Beiträge von Iunia Axilla

    Das. War. Unheimlich.
    Axilla folgte der Sklavin bis hinaus auf die Terrasse und sah sich einem lächelnden Caius – soweit noch einigermaßen normal – und einer freundlich lächelnden Caenis gegenüber. Und letztere lud sie auch geradezu herzlich dazu ein, Platz zu nehmen, und fragte auch noch danach, wie sie geschlafen hatte. Das war unheimlich. Un-heim-lich!
    Sie versuchte, nicht gar zu verschreckt auszusehen und sich an all das zu erinnern, was Urgulania ihr beigebracht hatte. So brachte sie ein durchaus freundliches Lächeln zustande, als sie auf den Tisch zuschritt und sich schließlich setzte. Die Hände legte sie erst einmal damenhaft in den Schoß, und sie versuchte leicht zu klingen. Ganz so, als wäre nichts. Wenn das von Caenis ein Spiel war, würde Axilla eben üben, mitzuspielen. Den gestrigen Tag konnte man vielleicht unter Nervosität bei der Ankunft verbuchen? Ja, ganz vielleicht ging das. Sie durfte sich jetzt nur nichts anmerken lassen.
    “Ja, sehr gut und sehr tief. Ich denke, das kommt von der Landluft.“


    Axilla sah auf das Brot und den Honig. Die Milch irritierte sie ein bisschen, sie hätte nicht gedacht, dass Archis Eltern etwas trinken würden, das als barbarisch und unzivilisiert galt. Aber sie würde sich hüten, da auch nur einen Ton darüber zu verlieren. Abgesehen davon hatte sie sowieso mal wieder absolut keinen Hunger. Nur würde sie vermutlich irgendwas essen müssen, weil sonst sowohl Archias als auch seine Mutter denken würden, dass etwas nicht stimmte. Aber vielleicht funktionierte ja die übliche Taktik, dass sie einfach nur ein wenig Essen auf dem Teller hin und her schob und dann zwei Anstandsbissen nahm. Das ging meistens ganz gut. Im Palast machte sie das so andauernd, und bislang hatte nie irgendwer was gesagt. Was aber auch daran liegen mochte, dass Archias ihre Portion gerne mal mitaß.
    “Darf ich ein Gas Saft haben?“ fragte sie formvollendet höflich und leicht lächelnd und umging so hoffentlich das Thema mit der Milch.

    “Schlecht im Bluffen? Gut zu wissen“, feixte Axilla frech und ließ sich mir nichts, dir nichts mitten im Tablinum im Schneidersitz auf dem Boden nieder. Aber irgendwo musste man ja schließlich würfeln! Und sie war ja nicht aus Zucker, der Boden sauber und so machte man das eben, wenn kein Gasthaustisch gerade da war. Mit einer winkenden Bewegung lud sie dann auch ihren Vetter ein, Platz zu nehmen, damit sie vernünftig anfangen konnten.
    “Verdammt, wir haben keinen Becher“, meinte Axilla noch kritisch, als ihr auch schon eine Idee kam. Sie drehte sich flink im Sitzen nach dem nächsten Sklaven um. “Haben wir Würfelbecher?“ fragte sie einfach. Als der Sklave aber verneinte, schickte sie ihm einfach nach einem Trinkbecher. Würde zwar etwas mehr klackern, aber das störte ja keinen.


    So mit Becher und Würfel bewaffnet konnte sie auch loslegen. Der Knochen klapperte ordentlich in dem Metall des zweckentfremdeten Kelches, aber das störte Axilla herzlich wenig. Mit Effet setzte sie den Becher auf, ehe sie ihn schwungvoll hochnahm und auf die beiden Würfel schaute. “Sieben!“ verkündete sie strahlend. “Wir hätten doch Siebener und Elfer spielen sollen, dann hätt ich jetzt schon gewonnen.“ Frech grinste sie ihren Vetter an und gab ihm den Becher. Die Würfel fasste sie nicht an, immerhin brachte das Unglück!

