Beiträge von Iunia Axilla

    Ihr Kopf wurde fortgedrückt, und Axilla rutschte so ohne Halt erstmal ein wenig über den glatten Steinfußboden weg. Nicht weit genug, um hinzufallen, aber doch so, dass sie noch kleiner wirkte und noch mehr zu ihrem Vetter hochblicken musste. Er wollte wissen, was passiert war. Axilla weinte und schniefte. Sie zog sich wieder an ihn, ganz wie ein Kind, zog die Beine nach, so dass sie nun halb auf ihm saß und sich an ihm festklammerte. Sie fühlte sich auch wieder wie ein Kind, unfähig, die Geschehnisse zu ändern und genauso unfähig, damit umzugehen. Sie fühlte diese hilflose Zerrissenheit, während alles durch ihre Finger zerrann wie Sand im Wind. Und Seneca war dieser eine ruhige Pool, dieser eine Fels, an den sie sich klammern konnte, ohne dass sie selbst hinfortgeweht wurde. Und das brauchte sie im Moment und ließ es sich nicht wegnehmen, auch wenn sie damit ihren Cousin wohl etwas überforderte.


    Sie saß eine Weile so da, ganz dicht bei ihm, bis sie sich langsam beruhigte. Die Tränen versiegten. Axilla hatte einfach keine mehr, die sie noch vergießen konnte. Der Atem wurde ruhiger, nur noch hin und wieder zerrissen von leichtem Schluchzen oder bemühtem Schniefen, bis Axilla schließlich ihren Kopf seitlich auf Senecas Schulter fallen ließ. Wie Herbstlaub klang ihre Stimme, leise und brüchig. “Ich hab es nicht gesehen, aber es ist wahr. Vala hat mich gewarnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
    Archias, er... er ist so furchtbar eifersüchtig. Er... er wollte, dass ich ihm ganz gehöre, verstehst du? Dass ich nur von seinen Leuten umgeben bin. Und Leander... er war... mehr als nur mein Leibsklave. Ich hatte ihn gern. Er kannte meine Geheimnisse. Ich... ich wollte ihn freilassen, weißt du? Silanus hat ihn mir geschenkt, als ich nach Ägypten gekommen war, damit er auf mich aufpasst, wenn ich in Alexandria unterwegs bin. Und das hat er. Immer.
    Und... Archias, er, er... er hat ihn einfach umbringen lassen. Ich meine, ich hab ja gedacht, es ist nur ein Zufall. Dass ich eben unvorsichtig war, durch die Subura zu gehen. War es ja auch. Ich hätte da nicht langgehen sollen. Das war so dumm von mir. Aber ich wollte ja zu ihm... Und nach dem Überfall war er ja auch da und hat mich getröstet. Kannst du dir das vorstellen? Er hat mir geholfen, Leander zu beerdigen! Der Mörder meines Freundes hat ihn zu grabe getragen und mich dabei im Arm gehalten...“

    Es fanden sich doch noch ein paar Tränen irgendwo, und Axilla weinte und schluchzte noch einmal ein wenig.
    “Und er hat mir verboten, Vala zu treffen. Aber das ist doch ein Freund! Ich meine, da war nie... ich schwöre, da war nie irgendwas, weshalb Archias hätte eifersüchtig sein müssen! Ich schwör es dir!“ Axilla sah Seneca direkt in die Augen, wartete verzweifelt auf seine Zusage, dass er ihr glaubte. Er musste ihr einfach glauben.

    Axilla hörte weder Schritte noch sah sie irgendwelche Blicke. Sie wiegte sich nur leicht vor und zurück, die Hände fest auf den Ohren. Eigentlich fehlte nur noch ein lautes 'LALALALALALA', um noch deutlicher zu machen, dass sie etwas nicht hören wollte. Und sie weinte, wie ein Mensch nur weinen konnte, dem der Boden eben unter den Füßen zersprungen war und dessen ganze Existenz in Trümmern vor ihm zu liegen schien.
    Als Seneca sie berührte, zuckte sie zusammen, wobei er das vermutlich nicht herausfiltern konnte. Ihr ganzer Körper zuckte ohnehin in den kaum mehr menschlichen Schluchzern, die ihren Körper durchschüttelten. Axilla wendete nicht einmal den Kopf, um zu sehen, wer das ist. Irgendwo ganz entfernt in ihrem Bewusstsein fragte sie sich, wer sich wohl traute, hier zu sein, obwohl sie vorhin alle verjagt hatte. Aber das war im Grunde nicht so wichtig. Sie fühlte, dass der jemand anfing, sie ein wenig zu streicheln, wie man wohl ein Kind trösten würde. Sie weinte noch ein wenig, ehe es weniger wurde und sie sich mit dem Handrücken einmal über die verheulten Augen fuhr. Aus roten Augen sah sie einmal auf.
    Der Schleier vor ihren Augen ließ die Person verschwimmen und unwirklich sein, und so starrte sie einen Augenblick lang einfach durch Seneca hindurch, ohne ihn wirklich zu sehen, während die Tränen noch immer wie ein nie versiegender Bach über ihre Wangen flossen. Erst nach einigen Augenblicken erkannte sie ihren Cousin, und mit einem erneuten Aufschluchzen und einem Zittern, dass den ganzen Körper zu erfüllen schien, fiel sie ihm einfach aufheulend um den Hals. Ob er wollte oder nicht, Axilla lag in seinen Armen. Ihre Beine waren nach hinten weggerutscht, und ihr ganzes Gewicht lag an seinen Schultern, wo sie sich mit schierer Verzweiflung festzuhalten schien und ihren Kopf an seiner Brust barg. Seneca war neu in Rom. Sie kannte ihn kaum. Aber er war da, er war verwandt. Und auch, wenn er doch nicht Legionär wurde, sondern bei den Cohortes Urbanae dienen wollte, er war für Axilla in diesem Moment Soldat genug, so dass sie sich trösten lassen konnte.
    “Er hat... ihn getötet... er hat... Leander... getötet...“ Sie musste es erzählen. Auch wenn Seneca nicht einmal wusste, wer Leander gewesen war, Axilla konnte dieses Wissen nicht für sich behalten. Er hatte ihre Welt zerstört, und sie musste es teilen, ehe es auch noch den Rest von ihr zerstörte. “Wegen mir.... es ist meine Schuld... er hat ihn... wegen mir getötet... damit er mich haben kann... und ich hab es nicht gemerkt... ich schwöre... ich hab es nicht gewusst... ich hätte doch nie....“
    Einiges ging auch so in Schluchzen unter, dass es völlig unverständlich war. Aber soweit konnte Axilla nicht mehr denken. Sie musste nur diese Gedanken aussprechen, die ihren Körper zu zerreißen schienen.

    Es konnte nicht stimmen. Es durfte nicht stimmen. Es durfte nicht stimmen. Das war einfach nicht möglich. Das konnte gar nicht möglich sein!
    Du weißt es doch besser, hast die Anzeichen gesehen. Du kannst die Augen nicht verschließen!
    Axilla schloss die Augen und schüttelte den Kopf, heftig, bis der Gedanke weg war. Sie lief auf und ab, rang mit ihren Händen. Sie hatte damit angefangen, mit den Fingern immer wieder über die Nagelbetten zu fahren, so lange, bis diese gerissen waren und zu bluten angefangen hatten. Der Schmerz war gut, er lenkte ab. Auch wenn es eine fiese Stelle war, um Schmerz zu empfinden und ihr das am nächsten Tag noch leid tun würde, aber im Moment konzentrierte er ihre Gedanken auf eine einzige, einfache Sache. Blutende Fingernägel waren einfach. Sie taten weh, sie waren überschaubar. Sie konnte die Hände in kaltes Wasser halten, und alles wäre gut. Der Schmerz wäre vorbei. Kontrollierbar. Einfach.
    Nichts ist jemals einfach. Und auch hier kamen die Gedanken schneller wieder, als sie wollte. Wie hatte er sie nur so anlügen können? Wie hatte sie das nicht merken können? Wie hatte sie nur so blind sein können? Hatte sie es denn nicht sehen wollen, oder hatte sie es wirklich nicht sehen können? War ihre Menschenkenntnis denn wirklich und ernsthaft so schlecht? Sie hatte ihn geliebt. Zumindest ein wenig. Wie hatte sie ihn lieben können? Wie war das möglich? Das war nicht möglich. Das war einfach nicht möglich. Das durfte nicht möglich sein.
    Sieh mit deinen Augen. Es ist so. “Nein“, weinte Axilla und brach in sich zusammen. Mitten im Atrium ging sie in die Knie und schluchzte und weinte. Die Sklaven hatte sie alle schon bei ihrem Eintreffen in der Casa Iunia verscheucht. Sie hatte niemanden um sich haben wollen. Und so war auch jetzt kein unsichtbarer Diener da, der zu ihr kam, um sie in den Arm zu nehmen und zu trösten.


