatte nur die Vorstellung in ihrem Kopf, wie es wäre, welche zu haben. Und die wären dann gewesen wie sie, nur besser. In Axillas Kopf existierten sowieso nur potentielle Brüder und keine Schwestern. Und bei denen wäre Axilla traurig gewesen. Zumindest dachte sie es sich so .
    Sie wollte gerade etwas – vermutlich wenig intelligentes – erwidern, als die Flavia auch schon vom Lanista herbeibeordert wurde und die zwei Sitzreihen hinter sich ließ. Axilla sah ihr kurz etwas nachdenklich nach, ehe sie ihre Aufmerksamkeit auf das Gefolge der Flavia richtete, das nun direkt hinter ihr stand. Meine Güte, so viele Sklaven. Da kam sich Axilla ja regelrecht nackt vor! Sie war nur mit Malachi hergekommen, und sie würde auch nur mit ihm wieder heimgehen. Aber hier waren drei Männer, die alle gut trainiert schienen und eine Frau, deren Aufgabe Axilla nicht erraten konnte. Ein richtiges, kleines Gefolge. Nagut, es war ja auch eine Flavia. Sie als Iunia sollte eigentlich auch mehr Leute mitnehmen, um den Stand ihres Familiennamens zu unterstützen, aber... nunja, es war einfach nicht so.
    Sie seufzte noch einmal leise vor sich hin und wandte sich dann wieder den Gladiatoren unten in der Arena zu. Malachi machte gerade etwas, das nach Dehnübungen aussah. Axilla legte leicht den Kopf schief, als sie ihn dabei beobachtete. Sah interessant aus, sollte sie vielleicht selbst einmal ausprobieren.



    Der Iuventier unterdessen verneigte sich zur Begrüßung leicht in Richtung der Flavia, verzog aber bei ihrer Frage keine Miene. “Nein, das ist so nicht ganz korrekt. Lass mich zuerst mich vorstellen. Mein Name ist Iuventius Murcus. Ich bin Lanista dieser Gladiatorenschule und hier werden Thraker und Dimachaeri ausgebildet. Sklaven, die nicht diesem Ludus gehören, müssen ebenso wie alle anderen die Eide ablegen und sind für die Dauer ihrer Anwesenheit hier ebenso mein Eigentum wie alle anderen auch. Wenn deine Frage allerdings darauf bezogen ist, ob wir auch für Privatpersonen diese Ausbildung übernehmen, die eben aufgezeigten Einschränkungen natürlich vertraglich festgelegt, so ist dies eine Frage des Entgeltes.“
    Seine Stimme hob sich bei keinem einzigen Wort auffällig, auch sein Blick blieb eines Stoikers würdig gleichgültig. Er musterte die Flavia mit scheinbarem Gleichmut, ohne mit der Wimper zu zucken. “Doch möchtest du, werte Flavia, dies vielleicht in abgeschiedenerem Rahmen in meinem officium besprechen? Oder möchtest du dich lieber hier von der Fähigkeit dieser Schule überzeugen? Dann möchte ich dir gerne einen Platz anbieten.“

    Natürlich bekam Axilla mit, wie noch jemand die Ränge oberhalb der Arena betrat. Bei diesem Aufzug war es kaum möglich, es nicht zu bemerken. Drei Männer und zwei Frauen viel schon allein wegen der Masse an Leuten auf. Selbst wenn das ganze Stadion nicht sowieso leer gewesen wäre und damit auch schon ein einzelner aufgefallen wäre. So aber rauschte eine Frau in Trauer vor einem kleinen Gefolge daher, während ein hektischer Ludus-Angestellter sie aufzuhalten versuchte. Axilla sah kurz auf, den Kopf allerdings noch immer aufgestützt, und wartete auf die Reaktion des Lanistas. Im Grunde konnte sie sich die zwar schon denken, aber vielleicht war es ja heute anders. Axilla hatte den Mann noch nie wütend gesehen. Oder auch nur übermäßig erregt. Im Grunde war er der kälteste Fisch, der ihr je untergekommen war. Allerdings machte ihn das beinahe ehrfurchtgebietend unheimlich