    Er machte sich Sorgen? Um sie? Bei all den wirren Gedanken, die momentan durch ihren Kopf strömten, war dieser doch sehr laut und noch ein wenig verwirrender als die anderen. Wieso machte er sich Sorgen um sie? Glaubte er denn wirklich, dass Archias ihr etwas tun wollte?
    Aber, das war total verrückt! Archias konnte keiner Fliege was zuleide tun! Er hatte nicht den geringsten Sinn für sowas, er hatte absolut kein militärisches Talent. Ihm fehlte der nötige Killerinstinkt. Er könnte das nicht. Das war ausgeschlossen. Das war...
    “Aber ich kenn ihn schon viel länger, schon aus Alexandria. Und er hat nie irgendwelche Tendenzen in diese Richtung gezeigt. Warum sollte er Leander denn umbringen? Nur damit ich seine Leibwächter mitnehme? Das mach ich ja trotzdem nicht, sondern ich nehm Levi mit...“
    Inwzischen hatte Axilla angefangen, ein wenig hin und her zu gehen. Das stimmte nicht, was Vala sagte. Das konnte gar nicht stimmen. Das würde ja heißen... Axilla blieb in ihrer Bewegung stehen und schaute kurz erschrocken zur Tür. Levi war in der Küche. Aber... nein, das war einfach unmöglich. Archias würde Levi nichts tun. Warum auch? Der Junge war 14! Warum sollte er ihm was tun?


    Nein, sie begriff wirklich nicht. Sie wollte auch gar nicht begreifen. Sie schüttelte nochmal den Kopf und sah Vala dann flehentlich an. “Willst du mir nicht von deinem Wahlkampf erzählen? Brauchst du noch irgendwo Hilfe? Ich mein, vielleicht kann ich ja etwas tun, oder... ich weiß nicht.“ Es war ein schlechter Ablenkungsversuch, aber Axilla wusste sich auch anders gar nicht zu helfen.

    Axilla war sich nicht so sicher, dass das eine so gute Idee war. Archis Mutter wäre wohl weniger begeistert, wenn die Gäste ihr vorschrieben, wo sie zu frühstücken hatte. Und Axilla wollte sich nicht mit ihr anlegen oder noch weiter unangenehm auffallen. Wobei sie sowieso bei näherem Nachdenken überlegte, was Archias Mutter hatte. Immerhin war sie eine Iunia. So schlecht war das doch nicht, oder?
    “Das sehen wir ja dann“, wich sie nur aus und hoffte, dass Caenis ihrem Sohn schon die Meinung gesagt hätte, bis sie aus dem Bad wieder heraus war.


    Als er dann erklärte, weshalb er an Levi gedacht hatte, wurde Axilla einiges klar. “Ähm, achso. Also... nein, den brauch ich nicht im Bad. Ich hoffe, die Sklavinnen hier helfen mir, wenn cih was brauche. Aber Levi... schläft besser noch ein wenig.“ Den genauen Grund wollte Axilla lieber nicht sagen, weshalb Levi im Badezimmer keine so gute Idee war. Nun, meistens war es ja auch ganz in Ordnung, wie am vergangenen Tag, als er Kleidung gebracht hatte und nur kurz hinein und hinausgehuscht war. Axilla hatte da auch keine übertriebene Scham, als dass sie sich nicht ausziehen konnte, wenn ein männlicher Sklave zuschaute. Nur... Levi schaute halt zu. Und er reagierte auch manchmal, so dass sie es mitbekam. Ihm war das dann zwar immer noch peinlicher als ihr, aber trotzdem... ließ sie ihn lieber aus Bädern weitestmöglich eben heraus. Er war da einfach nicht wie Leander. Aber der hatte auch eine Vorliebe für Männer gehabt.
    Axilla suchte gerade nach einer Fiebel, damit das Kleid sich nicht gleich wieder verselbständigte, als Archias ihr diese winkend zeigte und dann gab. Sie steckte sie sich an und ein etwas trauriges Lächeln spielte kurz um ihre Lippen. “Selber schuld, du konntest ja auch nicht warten. Bei den anderen ja auch nicht.“ Das war ja beileibe nicht die einzige Fibel gewesen, die er geschrottet hatte. Auch wenn diese hier das Ganze gut überstanden hatte. Aber eine andere hatte er schonmal zerbrochen, als er sie aus ihrem Kleid im Schnellverfahren schälen wollte.
    Sie sah gerade wieder auf, weil sie fertig war, als Archias meinte, sie sei 'sagenhaft'. Axilla schaute ihn nur ein wenig verwirrt an und wusste nicht, was er damit meinte. Aber sie bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie es auf ihre jüngst vergangene Tätigkeit bezog, bei welcher er von falschen Voraussetzungen ausging. “Ähm... danke...“, meinte sie nur etwas zurückhaltend und kratzte sich verlegen am Arm.


    “Ja, ich lass mir dann einfach von den Sklaven sagen, wo du steckst“, meinte sie noch zum Abschied. Kurz überlegte sie, ob sie ihm zum Abschied noch einen Kuss geben sollte, aber sie ließ es bleiben. Es kam ihr einfach unehrlich vor. Zwar zuckte ihr Körper kurz in seine Richtung, und sie wusste auch nicht, ob er es gesehen hatte, aber sie vollendete die Bewegung nicht. Sie ging dann einfach ins Balneum.