    Axilla presste ihre Hände auf ihre Ohren. Sie wollte diese Gedanken nicht mehr hören. Sie wollte nicht, dass es stimmte. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Auch wenn sie tief in ihrem Inneren schon längst zu der Erkenntnis gekommen war, und kein Leugnen der Welt diese wieder tilgen konnte. Und auch keine Tränen.


    Sim-Off:

    Damit es nicht so zerrissen ist, bis es editiert ist


    Da Axilla sich einige Tage später nicht daran erinnern konnte, diese Information bereits gehabt zu haben, nahm sie diese auch hier nicht wirklich auf. Immerhin hätte sie sich dann später daran erinnern müssen, was sie ja aber nicht tat.
    Sie bekam nur mit, dass Archias wieder davon anfing, dass Vala sie in Ruhe lassen sollte, und reagierte dementsprechend darauf.
    Sie entzog ihre Hände denen ihres Mannes recht ruckartig und stand wieder vom Stamm auf. Verständnislos sah sie ihn an. War er deshalb mit ihr hier allein hinausgeritten, weil er dachte, sie wäre dann empfänglicher für seine Forderungen? Und dass er Vala einladen wollte, sollte das auch eine Falle sein? Und sie sollte ihm dabei noch helfen, oder wie stellte er sich das vor. Sie hob ihre Hand, den Zeigefinger als einziges gestreckt, zeigte kurz unsicher auf ihn und schüttelte nur völlig verständnislos den Kopf. Nein, dazu konnte sie gar nichts mehr sagen. Absolut nichts. Da waren Worte in ihrem Kopf, aber die fanden ihren Weg zu ihrer Zunge nicht. Sie schüttelte nur den Kopf und lief davon. Schnell, wieder zurück zu den Pferden. Ob Archias ihr folgte, war ihr zu diesem Zeitpunkt sogar egal.
    Sie fand die Tiere, befreite ihres vom Gebüsch und saß schnell auf. Auch wenn ihre Orientierung nicht immer die beste war, der Weg zurück fand sich sehr einfach.


    In Ravenna spielte Axilla weiterhin die gesittete Dame. Ihre Maske beherrschte sie recht gut, auch wenn weiterhin das Gefühl blieb, dass hier alles irgendwie verkehrt und verdreht war. Axilla kannte sich so unehrlich gar nicht, aber sie verbarg ihr wahres Ich unter einer dicken Schicht Freundlichkeit und höflichem Auftreten. Und schließlich war auch dieser Ausflug vorbei und sie reisten zurück nach Rom.

    Axilla hatte ein sehr ungutes Gefühl. Ein SEHR ungutes Gefühl. Man konnte sagen, ein ganz mieses Gefühl. Wieso bei den Furien und den Moiren wollte er Vala einladen? Er hatte ihr so oft Vorhaltungen gemacht, wie sie so eine Person auch nur kennen konnte, und nun wollte er mit ihm eine Cena verbringen, als wäre nichts weiter? Axilla war vielleicht naiv, aber sie war sicher nicht blöde. Das roch nicht, das stank geradezu nach einer Falle. Auch wenn Archias im Allgemeinen eigentlich zu lieb für eine Intrige war, oder gar dafür, jemand im eigenen Haus zu erschlagen. Aber das hier war so merkwürdig und aus heiterem Himmel, dass durch Axillas Kopf die wildesten Vermutungen stoben, was er damit bezwecken wolle. Und die Möglichkeit, dass er sich vertragen wollte, war definitiv nicht darunter.
    “Gut...?“ Axilla sah ihn skeptisch an und setzte sich auf den Baumstumpf. Wenn er meinte, sie solle dabei sitzen, dann saß sie eben. Auch wenn ihr Körper jetzt deutlich angespannter war als eben im Stehen. Sie selber konnte die Muskeln an ihren Unterarmen Arbeiten sehen, wenn sie die Hände öffnete und schloss, weil sie sonst gar nicht wusste, wohin damit. Das hier war seltsam. Aber sie saß jetzt, und war gespannt, was er ihr sagen wollte.

    Axilla stand an den Baum gelehnt da und träumte. Ihre Hände lagen auf der Borke in ihrem Rücken und ihre Finger fühlten die raue und leicht klebrige Oberfläche der rissigen Rinde. Es war ein guter Baum, ein alter Baum. Sie hörte leise das Ächzen des Holzes, wenn die Krone sich im Wind bewegte, wie ein lebendiges Wesen, das mit tiefer Stimme sang. Die Blätter rauschten dazu laut, bildeten eine Symphonie mit den Vogelstimmen in den Zweigen. Die Sonne kam nur in goldenen Sprenkeln hindurch und erwärmte die Flecken, verwandelte sie in ein Meer aus Sinneseindrücken und tanzendem Licht.
    Axilla lehnte sich einfach nur an den Baum und träumte. Von ihrem Vater, wie er mit ihr im Wald gewesen war als sie noch sehr klein war. Als sie noch glücklich war.


    “Hörst du sie, die Waldgeister?“ Axilla sah sein Gesicht ganz genau vor sich, die leichten Stoppeln am Kinn, weil er sich am Morgen nicht rasiert hatte, die dunklen brauen, die grauen Augen. Das Lächeln, wenn er sie ansah. Und seine Hände, so groß im Vergleich zu ihren Kinderhänden. Rauh. Ein bisschen rissig. Den Dreck unter den Fingernägeln, weil sie eben noch eine Wurzel ausgegraben hatten.
    Axilla lauschte angestrengt, wie nur ein Kind lauschen konnte, bis sie schließlich die Stimmen im Rauschen der Blätter hörte. Eifrig nickte sie und strahlte ihn an mit einem Zahnlückengrinsen. Und er lächelte so breit und erfreut zurück, wie nur er es konnte.
    “Das sind die Fauni und die Silvani. Du musst immer gut auf sie achten. Sie sind gute Freunde, wenn man hier draußen ist. Versprichst du mir das?“
    “Ja, Papa. Ehrenwort.“ Wieder lächelte sie, und sie meinte es ernst.
    “Gut. Weißt du, die haben schon manche Schlacht gerettet. Wenn alles verloren scheint, wenn der Lärm ohrenbetäubend wird und man nur noch Blut und Tod sieht, dann kommen sie, flüstern einem Mut zu. Helfen. Deshalb ehren die Veteranen auch besonders den Silvanus, nennen ihre Vereine
    familiae silvani.“
    Axilla sah auf, sah zu den Bäumen, zu den Stimmen darin, wie nur ein Kind sie sehen konnte, die hellen Lichtspiele, die vielen Sagengestalten, die darin lebendig wurden. “Wir könnten ihm ja was opfern!“ In kindlichem Eifer sah sie zu ihm, heischte um Zustimmung, um Lob für ihre Idee.
    Ihr Vater lächelte erst breit, dann etwas trauriger. “Das geht nicht, Schatz. Du bist ein Mädchen, und die dürfen Silvanus nicht opfern oder dabei zusehen. Sonst...“ Und mit einem Mal fuhr er zu ihr herunter, griff mit seinen Armen nach ihrem Brustkorb und kitzelte sie ein wenig, so dass sie erschreckt und erfreut zugleich aufkreischte. “... kommt er und schnappt sie und nimmt sie mit sich in den Wald.“
    Axilla floh zurück, lachend, drehte sich nach dem Vater um, ob er ihr denn auch folgte, und floh jedes Mal vor Glück jauchzend vor seinem gespielten Griff. “Der muss mich erstmal fangen!“ verkündete sie lachend und tanzte über einen umgefallenen morschen Baumstamm.


