Der Lanista besah sich ganz in Ruhe die Flavia und ließ sie sprechen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit kurz dem Sklaven zu, um den es gehen sollte. Ein geübter Blick taxierte den Mann. Gute Körperhaltung, genug Muskelmasse. Etwas zu alt, um noch eine große Karriere zu machen. Der Iuventier hatte nie selbst in der Arena gestanden. Er war Beamter, eingesetzt vom Kaiserhof. Gut bezahlt, sollte man hinzufügen. Aber Erfahrung, was die Auswahl anging, hatte er dennoch genug. Für die Ausbildung wiederum hatte er seine doctores dort unten im Arenenstaub.
“Der Medicus wird ihn auf Tauglichkeit überprüfen. Irgendwelche Gebrechen, die zu Einschränkungen führen würden? Alte Verletzungen, Schwachsinn in der Familie oder dergleichen?“ Er stellte seine Frage der Besitzerin. Sie würde ihrem Sklaven schon einen Wink geben, selbst zu antworten, so sie es nicht wusste. Er befand es nicht für nötig, mit dem Sklaven zu sprechen. Wofür auch? Wenn er nicht tauglich war, würde er nicht aufgenommen werden. Wenn er aufmüpfig war, würde er sterben. Wenn er versuchte, zu fliehen, würde er langsam sterben. Wenn er sich lernwillig zeigte, war das Leben als Gladiator angenehmer als das der meisten Bürger in der Stadt. Medizinische Versorgung, drei Mahlzeiten am Tag, gutes Training, hin und wieder eine Frau zur Entspannung, Zugang zu den Hauseigenen Bädern, Masseure für die Muskeln . All das für den Preis, zwei bis dreimal im Jahr sterben zu können. Ein so guter Tausch, dass einige Kaiser sich schon genötigt sahen, den freien Bürgern starke Einschränkungen zu geben, wie und wann sie sich selbst zum Gladiator melden durften und wann nicht.
“Ich muss dich auch darüber aufklären, dass er etwas alt für eine Ausbildung ist. Der günstigste Zeitpunkt, eine solche zu beginnen, ist im Alter von 15 bis 16 Jahren, dann sind sie mit 20 gut für die Arena und meist siegreich. Man sollte sie entweder zum doctor oder zum Leibwächter machen, ehe sie 30 werden. Sollte es also dein Ziel sein, ihn bei Spielen antreten zu lassen und zum Champion zu machen, solltest du dir einen jüngeren aussuchen, werte Flavia. Ich will dich ja nicht berauben.“
Die letzten Worte waren sogar beinahe so etwas wie freundlich, sofern man das an seiner ruhigen Stimme ausmachen konnte. “Sofern das aber im Bereich deiner Zustimmung liegt, können wir gern über die Vertragsmodalitäten verhandeln. Wenn dein Sklave nur teilweise hier bleibt, erhöhen sich natürlich die Kosten für die Logistik seiner Ausbildung. Eine Räumlichkeit muss für ihn ja auch in absentia freigehalten werden, dazu das Risiko der Verletzung außerhalb dieser Mauern, die dennoch medizinischer Versorgung hier bedarf, um den Trainingsablauf nicht zu stören.“
Der Lanista kalkulierte schließlich noch ein wenig halblaut, gab der Flavia Gründe an, die die Gebühr, die er verlangen musste, verteuern würden. Axilla hörte immer interessierter zu, da bei ihr einige dieser Gründe zu einem Preisnachlass geführt hatten, während sie bei der Flavia zu einer Preiserhöhung führten. Axilla verkniff sich ein schmunzeln, aber die Flavia war ja auch selber schuld. Warum hatte sie gesagt, dass Geld keine Rolle spielte? Das war eine offene Einladung für alle Halsabschneider, Wucherer und eben auch für den Lanista, sie um viel Geld zu erleichtern. Und als er dann den Preis für die wöchentliche Gebühr nannte, lag der auch fast beim dreifachen von dem, was Axilla zahlte – und dabei fand sie ihre Gebühr schon recht happig. Verhandeln war definitiv nicht die Stärke der Flavia. Aber vermutlich hatte sie auch mehr Geld zur Verfügung als Axilla.