    Dort angekommen ließ sie sich Zeit. Sie wusch sich, ausführlich. So ausführlich, dass die Sklavinnen kurz einen Blick tauschten, aber das war Axilla egal. Sie fühlte sich ekelig, weil sie getan hatte, was sie getan hatte, und das wollte sie abwaschen. Und so dauerte es eine ganze Weile, bis sie aus dem Wasser stieg, und eine noch größere Weile, bis ihre Haare gemacht und die Augenbrauen zurechtgezupft waren, ehe sie sich wieder ankleidete und dann schließlich einen Sklaven nach dem Verbleib ihres Mannes fragen konnte.

    Verdammt, was machte sie jetzt? Eigenltich war die Frage von Seneca eine willkommene Ausrede, nicht in den Palast zurückzumüssen, sondern mal wieder hier zu bleiben. Das wäre eigentlich gar nicht schlecht. Aber andererseits hatte sie wirklich keine Lust, da etwas zu erklären. Sie überlegte sich das einfach noch ein wenig und sagte jetzt am Besten gar nichts. Das war ein guter Plan!


    “Ja, solltest du“, pflichtete Axilla ihm noch bei, als er meinte, er wolle Serrana besuchen. Axilla war zwar verbohrt, aber nicht so verbohrt, als dass sie da wollen würde, dass er sich zwischen seinen Cousinen entscheiden müsste. Er konnte Serrana sogar gern haben, das war ihr reichlich wurscht. Nur sie selber wollte die Casa Germanica nicht mehr wieder betreten. Und solange er sie da nicht fragen würde, war alles in bester Ordnung.


    Und dann kam er mit einer geradezu wunderbaren Idee. Axilla sah ihn einen Moment an, als wäre sie sich nicht sicher, was sie gehört hatte, ehe das Grinsen auf ihrem Gesicht immer breiter wurde. Als er ihr die Würfel hinhielt, schnappte sie sich diese, ohne noch einmal zu fragen oder auch nur kurz zu zögern. “Und was spielen wir? Siebenen und Elfen? Überwürfeln? Bluffen?“ Jetzt musste sie nichts mehr spielen, ihre Aufregung war echt, was ihr auch an jeder Faser anzusehen war. Axilla spielte gern – vor allem, weil es verboten war. Eigentlich ja lieber Brettspiele wie molina oder das Soldatenspiel, aber Würfel waren auch herrlich.

    Axilla schaute mehr als nur ein wenig entschuldigend, als Seneca bemerkte, dass er allein bleiben würde. “Hmmm, vielleicht könnte ich auch einen Boten zum Palast schicken, also, dass ich heute hier bleibe oder so...“, überlegte Axilla laut. Aber sie wusste, dass dann Archias vermutlich herkommen würde um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Und dann musste sie wieder alles erklären. Ach, schwierig.
    “Ja, alle versorgt“, wiederholte Axilla den Scherz leicht lachend, aber es war keine echte Fröhlichkeit darin. Es war einfach nicht so leicht für sie im Palast und mit den ganzen Erwartungen an sie. Noch dazu die ganzen Gedanken, die sie einfach nicht abstellen konnte. Aber davon wollte sie ihrem neuen Vetter nichts erzählen. Dafür kannte sie ihn auch viel zu wenig.


    Als er dann aber direkt nach Serrana fragte, konnte Axilla ihre Maske nicht mehr ganz aufrecht erhalten, und sie schaute einen Moment beiseite, damit es nicht ganz so auffällig war, dass das Thema bei ihr nicht so gut war.
    “Serrana kommt eher selten her. Sie ist meistens bei den Germanicern.“ Axilla versuchte, den Namen der Gens neutral auszusprechen, aber ein klein wenig Abfälligkeit klang dennoch durch. Sie konnte da einfach auch nicht aus ihrer Haut. Das alles, was gewesen war – Serranas Lobeshymnen, das Gespräch in der Therme, die unsägliche Hochzeit, die ständigen Streits mit der Cousine, die diese homines novi so unendlich verteidigte - das war einfach zu viel, als dass sie es ignorieren könnte.
    “Aber du kannst sie dort sicher besuchen. Sie freut sich bestimmt, einen weiteren Verwandten kennenzulernen.“ Der Satz nun klang wieder gekonnt fröhlich und leicht, ohne Bitterkeit in der Stimme. Solange sie selbst da nicht hinmusste, war alles prima. Da musste sie sich nicht sehr beherrschen, um eine falsche Emotion zu zeigen.