    Ihr Vater lehnte sich zurück an einen anderen Baum und sah ihr einfach mit diesem nachdenklichen Lächeln zu. Und dann fing er an, leise zu singen. Eins seiner liebsten Lieder, auf griechisch, ganz leise wie die Stimmen der Waldgeister.
    “My featherbed is deep and soft,
    and there I'll lay you down,
    I'll dress you all in yellow silk,
    and on your head a crown.
    For you shall be my lady love,
    and I shall be your lord.
    I'll always keep you warm and safe,
    and guard you with my sword.“


    Axilla tanzte zu der Melodie. Sie liebte die Vorstellung, die sie bei diesem Lied im Kopf hatte, von dem starken Mann mit dem Schwert, der die Frau beschützte. Aber noch mehr gefiel ihr die Antwort der Nymphe darauf. Die sang Axilla mit kindlicher Stimme leise mit.


    “And how she smiled and how she laughed,
    the maiden of the tree.
    She spun away and said to him,
    no featherbed for me.
    I'll wear a gown of golden leaves,
    and bind my hair with grass,
    But you can be my forest live,
    and me your forest lass.**“


    Und just da riss Archias sie aus ihrer Erinnerung, als er sie an der Wange berührte und sie damit beinahe zu Tode erschreckte. Sie fuhr kurz mit rasendem Herzen zusammen und vermutete im ersten Moment wirklich einen der Silvani, der sie entführen wollte, ehe sie ihn blinzelnd und verwirrt erkannte und sich beruhigte.
    Nur seine Worte, die verwirrten sie. Es tat ihm leid? Das mit Vala? Und er wollte in das Domus Iuniana mit ihr ziehen, aus dem Palast raus? Neu anfangen? Axilla sah ihn verwirrt an und verstand nicht, wie er da gerade jetzt darauf kam. Die ganzen letzten Wochen hatte er immer und immer und immer wieder darauf gepocht, dass sie sich seinem Willen beugen solle, dass sie sich einfügen müsse und auf ihn zu hören habe. Dass die Wächter unabdingbar seien. Dass er Angst vor Vala hatte und dachte, er wolle sie umbringen. Und jetzt war alles auf einmal anders? Axilla verstand diesen plötzlichen Wandel nicht.
    “Freund einladen?“ wiederholte sie etwas stupide und sah ihn fragend an. Meinte er etwa Vala damit? Er wusste doch gar nicht, dass sie ihn nach April noch einmal getroffen hatte? Wieso wollte er ihn dann jetzt nochmal einladen? Und das mit dem Domus Iuniana verstand sie auch nicht, warum er mit ihr dahin ziehen wollte.



    Sim-Off:

    **Frech entliehen von George R.R. Martin, A Song of Ice and Fire, published at Bantam Books

    Es war bereits Abend, fast Zeit für die Cena, als Axilla ds Cubiculum ihres Mannes betrat. Sie hatte die Sklaven gefragt, wo er denn sei, und er hatte sich wohl hier nochmal umkleiden wollen. So zumindest hatte sie es verstanden. Axilla interessierte ohnehin nur, wo er denn war, damit sie endlich mit ihm sprechen konnte.
    Es hatte ihren ganzen Mut gekostet, diesen Schritt überhaupt zu unternehmen. Sie wusste doch noch gar nicht, wie sie es anfangen sollte, aber sie brauchte einfach Gewissheit, ob ihre Zweifel berechtigt waren oder nicht. Das zerfraß sie, und noch so eine Nacht wie diese heute überstand sie nicht. Da wurde sie verrückt, ganz sicher.


    Jetzt allerdings vor dem Cubiculum traute sie sich beinahe noch weniger. Diesen Raum zu betreten weckte Erinnerungen, die gerade alles andere als willkommen waren. Archias hatte sie hier getröstet, nachdem Urgulania gestorben war. Hatte mit ihr geschlafen. Er hatte sie hierhin gebracht, als Leander gestorben war. Und verdammt, es war sein Schlafzimmer, wo sein Bett stand. Was, wenn er ihren Besuch falsch deutete und mit ihr schlafen wollte? Auch wenn Axilla ihm in Ravenna etwas hatte vormachen können, im Moment konnte sie einfach nicht mit ihm schlafen. Und wenn sie sich ihm verweigerte, würde es wieder Streit geben.
    Sie kämpfte die aufkommende Panik nieder und nach einem kleinen Anklopfen betrat sie auch sogleich das Zimmer und erblickte ihren Mann. Sie schenkte ihm ein Lächeln, auch wenn sie sich nicht danach fühlte, und blieb gleich bei der Türe stehen. Das Holz noch zu fühlen, tat irgendwie gut und war beruhigend, es gab ein wenig Sicherheit.


    Sie wusste, dass sie nicht sehr gut aussehen musste. Wie auch, sie hatte die Nacht nicht geschlafen und den ganzen Tag nichts gegessen. Sie wusste, dass sie etwas blass um die Nasenspitze war und zwar keine Ringe, aber doch leichten Schatten um die Augen hatte. Und sie war auch müde und fühlte sich nicht besonders. Aber sie wollte das nun einfach wissen.
    “Hey...“ fing sie leise und unverbindlich an. Sie wusste noch nicht so recht, wie sie das Gespräch anfangen sollte. Sie konnte ihn ja kaum direkt danach fragen, ob er etwas mit Leanders Tod zu tun hatte. Das würde er so oder so abstreiten, und sie war so schlau wie vorher.

    Die Aussicht, zu Fuß durch den Wald zu müssen, schreckte Axilla nicht. Im Gegenteil, Axilla freute sich eher darauf, die Pferde zurück zu lassen und auf eigenen Beinen zu stehen. Sie lenkte ihr Pferd dem ihres Mannes hinterher und hörte sich seine Erklärung an.
    “Ja, Hannibal ist über den Ticinus und die Trebia und am Trasimenischen See gewesen, weiter östlich nicht. Danach ist er im Westen geblieben.“ So schlecht Axillas allgemeine Ortskenntnis auch war, Schlachten kannte sie dann doch wieder. Sie hatte ihrem Vater Stunden um Stunden gelauscht, wie er von den verschiedenen Aufstellungen und Taktiken geredet hatte. Von Flankenangriffen, Umzingelungen, den Vorzügen einer Phalanx, wie man das Zentrum organisieren muss, wann es vorrücken, wann zurückfallen soll. Von der Wichtigkeit der Wahl des passenden Schlachtfeldes, von Unterschieden zwischen Reiterangriffen und denen von Bodentruppen. Von Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung. Und so lächelte sie ganz zaghaft, als sie es sagte, ließ es aber gleich wieder verklingen. Sie wollte ihn nicht belehren, sie wollte einfach nur ein wenig den Wald genießen.