    Sie schaute also gerade verstohlen aus den Augenwinkeln zu Spurius Iuventius Murcus hinüber, während dieser von dem hektischen Mann gerade darüber aufgeklärt wurde, dass die Frau zu ihm wollte – wohin denn auch sonst? - als diese sie plötzlich ansprach. Ertappt zuckte Axilla kurz ganz leicht zusammen und sah hoch. Der Grundstock an Manieren, der ihr doch beigebracht worden war, ließen sie ihre Hand runternehmen und sich gerade hinsetzen, ehe sie einmal verwirrt blinzelte. Wer es bei ihr war?
    “Oh... die Trauer meinst du. Mein Mann. Und bei dir?“ Dass die Frage vielleicht etwas unverschämt sein mochte, kam Axilla gar nicht erst in den Sinn, immerhin hatte die Fremde damit angefangen! Und auch, dass ihre Stimme bar jedes wirklichen Bedauerns, das vielleicht angebracht gewesen wäre, war, bedachte die Iunia nicht. Sie war auch nicht zutiefst traurig und am Boden zerstört! Und sie hatte es satt, so tun zu müssen, als sei sie es. Sie war gerademal achtzehn Jahre alt und keine achzig, so dass sie mit weinerlicher, tattriger Stimme auf das eigene Ende wartete und die schöne, alte Zeit beklagte.


    Der Lanista unterdessen bedachte die Flavia mit seinem emotionslosen, taxierendem Blick, den er eigentlich immer und jedem gegenüber zeigte und der so absolut gar nichts über seine Gedanken verriet. Er gebot mit einer einfachen Bewegung dem Gerede seines Untergebenen Einhalt und machte mit einer ebenso knappen Geste deutlich, dass die Flavia vortreten dürfe. Es hätte Axilla auch gewundert, wenn er die Stimme erhoben und über zwei Sitzreihen hinweg geredet hätte.

    Sicher war Axilla traurig. Irgendwie. Ein bisschen. Sie hatte viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was passiert war. Und auch, wenn er furchtbar eifersüchtig gewesen war und ihr viele Dinge angetan hatte, auf die sie hätte verzichten können, Archias hatte sie geliebt. Irgendwie. Ein bisschen. Und sie hatten eine schöne Zeit miteinander gehabt. Es war ja nicht alles schlecht gewesen. Sie hatten auch glückliche Stunden miteinander gehabt. Irgendwie. Ein bisschen.
    Was Axilla nach wie vor nicht verstand, war, warum er sich ausgerechnet vom Tarpejischen Felsen geschmissen hatte. Dort wurden Leute hingerichtet, die die Pax Deorum durch ihr Handeln gefährdet hatten, wie Inzesttäter. Oder aber Hochverräter. Abschaum wurde dort hingerichtet. Warum also hatte er sich grade da hinuntergestürzt? Hatte er gewollt, dass es möglichst viel Gerede über sie gab? Hatte er vielleicht doch gemerkt, dass sie sich scheiden lassen wollte, und das war noch ein letzter Racheakt gewesen? Oder aber hatte er einfach nur nicht darüber nachgedacht, wie über so vieles? Axilla wusste es nicht. Sie wusste überhaupt vieles nicht.


    Sie saß nur da, zwei Sitzreihen unterhalb des Lanistas, und sah hinunter zu den Gladiatoren. Sie sah sich gerne das Training an. Auch wenn sie dem Lanista auf Iuppiters Stein hatte schwören müssen, niemals seine Trainingsmethoden in Frage zu stellen oder gar dazwischenzurufen. Aber die stetigen Wiederholungen hatten etwas hypnotisierendes, und – Hand aufs Herz – die halbnackten Männerkörper auch. Im Grunde wunderte sich Axilla mehr, warum sie hier die einzige Frau war, die sich das ansah, wie die gestählten Körper verschiedene Übungen vollführten, um das Kämpfen zu lernen. Vermutlich, weil es wohl nicht ganz schicklich war.
    Für eine Frau in Trauerkleidung eigentlich schon zweimal nicht. Axilla seufzte einmal leise und resignierend. Sie war es leid, dieses schwarz. Sie wollte ihre luftigen Kleider wieder anziehen, das schöne, lebensfrohe Grün. Sie wollte wieder ein bisschen Schmuck tragen. Sie trug ja nie viel, aber so ein bisschen. Sie gab ja eigentlich nicht so viel auf ihr Äußeres, aber im Moment sah sie ja aus wie eine Vogelscheuche! Gut, eine teure Vogelscheuche, immerhin war das Kleid aus sehr feinem Stoff, aber trotzdem. Sie war es leid, der Welt vorzumachen, wie bestürzt sie über den Tod des Mannes war, von dem sie sich hatte scheiden lassen wollen. Die Welt war einfach nicht gerecht.
    Das einzige, was ihr wirklich zu schaffen machte, war ihr Glaube an einen Fluch. Es war ja wirklich schon fast auffällig. Ihr Vater, den sie über alles noch immer liebte, war gefallen. Urgulania war ermordet worden. Silanus war schwer krank. Selbst von Timos hatte sie schon lange keine Nachricht mehr erhalten. Und nun hatte Archias sich selbst umgebracht. Jeder, den Axilla mal geliebt hatte, war gestorben, oder kurz davor. Das war das einzige, was wirklich, wirklich beängstigend für die Iunia war, und was sie davon abhielt, allzu genau auf die Gladiatoren unten in der Arena zu achten.
    Sie stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab, den Ellbogen auf ihr Knie gestützt, und seufzte noch einmal leise. Die Welt war wirklich nicht gerecht.

