Beiträge von Iunia Axilla

    Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Axillas Herzschlag wieder beruhigt hatte und auch ihr Atem ruhiger ging. Nachdem Archias anfangs so vorsichtig und zögerlich war, dass sie beinahe wütend geworden wäre, hatten sie beide ein Maß gefunden, dass ihm offenbar seine Sorgen nahm und Axilla mehr als ausreichend forderte. Und nun lag sie mit mehr als empfindlicher Haut neben ihm, schmiegte sich einfach an ihn und genoss den Geruch seiner Haut. Sie schmiegte sich kurz schon halb schlafend enger an ihn, wollte diesen Geruch auf sich haben, rieb ihren Kopf fast katzengleich einmal an ihm, ehe sie sich wieder erschöpft fallen ließ und einfach nur tief durchatmete.
    “Hm?“ machte sie verträumt, als er etwas sagte. Ihr Körper war noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie wirklich aufpassen würde, was er sagte. Erst nach einem Moment sickerte die Bedeutung der Worte in ihr Bewusstsein, und sie knuffte ihn ganz leicht. “Wie kannst du nur jetzt ans essen denken?“ fragte sie ihn, aber es war deutlich zu hören, wie gespielt dieser Vorwurf doch war. Sie selbst hatte keinen Hunger, aber sie hatte auch selten wirklich Hunger. Meistens musste sie ans Essen erinnert werden. Und im Moment war sie viel zu erschöpft, um jetzt noch aufzustehen oder auch nur zu kauen. Eigentlich wollte sie jetzt am liebsten einfach nur schlafen, und je länger sie dalag, umso näher war sie dem auch.
    “Mein Mann...“, murmelte sie noch und kuschelte sich noch etwas mehr an ihn. Ihr war kalt, aber sie wollte sich keinen einzigen digitus bewegen. Nichtmal, um die Decke zu holen. Ihr Atem wurde immer gleichmäßiger und flacher, und schließlich war sie auch so eingeschlafen.

    Warum nur musste Vala so gut hinhören? Und warum fragte er dann nach? Axilla wich seinem blick wieder aus, suchte nach Worten. Noch bevor sie eine gute Antwort parat hatte, fuhr Vala schon fort und fragte sie etwas, das weitaus leichter zu beantworten war, weshalb Axilla erst einmal darauf einging. “Ja, er heiratet mich trotzdem. Und er weiß davon. Alles. Auch, dass ich...es verloren habe...“ Es lag kein Schmerz in Axillas Stimme, als sie das sagte, und noch nichtmal Traurigkeit. Es tat ihr nicht weh, dass sie das Kind verloren hatte. Allein die Vorstellung, es hätte wegen der versuchten Abtreibung einen Makel haben können, jagte ihr Schauer über den Rücken. Ohne zu zögern hätte sie es dann ausgesetzt. Ob Archias das allerdings auch so gehandhabt hätte, war fraglich, und immerhin war es ja sein Kind. Sie hatte da kein Recht, darüber zu verfügen. Rein vom Rechtlichen her war sie ja noch nicht einmal mit ihren Kindern richtig verwandt. Außer Archias hielt Wort, und sie würden Axillas Ahnen zu den ihren aufnehmen dürfen, wenigstens Axillas Vater. Es war fast schon erleichternd, dass das Kind fort war, denn so hatte Axilla auch die Gewissheit, dass Archias Seiana nicht nur deshalb hatte sitzen lassen.
    Aber sie schämte sich. Ihre Mutter hatte so viele Kinder verloren, so viele von Axillas Geschwistern waren gestorben, bevor sie auch nur ein Jahr alt wurden. Axilla wollte nicht, dass das bei ihr ebenso war. Sie wollte nicht, dass sie am Ende noch als unfruchtbar galt, weil sie kein lebendiges Kind gebären konnte. Sie brauchte so unbedingt einen gesunden, starken Sohn, der das Erbe ihres Vaters weitertragen würde. Und da war es schwer, es zuzugeben, selbst wo Vala von ihrem gesamten Hintergrund nichts wusste. Und sie würde es ihm sicherlich nicht erzählen.


    Und mit einem Mal war die Stimmung irgendwie anders. Auch wenn Axilla sie durch einen Scherz aufzuheitern versucht hatte, irgendwas war anders. Trauriger. Als sie ihre Hand zurückzog, griff Vala danach, hielt sie fest. Axilla versuchte noch nicht einmal, sie ihm zu netziehen. Selbst wenn er jetzt ganz locker gelassen hätte, sie hätte sie dort gelassen, wo sie jetzt war. Ganz sanft schlossen sich ihre Finger leicht um seine Hand. Naja, so gut es eben ging, denn ihre Hände waren geradezu winzig im Vergleich zu seinen. Zwar nicht so feingliedrig und damenhaft, wie es ideal gewesen wäre, aber dennoch eindeutig weiblich, eindeutig weicher als seine Hände. Ganz vorsichtig fuhr sie mit ihrem Daumen über eine leichte Schwiele, die wohl früher einmal stärker gewesen war, jetzt aber in der Zeit in Rom sich zurückgebildet hatte.
    Und die ganze Zeit sah sie ihm in die Augen. Sie hatte seine grauen Augen noch nie so gesehen. Sie hatte sie schon vor Wut blitzen, im Schalk strahlen oder vor Zorn schwarz werden sehen, aber noch nie hatte sie ihn so verletzlich und sanft gesehen. Bis eben hatte sie immer, immer zu ihm hochgesehen, ihn wie ein Ideal angehimmelt. Aber jetzt, in diesem einen Moment, waren sie auf einmal auf Augenhöhe. Axilla hatte keine Ahnung, woran er dachte, konnte es noch nicht einmal erraten oder vermuten. Aber dieser eine Blick aus seinen Augen reichte, um endloses und ewiges Mitgefühl in ihr zu entfachen. Er sah so einsam in diesem Moment aus. Und wenn er nicht schon zuvor einen Teil ihres Herzens gehabt hätte, jetzt hätte er ihn mit Sicherheit erobert.
    Sie sagte nichts, konnte nichts sagen. Sie war einfach nur da, streichelte ab und an ganz vorsichtig und sanft mit ihrem Daumen über seine Handfläche und betrachtete seine grauen Augen. Sah den Wechsel darin, kurz bevor er ihre Hand losließ und sich auch zurücklehnte, sich wieder hart machte, so wie sie sich immer künstlich fröhlich machte, wenn sie das fühlte, was sie in ihm gerade gesehen hatte. Kurz ging ein Impuls durch ihren Körper, ihm nachzugehen, nachzurutschen, sich einfach nur an ihn zu kuscheln um ihm zu zeigen, dass sie noch da war. Aber sie ließ es, ließ ihm seine Kraft und ihr ihre Würde.
    Seine Worte klangen hart und kräftig, fast abweisend. Axilla holte leise Luft, um etwas zu sagen, wusste aber nicht, was. Und da stand Vala auch schon hastig auf und wollte sich verabschieden.
    “Du musst nicht gehen!“ war das erste, was blitzartig aus ihrem Mund geschossen kam, als sie ebenfalls aufstand und einen Schritt auf ihn zumachte. Alles in ihr drängte danach, die Nähe wieder herzustellen, aber sie blieb stehen. Der Moment war vorbei, sie konnte ihn nicht zurückholen. Und sie sollte das auch nicht. Er war ein Mann, ein Kämpfer, er musste stark sein. Das wusste Axilla, und im Grunde wollte sie ja auch nichts anderes. “Ich meine, also... wenn du noch wichtige Termine hast, kannst du natürlich, ich will dich nicht aufhalten. Ich meine nur... es war sehr schön, sich mit dir zu unterhalten. Es wäre schön, wenn wir das in Zukunft öfter tun könnten. Und sag doch Axilla zu mir.“
    Ihre Augen waren weiter auf die von Vala fixiert, fast wie eine Motte, die nur zum Licht streben konnte. Daher merkte sie nichts von der Figur, die auf der Kline nun lag.