    Sie kamen in den Wald und mussten schon bald absteigen. Axilla ließ sich vom Pferderücken gleiten und strich ein wenig ihre Tunika nach unten glatt. Der Braune wieherte einmal leise, weil ihm die Umgebung nicht ganz geheuer war, und Axilla tätschelte ihm beruhigend den Hals. Sie gingen noch ein Stück tiefer, ehe sie die Pferde wirklich anbinden mussten. Axilla suchte dafür einen robusten Busch aus, um dessen Zweige sie den Zügel band. Das Pferd würde ordentlich ziehen müssen, um wegzukommen, aber es würde sich auch losreißen können. Sie war nicht so verrückt, ein so großes Tier im Wald festzubinden, wo sie nicht wusste, ob es hier Wölfe oder Bären gab. Das Pferd sollte wenigstens die Chance haben, dann wegzulaufen.
    Sie legte ihre Hand auf den Baum mit dem dicksten Stamm in der direkten Umgebung und sah hinauf ins Blätterwerk. “Silvani et Fauni, Nymphes et Dryades. Gebt gut auf mein Tier acht, und ich will kein Holz in eurem Walde schlagen.“ Es war nur eine kleine Gebetsformel, nicht einmal so ausgereift, dass man es als Opferversprechen zählen konnte. Aber so hatte sie es gelernt, und sie würde sich auch an dieses Versprechen halten und aus diesem Wald kein Holz nehmen.


    Weiter ging es zu Fuß über einen schmalen Wildwechsel. Axilla hatte keine Ahnung, ob die Spuren nun von Rehen oder Wildschweinen waren, aber das machte ihr auch nichts. Sie genoss es, im Wald zu sein und Balancierte fröhlich über einen umgefallenen Baumstamm über ein Rinnsal, das kaum als Fluss zählen durfte, während es tiefer ins dunkle Grün ging. Immer wieder schloss sie einfach die Augen und lauschte. Meistens war da nur das Rauschen des Windes in den Blättern über ihnen, hier und da ein keckerndes Eichhörnchen oder der ein oder andere Vogel. Aber wenn sie ganz vorsichtig lauschte, dann meinte sie, auch die Waldgeister zu hören. [size=6]“Faunus...“[/size] flüsterte sie immer wieder unhörbar leise in den Wind, als könne sie den Gott dadurch zu sich beschwören. Hören konnte sie ihn ja, zumindest seine Kinder. Wenn sie nur fest genug daran glaubte.
    Irgendwann lehnte sie sich einfach an einen Baum und schloss ein wenig die Augen. Es war schön im Wald. Zumindest für sie. Alles roch nach Grün und nach Harz, überall war Leben. Nicht nur kalter Marmor und Stein und Mörtel, sondern wirkliches, ungezügeltes Leben. Sie summte die Melodie eines Liedes, dass ihr Vater gern gesungen hatte und das sie bereits schon einmal gesungen hatte, auch wenn sie sich daran nicht erinnern konnte.

    Sie ritten schon eine Weile, und Archias trieb sein Pferd an, als würde er etwas jagen. Axilla hielt ihren Braunen davon ab, die Herausforderung anzunehmen und allzu schnell dahinzupreschen. Sie kannte das Gebiet hier nicht, wer wusste schon, wo unter dem Boden ein Kaninchenbau versteckt war. Ein Loch, in das das Pferd stürzte, und das war's.
    Generell machte sie sich ja um sowas wenig Gedanken, aber grade heute war alles merkwürdig und verdreht. Sie kam noch immer nicht über ihren Verrat am Morgen wirklich hinweg, auch wenn sie versuchte, es einfach zu vergessen. Es war ein Mittel zum Zweck gewesen, das tausende von Frauen einsetzten, um an ihr Ziel zu gelangen. Nur hätte Axilla nie gedacht, dass sie selbst einmal dazu gehören würde. Und das nagte etwas an ihr, diese Unehrlichkeit.


    Archias schlug zwei Richtungen vor, aber ehe sie darauf wirklich antworten konnte, forderte er sie auch schon zu einem Wettrennen heraus. Axilla schaute zu der angegebenen Zypresse. Sie wusste, dass Archias lieb sein wollte und dachte, es würde ihr Freude machen. Würde es ja eigentlich auch, aber... sie konnte nicht einfach so schnell umschalten, als wäre nichts gewesen. Als wären die letzten Wochen nie passiert. Vielleicht hatte das heute morgen für ihn vieles geändert, für sie aber nicht. Sie konnte das nicht einfach ausblenden. Auch wenn sie sich bemühte.
    “Wollen wir nicht lieber einfach in den Wald ein wenig reiten?“ Axilla versuchte, es nicht abweisend klingen zu lassen. So war es ja auch gar nicht gemeint. Aber ihr war jetzt nicht nach Wettrennen. Nicht zu Pferd. Zu Fuß vielleicht, damit sie ihre Muskeln brennen fühlen konnte. Aber hier und jetzt kam ihr das aufgesetzt vor.

    Axilla lachte leicht. “In Ordnung, ich werd den ganzen Tag fasten, damit ich deine Kochkünste auch zu würdigen weiß.“ Das Versprechen fiel Axilla nicht besonders schwer. Einmal auf das Frühstück zu verzichten, ohne dabei sowieso nichts runter zu bekommen, war kein großes Opfer für sie.


    Sie klaubte die Würfel vom Boden auf und erhob sich geschickt. Die beiden Knochen gab sie an ihren Cousin zurück, während sie den Becher in der Hand behielt. Den würde sie gleich einfach irgendeinem Sklaven in die Hände drücken.
    “Gut, dann suchen wir dir ein Zimmer, und ich fürchte, dann muss ich auch schon wieder los.“ Axilla sah mit ehrlichem Bedauern drein. Allerdings war dieses nicht begründet auf der Tatsache, dass sie ihren neuen Verwandten allein ließ. Vielmehr war es ihr Unbehagen, in den Palast zu gehen und dort zu nächtigen. Aber daran ließ sich ja nunmal nichts ändern.


    Sim-Off:

    Kannst dir Gerne ein Cubiculum erstellen und einrichten, wie du es gern magst. Die Casa Iunia ist zwar nicht die größte, aber es hat schon alles seinen Platz.

    Die Decke schien immer näher zu kommen, wie ein lebendiges Wesen aus blauer Schwärze, das nach ihr griff und sie erdrücken wollte. Axilla lag auf ihrem Bett und starrte nach oben zu der weiß gekalkten Fläche, die ohne Licht so dunkel und bedrohlich wirkte. Sie hörte ihren eigenen Atem, aber es kam ihr vor, als wär es der Atem des ganzen Raumes. Wie ein großes, lauerndes Tier wartete der ganze Palast darauf, dass sie die Augen schloss, um sie dann mit der ganzen Gewalt der Räumlichkeiten zu ersticken.
    Normalerweise war es nicht so schlimm für Axilla. Zwar fühlte sie sich unwohl, aber nicht so wie heute. Sie konnte nicht schlafen. Das, was Vala ihr gesagt hatte, bekam sie nicht mehr aus dem Kopf. Die ersten tage hatte sie es noch abgetan und ignoriert, weil es einfach unmöglich war. Archias liebte sie. Er würde ihr nicht weh tun. Aber seit nunmehr zwei Tagen schlich sich eine Frage in ihre Gedanken, die immer lauter wurde, wie das Herannahen einer gewaltigen Armee mit zehntausend Schwertern. Und jedes dieser Schwerter war ein kleiner Zweifel. War sie sich sicher? Was wenn doch? Woher wollte sie wissen, dass er damit nichts zu tun hatte?


    Axilla wälzte sich auf die Seite und umschlang fest ihr Kissen. Die Decke lag ihr nur leicht um die Hüften, ihr Rücken lag frei. Sie fröstelte, aber nicht, weil ihr kalt war. Ihr Blick glitt über das Kissen hinweg zur Tür, wie so oft in dieser Nacht. Vom Mond nur schwach beschienen sah sie den Riegel an der Tür, der zugezogen war, wie überhaupt in den letzten Nächten. Sie war versucht, nochmal aufzustehen und zu prüfen, ob er denn auch wirklich schloss, wie schon zweimal heute Nacht, aber sie blieb noch liegen.
    Das ist doch verrückt, ging es ihr durch den Kopf, und sie zwang sich, wieder auf den Rücken zu liegen. Sie starrte wieder hoch zur Decke. Archias würde das nicht tun. Archias würde niemanden ermorden lassen.