    Als er von ihr herunter war, setzte Axilla sich auf und blieb erstmal nur sitzen, die Knie wie immer leicht angezogen und einen Arm leicht darumgelegt. Sie fühlte sich noch ein wenig merkwürdig und ihr war auch ein bisschen schwindelig, so dass sie sich noch nicht ganz aufraffen konnte, sofort aufzustehen.
    “Frühstücken wir nicht mit deinen Eltern?“ fragte Axilla ein bisschen verwirrt. Immerhin waren sie hier ja zu Besuch, und auch wenn archias hier aufgewachsen war, im Moment war er doch Gast? Oder nicht? Axilla wusste nicht, wie das hier gehandhabt werden würde. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, dass das Caenis gefallen würde, wenn sie nichtmal zum Frühstück da waren.


    Dann erwähnte er die Pferde, und Axillas leise aufkeimendes Gefühl der Freude bekam nochmal einen minimalen Dämpfer. Reiten war gut. Laufen war besser. Sie versuchte sich an einem kleinen Lächeln und stand dann auf, zog sich ihr Kleid über. Sie konnte ja nicht nackt ins Balneum laufen. “Wenn du so viel zeigen willst, sollten wir die Pferde nehmen. Aber ich dachte, wir wollten nur zu zweit los?“ Sie verstand das nicht. Eben noch hatte er das gesagt, und nun fragte er nach Levi. Abgesehen davon, dass Axilla dem armen Kerl nicht unbedingt antun wollte, ihn schon wieder auf ein Pferd zu setzen, wo er gerade erst runter war. Ihr Sklave war vieles, aber kein Reiter.
    “Aber ich muss erst einmal ins Balneum. Die Sklaven zeigen mir ja dann sicher, wo ich zum Frühstück hin muss?“

    Während Axilla Vala zuhörte, legte sich ihre Stirn immer mehr und mehr in Falten. Ja, sicher, Archias hatte furchtbar eifersüchtig und übertrieben reagiert. Und die Leibwächter nervten sie ja auch, das wusste Vala auch. Und ja, er hatte versucht, Axilla den Kontakt mit Vala zu verbieten. Naja, nicht ganz, aber er hatte auf seine Art deutlich gemacht, dass er es absolut nicht wünschte, wenn sie ihn wiedersah. Das Wort 'Verbot' war ja nie gefallen.
    Das mit der Einladung überraschte Axilla dann doch. Schon allein, als Vala Quarto erwähnte, wollte sie ja schon einwerfen, dass der gar nicht in Rom war, sondern bei seinem kaiserlichen Bruder in Misenum. Aber da hatte sie auch schon die Einladung in Händen, mit Unterschrift UND Siegel. Und da blieben ihr die Worte weg. Sie öffnete zwar den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts raus. Sie fuhr einmal mit den Fingern über das Papier, als müsse sie sicher sein, dass es wirklich echt war. Sie fuhr das Siegel nach, die Furchen im roten Wachs. Das war das aelische Siegel, von dem Archias schonmal gesagt hatte, dass er es nutzen konnte. Weil es ja auch sein Siegel sei, weil er ja auch Aelier war.
    Axilla schaute noch ganz verwirrt auf das Papier und verstand nicht so wirklich, was da gerade geschah. Warum hatte Archias das getan? Wollte er Vala umbringen? Hatte er ihm weh getan?! Axilla schaute gerade auf, als Vala dann weitersprach und Leander ins Spiel brachte. Da machte etwas in Axilla im ersten Moment völlig dicht.
    “Nein, das ist... Nein!“ Sie schüttelte den Kopf und stand auf, wollte Vala das Papier geben, ließ es aber vor lauter Verwirrung zu früh los, so dass es ins Gras fiel. Sie selbst ging zwei Schritte weiter, den Rücken Vala zugewandt, und schaute nur in den Garten hinein. Archias sollte Leander was getan haben? “Nein, das würde er nicht tun. Warum sollte er auch? Bei dir ist das ja was anderes, du bist eine Gefahr für ihn. Also, das denkt er zumindest. Leander war ja nur mein Leibsklave. Ich war ja nicht in ihn verliebt oder sowas. Er war nur... Und Archias wär zu sowas doch nicht fähig. Ich meine... der weiß noch nichtmal, wie man richtig ein Schwert hält! Der hätte die Rüstung meines Vaters fast kaputt gemacht, weil er meinte, dass sowas ein Spielzeug sei...“ Eigentlich hatte Axilla das mit der Rüstung nicht erzählen wollen, nie, niemandem, aber im Moment war sie zu verwirrt und durcheinander. Sie drehte sich wieder zu Vala um. “Das war doch nur ein Überfall in der Subura! ein dummer Zufall!“