    Ihr Körper reagierte instinktiv und heftig auf seine Berührungen. Es war so lange her, sie hatten so lange Rücksicht auf ihren Körper nehmen müssen. Erst die missglückte Abtreibung, dann die Fehlgeburt... Axilla war geradezu ausgehungert nach seinen Berührungen. Und vor allem war sie hungrig nach seiner Begierde.


    Auf seine Worte hin musste sie frech grinsen. Sie drehte ihren Kopf leicht, aber es reichte nicht, um ihn wirklich zu sehen, vor allem, da er ihren Nacken verwöhnte, bis ihr schwindelig war. “Und was, wenn nicht?“ flüsterte sie frech zurück, vergaß dann aber alles weitere, was sie noch sagen wollte, als sie fühlte, wie er ihr anfing, das Kleid hochzuschieben. Seine Hände durch den Stoff zu fühlen war schon berauschend, als er ihr dann aber die Fibel löste und sie erneut an sich zog, war Axilla geradezu willenlos.
    Er ließ sie los, so dass Axilla sich hätte umdrehen können. Aber sie wendete nur leicht den Kopf, um Archias einmal anzuschauen. Sie sah die nur mühsam zurückgehaltene Begierde in seinen Augen, und stöhnte einmal leise, statt etwas zu sagen. Sie fuhr mit ihrer Hand noch einmal durch sein Haar und löste sich dann von ihm, krabbelte einfach auf allen Vieren auf das Bett und wartete, dass er dazukommen würde.

    Axilla hörte nur das leise Rascheln des Stoffes seiner Tunica, wusste aber nicht, ob er nun aufgestanden war oder sich nur gereckt hatte. Sich umzusehen traute sie sich nicht. Sie nestelte weiter an dem verflixten Gürtel, bis sie schließlich doch Archias' Atem wieder in ihrem Nacken fühlte. Kaum eine Sekunde später hielt er auch schon ihre Hände fest und hinderte sie daran, weiterzumachen. Sie schloss ganz leicht die Augen und ließ sich eine Winzigkeit nach hinten gegen ihn sinken. Sie mochte das Gefühl von seiner Kraft hinter ihr, das fühlte sich so beschützt an.
    “Vielleicht finden wir ja jemanden, der so einen Knoten machen kann. Irgendwo ist hier doch sicher noch etwas Leinen...“ Ihre Stimme war leise und etwas unsicher, aber je mehr Archias ihren Hals und ihren Nacken küsste, umso gleichgültiger wurde ihr alles, was vorher gewesen war. Er ließ ihre Hände los, und Axilla nutzte die Gelegenheit, mit einer Hand in sein Haar zu fahren und ihn so enger an sich zu ziehen. Ihr Atem verriet, dass ihr sehr gefiel, was er da machte, und je mehr er machte, umso mehr konnte man es hören.
    “Aber du musst... mmmmmh... vielleicht noch etwas vorsichtiger... hhhhhhhh... sein. Ich weiß nicht... aaahh... wie gut es geht....“
    Sie schmiegte sich noch mehr an ihn und hoffte, dass er die Signale ihres Körpers zu deuten wusste. Sie hatte keine Bedenken, er könne ihr weh tun. Das hatte er noch nie getan und würde er auch zukünftig nicht, da war sie sich sicher. Aber sie musste es sagen, ehe es in leidenschaftlichem Ungestüm doch noch ein Unglück gab.

    Er klang nicht unbedingt begeistert von der Aussicht, mit ihr zu Bett zu gehen. Sie musste ja nichts machen, dafür war die Stimmung vielleicht wirklich zu sehr im Eimer, aber wenigstens gemeinsam dort schlafen konnten sie doch? Axilla kratzte sich verlegen am Unterarm. Einen Moment war sie versucht, auszuweichen und zu fragen, ob er ihr lieber ihr Zimmer zeigen wollte – sofern sie denn schon eines hatte. Oder nach Hause gehen sollte. Wobei dann die Ehe nicht gültig wäre. Aber besonders auf diese zu freuen schien sich Archias auch nicht mehr.
    “Ja... also, wenn du auch willst...“, murmelte sie schließlich als Antwort und sah dabei Archias nicht an. Sie wollte kein 'Nein' in seinen Augen jetzt sehen. Irgendwie fühlte sich grade alles so betrübt und stickig an.
    Sie fühlte sich zunehmend unsicher und merkte, dass sie anfing, herumzuhampeln. Also drehte sie sich einfach und rasch um und ging vor das Bett, wo sie stehen blieb. Unsicher nestelte sie an ihrem Gürtel herum, um diesen zu öffnen. Sie wollte sich nicht angezogen ins Bett legen. Und vielleicht kam Archias ja doch noch dazu, überlegte sie sich.