    Bist du sicher?


    Wieder zur Seite gedreht, diesmal zur anderen, das Kissen im Rücken. Nein, sie war nicht sicher. Sie dachte an die Unterhaltungen, die sie gehabt hatten, nach der missglückten Abtreibung. Wie er gemeint hatte, er hätte Crios eine Abreibung verpasst und würde wieder hin, wenn der Arzt sie nicht in Ruhe ließe. Und dann, als sie das Kind verloren hatte, wie er dem Arzt an den Kragen gegangen war. Und der hatte ja gar nichts dafür gekonnt.


    Aber das war doch völlig verrückt. Sie drehte sich wieder auf den Rücken und starrte zur Decke. Selbst wenn er eifersüchtig war und da Beschützerinstinkt entwickelt hatte, ohne sich selbst die Finger dabei schmutzig zu machen, warum sollte er Leander umbringen? Leander hatte niemanden bedroht, und er hatte nichts getan. Sie hätte Leander befehlen können, mit ihr ins Bett zu gehen, und es hätte wohl katastrophal geendet. Leander war durch Frauen nicht zu erregen, da hätte sich Axilla nackt an ihm reiben können und es wäre nichts passiert. Deshalb war er ja ihr Leibsklave gewesen, weil sie ihm absolut vertrauen konnte. Er war ein Mann gewesen, ohne männliche Ansprüche an sie zu stellen. Es war perfekt gewesen. Warum also hätte Archias ihn aus dem Weg schaffen sollen. Nein, das ergab keinen Sinn.


    Und was, wenn doch?


    Axilla drehte sich wieder in Richtung Tür. Das vermaledeite Kissen lag nun im Weg und wurde mit einigem Boxen in Form gebracht, so dass es nicht störte. War der Riegel wirklich zu? Axilla bekam dieses ungute Kribbeln in der Magengegend, wenn man sich unsicher fühlte und nicht wusste, ob man eine Sache wirklich gemacht oder doch geträumt hatte. Mit bleiernen Bewegungen kämpfte sie sich aus dem Bett und tappste im Dunkeln hinüber zur Tür. Jede Bewegung schien unendlich schwerfällig, und wo sie im Liegen eben noch hellwach gewesen war, fühlte sie sich jetzt, als würde sie im Laufen schlafen. Sie erreichte die Tür und ruckte einmal am Riegel. Die Tür war verschlossen, der Riegel fest vorgeschoben. Sie konnte sich nicht öffnen. Hundemüde torkelte sie zurück und krabbelte wieder in ihr Bett. Die Decke wehrte sich irgendwie und verhedderte sich bei ihren Füßen, aber nach einem kleinen Kampf war auch das Problem gelöst und Axilla lag da und schloss die Augen. Sie war ja so müde.


    Und sie konnte ja sowas von nicht schlafen!


    Ungehalten über sich selbst stöhnte sie einmal resignierend. “Warum sollte er Leander aus dem Weg schaffen wollen?“ Das ergab doch keinen Sinn. Leander war homosexuell. Archias wusste... nein, er wusste das nicht. Axillas Augen öffneten sich und sie starrte auf einen dunklen Fleck irgendwo an ihrer Wand, wo eigentlich das Bild einer Nymphe prangte. Jetzt im Dunklen war es nicht zu sehen.
    Aber Archias wusste gar nicht, dass Leander nur Männer gemocht hatte. Sie hatten nie darüber gesprochen. Warum auch? Axilla war es nie wichtig gewesen, und Leander war gestorben, ehe sie verheiratet gewesen waren.


    Axilla lag da und hörte zu, wie ihr Herz raste. Konnte das der Grund sein? Dachte Archias wirklich, dass sie und Leander...? Nein, das war absurd! Das war vollkommen absurd! Absolut und vollkommen ausgeschlossen! Ein unwilliges Schnauben herrschte durch den Raum, als sie sich auf den Bauch drehte und das Kissen sich über den Kopf zog. Es war absurd, und sie sollte dringend schlafen.


    Bist du sicher?“


    Axilla hätte heulen mögen vor Verzweiflung. Noch andere Sachen kamen ihr in den Sinn. Die immer wiederkehrenden Diskussionen über Vala, dass dieser sie habe umbringen wollen. Dass der Überfall eben kein Zufall war. Aber woher hätte Archias denn wissen sollen, dass das kein normaler Überfall war, sondern da jemand seine Hände im Spiel hatte? Woher denn?
    Und Vala... der hatte nie etwas getan, außer mit ihr bei dieser Hochzeit zu kommen, und dafür hatte Archias ihm gleich eine Nachspeise über den Kopf gelehrt. Und damals hatte er ja noch nicht einmal irgendeinen Anspruch an Axilla gehabt und hatte sich in aller Öffentlichkeit lächerlich gemacht. Und dann noch die Sache mit der Einladung, die Vala ihr erzählt hatte. Sie hatte das Papier selbst in Händen gehalten. Sie hatte selber das Siegel gesehen, und die gefälschte Unterschrift von Quarto. Sie glaubte Vala, was passiert war. Woher hätte er sonst das aelische Siegel haben sollen für diesen Brief? Warum hätte er ihr das erzählen, warum sie warnen sollen? Vala war ein Freund, der nie auch nur irgendwas getan hatte, um ihre Ehre zu gefährden.
    Ganz im Gegensatz zu Archias, der mit ihr geschlafen hatte, obwohl er mit einer anderen verlobt war. Der sie nachts bei sich hatte übernachten lassen nach Urgulanias Tod, und sie nicht heimgebracht hatte, wie es schicklich gewesen wäre. Auch da war er noch mit Seiana verlobt gewesen.
    Axilla drehte sich auf den Rücken. Sie war ja selber nicht unschuldig daran, aber sie war noch keine zwanzig, und Archias schon bald vierzig. Und ein Mann! Er hätte daran denken müssen und sie nicht darin bestärken sollen, diese unglückselige Affäre fortzuführen. So hatte doch der Eindruck entstehen müssen, sie sie seine Geliebte. Wenn er sie nicht geheiratet hätte... ihr Ruf wäre ruiniert gewesen. Axilla wurde schlecht, wenn sie daran dachte, wie naiv sie gewesen war. Sie hätte mehr daran denken müssen. Sie hätte sich von ihren Gefühlen nicht so überwältigen lassen dürfen, dann wäre das alles nie passiert.
    Eine Hand wanderte an Axillas Stirn, während sie da auf dem Rücken lag, und stützte sich ab, den Ellbogen in der Luft. Der leichte Druck auf ihre Stirn tat ihr gut, als würde er den Druck im inneren ihres Schädels mindern.


    "..denk einmal genauer drüber nach. Aelius Archias reagiert schon übermäßig eifersüchtig, als er noch mit der Decima verlobt war, und ich NUR in deiner Begleitung auf einer Hochzeit war. Ihm war der Skandal darum vollkommen egal, auf der Hochzeit im Hause einer der ältesten und wichtigsten Gentes Roms. Dann heiratet er dich, und fortan ist jeder Kontakt mit mir verboten. Und dann wird Leander auf offener Straße rein zufällig gemeuchelt. Daraufhin pflastert er dich mit IHM treu ergebenen Leibwächtern zu..."
    Valas Worte hallten in ihrem Schädel, als wäre der eine große, leere Halle, und jeder Laut verursachte ein Echo wie ein Hammerschlag in ihr. Ihr Schädel schien bersten zu wollen. Die Zweite Hand gesellte sich zur ersten, übte leichten Druck auf ihre Stirn aus, auf diese Stelle direkt über ihren Augen.
    War das der Grund gewesen? Damit er ihr seine Leibwächter aufdrängen konnte? Damit sie sich nicht vernünftig gegen diese Entscheidung wehren konnte? Er hatte erst davon abgelassen, als sie sich ihm über Wochen hinweg verweigert hatte und sich so weit von ihm entfremdet hatte, dass ihm keine andere Wahl mehr geblieben war. Er hätte sie sonst verloren. Das wusste er auch.
    Und nun erschien auch die Drohung mit der Scheidung in einem anderen Licht. Hatte er das gemacht, damit sie gefügiger war? Damit sie auf ihn hörte wegen Vala, der an dem Tag mal wieder Streitthema gewesen war? Von dem er immernoch wollte, dass Axilla annahm, er habe Leander getötet? War das der Grund gewesen?