    Axilla verstand nicht, was er meinte. Zumindest nicht ganz. “Naja, die Straßen sind gefährlich. Sicher kann es immer wieder geschehen, dass ich da überfallen werde.“ Ein wenig fragend schaute Axilla den Duccier dann doch noch an. Er hatte es so komisch betont, fand sie. Die Wortstellung war merkwürdig. Als müsse sie etwas wissen oder sich etwas denken. “Vermutlich will Archias deshalb auch diesen ganzen Schwarm Leibwächter für mich. Mir reicht eigentlich Levi, wobei ich wohl noch jemanden kaufen werde, einfach, damit ich meine Ruhe hab“ Axilla zuckte leicht die Schultern.
    “Und ich will keinen neuen Leibsklaven. Das käme mir falsch vor. Ich meine, es ist zwar Blödsinn, ich weiß, aber... ich will Leander nicht so schnell ersetzen, weißt du? Und außerdem brauch ich Sirius doch gar nicht. Meine Betriebe kann ich allein verwalten, und Griechisch kann ich ja auch. Und schnipsen auch“, fügte sie noch mit einem leichten Grinsen an Sirius an.
    Sie lächelte zwar, aber seine Bemerkung nagte doch irgendwie an ihr. “Aber wieso meinst du, dass es wieder passieren würde?“

    Er ging nicht von ihr herunter. Normalerweise rollte er sich von ihr, und sie lagen schwitzend und atmend nebeneinander, aber dieses Mal blieb Archias auf ihr liegen, und Axilla blieb nicht viel übrig, als ihn einfach nur leicht zu halten und abzuwarten. Nachdem sich sein Herzschlag auch beruhigt hatte, stützte er sich ab und sah sie an, und in dem Moment hätte Axilla beinahe alles gestanden. Er sah sie so unendlich verliebt an, und sie kam sich so heuchlerisch und gemein vor, dass es ihr beinahe zuviel wurde.
    “Wenn du gerne möchtest“, kam es dann aber stattdessen aus ihrem Mund, auch wenn ihr Blick dem seinen auswich. Sie fühlte sich zu schuldig, um ihm ins Gesicht auch noch zu lügen. Auch wenn es keine wirkliche Lüge wäre, es wäre durchaus schön, die Gegend anzusehen. Vor allem ohne Wachen oder sonst jemanden. Axilla überlegte, wann sie zuletzt in einem Wald war, nur um in einem Wald zu sein? Das musste Ewigkeiten her sein. Das würde ihr sicher gut tun, glaubte sie. Dort konnte sie vielleicht etwas Ruhe finden. Vielleicht. Vielleicht...
    “Ja, ein bisschen im Wald sein wäre schön“, wiederholte sie dann nochmal leise, als sie doch wieder zu Archias schaute. Er liebte sie so sehr, das konnte sie ihm so deutlich ansehen.
    Dennoch ruckte sie ein wenig und sah dann einmal kurz auffordernd zur Tür, und dann wieder zu ihm. “Aber wir müssten erstmal aufstehen. Und frühstücken. Und ich sollte vielleicht vorher ins Balneum, damit deine Mutter nicht merkt, dass wir... du weißt schon.“ Sie hoffte nur, dass die Wände hier nicht allzu hellhörig waren, denn auch, wenn sie nicht unbedingt laut gewesen waren, ganz geräuschlos waren sie ja nun doch nicht gewesen. Und Axilla hatte keine Ahnung, wo die Zimmer von Archias' Eltern waren.

    Womit er diese Großzügigkeit verdient hatte? Damit, dass er sie so ansah, wie er sie ansah. Damit, dass er sich mit ihr unterhielt, und sie nicht behandelte, als wäre sie dumm oder minderwertig, sondern fast so, als sei sie ein Mann, der auch über Philosophie mitreden konnte. Damit, dass sie einfach gern in seiner Nähe war, weil sie sich dann ruhiger fühlte. “Du hast ihn gebraucht“, antwortete Axilla nur ein wenig einfältig. “Und ich will dir gerne helfen. Ich meine, ich kann ja nicht so viel für dich tun, das würde ja komisch aussehen, wenn ich irgendwo hingehen würde, um für dich Werbung zu machen. Aber das kann ich ja tun. Und soviel Geld ist das nicht. Das hat meine Färberei in einem halben Jahr wieder eingespielt.“
    Axilla sah etwas verlegen beiseite. Ihre Gründe kamen ihr kindisch vor, die ausgesprochenen wie die unausgesprochenen. Aber was sollte sie da schon groß zu sagen? Sie konnte es nicht erklären, nicht so wirklich. Und nun, nachdem Vala sie schon zum zweiten Mal in ihrem Leben geküsst hatte, ohne sie zu küssen, schon zweimal nicht.