    Tja, welche Leute machten das nur? So ziemlich alle da draußen. Axilla war es herzlich egal, wer welchen Namen trug und was irgendwer in dessen Familie war. Die meiste Zeit jedenfalls. Für sie zählte, ob sie denjenigen leiden mochte oder nicht, und das war unabhängig von der Gens oder auch dem sonstigen Stand. Aber so funktionierte die Welt nunmal nicht, und so egal Axilla das auch bei ihren Gesprächspartnern war, so wenig egal war es ihr, wenn man über ihre Gens so sprach. Das war diese eine Sache, die sie nicht losließ und von der sie nicht abrücken konnte, denn der Name ihrer Gens hing unmittelbar mit dem Namen ihres Vaters für sie zusammen. Und sie würde nie zulassen, dass jemand schlecht über ihn sprach.
    So konnte sie nicht viel mehr als traurig zu Archias hochschauen, wie er schmollte. Er wollte da nicht hin, das wusste Axilla. Die Götter wussten, sie wollte da auch nicht hin. Aber das musste eben sein. Sie atmete noch einmal tief durch und stand dann langsam auf. Sie hatte keine Ahnung, was sie noch machen sollte. Ganz sicher hatte sie sich ihre Hochzeitsnacht nicht so vorgestellt. Aber sie wollte Archias auch nicht zu irgendwas überreden oder mit irgendwas verführen, wenn er es nicht von sich aus wollte. Sie war da nicht durchtrieben genug, um so etwas zu machen. Nicht mit ihm.
    “Gut... danke...“ Unsicher sah sie einmal zwischen ihm und dem Bett hin und her. Sie wusste nicht, was sie jetzt weiter machen sollte. Im Moment kam sie sich wirklich fast vor wie eine Braut in ihrer Hochzeitsnacht: Sie war zwar vorbereitet worden, hatte im Grunde aber keine Ahnung.
    “Kommst du mit ins Bett?“ fragte sie also direkt und reichlich unsicher. Sie sah, dass Archias enttäuscht war, und sie wusste, dass es ihre Schuld war. Aber sie konnten sich ja kaum hier jetzt so anschweigen. Das war doch ganz anders geplant gewesen!

    Wie man die Stimmung killt:
    Man nehme eine Hand voll Unsicherheit, dazu eine Prise Zweifel und ein kompliziertes Thema nach Wahl, mixe das ganze gut durch und gebe nach belieben eine überforderte Bemerkung hinzu.


    Nach etwa diesem Rezept hatte Axilla eben den Rest an sexueller Spannung im Raum wohl endgültig getötet. Archias ließ von ihr ab, gab ihr die Fibel in Löwenform wieder und setzte sich auf einen Stuhl. Auch noch so, dass die Stuhllehne zwischen ihnen beiden war, wie eine schützende Mauer. Und ihm gefiel die Situation sichtlich nicht. Nun, Axilla gefiel sie ja im Grunde auch nicht, aber das war wichtig.
    Sie sah einen Moment den goldenen Löwen an und blinzelte einfach nur, während sie überlegte. Sie hatte sich ihre Hochzeitsnacht irgendwie anders vorgestellt. Sie seufzte einmal und ging dann Archias hinterher, den Löwen noch immer in der Hand. Vor seinem Stuhl ging sie in die Hocke, so dass sie wieder kleiner war als er, und sah ein wenig zu ihm hoch. Sie streichelte ihn einmal kurz mit ihren Händen je rechts und links über die Wange und vergaß dabei das doofe Kleid, so dass ein Träger herunterrutschte und einen schönen Einblick auf ihre Schulter und andere Hautpartien freigab.
    “Ich will da doch auch nicht hin. Aber ob ich will oder nicht, sie gehört zu meiner Familie. Ich meine... du weißt doch, wie das ist. Wenn du etwas anstellst, fällt das auf die gesamte Gens des Kaisers zurück!“ Hilflos warf Axilla einmal die Hände nach oben, um die gesamte Ungerechtigkeit dieser Tatsache zu verdeutlichen. “Und bei mir fällt es auf die Gens des Republikgründers zurück. Die Iunier haben dank Iunius Brutus schon einen Ruf von Verrätern und Mördern. Aber wir waren immer einig. Ich kann da jetzt nicht auch noch die Gens entzweireißen, wenn ich einfach nicht komme.“
    Vergebung heischend sah sie zu ihm hoch. Sie traute sich jetzt nicht, sich ihm mehr anzunähern oder ihn zu verführen und dadurch seine Vergebung zu erschleichen. Sie wollte doch, dass er sie verstand.

    Er ging gar nicht auf das ein, was sie gesagt hatte! Axilla konnte es gar nicht fassen, wie er denn nur darüber ganz hinweggehen konnte und stattdessen wieder vom Ring anfangen. Und mit noch was anderem, was sie noch mehr verwirrte.
    Er küsste sie und versprach ihr einen neuen Ring und machte sich daran, sie zu entkleiden. Aber jetzt war Axilla grade alles andere als in Stimmung. Ihr war das wichtig, da konnte er doch nicht einfach so drüber weggehen! Und überhaupt, wie kam er darauf, dass sie einen anderen Ring wollte.
    “Lass das“, meinte sie vielleicht etwas abweisend und wand sich kurz aus seinen Liebkosungen. Hätte er direkt damit angefangen, als sie hereingekommen waren, sie wäre über ihn hergefallen. Aber jetzt war ihr Verlangen abgekühlt, und ihr Kopf voll mit Gedanken über diese Reise.
    “Du brauchst mir keinen anderen Ring zu kaufen. Der hier ist doch wundervoll. Was will ich mit noch einem, ich werd nur den hier tragen.“ Sie sah erstmal zu ihm auf und hielt mit ihrer Hand das Kleid dort fest, wo er ihr die Fibel geklaut hatte, so dass nichts runterrutschte. Sie hatte zwar keine Scham vor Archias, aber sie wollte das jetzt wirklich erst bereden. Vorher ging das einfach nicht, sie konnte das nicht so beiseite schieben.
    “Aber mit der Reise.... ich meine, wir können doch nicht einfach wegfahren. Ist doch egal, wie ich zu meiner Cousine und dem ganzen Blödsinn stehe, wir können doch nicht einfach nicht da sein.“ Auch wenn es ihr irgendwie leid tat, ihre Hochzeitsnacht mit so einem Gespräch einzuleiten, das war jetzt eben wichtig.