    Ein Schluchzen ging durch Axillas Körper, und kurz löste sich die ganze Anspannung in einem kleinen Heulkrampf. Sie wusste es doch nicht! War das wirklcih wahr? Hatte Vala recht? Warum sollte er sie vor ihrem Mann warnen wollen? Warum sollte er das erfinden? Er wollte ja nichts von ihr! Gar nichts! Er hatte ihr nie irgendwelche Avancen gemacht, sie nie um etwas gebeten oder sie zu etwas genötigt. Im Gegenteil, jeder Gefallen, den sie ihm tat, musste sie vor ihm noch rechtfertigen. Warum also sollte er in diesem Punkt sie anlügen?


    Axilla drehte sich auf den Bauch, schnappte das Kissen, biss vor Verzweiflung hinein, während ihr Körper durchgeschüttelt wurde. Die Beine zog sie an, so gut sie konnte. Es tat so sehr weh. Was, wenn es stimmte? Was dann?


    Es dauerte eine Weile, ehe ihr Atem wieder ruhig ging. Mittlerweile wurde der Himmel draußen schon bleiern grau und hellte auf, doch noch war es Nacht. Sie hatte nicht mitbekommen, sollte sie doch einmal eingenickt sein und ein wenig geschlafen haben.
    Sie musste Archias irgendwie darauf ansprechen. Das Thema darauf bringen. Sie brauchte Gewissheit. Sie konnte so nicht weiterleben. Nicht hier. Das zerriss sie. Sie musste wissen, ob er das tatsächlich getan hatte. Sie wollte ihn nicht verurteilen. Er liebte sie doch! Das wusste sie. Aber... war sie sich sicher?

    Caenis blieb weiterhin unheimlich. Während Axilla ihren Saft bekam und die Sklavin auch gleich noch dablieb, um Axilla das Essen zu reichen, fragte sie in geradzu auffallend freundlichem Ton nach dem Kleid. Axilla versuchte, der Sklavin stumm klar zu machen, dass sie ihr einfach den Teller wieder geben sollte und sie sich schon nehmen würde, was sie wollte, als sie von Caenis angesprochen wurde und erstmal ihre Aufmerksamkeit hier vonnöten war. “Danke. Ich habe es vor fünf Wochen in Rom auf einem der Märkte gekauft. Ich fand den Stoff ganz hübsch.“ Eigentlich hatte sie es für den Herbst gekauft und der Händler hatte nichts Grünes in vergleichbarer Qualität gehabt, da hatte sie gedacht, sie machte Archias die Freude, etwas Blaues anzuziehen. Er mochte ja Pferderennen so gern und seine Factio Veneta. Ihr selber war das ja recht egal.
    Schließlich hatte sie ihren Teller wieder – unbeabsichtigterweise mit etwas Brot und moretum beladen – und begann damit, das Brot in Mundgerechte Stücke zu brechen und in den Kräuterquark einzutunken. Wirklich Essen tat sie aber im Moment nichts.
    Auf Archias Einwurf hin nickte Axilla mit einem leisen “Ah“ und versuchte doch, ein bisschen Brot zu essen. Sie wusste nicht, was sie dazu hier und jetzt sagen sollte, also entschied sie sich dazu, einfach gar nichts dazu zu sagen. Archias würde sie schon rechtzeitig auffordern, mit ihm zu kommen.
    Seine Mutter hingegen war etwas ganz anderes. Die schien entschieden zu haben, dass sie sich nun mit Axilla freundlich unterhalten sollte und blieb damit weiter unheimlich. Axilla schluckte den kleinen Bissen, den sie genommen hatte, herunter und spülte kurz mit etwas Apfelsaft nach. “Nein, ich glaube nicht. Tarraco liegt ja auch südlicher, nicht? Norditalia ist mir unbekannt. Ich bin noch nicht so viel gereist.“ Wenngleich sie weit mehr gereist war als 99% ihrer Zeitgenossen, die vielleicht von ihrem Dorf in die nächste Stadt mal reisten und sonst ihr ganzes Leben auf demselben Flecken Erde verbrachten. Da hatte sie mit Tarraco, Alexandria, der Reise durch Ägypten und dann Rom weit mehr von der Welt gesehen.

    “Na, aber wenn du nur noch in der Küche bist, kannst du ja gar nicht Legionär werden.“ So leicht ließ sich Axilla nicht aus dem Konzept bringen. Sie lächelte weiterhin fröhlich und wartete gespannt auf den Wurf ihres Verwandten. Dieser drehte den Becher nicht ganz, sondern ließ die Würfel offen herauskullern. Axilla folgte mit den Augen den klackernden Knochen über den Boden, bis diese schließlich liegen blieben. Fortuna war ihr wohl wirklich heute hold, oder aber Seneca hatte sie verärgert. Wie dem auch sein mochte, sie hatte gewonnen, und fast wie bei einem Kind wippte ihr Körper kurz vor Freude, ehe sie Seneca ganz offenherzig anstrahlte. Nunja, zumindest solange, bis er den Palast erwähnte, dann wurde ihr eben noch ehrliches Lächeln doch etwas zurückhaltender und höflicher.
    “Du musst wohl ein anderes Mal deinen Wetteinsatz einlösen. Ich werde gleich in den Palast dann gehen und dort dann auch heute bleiben. Morgen... weiß ich noch nicht genau, ob ich kommen kann. Aber übermorgen bin ich wieder hier, und dann kannst du gerne für mich etwas kochen.“
    Axilla wollte nicht erklären müssen, warum sie schon wieder gar nichts im Palast aß. Sie aß zwar sehr wenig dort, weil sie sich von den Wänden dort so erdrückt und erschlagen fühlte, dass sie einfach kaum einen Bissen runterbekam. Wenn sie in der Casa Iunia dann zuviel aß, konnte sie dort gar nichts essen, und sie hatte keine Lust auf die Nachfragen und die besorgten Blicke ihres Ehemannes. Wenn sie hungrig war, bekam sie dort wenigstens etwas hinunter, ehe es ihr zuviel wurde.
    “Aber jetzt sollten die Sklaven dir erstmal ein Zimmer herrichten. Bis du zur Legion gehst und dann dort bist, braucht das ja ein paar Tage, oder? Solang musst du ja irgendwo schlafen.“
    Sie konnten ein Gästezimmer einfach schnell einrichten. Sie winkte auch schon einem Sklaven, damit er eben jenes machen würde. Eigentlich würde es sich ja anbieten, Seneca ein richtiges Zimmer einzurichten. Axilla hatte hier auch immernoch ihr Cubiculum, auch wenn sie dort nun schon Monate nicht mehr schlief. Aber sie wollte es dennoch nicht aufgeben.