    Im Elysium. Zufrieden. Axilla begann, sich etwas unwohler zu fühlen. Ja, sie war sicher, dass ihr Vater seinen Weg in die elysischen Gefilde gefunden hatte. Er war einen ruhmreichen Tod gestorben und hatte ein ehrenhaftes Leben gelebt. Warum sollte Orcus ihn strafen? Und trotzdem hatte er keinen Sohn, sondern nur eine Tochter. War ihr Vater mit dieser zufrieden, bei all den Dingen, die sie getan hatte?


    Sie war noch etwas in Gedanken, als Senecas Frage sie heraus riss, wofür sie ihm fast dankbar war. “Schlafen?“ antwortete sie noch etwas verwirrt und dafür umso ehrlicher. Sie hätte auch 'leben' oder 'wohnen' sagen können, aber das wäre nicht ganz richtig gewesen. Axilla entfloh dem Palast, wann immer ihr das möglich war, und verbrachte fast mehr Zeit hier in der Casa Iunia als im Domus Aeliana.
    Erst, als sie merkte, dass diese Antwort wohl etwas verwirrend war und Seneca ja nicht wissen konnte, wie die Familienverhältnisse aktuell waren, fing sie sich ganz, um ausführlicher zu antworten. “Mein Ehemann ist Aelius Archias. Wir haben auch noch eine Cousine, Serrana. Sie wohnt in der Casa Germanica bei ihrem Mann, Senator Germanicus Sedulus. Dein Onkel Silanus ist krank... er ist nach Hispania gereist, wegen der Luft. Wärst du dort geblieben, hättest du ihn vielleicht getroffen.“ Auch der leichte Scherz konnte nicht ganz über die Sorge in Axillas Augen hinwegtäuschen. Sie machte sich immernoch Gedanken um Silanus, auch wenn so vieles zwischen ihnen vorgefallen war, Gutes wie Schlechtes.

    Umstände? Welche Umstände denn? Axilla sah ihn ein bisschen verständnislos ein, was er mit Umstände meinte. Welcher vernünftige Mensch wollte lieber in einem Gasthaus schlafen als bei Verwandten? Und genau jetzt fing Axilla auch an, zu glauben, dass er mit ihr verwandt war. Denn welcher Betrüger würde in einem Gasthaus schlafen wollen?
    Aber sie kam gar nicht dazu, noch was zu sagen, weil Seneca schon anfing, in seinen Taschen zu wühlen, und allerlei Sachen daraus herausbeförderte. Unter anderem einen Würfel, auf den Axilla grinsend reagierte.
    “Spielst du?“ fragte sie, aber es klang nur neugierig und nicht anklagend. Sie erinnerte sich an einige Abende, als ihr Vater zuhause war, und seinen Schwertbruder auch eingeladen hatte. Dann hatten sie auch öfter gewürfelt, und Axilla hatte lachend und quiekend mitgemacht, bis ihre Mutter laut geworden war und geschimpft hatte, dass sich das für ein Mädchen nicht geziemte. Auch wenn ihr Vater bei solchen Gelegenheiten seiner Tochter nur verschwörerisch zugezwinkert hatte.
    Als Seneca dann aber sagte, dass sein Vater gefallen war, schwand das Lächeln bei dieser leichten Erinnerung, als sich eine andere ihren Weg an die Oberfläche grub. “Meiner in Nordhispania bei einem Aufstand“, murmelte Axilla eher tonlos, ehe sie sich auf das Siegel konzentrierte. Wie zwei Verschwörer standen sie beieinander und schauten auf den Ring mit dem iunischen Wappen, und Axilla fuhr einmal den Blitz beinahe liebevoll nach, ehe sie sich räusperte und wieder fing. “Also, du musst nicht nach einem Gasthaus suchen. Ich meine, du gehörst ja zur Familie. Da, da kann ich dich doch nicht wegschicken. Ich meine, ich selber muss zwar nachher gehen, also wieder in den Palast, aber, also..“ Axilla wusste selber nicht so genau, worauf sie hinaus wollte und was sie sagen wollte. Aber sie konnte ihn doch nicht wegschicken. “Und essen musst du ja auch was.“