    Hatte Axilla noch gehofft, verbergen zu können, was geschehen war, machte Vala diese Hoffnung schon mit seinem ersten Satz zunichte. Wieder ging ihr Blick beiseite, wich seinem Aus, während sie mit halb offenem Mund nach einer passenden Lüge suchte. Es musste ja nichts großes sein, sie musste einfach nur abstreiten, was sie abstreiten musste. Das sollte doch unter keinen Umständen publik werden! Und wenn sie sich schon bei Vala verriet, wie sollte sie das dann erst abstreiten, wenn es wirklich drauf ankam?
    “Ich weiß nicht, was du meinst...“ versuchte sie es schwach, wurde dann aber von ihrem Gesprächspartner vollkommen überrascht.
    Ihr Blick ruckte kurz zu ihm und sie konnte gerade noch verhindern, dass ihr der Mund offen stand. Er fand das gut und war davon beeindruckt. Axilla blinzelte einmal und musste sich den Moment zusammenreißen, nicht wie ein Schaf nachzufragen, was er daran gut finden könnte. Auch wenn sie manchmal etwas länger brauchte, zwei Sekunden später kam ihr eine mögliche Erklärung. Auch wenn ihr diese nicht wirklich in Bezug auf ihren Charakter gefallen wollte.
    Wenn man davon ausging, sie habe Archias absichtlich verführt und wäre absichtlich schwanger geworden, um ihre Gens an die des Kaisers zu binden und ihn so zu überzeugen, sie anstatt Seiana zu halten, dann wäre das natürlich ein gewagtes, aber doch taktisch vortreffliches Meisterwerk gewesen. Wenn man Axilla soviel Kalkül und Gewissenlosigkeit unterstellen wollte, war das sicher etwas, was auf gewisse Weise beeindrucken konnte. Aber so war es ja gar nicht gewesen! Sie hatte ganz sicher nicht schwanger werden wollen, und eigentlich schämte sie sich dafür, dass Archias ihretwegen Seiana verlassen hatte. Nur konnte sie das Vala jetzt nicht sagen, denn auch, wenn es ein Lob aus falschen Gründen war, sie genoss seine Aufmerksamkeit und Anerkennung.
    “Ähm. Also...“ Die Entscheidung war nicht wirklich einfach, und Axilla war sich auch sicher, dass Abstreiten jetzt nichts nützen würde. Die Wahrheit sagen ging aber auch nicht, zumindest nicht ganz. Sie war sich sehr unschlüssig, was sie darauf erwidern sollte, versuchte es dann aber doch damit, sich seinen Respekt zu erhalten und nicht wieder kaputtzumachen, indem sie zugab, dass es nur ein Unfall gewesen sei. “Natürlich war es von ihm.“ Sie versuchte, es so klingen zu lassen, als sei sie über die Frage kein wenig entrüstet und als kratze sie nicht an ihrer Ehre. Eher wie eine Belanglosigkeit, wenngleich ihr das wohl nicht gelang.


    Da war das Thema der Hochzeit ja geradezu erbaulich dagegen, und Axilla fast froh, hier etwas erklären zu können, was sie nicht durch irgendwelche Lügenkonstrukte künstlich aufrecht erhalten musste. Hier konnte sie einfach reden, was sie dachte, und musste keine Wirkung nach außen dabei mit im Kopf behalten. Das war um Welten einfacher für sie, als sich so zu verstellen, nur um seinen Respekt zu behalten.
    Seine ersten Worte klangen poetisch, und das überraschte Axilla doch, hatte sie ihn so doch bisher noch nie sprechen hören. War das von ihm, oder rezitierte er wohl? Sie wollte ihn fast danach fragen, als er schon fortfuhr und Axilla aus dem ganzen Konstrukt an Informationen die eine raushörte, die sie verlegen lächeln ließ. Er fand sie schön! Die Farbe kehrte in ihr Gesicht zurück und legte sich als sanfte Röte auf ihre Wangen, als sie kurz verlegen zu ihm hochschaute, als er das sagte. Erst danach wurde sie beinahe erschrocken ernst, und diesmal vergaß sie seine Abneigung gegen Berührungen und griff kurz nach seiner Hand. “Nein, ganz bestimmt nicht.“ Sie schüttelte kurz den Kopf, ehe sie merkte, dass sie ihn berührte, und ihn verlegen wieder losließ. Sie lächelte ihn an, legte den Kopf leicht schief. Nicht mehr mit ihm reden, wie kam er auf die Idee? “Wir können uns nur vielleicht nicht im Palast treffen.“ Es klang fast ein wenig kokett. Vor allem, als sie noch etwas anfügte. “Aber Archias muss ja auch nicht alles wissen, nicht?“ Sie würde sich sicher nicht vorschreiben lassen, wen sie gernhaben durfte und wen nicht.

    Er kam mit? Axilla drehte sich grade verwirrt zu ihm um, als er auch schon näher kam, sich direkt vor sie stellte und auf ihre ungestellte Frage antwortete. Er wollte wegfahren. Eine Reise, einfach so, um der Hochzeit zu entgehen. Und bevor Axilla etwas sagen konnte, küsste er sie und verwirrte sie damit noch mehr. Sein Kuss schmeckte nach mehr, aber eben noch hatte er sie ausgebremst, obwohl er wusste, dass sie mehr wollte. Und als der Kuss endete, fragte er sie auch nach dem Ring und ließ Axilla so vollkommen perplex dastehen und glotzen.
    Ähm... ich.. ja, der ist hübsch. Ich mag Bäume. Und Holz ist lebendig. Und.. ähm...“ Ne, so ging das nicht. Axilla drückte Archias etwas von sich weg und trat dann beiseite, weg von dem Tisch und damit aus seiner Umarmung. So konnte sie nicht denken, wenn er sie so hielt, das verwirrte nur noch schlimmer. Und jetzt war ihre Verwirrung schon so stark, dass man es ihr deutlich ansah.
    “Aber was meinst du mit wegfahren und zur Hochzeit nicht da sein? Wohin willst du denn fahren? Und, ich kann doch nicht einfach hier abhauen. Wie sieht das denn dann aus?“
    Es war ja nicht so, dass Axilla nicht am liebsten nicht auf die Hochzeit gehen wollte. Sie wollte da nicht hin. Sie fand den Gedanken an diese ganze Farce schon unerträglich. Sie musste das nicht noch miterleben, und wenn sie auf nichts und niemand anderen zu achten gehabt hätte, sie hätte nichts lieber getan, als abzuhauen. Aber sie war eine Iunia! Und nicht nur das, sie war eigentlich genau genommen gerade Hausherrin der Casa. Wobei, jetzt wohl aktuell nicht mehr, da sie ja hierher umzog, aber bis eben gerade war sie das gewesen. Und wie sah das nach außen hin aus, wenn sie einfach abhaute?