    Sie hatte sich in einer Sänfte hertragen lassen. Eigentlich lief Axilla gern zu Fuß, aber heute hatte sie sich zur Sänfte überreden lassen. Vermutlich war das auch besser so, Axilla war noch immer ganz durcheinander und konnte nicht so recht begreifen, was geschehen war. Bestimmt wäre sie vor laute Kopflosigkeit sonstwohin gegangen, nur nicht zum Palast.


    Die Wachen kannten sie natürlich. Es wusste ja niemand, dass sie sich scheiden lassen wollte, für die ganze Welt war sie die treusorgende Ehefrau von Aelius Archias. Auch, dass die beiden nicht ständig beisammen gewesen waren war nichts ungewöhnliches. Nach Außen musste ihre Ehe wie zig andere gewirkt haben, die aus politischen Gründen geschlossen worden waren. Einzig das Ende nun ließ darauf schließen, dass sie wohl nicht wie alle anderen gewesen war. Kein Mensch brachte sich einfach so aus Spaß um. Gut, ein paar vielleicht schon, aber die wenigsten.
    Begleitet von ihrem Cousin und Malachi stieg sie schließlich aus der Sänfte und ließ sich ins Atrium führen. Sie kannte den Weg, dennoch kam er ihr so bedrohlich und fremd vor wie noch nie in ihrem Leben. Sie hatte gedacht, sie würde ihn gehen, um Archias zu sagen, dass sie nicht länger seine Ehefrau war. Nun ging sie ihn, weil er sich getötet hatte. Wenn das wirklich stimmte. Ein kleiner Teil von ihr dachte noch immer, es sei ein Scherz, und dass sie gleich doch in der von ihr so gefürchteten Situation sein würde, ihm die Scheidung auszusprechen. Selbst noch, als sie an den vielen Prätorianern vorbeiging, hatte sie eher Angst, diese könnten sie gleich nicht wieder gehen lassen, nachdem sie die Scheidung ausgesprochen hatte. Als sie Piso mit rotgeweinten Augen dastehen sah, verlagerte sich ihre Angst ein wenig, und als sie die Bahre mit dem Tuch darüber sah, begann sie doch zu verstehen, dass es wohl wirklich war war.


    Sie selbst war in das einfache, schwarze Trauerkleid gekleidet, das sie schon wegen Urgulania und Leander getragen hatte. Kein Schmuck, abgesehen von ein paar unerlässlichen Haarspangen schmückten sie. Und auch ihre Augen waren noch immer glasig vom Weinen, wenngleich aus völlig anderen Gründen als bei Piso.
    Ganz vorsichtig und zaghaft trat sie näher an die Bahre. Der Körper darunter sah irgendwie... unförmig aus. Irgendwas stimmte nicht, auch wenn Axilla es nicht an irgendwas festmachen konnte. Aber das Tuch fiel irgendwie falsch. Überhaupt, warum gab es das Tuch? Wie sollte man sich so vom Toten angemessen verabschieden, wenn man ihn nicht berühren konnte?
    “Was ist passiert?“ fragte sie flüsternd an niemanden bestimmten gerichtet. Noch immer hatte ihr Verstand noch nicht ganz verarbeitet, dass sie nun tatsächlich Witwe war.