    Axilla sah kurz das leichte Zucken in den Mundwinkeln des Lanistas, was wohl sein Äquivalent eines Lächelns darstellte, ehe jener sich erhob und scheinbar einen Moment nachdenken musste.
    “Nun, er ist sicher eine gute Wahl. Er hat auch 3 Siege eingebracht in 2 Jahren. In einem Monat wäre sein nächster Kampf.“ Der Iuventier erhob sich und kam zu Axilla und Malachi herüber. Überlegend legte er einen Finger an die Lippen und tippte leicht dagegen, und axilla beobachtete ihn fast fasziniert dabei. Sie glaubte nicht, dass er wirklich so viel nachrechnen musste, nachdem er ihr bei den anderen Gladiatoren draußen gleich eine Summe hatte sagen können. Außerdem wusste Axilla, wie handeln funktionierte. Der Xenai Agorai war ihr zweites Zuhause gewesen in Alexandria. Aber es war interessant, einen so ernsten und ruhigen Mann dasselbe machen sehen wie einen parthischen Tuchhändler auf einem lärmenden Marktplatz.
    “Ich denke, für 2000 kann ich ihn an dich verkaufen. Das wäre ein fairer Preis für einen gut ausgebildeten Gladiator.“
    Der Preis war so unverschämt, dass Axilla kurz den Mund aufklappte, ehe sie sich beherrschen konnte. Das hier war Handel, sie wusste, wie das ging. Dennoch war der Preis eine absolute Unverfrorenheit. “Ich glaube, du hast ein M mit einem C verwechselt, werter Iuventius.“ Axilla schaffte es, das ganze zuckersüß und unschuldig hervorzubringen, so verträumt wie das meiste andere, das sie sagte. Sogar ihr Lächeln schien so ausgelassen wie immer zu sein. Dennoch war ein Preis von 200 Sesterzen näher an dem, wo sie sich schließlich treffen würden als 2000 Sesterzen. Auch wenn Axillas Preis nun wiederum unverschämt niedrig war und sie aufpassen musste, nicht zu forsch zu sein. Immerhin wollte sie Malachi auch kaufen.
    Und sie wollte ihn wirklich kaufen. Da war etwas in seinen grauen Augen... Axilla wollte ihn nicht hier lassen. Erst war sie sich nicht sicher gewesen, aber nach seinen Worten war sie sich sicher. Sie konnte es nicht erklären, warum jetzt eigentlich. Sie war definitiv nicht in ihn verliebt oder so etwas. Aber sie konnte nicht einfach gehen und ihn hierlassen und sich einreden, dass sie einfach nur niemanden gefunden hatte, der ihr Leibwächter hätte sein können. Er war auch definitiv kein Ersatz für Leander, und Axilla hatte auch gar nicht vor, ihn dazu zu machen. Sie kannte ihn ja auch gar nicht. Aber... ach, sie konnte es nicht erklären. Das Gefühl bei ihm war einfach richtig, wenn sie ihm in die Augen schaute und er so gleichgültig zurücksah.


    Unterdessen verschluckte sich der Lanista beinahe bei ihren Worten. “Für 200 bekommst du gerade Mal einen einfachen Sklaven vom Markt, ohne Ausbildung und ohne Können. Das hier ist ein ausgebildeter Thraker, der bereits getötet hat. Du wirst das doch wohl kaum mit diesen Wilden vom Markt vergleichen wollen, werte Iunia.“
    Axilla riss sich aus ihren Gedanken und sah Murcus ein wenig ertappt an. Jetzt war es an ihr, so zu tun, als müsse sie überlegen, obwohl sie das eigentlich nicht musste. Und während der Lanista sich hinter stoischer Ruhe verbarg, bestand Axillas Maske aus Unschuld und scheinbarer Unwissenheit. “Nun, du hast wohl recht. Aber Zweitausend Sesterzen ist definitiv viel zu viel. Du hast selbst gesagt, er ist schon fast dreißig! Und so lange geht seine Ausbildung auch noch nicht. Andere in seinem Alter sind schon längst doctor und bilden selbst aus, anstatt zu lernen und zu kämpfen.“
    Ihr unschuldiger Blick hätte wohl Steine erweicht. Allerdings keine Iuventier, zumindest ließ sich dieser hier nichts dergleichen anmerken. Stattdessen schaute er sie fast etwas abschätzig an, ehe er kurz die Lippen schürzte und dann fast schon beiläufig sein nächstes Angebot fallen ließ. “Gut, das sind sicher gute Gründe, den Preis zu reduzieren. Allerdings musst du bedenken, dass ausgebildete Gladiatoren durchaus gefragt sind. Viele Damen geben gerne die Hälfte ihres Vermögens für einen treuen und ausgebildeten Kämpfer..““Aber ich weiß doch gar nicht, ob er treu ist...“ “... natürlich ist er das. Sonst hätten wir ihn nicht weiter ausgebildet. Aber, um dir meinen guten Willen zu zeigen, und da du ihn wohl benötigst, werde ich ihn dir für 1500 überlassen.“
    Dieser Preis war nun schon eher nach Axillas Geschmack. Aber sie konnte ihn sicher noch weiter drücken. Immerhin hätte er ihr einen seiner Champions für Dreitausend gegeben. Malachi war davon weit entfernt. Und genau das brachte sie jetzt auch zum ausdruck. “Simonides hätte für 8 Siege 3000 gekostet. Das sind nichtmal 400 Sesterzen für einen Sieg. Und der war jünger als Malakii.“ Dass sie den Namen falsch aussprach, merkte sie freilich nicht. Woher auch, es widersprach ihr ja niemand. “Da würde ich sagen, für drei Siege und ein paar Jahre älter gebe ich dir dreihundert pro Sieg, also 900.“ Axilla bemühte sich, so streng und fachmännisch zu schauen, wie Urgulania es immer getan hatte. Ganz so matronenhaft würde sie es nicht hinbekommen, aber vielleicht wenigstens ein kleines bisschen.
    Der Lanista auf jeden Fall sah sie eine ganze Weile an, erst freundlich, dann fragend, dann bohrend. Aber Axilla blieb einfach stehen und hielt dem Blick stand. “Eintausendeinhundert“ war schließlich sein Angebot. Und mit einem “Eintausend“ hielt Axilla ihm schließlich die Hand hin, genau wie beim Pferdekauf. Und er schlug ein.


    “Die Formalitäten erfordern noch einen schriftlichen Kaufvertrag. Möchtest du ihn weiter trainieren lassen mit Unterkunft hier oder soll er gänzlich in deinen Hausstand übergehen?“ Der Iuventier war wieder ganz geschäftsmännisch geworden und hatte sich auf seinen Platz zurückbegeben, während Axilla krampfhaft versuchte, ein siegessicheres Grinsen zu unterdrücken, was aber nicht ganz gelang.
    “Oh, nein, er soll in die Casa Iunia. Er soll mein Custos Corporis sein, da brauch ich ihn bei mir. Und... also, wieviel würde das denn kosten, ihn weiter ausbilden zu lassen?“
    Der Lanista nannte eine Summe, die für eine wöchentliche Gebühr recht üppig war. “Inklusive Unterbringung, Verpflegung, medizinischer Versorgung und natürlich Trainingsgerät und Ausrüstung“, fügte er mit der Andeutung eines Lächelns noch an, dennoch schluckte Axilla.
    “Und wenn er nur... dreimal die Woche trainiert und dann wieder mit mir mitkommt? Ohne Unterbringung und Verpflegung? Und ich die medizinische Versorgung zahle, wenn sie anfällt?“ So viel wollte sie ja nicht ausgeben.
    Der Iuventier atmete einmal ruhig durch und schien im Kopf seine Tabellen durchzurechnen. “Die medizinische Versorgung musst du mitzahlen, sonst trainiere ich ihn nicht. Ich werde hier niemanden verbluten lassen und warten, bis der Besitzer seinen Geldbeutel gefunden hat. Das ist kontraproduktiv.“ Es klang sehr bestimmt, war also kein Weg, um Geld zu sparen. “Aber ich trainiere ihn für 30% der Gebühr an drei Tagen der Woche, ohne Verpflegung und Unterbringung. Du wirst den Monat im Voraus zahlen und wenn er zu spät oder gar nicht kommt, ist das dein Problem. Der Ablauf darf nicht gestört werden, und er bekommt keine andere Behandlung als die anderen, die mein Eigentum sind. Für die Zeit unten in der Arena liegt sein Leben ebenso in meinen Händen wie das jedes anderen, und wenn ich seinen Tod befehle, wirst du kein Recht auf Klage deswegen haben.“
    Axilla war kurz davor, zu sagen, dass er es dann vergessen konnte. Sie wollte sich ja nicht über den Tisch ziehen lassen und soviel Geld zahlen, nur damit er ihren Gladiator bei nächster Gelegenheit zum Orcus schickte. Allerdings war sie auch die Tochter eines Militärs, sie verstand die Notwendigkeit dieser Maßnahme. Disziplin war wichtig. Jeder Soldat musste sich darauf verlassen können, dass diese mit voller Härte umgesetzt wurde. Disziplin war keine Strafe, sie war Sicherheit.
    Dennoch drehte sie sich kurz zu Malachi um und fragte ihn direkt. “Möchtest du weiterhin trainieren und ausgebildet werden?“
    Kurz flackerte es in seinem Blick, ehe er Axilla wieder mit diesem fragend-gleichgültigen Blick ansah, als ob er durch sie hindurchblickte. “Was immer meine domina wünscht, werde ich erfüllen.“
    Axilla biss sich kurz auf der Lippe herum, ehe sie zu einem Entschluss gekommen war. “Einverstanden.“