    Als er die Legio erwähnte, wurde Axilla etwas hellhöriger. Er wollte Soldat werden? So ein richtig echter Soldat? Sie besah ihn sich etwas genauer und bemerkte deshalb nun auch die Zeichen der Unsicherheit an ihm. Das Ringen der Hände, der ausweichende Blick, die Modulation der Stimme, während er redete. Hatte sie etwas falsches gesagt? Sie überlegte, was sie überhaupt gesagt hatte, viel war es ja nicht gewesen, aber sie fand nichts, weshalb er sich jetzt so zurückzog. Trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen, denn es musste ja ihre Schuld sein. Naja, wobei... er war auch sehr nervös gewesen, als er überhaupt reingekommen war. Er hatte ja kaum was erzählt, immer nur, wenn sie nachgefragt hatte. Überhaupt standen sie beide hier, gut drei pedes voneinander entfernt stehend, und beäugten einander wie eine Katze die andere.
    “Ähm, du willst schon wieder gehen? Du bist doch grad erst hereingekommen?“ Irgendwie klang er so, als wolle er gleich wieder flüchten, und das schlechte Gewissen piesackte Axilla noch ein wenig mehr. “Hast du denn heute schon was gegessen? Und.. also, hast du denn eine Unterkunft?“ Axilla sah sich zwar nicht als Herbergsmutter für Fremde, aber wenn er ein Verwandter war, konnte sie ihn doch nicht so gehen lassen.
    Erst zögerte sie noch eine Sekunde, dann ging sie zu ihrem Verwandten herüber und blieb vor ihm stehen, so dass ihr Größenunterschied erst richtig auffällig wurde. “Ich meine, du kannst doch nicht müde und ausgehungert zu den Legionen gehen und in die Fußstapfen deines Vaters treten. Ich meine, er war doch auf dem Parthien-Feldzug, nicht?“ Sie sah ihn etwas genauer an. “Hast du eigentlich ein Siegel oder sowas bei dir?“ Vielleicht hatte sein Vater ihm eines gegeben? Oder seine Rüstung? Sie hatte ja auch die ihres Vaters. Wobei... vielleicht war sein Vater auch mit seiner verbrannt worden.

    Axilla hörte ihm zu und versuchte, ihm zu folgen. Immer wieder nickte sie, aber eigentlich war das nur, um Zeit für eine Antwort zu gewinnen. Im Grunde konnte sie ihn da nicht verstehen. Sie war in dieser Beziehung vollkommen anders. Für sie war es nie eine Frage gewesen, was für ein Blut in ihr floss. Ihr Kopf war voll von den Geschichten, die ihr Vater ihr erzählt hatte, die guten wie die schlechten. Auch wenn sie abgelegen aufgewachsen war und ihren Vater ja auch nicht immer sehen konnte, eben weil er bei der Legion war, sie hatte nie das Gefühl, nicht zu wissen, wo sie hingehörte. Sie war eine Iunia, und wenn es sonst nichts gab, dessen sie sich sicher war: Sie war eine Iunia. Sie fühlte sich zwar oft verloren und fehl am Platz, aber das hatte nichts mit ihrer Gens oder ihren Ahnen zu tun, sondern eher mit dem, wie sie war. Von daher war es ein wenig schwierig, da zu verstehen, wie es Seneca ging.
    Sie kaute sich also nur noch nickend auf der Unterlippe herum und überlegte an einer möglichst eloquenten Antwort. Nur fiel ihr auch dann keine ein, als sich auf ihrer Lippe schon ein kleiner Bleigeschmack bildete, ohne dass man wirklich sehen konnte, dass es blutete. “Ähm, ja. Also bist du nur nach Rom gekommen, um deine Verwandten kennenzulernen?“ Das war an Eloquenz nicht zu unterbieten, aber Axilla fiel einfach nichts vernünftiges ein. “Ich meine, was willst du denn dann hier in Rom machen? Was hast du denn in Tarraco bisher gemacht?“ So richtig realisiert, dass da nun jemand war, der sie gerne kennenlernen wollte, hatte Axilla noch nicht. Sie schwankte noch zwischen dem Misstrauen, das sie sich vorgenommen hatte, und ihrer üblichen Naivität. Einen Moment wünschte sie sich, Silanus wäre hier.

    Da ich gerade erst jemanden in die Gens aufgenommen habe, wäre es toll, wenn du mir via Forenmailer (PN schreiben geht ja noch nicht) deine ICQ-Nummer zukommen lassen könntest. Ich würd mich da gern mit dir etwas genauer unterhalten, um abschätzen zu können, wie groß der Zeitaufwand für deine Einführung in die Familie usw. dann wäre, ehe ich eine Entscheidung treffe. Denn wie schon mehrfach erwähnt, ich bin grad auch gut eingespannt.