    Den entgegenkommenden Katander nahm Axilla nur am Rand wahr. Ihre Augen waren bei Archias und ihre Gedanken bei dem, was sie die nächsten Stunden zu tun gedachte. Fast schon im Gehen hüpfend folgte sie ihm beschwingt bis hinein in sein Cubiculum. Sie rechnete damit, er würde sie gleich mit sich aufs Bett ziehen, und so tänzelte sie an ihm vorbei und auf eben jenes zu, als sie merkte, dass er bei der Tür stehen geblieben war. Ihr Lachen stockte kurz, aber dennoch lächelte sie, als sie ihn ansah. Er lehnte da, mit verschränkten Armen, als wolle er nicht riskieren, dass sie sich noch einmal so an ihn schmiegte und ihn damit in Versuchung führte. Und dass er in eben jener gewesen war, das hatte sie sehr deutlich gefühlt.
    Aber vielleicht meinte er ja auch, es ginge nicht? Axilla selber war sich da ja auch nicht so sicher, wie lange sie denn warten sollte damit. Immerhin war in ihrem Bauch einiges vonstatten gegangen, das so nicht geplant war. Aber sie fühlte sich gut, sie fühlte sich gesund, es tat nichts weh. Und vor allem wollte sie ihre Hochzeitsnacht. Nur jetzt, als Archias so stehen blieb und die Arme verschränkte, zögerte sie auch und zwang ihre Begierde erstmal zurück.
    Kurz konnte man es vielleicht in ihrem Blick sehen, ehe sie sich gefangen hatte und ihre eigene nun aufgekommene Unsicherheit einfach gekonnt überspielte. Sie ließ ihre Arme etwas ausschwingen und sah sich einmal in dem sauber hergerichteten Zimmer um. An der Obstschale blieb sie stehen, nahm eine Birne heraus und drehte sie ein wenig in der Hand, ehe sie sie zurücklehnte. “Du weißt, dass das gemein ist, weil ich dir nichts schenken kann“, meinte sie gespielt vorwurfsvoll und drehte sich ihm dann wieder zu. Sie selbst ließ ihr Gesäß leicht gegen den Tisch sinken und lehnte sich so ihrerseits etwas an. “Was natürlich nicht heißt, dass ich sie deshalb nicht haben will“ setzte sie noch lächelnd hinzu. Und sie war ja wirklich gespannt, was er mit seiner Überraschung nun meinte.

    Es war geschafft! Sie hatte den Laren das dargebracht, was ihnen zustand, und sich damit unter ihren Schutz gestellt. Ob sie ihre eigenen Laren, die sie aus Hispania noch mitgenommen hatte, wohl auch hierher mitbringen durfte? Das musste sie Archias noch fragen.
    Den Kopf voll von diesem eigentlich momentan zweitrangigem Gedankengut richtete sie sich wieder auf und fühlte Archias auch schon in ihrem Rücken. Er schob sich an sie, umarmte sie, zog sie an sich. Sie fühlte seinen Atem in ihrem Nacken und kurz flackerte ihr Blick, als sie dieses Gefühl einfach über sich hereinbrechen ließ. Ihre Hand griff blind nach hinten zu seinem Kopf, fuhr ihm durchs Haar und zog ihn noch ein wenig näher. Axilla wusste sehr genau, was sie wollte, aber dafür sollten sie wohl aus der Küche verschwinden.
    “Nein, damit hab ich wirklich nicht gerechnet. Aber er ist gut. Nein, der Tag ist besser.“ Sie ließ sich noch weiter zurück sinken, schmiegte damit ihren Körper noch enger an den seinen. “Und er ist noch nicht vorbei… Meinst du denn, er kann noch besser werden? Es fühlt sich fast so an…“
    Axilla verlieh ihren Worten mit ihrer Hand noch etwas mehr Nachdruck und hoffte inständig, dass Archias diesen sehr eindeutigen Wink als Aufforderung, sein Cubiculum aufzusuchen, verstand.

    Inzwischen hatte Archias wirklich Übung darin, Axilla zu tragen, und dies war, soweit sie sich erinnern konnte, das erste Mal, dass sie dabei nicht heulte. Dennoch kuschelte sie sich instinktiv näher an ihn und umarmte ihn dabei, um besseren Halt in seinen Armen zu haben, während er sie die paar Schritte trug und dann sicher wieder auf dem Boden absetzte.
    Jetzt sah Axilla auch die Schalen, und sie wollte bereits ihre Hände darüberhalten, als Archias sich an ihr vorbeischummelte und die Schale mit dem Wasser nahm, um sie ihr persönlich zu reichen. Ein wenig verunsichert wegen den Münzen in ihrer Rechten nahm sie so die Schale vorsichtig in die linke Hand. Die war ja zum einen nicht schwer und Axilla auch kein Schwächling. Die zweite mit dem Feuer in der Hand mit den Münzen zu balancieren war da schon bedeutend schwerer, und Axilla wackelte gehörig, als sie diese beiden Schalen dann mit angehaltenem Atem an Katander weiterreichte und damit das Ritual wohl vollzogen hatte.
    Erleichtert atmete sie auf und sah zu Archias hoch. Einen Moment stand sie einfach nur da und war froh, das eben geschafft zu haben, ehe sie seiner ausgestreckten Hand gewahr wurde. Da war ja noch was.
    Verlegen schaute sie sich zu der versammelten Dienerschaft um und lächelte noch viel verlegener, ehe sie sich zusammenriss und möglichst feierlich Archias eine der drei Münzen in die Hand gab. Allerdings konnte sie das Lächeln dabei einfach nicht unterdrücken. Sie sah ihn noch einen Augenblick an, dann drehte sie sich um und schritt möglichst würdevoll den Gang entlang bis zur nächsten Kreuzung. Dort legte sie die zweite Münze sorgfältig für die Laren auf den Boden.
    Nur jetzt hatte sie ein kleines Problem. Sie würde ja gern zielstrebig weitergehen, aber sie hatte keine Ahnung, wo hier den der Herd war. Sie wusste noch nichtmal, wo die Culina den überhaupt war. Erst schaute sie noch, ob sie es nicht doch selber finden würde, dan aber drehte sie sich doch um. “Wo ist denn der Herd?“ flüsterte sie drängelnd.

    Es war ja beinahe schon ein Wunder, dass sie überhaupt och hierher gekommen waren. Seit ihrer Hochzeit meinte Axilla, dass Archias wohl möglichst rasch einen Erben mit ihr zeugen wollte – und dazu jede Gelegenheit auch nutzte. Und sie hatte sicherlich nichts dagegen. Und hier und heute zu spät zu kommen war für sie auch nichts schlimmes, brachte es doch ihre Missbilligung auf eine Art und Weise zum Ausdruck, die subtiler und gleichzeitig offensichtlicher nicht hätte sein können. Und Axilla missbilligte diese zur Schau gestellte Verballhornung von Bräuchen zutiefst – nicht nur, weil es gleich obendrein noch Calvena betraf.