    Bis der Vertrag aufgesetzt und alle Formalitäten geregelt, ein gültiger Wechsel ausgestellt und schließlich Axilla um einiges an Sesterzen ärmer, an Erfahrung aber reicher war, dauerte es bis in die frühen Abendstunden. Und ein etwas merkwürdiges Gefühl blieb bei der Iunia zurück, als sie mit Levi und ihrem neuen Sklaven diesen Platz hier verließ. So recht wusste sie selbst nicht, was sie soeben getan hatte.

    Er wollte für sie kochen? Axillas linke Augenbraue wanderte ein Stückchen nach oben, als sie ihn kurz fragend ansah. “Sollte ich mich nun davor fürchten, zu gewinnen?“ feixte sie frech und erinnerte sich an ihre eigenen Kochversuche. Sie hatte die Technik perfektioniert, Fleisch so anzubraten, dass es außen schwarz und innen roh war. Das konnte nicht jeder! Und dabei hatte ihr Vater ihr genau gezeigt, wie man Hase so im Feld zubereitete, und sie hatte auch gut aufgepasst. Und Fell abziehen und ausnehmen, auch wenn das barbarisch stank, war kein Problem. Nur das anbraten geriet bei ihr immer zur mittleren Katastrophe, weshalb sie in Alexandria von der Köchin Küchenverbot erhalten hatte.
    Gespannt hob sie den Becher, und siehe da, sie hatte auch eine vier gewürfelt. Nur eben mit zwei Zweien. “Pasch!“ rief Axilla glücklich aus und freute sich ganz offen und ehrlich. “Du solltest hoffen, dass Fortuna nun gnädiger mit dir ist. Mich mag sie scheinbar recht gern.“

    Als ihr Vetter nur eine Vier würfelte, konnte Axilla ein breites Grinsen nicht unterdrücken. Sie hatte gewonnen! Gewonnen! Axilla gewann ausgesprochen gern.
    “Wie es scheint, mag Fortuna mich lieber als dich. Aber du weißt ja, sie ist wankelmütig.“


    Axilla nahm den Becher entgegen und schnappte sich die beiden Würfel. Sie klingelten in dem Trinkgefäß, ehe Axilla dieses wieder auf dem Boden absetzte. Noch hob sie den Becher nicht, sondern sie grinste Seneca einfach weiterhin an. “Wir könnten ja um irgendwas kleines spielen? Wenn du gewinnst... dann... bleib ich heute nach hier und geh nicht in den Palast. Und wenn ich gewinne, dann... dann...“ Axilla überlegte. Was könnte er ihr geben? Er hatte ja eigentlich nichts, außer die Würfel, und die wollte sie ihm ja nicht wegnehmen. “Dann....“ Ihr fiel nichts ein. Verdammt. Beim Überlegen ließ sie den Becher ein wenig über den Boden fahren, so dass ein leicht kratzendes Geräusch auf dem Marmor entstand, und die Knochen im Becher weiter klapperten. Aber ihr fiel wirklich nichts ein...

    “So hab ich das doch gar nicht...“ Natürlich bemerkte Axilla gleich, dass Vala über ihren scherzhaften Vorschlag nicht gerade erbaut war. Kleinlaut versuchte sie einzulenken, aber sie wusste im Grunde schon, dass das nichts bringen würde. So gut kannte sie den Duccier schon, um das sagen zu können. Und wenn sie versuchte, es nun zu retten, würde sie wohl nur wieder mit ihm diskutieren und sich streiten. Also verstummte sie und sah nur bedauernd zu, wie er aufstand und sie so berechnend anlächelte, wie er es dann tat, wenn er höflich sein wollte.
    Axilla versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie hätte sehr gerne noch ein wenig mehr Zeit mit ihm verbracht. Sie wusste zwar gar nichts mehr, was sie hätten bereden können, aber sie war einfach gern in seiner Nähe. Ihr hätte es auch gereicht, einfach ein wenig mit ihm im Garten zu sitzen und ihm zuzuhören. Aber er hatte wohl recht, der Wahlkampf wartete nicht, und er hatte ja auch wirklich besseres zu tun, als hier bei ihr im Garten rumzusitzen.
    “Ich bin mir sicher, dass sich dafür mal eine Gelegenheit ergeben wird. Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm, ich helfe dir wirklich gerne, wenn ich das kann.“ Sie sah noch einmal zu ihm auf. Auch wenn er so streng schaute, sie konnte ihn nicht anders anschauen, als sie es meistens tat. Auch wenn sie sich mühte, es im Rahmen zu halten. “Es hat mich sehr gefreut, dass du Zeit gefunden hast, herzuschauen. Vielleicht hast du ja nach der Wahl noch einmal mehr Zeit, auch wenn du dann ganz sicher Vigintivir sein wirst und jede Menge neue Aufgaben haben wirst. Mich würde es freuen.“

    Er beließ es dabei. Ein Glück, er beließ es dabei. Kein nachbohren und nachhaken, bis sie in die Ecke gedrängt war und nur noch um sich schlagen konnte. Er ließ ihr ihre Flucht, und Axilla war Vala durchaus dankbar. Ihrem Blick war die Erleichterung allzu deutlich anzusehen.
    Als er von den Schwierigkeiten redete, die er aufgrund seines Familiennamens hatte, fühlte sich Axilla ein wenig seltsam. Ja, sicher, Vala war ja auch ein homo novus. Ganz genau genommen war er sogar mehr als das, ein homo novissimus, sozusagen, da er nicht nur aus einer Familie stammte, die noch keinen Konsul gestellt hatte, sondern eine, die nichtmal allzu lange römisch war. Axilla vergaß das nur allzu gerne, vor allem, da sie Vala mochte.
    “Ich würd dir ja gern meinen Familiennamen leihen, aber ich fürchte, das geht nicht“, meinte sie mit einem kleinen Lächeln zu ihm. Auch wenn sie nicht wusste, ob sie ihm damit einen großen Gefallen getan hätte, denn die Iunier hatten nicht nur eine sehr, SEHR alte Familiengeschichte, sondern auch eine sehr unschöne Passage in eben jener. Wobei es auch danach noch iunische Konsuln gegeben hatte.


    Und just da schaltete Sirius ein und brachte Axilla zum Grinsen und Vala dazu, immer finsterer zu schauen. Axilla bemühte sich, nicht allzu amüsiert dreinzusehen, als Vala sich ihr wieder zuwandte, aber sie fürchtete schon, dass das wohl unmöglich war.
    “Ich glaube, nur wenn er schläft. Aber seine Ideen sind sehr gut. Meistens jedenfalls.“ Die, dass Axilla ihn als Bettwärmer hätte behalten sollen, hatte ihr nicht so gefallen. Aber das hier jetzt war durchaus erheiternd.