    Gut, sie sollte hingehen. Seneca hatte sicher recht, und sie sollte das machen. Und wenn er sie begleiten würde, war das auch gut. Er wusste anscheinend, was zu tun war, und Axilla war um jedes bisschen Führung dankbar. Aber am dankbarsten war sie ihm für siene Zuversicht. Auch wenn er nicht wissen konnte, ob alles gut werden würde, diese drei kleinen Wörtchen waren für Axilla gerade der größte Trost unter allen Dingen, die er auch nur hätte sagen können.
    “Gut, dann sollten wir zum Palast gehen.“
    Noch immer wie schlaftrunken machte Axilla zwei Schritte, ehe ihr einfiel, dass sie so da nicht hingehen konnte. Sie war ja völlig verweint! Und sie hatte nichts passendes an.
    Seneca fragte sie gerade da, ob sie noch etwas trinken wollte oder Hilfe brauchte. Axilla sah ihn einen Moment verwirrt an, ehe sie den Kopf schüttelte. “Nein, ich... zieh mir nur schnell was anderes an. Und dann können wir gehen. Ja... genau...“
    Man merkte ihr sehr deutlich an, wie durcheinander sie war, auch wenn man ihr nicht zuhörte. Man konnte ihre Gedanken geradezu hinter den glasigen Augen vorbeihuschen sehen.
    Damit hatte Axilla nicht gerechnet. Nicht einmal so ein bisschen. Und erst so nach und nach, während sie sich dasselbe einfache, schwarze Kleid anzog, das sie auch schon bei Leanders Tod und dem von Urgulania getragen hatte, wurde ihr bewusst, dass Archias sich ihretwegen umgebracht hatte. Weil sie für einige Stunden von ihm fortgegangen war. Sie verstand es nicht. Sie hatte sich ja noch nicht einmal scheiden lassen! Sie verstand es nicht.


    Umgezogen und die Spuren des Weinkrampfes nur notdürftig aus dem Gesicht gewaschen kam sie wieder zurück zu Seneca, um mit ihm zum Palast zu gehen.

    Seneca las die Zeilen und sagte nichts. Einmal sah er ein wenig erschrocken drein, und Axilla zuckte zusammen, ohne überhaupt zu wissen, worum es ging. Bestimmt war Archias wütend. Sie hatte sich schließlich etwas übereilt entschuldigt und den Palast verlassen, und er hatte sich sicher gefragt, was das sollte. Natürlich hatte sie ihn nie direkt auf Leander angesprochen, sondern nur durch die Blume Fragen gestellt, und ihrer Meinung nach war sie dabei auch geschickt gewesen. Also dachte sie sich, dass Archias vermutlich sauer wäre aus den in seinen Augen grundlosen Aufbruch seiner Frau.
    Dann aber sah Seneca sie an. Er sagte ihr, was in dem Brief stand, aber Axilla meinte im ersten Augenblick, sie habe sich verhört. Das war doch sicher nur ein Scherz von ihm?! “Was?“ fragte sie mit verschlafen klingender Stimme, als hätte sie ihn nicht verstanden. Erst dann erhob sie sich leicht von ihrem Sitzplatz auf dem Boden und nahm ihm den Brief mit zittrigen Händen ab, um ihn selbst zu lesen.
    Ihre Augen flogen über die Zeilen. Woher wusste er, was sie dachte, aber nie gesagt hatte? Irgendwie blieben ihre wirren, tränendurchwirkten Gedanken an dieser Frage hängen, während sie las. Wieder fing er von Vala an. Nannte ihn Betrüger. Axilla las die Zeilen, immer und immer wieder. Sie begriff das nicht. “Aber... was... wieso, ich meine... was hat er...?“
    Wo sie eben noch so große Angst vor dem Mann gehabt hatte, der diese Zeilen geschrieben hatte, verstand sie jetzt gar nichts mehr. Er hatte sich umgebracht? Hatte er das wirklich? Wegen ihr?
    Der Brief fiel aus Axillas Händen, während sie nur vor sich hinstarrte.Sie hatte die Worte gelesen und auch verstanden, aber irgendwie drang das Wissen nicht zu ihr durch. Archias war tot. “Ich... ich muss hingehen, oder? Ich bin mit ihm verheiratet. Oder?“ Sie wusste es nicht. Bis eben hatte sie sich noch darauf eingestellt, sich vor diesem Mann verstecken zu müssen, vor seinem Zorn. Und jetzt... sie wusste nicht, was jetzt passierte.