    Und so kamen sie beide erst an, als die Haruspizien bereits eingeholt wurden. Archias sah mit seiner Toga richtig schnieke aus, fand sie. Vorsichtig, um die kunstvollen Falten nicht durcheinander zu bringen, fuhr sie ihm einmal an der Seite entlang. Sie selbst trug ein Kleid aus sattem, dunklen Grün, dazu einen schmalen, goldenen Gürtel. An den Schultern saßen flache Fibeln, ebenfalls aus Gold, die bei genauer Betrachtungsweise die Form von Efeublättern hatten. Ihr Haar hatte sie – beim zweiten Mal frisieren heute – kunstvoll zusammenstecken lassen. Ein kleiner, goldener Reif blitzte diademgleich durch die dunklen Locken, die entweder sittsam zusammengesteckt waren oder schon beinahe nach Freiheit drängend über ihre Schultern nach unten flossen.
    So herausgeputzt betrat Axilla also die Hochzeit ihrer Cousine und sah sich um. Naja, sie hatten aus dem wenigen Raum, den die Casa bot, wohl das beste gemacht und die langweiligsten Stellen mit vielen Blumen kaschiert, so dass es nicht gar so peinlich werden würde. Und es sah auch so aus, als wären längst nicht alle, die eingeladen waren, gekommen. Ein Glück, sonst wäre es hier wirklich eng geworden.
    “Hast du etwa Angst allein?“ neckte Axilla Archias, während sie ihren Blick durch den Raum schweifen ließ. Ein wenig irritiert blieb eben jener bei dem aurelischen Sklaven und den Kindern hängen. Zunächst einmal wunderte sie sich darüber, dass Sedulus offenbar seine Tochter mitgebracht hatte, und gleich noch ein kleines Kind. Ein junge, den Axilla nicht einordnen konnte. Vielleicht gehörte der auch zu einem der anderen Gäste. Dennoch war es reichlich ungewöhnlich, Kinder mit zu Hochzeiten zu nehmen, zumindest zum Haus der Braut. Aber gut, die ganze Hochzeit hier war was Sitten und Gebräuche anging eine Farce, da sollte sich Axilla über diese wirklich unbedeutende Kleinigkeit nicht wundern. Was sie allerdings doch etwas verärgerte, war, dass die Aurelier ihren Nubier mit auf die Feier genommen hatten. Sie erkannte ihn wieder, so einen großen und starken Kerl vergaß man ja nicht, und in Alexandria hatte Axilla genug Nubier gesehen, um sie auch auf die Entfernung gut unterscheiden zu können. Die sahen ja nur auf den ersten Blick für römische Augen einander ähnlich.
    Es war ja nichts ungewöhnliches, Sklaven mitzubringen. Aber normalerweise schickte man die in die Küche, oder aber sie versuchten, sich am Rand unsichtbar zu halten. Aber der Nubier war da sehr auffällig, und Axilla konnte sich des Gedankens nicht erwehren, die Aurelier würden auf die gens Iunia hinabschauen. Als könnten sich die Iunier nicht genug Sklaven leisten, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen! Axilla schaute also einen Augenblick länger dorthin und grummelte innerlich vor sich hin, rief sich in Erinnerung, dass die Iunier nicht weniger vornehmes Blut aufzuweisen hatten wie die Aurelier. Die hatten immerhin auch plebejische Wurzeln, so wie die Iunier auch patrizische Zweige gehabt hatten! Hah!
    Nach außen hin aber lächelte sie. Immerhin hieß es hier, Einigkeit in der Gens zu demonstrieren, und wenn Silanus schon nicht von seinem Landgut kommen wollte, würde sie als älteste Iunia eben die Herrin des Hauses mimen. Axilla würde es nicht zulassen, dass irgendwer sich das Maul darüber zerriss, die Gens wäre uneins – wenngleich sie sich innerlich nur zu gern von dem ganzen hier distanzieren wollte.
    Sie zwang sich also, weiterzusehen, und entdeckte ein weiteres, bekanntes Gesicht. Der nette Quintilier, mit dem sie sich bei der Verlobungsfeier von Iulius Centho unterhalten hatte, war ebenfalls da – natürlich, einer seiner Verwandten heiratete Calvena. Sie lächelte ihm kurz zu und kaum einen Augenblick später konnte man bei ihr den Unterschied zwischen einem freundlichen Lächeln und einem aus tiefstem Herzen kommenden bewundern.
    “Merula!“ rief sie voller Freude – und ignorierte dabei, dass sie die Aufmerksamkeit vom Opfergeschehen vielleicht abzog und sich damit ebenfalls unorthodox benahm, und lief strahlend wie die Sonne selbst zu ihrem Vetter, m ihn ohne Vorwarnung zu umarmen. Dies tat sie derart ungestüm, dass sie sogar beide Füße kurz nach hinten anhob, und ihr zugegebenermaßen geringes Gewicht so ganz auf ihn stützte beim Umarmen. Aber er war der einzige, bei dem sie sich wirklich freute, ihn heute hier zu sehen. Und sie ließ es sich cniht nehmen, ihn zu begrüßen, egal, ob sie damit irgendwelche Gespräche störte.
    “Ist das schön, dass du hier bist. Ich hab schon gedacht, du kommst nicht, nachdem Serrana dich ja noch vergessen hatte und dann alles so knapp war.“ Sie ließ ihn kurz beim Reden los, nur, um ihn direkt daraufhin noch mal zu umarmen, wenngleich weniger stürmisch, aber noch genauso herzlich. “Bei den Göttern, ich muss dir so viel erzählen!“
    Erst, als sie ihn nun endgültig losließ, fiel ihr auf, dass sie Archias ohne Vorwarnung hatte stehen lassen, und dass sie sein Gespräch wohl unterbrochen hatte. Entschuldigend lächelte sie den ihr unbekannten Mann an, in der Hoffnung, dass dieser ihr dann nicht böse wäre.

    Auch, wenn sie die meisten Rituale nun weggelassen hatten, ein paar gab es, die sie durchführen würden. Das ganze Brimborium mit Opfer und dergleichen war zwar nicht nötig, und Axilla hatte auch wirklich kein Problem damit, sie wegzulassen. Sie war nicht abergläubig und hatte auch nicht vor, übermäßige Frömmigkeit zu demonstrieren, wo sie selbst doch eher nur das nötigste tat. Aber die Laren waren Mächte, die Axilla achtete. Und da sie sich unter den Schutz der Laren des Domus Aeliana begeben wollte, wollte sie dieses Ritual durchmachen. Was dazu führte, dass sie nun da stand, eine Hand in der von Archias, in der anderen 3 Asse, und ihr Herz schlug bis zum Hals. Wenn sie jetzt mit ihm das Haus betrat, dann war sie wirklich seine Frau. Ganz offiziell und vor Zeugen.
    Auch Archias schien nervös zu sein, denn er hielt in seinem Schritt inne und fragte noch mal nach, ob sie bereit wäre. Oder vielleicht sah er auch nur ihre Nervosität, Axilla wusste es nicht. Für sie war das so ziemlich das größte, was sie in ihrem Leben je gemacht hatte, und en klein wenig hatte sie Angst, dass Iuno oder eine andere Gottheit eingreifen würde, um es zu verhindern. Wo sie ja das Opfer weggelassen hatten. Selbst, wenn sie nicht daran glaubte, hieß das ja nicht, dass man es nicht fürchten konnte.