    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Der gesamten Gens seine Aufwartung machen... Araros sah den Mann kurz an und überlegte, ehe er antwortete.
    "Domina Iunia Axilla ist die Ehefrau von Aelius Archias und wohnt im Palast. Domina Iunia Serrana ist die Ehefrau von Senator Germanicus Sedulus und wohnt in der Casa Germanica. Wenn du mit einer der beiden Damen zu sprechen wünscht, musst du es dort versuchen oder einen Termin vereinbaren. Domina Axilla ist zumindest häufiger in der Casa Iunia, nur im Moment nicht. Dominus Iunius Silanus ist nach Hispania abgereist vor einigen Wochen."

    Aus der Nähe von Tarraco? “Oh, von wo denn?“ fragte Axilla neugierig und vergaß dabei die gerade noch so mühsam erstellte Fassade der furchteinflößenden Matrona. “Ich komm auch von da in der Nähe. Mein Vater hatte den Hof gebaut, wenn man Von Tarraco aus Richtung Nordwesten der Straße folgt und dann Richtung Westen abbiegt... ähm, also... ungefähr.“ Ein wenig Heimweh schlich sich in Axillas Stimmung, und sie schüttelte es wie immer ab und erinnerte sich daran, dass sie doch furchteinflößend sein wollte. Was ein wenig schwieriger wurde, denn sie hatte beim Reden die Hände vorgenommen und offenbarte damit das Tuch und die Tintenflecken an ihrer rechten Hand, die trotz allen Reibens nicht ganz wegzubekommen gewesen waren.
    “Ähm.. oh.“ Peinlich berührt schaute sie auf das Tuch und wusste einen Moment nicht, wohin damit, bis sich einer der Sklaven pflichtschuldig zu ihr gesellte und ihn ihr abnahm. “Danke“, murmelte sie noch und sah ihm einen Moment hinterher, ehe sie sich wieder ihrem Verwandten zuwandte. “Ähm, ja, ich hab eben noch Briefe geschrieben“, entschuldigte sie sich etwas verlegen. Sie räusperte sich kurz und versuchte, ihr eben noch so mühsam aufgebautes Selbstbewusstsein wieder zu reaktivieren. “Und du willst uns kennenlernen?“ Es klang bei weitem nicht so böse und skeptisch, wie Axilla das wohl gerne hätte, sondern wie immer eher neugierig.

    Sein Name sagte Axilla nichts. Aber wie auch, sie kannte nicht ihre gesamte Familie, und so genau hatte sie sich mit den weiten Verzweigungen des Familienstammbaums auch nie auseinandergesetzt. Die, die im Kampf gefallen waren, ihre Helden, die kannte sie, und ihre Onkel – wobei das hierbei in den meisten Fällen identisch war . Aber sonst wusste sie eigentlich herzlich wenig. Aber den Vater von Seneca, den wiederum kannte sie. Sie hatte ihn zwar nie gesehen oder getroffen, sie wusste nur, dass es Silanus Bruder war. Und auch, dass der Kinder gehabt hatte.


    Es war interessant, Seneca so gegenüber zu stehen. Er war der erste Mensch, auf den Axilla traf, von dem sie glaubte, dass er Angst vor ihr hatte. Noch nie hatte jemand Angst vor ihr gehabt! Nungut, der eine Iulier bei der Verlobungsfeier von Centho und Caliphania hatte auch vor sich hingestottert bei ihr, aber das war was anderes. Seneca schien weniger schüchtern, sondern wirklich eher besorgt, sie könne ihm was tun. Und das war ganz neu für die Iunia, die mit ihrer zierlichen Gestalt und dem tintenverschmierten Tuch hinter dem Rücken sich ungefähr so gefährlich vorkam wie ein Hundewelpe. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Züge, die sich etwas weiter entspannten. Sie war gefährlich! Hah! Das war neu, das war aufregend.
    “Ich bin Iunia Axilla. Und dein Vater hat dich hergeschickt nach Rom...?“ Sie gefiel sich in der Rolle als erschreckende Matrone und erinnerte sich an die kleine Falle, die Urgulania ihr damals gestellt hatte, als sie in Alexandria an die Porta der Iunier geklopft hatte. Ja, sie würde es einfach so machen, wie Urgulania damals, dann würde sie doch sicher rausfinden, ob dieser Iunier hier wirklich echt war! Ihr Grinsen wurde etwas breiter.