    Nur ganz langsam, zäh wie Honig, tropfte die Erkenntnis in ihr Gehirn, dass sie schon wieder einen Menschen verloren hatte, den sie einst geliebt hatte. Wieder war jemand gestorben, dem einst ihr Herz gehört hatte. Vielleicht lag ja wirklich ein Fluch auf ihr.

    Er zwang sie nicht. Axilla sah ihn so unendlich dankbar an. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte, sie war nur so unendlich dankbar, dass er ihr helfen wollte. Dass er sie nicht allein lassen würde. Dass alles gut werden würde. Sie war sich sicher, dass es das würde, jetzt, wo er ihr half.


    Sie wollte gerade etwas sagen, als ein Unbekannter hereingestürmt kam und ihr eine Schriftrolle vor die Füße warf. Erschreckt gab Axilla einen hellen Laut von sich und zog sich instinktiv hinter Seneca zurück. Er war der Mann, der Soldat, er würde sie beschützen. Allgemein war Axilla nicht ängstlich, aber in diesem Moment war alles so verdreht und seltsam, dass sie froh war, einen Mann an ihrer Seite zu haben.



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    Ein aufgelöster Araros kam dem Jungen hinterhergehechtet, der ins Atrium gestürmt kam und Axilla einfach die Rolle zugeworfen hatte. Araros versuchte noch, ihn festzuhalten, aber der Bursche witschte unter dem Griff des Ianitors hinaus und rannte auch schon gleich wieder nach draußen.
    “Es... es tut mir unendlich leid, domina... und dominus. Ich hab nur die Tür geöffnet, und da ist er auch schon... hineingestürmt, und... es ist doch nichts passiert, oder? Bitte, bestraft mich für mein Fehlverhalten...“
    Atemlos stand der alte Ianitor noch im Raum und sah zu den beiden Herrschaften hinüber.


    Axilla hatte sich wieder von ihrem Schreck erholt und sah zu Araros hinüber. “Nein, bei mir ist alles heil. Pass... pass einfach auf, dass das nicht nochmal passiert. Die Tür ist doch jetzt zu und bewacht?“


    Araros blickte auf und verneigte sich gleich noch einmal tief und entschuldigend. “Ich kümmere mich darum, domina.“


    Axilla saß auf dem Boden, etwas hinter Seneca, und schaute auf die Schriftrolle. Sie sah das Aelische Siegel, mit dem diese geschlossen worden war. Und sie hatte ein sehr ungutes Gefühl.
    “Machst du sie auf?“ fragte sie ihren Cousin, weil sie selbst in diesem Moment zu feige war, eben das zu machen und zu lesen, was Archias von ihr wollte.

    Dankbar zog sich Axilla wieder einmal an ihn und hielt sich einen Moment einfach in ihm fest. Er glaubte ihr, egal was sie sagte. Und das war ein unglaublich sicheres und wohles Gefühl. Sie brauchte das jetzt.
    Doch es hielt sich nicht lang. Seneca fragte, wie es weitergehen solle. Was sie nun tun sollten. Die Angst kam wieder, und der Griff, mit dem sie sich an ihrem Cousin festhielt, wurde krallender und härter. Sie löste ihren Kopf von seiner Schulter und sah ihn wieder an, flehentlich und mit all der Verzweiflung, die sie in sich fühlte. “Zwing mich nicht, bei ihm zu bleiben! Bitte! Ich weiß, er gehört zur Kaiserfamilie, und dass das für unsere gens gut ist und Einfluss bedeutet, und dass es ein schlechtes Zeichen nach außen ist, nach nur vier Monaten... aber bitte, zwing mich nicht, bei ihm zu bleiben. Bitte... ich will wieder heim. Bitte, Seneca, bitte, bittebitte.“ Im Grunde war sie sui iuris. Im Grunde konnte sie das allein entscheiden. Im Grunde war Seneca neu in der Stadt und hatte ihr eigentlich gar nichts zu sagen, wenn sie es nicht wollte. Und trotzdem flehte sie ihn an, dass er sie nicht zwingen würde, in den Palast zu Archias zurückzugehen. Noch hatte sie noch nicht einmal eine Scheidung ausgesprochen. Das würde sie ncoh tun müssen. Aber das war erst Axillas zweite Sorge.