    Axilla blickte sich also noch einmal kurz über die Schulter um. Aber da war nichts, kein wütender Mob oder dergleichen. Und auch der Himmel schien klar zu sein. Abgesehen davon also, dass ihr die Knie weich wurden vor Aufregung, war alles gut. Sie wusste nicht, ob Archias ihr auch Feuer und Wasser geben wollte, daher schloss sie ihre Hand erstmal fester um die drei Münzen. Noch ein letztes Mal blickte sie nervös zu Archias und nickte dann, erst zaghaft, dann stärker. “Ich liebe dich“, flüsterte sie noch einmal, um ihre Nervosität zu bekämpfen und trat dann besser zu ihm, so dass er sie hochheben und über die Schwelle tragen konnte.

    Das Rennen war vorbei, und irgendwie waren die Blauen tatsächlich dritte geworden. Axilla verstand zwar nicht, worüber hier einige dann schnaubten, als der Blaue Wagen sich unaufhaltsam am goldenen vorbeischob und dieser dann noch weiter zurückfiel, aber dafür fehlte ihr vermutlich wirklich einfach die Ahnung. Sie würde nachher einfach Archias fragen, wenn sie wieder unter sich waren. Immerhin war das ihr erstes Rennen, da konnte doch keiner verlangen, dass sie da irgendwas von der Taktik verstand – auch wenn Archias ihr damit in den letzten Tagen in den Ohren gelegen war.
    Leider klappte ihr Plan, Calliphania zwischen sich und ihn zu bringen, ja nicht so ganz, denn er hielt sie bei sich. Gut, würde er sie wohl noch mal durchschütteln, sie würde es ihm schon bei passender Gelegenheit zurückgeben. Und so oft, wie sie ihn in den vergangenen Monaten vollgeheult hatte, war das auch mal gerecht.


    Axilla wollte also gerade noch mal etwas sagen, um ihre gute Laune zu fördern, als Archias plötzlich um Aufmerksamkeit bat. Was wollte er denn jetzt? Axilla sah verwundert zu ihm rüber, wie er nervös an sich herumnestelte und dann alle so gebannt anschaute. Was hatte er denn? Ein klein wenig machte sich Axilla ja schon Sorgen, was los war, dass er das so groß ankündigen musste. Ein ganz flaues Gefühl machte sich in ihr breit.
    Und es wurde nicht besser, als Archias anfing, zu reden. Sie waren schon eine Weile verlobt? Was wollte er denn damit sagen? Eigentlich waren es ja noch nichtmal 4 Wochen, also so lang war das gar nicht. Eigentlich sogar sehr kurz. Und die Anspielung darauf, dass sie beide sui iuris waren, ließ Axillas Hals mit einem Mal ganz trocken werden. Sie ahnte was. Aber das konnte nicht sein, das hätte er ihr gesagt. Das hätte er ihr gesagt! Oder?


    Sie stand da also neben ihm, war sich der zahlreichen Blicke – denn nicht nur die ihr bekannten Leute schauten, auch so ziemlich alle rundherum – durchaus bewusst und zitterte, als Archias sagte, was er wollte. Sie heiraten. Hier. Jetzt. Ohne Tamtam. Ohne Rituale. Ohne vorher Haruspizien einzuholen. Ohne Opfer. Ohne roten Schleier, ohne alberne Frisur, ohne selbstgewebte Tunica. Einfach hier und jetzt sofort. Einfach so.
    Axilla wusste gar nicht, was sie machen sollte. Er streckte ihr die Hand hin, und mehr reflexartig als wirklich bewusst reichte sie ihm die ihre. Er hatte einen Ring aus einem Säcklein gefriemelt, der aus irgendetwas dunklem gemacht war. Im ersten Moment tippte Axilla auf Stein, aber dann sah sie, dass er aus dunklem Holz gemacht war, so lang poliert, bis er schimmerte wie Bernstein. Und dann fragte er sie. Ob sie seine Frau sein wollte. Seine Axilla.
    Ihr Blick wurde fahrig, als sie die anderen kurz anschaute. Da guckten so viele Leute zu ihr, schauten sie erwartungsvoll an, warteten. In ihr regte sich der Wunsch, wegzulaufen, ganz weit weg. Sie wollte nicht im Mittelpunkt des Interesses stehen, in diesem grässlichen, blauen Kleid, so ganz und gar nicht hübsch zurechtgemacht, sondern so normal. Sie wusste, dass sie zitterte, und sie stand da. Dignitas! Dignitas! Denk an deine Dignitas!
    Eine Träne löste sich als erste Regung, als sie Archias ansah, der sie so treuherzig und ebenfalls nervös anschaute. Hastig wischte sie sie mit der freien Hand weg. DIGNITAS! Eine Iunia weint nicht in der Öffentlichkeit. Schon gar nicht vor Rührung! Sie schluckte, und sie wollte was sagen. Aber sie hatte keine Stimme. Das wusste sie schon, bevor sie richtig versuchte, etwas u sagen. Die Stimme war einfach nicht da.
    Sie schaute Archias an, und noch eine Träne kullerte, ehe sie einfach nur heftig nickte. Sie konnte nicht reden. Ging nicht. Und mit der dignitas klappt das auch nicht so recht
    In einem Moment totaler Aufgelöstheit ließ sie sich einfach nach vorn gegen Archias fallen und umarmte ihn, schmiegte sich in tiefster Emotionalität an ihn und drückte ihn an sich. Natürlich wollte sie ihn heiraten!
    “Tut mir leid“, sagte sie, wischte sich die vermaledeiten Tränen nochmals weg und machte sich von ihm frei. Dignitas. Wenigstens ein bisschen Würde und ihn nicht zum Gespött machen. Sie schluckte noch mal, räusperte sich, gab ihm wieder ihre Hand, damit er ihr den Ring anstecken konnte. “Wo du bist, da will ich auch sein“, sagte sie so wenig emotional wie möglich – was in diesem Fall hieß, ohne Tränen und mit nur geringem Zittern.
    Sie war verheiratet! Sie musste nur noch mit ihm mitgehen, und sie war seine Frau! Ganz offiziell! Ein mehr als merkwürdiges Gefühl. Axilla war sich nicht sicher, aber sie glaubte, sie war glücklich.

    So, da ich am Sonntag bei meinem Neffe Taufpate spielen darf, meine Schwester aber sportliche 500 km von mir weg wohnt, werd ich bis Montag Abend vermutlich eher sehr sporadisch anwesend sein.


    Bis denn dann

    Auf seine Überraschung hätte Axilla eigentlich gefasst sein sollen, achwas, müssen, und trotzdem zuckte Axilla schuldbewusst etwas zusammen und sah fast schon verlegen drein. Sie schämte sich sicher nicht für ihre Hochzeit mit Archias. Zum einen hegte sie wirkliche Gefühle für ihn und war sich sicher, dass das auch lange so sein würde. Und zum anderen war er Aelier, mit dem Kaiser verwandt, war Eques, hatte einen guten Posten. Also selbst nach außen hin war es eine sehr glückliche Fügung. Axilla hatte zwar ganz sicher nicht deshalb zugestimmt, und erst recht war sie mit ihm nicht deshalb im Bett gewesen, aber es war doch ein durchaus positiver Nebeneffekt.
    Und dennoch kam sie sich grade irgendwie vor, als hätte sie etwas schlimmes gemacht, für das sie sich eigentlich schämen sollte. Als hätte sie Vala etwas getan, wofür sie ihn um Entschuldigung bitten sollte. Auch wenn es absolut widersinnig war, denn bei ihm fühlte sie anders. Ganz anders. Da war es eher ein Flattern in ihrem Bauch, da hüpfte ihr Herz und sie wollte in seinen Augen ertrinken. Aber das war ein schnelles, heißes Feuer, gegen das sie sich nicht so recht wehren konnte, aber es hatte nicht die Beständigkeit wie bei Archias. Nichts desto trotz fühlte sie sich gerade ziemlich schuldig.
    “Bessere Wahl?“ echote sie ein wenig leise, als Vala sie mit seinen nächsten Worten auch schon wieder gleich zum Schweigen brachte. Er war ihr also nicht böse und verstand es als politische Entscheidung? Gut, sehr gut, denn das war nichts verwerfliches. Liebe hingegen schon, sowas gehörte sich nicht. Wenngleich seine nachgeschobenen Worte Axilla zum Überlegen zwangen. Dabei bemerkte sie noch nichtmal, dass Vala Leanders Namen genannt hatte, obwohl er ihn doch eigentlich nie kennengelernt hatte.


    Allerdings wäre selbst das vergessen gewesen, als Vala auf einmal von dem Kind anfing. Axilla sah erschreckt auf, ihre Augen weiteten sich einen kleinen, verräterischen Moment und sie wurde noch einen Hauch blasser, ehe sie beiseite schauen konnte, um sich zu fangen. Er wusste es nicht, er konnte es ja auch gar nicht wissen.
    “Ja, wirklich, ein großes Glück. Ich meine... sowas passiert ja schnell, nicht? Und das wäre ja dann noch tragischer gewesen.“
    Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihr Mund fühlte sich trocken an. Axilla war nicht so geübt darin, zu lügen. Nicht, was das betraf. Sie konnte jedem vormachen, sie sie fröhlich, obwohl sie es nicht war, und sie konnte sehr überzeugend dann lächeln und so tun, als sei sie gedankenlos. Aber eine ausgewachsene Lüge, das war etwas anderes, und sie sah Vala auch nicht an, während sie sprach. Erst danach fixierte sie ihn beinahe schon mit ihrem Blick, um zu sehen, ob er die Lüge geschluckt hatte und es auf sich beruhen lassen würde.


    Als er auf die Hochzeit dann auch noch zu sprechen kam, musste Axilla sehr verlegen Lächeln. Warum hatte sie bei Urgulania nicht besser gelernt, wie man mit solchen Situationen umging? Axilla konnte zwar durchaus nein sagen, nur war das meistens laut, energisch und unmissverständlich. Das Nein so zu verpacken, dass es so klang, als würde man damit sienem Gegenüber den Gefallen seines Lebens erweisen, das konnte sie nicht.
    “Ich würde dich wirklich sehr gerne einladen. Aber ich weiß nicht... also, ich meine, ich weiß schon. Ich...“, sie ruckte kurz und hörte auf, rumzudrucksen. Sie sah Vala offen und ehrlich an und um ein Haar hätte sie ihn einfach kurz berührt, besann sich dann aber darauf, dass er das nicht mochte. “Ich glaube, Archias fände das nicht so gut. Er ist irgendwie der Meinung, du könntest mich nicht leiden und wolltest mir was tun.“ Axilla rettete sich in ein kleines Lachen, weil dieser Satz allein schon so absurd klang. “Ich weiß, es ist absolut absurd, und ich glaube, ich bin da schuld daran. Also, wegen der Hochzeitsfeier bei Aurelius....ähm, und Septima.“ Welcher Aurelius war das doch gleich wieder gewesen? Irgendein Senator, und der Neffe von dem älteren, mit dem sie sich unterhalten hatte. Egal. “Ich glaube, er ist ein wenig besorgt, ich könnte... also, du weißt schon. Eifersucht eben.“
    Axilla hoffte, dass ihr es einigermaßen gelungen war, es ihm nahe zu bringen. Eigentlich hatte sie ja sogar die Wahrheit gesagt und nichtmal gelogen. Höchstens ein wenig untertrieben.

    Das hier war toll. Axilla musste es sich nur immer wieder laut genug sagen, dann klappte das schon mit der guten Laune. War doch egal, ob Serrana rumgiftete. War doch egal, ob Sedulus auch schon wieder dreinschaute, als hätte irgendwer ihm persönlich was getan. Und Calvena war ja sowieso egal und wurde von Axilla ignoriert. Also musste das hier doch einfach toll sein, mit der ganzen Spannung, und den Pferden, und den Wagen und dem ganzen! So! Und nachdem das nun festgestellt war, tat Axilla auch ihr bestes, ihre Laune davon zu überzeugen. Wär doch gelacht, wenn das nicht klappen würde!


    So also beschlossener guter Laune schaute Axilla wieder dem Rennen zu, als sich eine der beiden Begleiterinnen von Centho zu ihr durchkämpfte und sich nochmal richtig vorstellte als Cara. Axilla lächelte ihr schon viel fröhlicher als noch vor einigen Momenten zu. “Freut mich, dich kennen zu lernen, Cara. Ich glaube, dich hab ich noch nicht gesehen. Warst du euch bei der FeiaaaaaaAAAAAAAA!“
    Grade, als sie Cara so richtig begrüßen wollte, packte Archi sie schon wieder und schüttelte sie diesmal so richtig durch. Vorhin hatte er nur an ihrem Arm gerüttelt, aber jetzt hielt es ihn nicht mehr auf dem Sitz und er riss sie halb mit sich in sienen Begeisterungsstürmen. A U A! Und er merkte es noch nichtmal, wie er an ihr rumrüttelte. Bestimmt gab das einen blauen Fleck. Aber naja, Axilla war nicht wehleidig, und würde sich gewiss zu revanchieren wissen. Nur war jetzt die Annäherung an Cara etwas missglückt.
    Naja, aber immerhin hatte Archias jetzt aufgehört, an ihr rumzuwackeln, und war völlig im Rennfieber. Und die zweite Iulia – oder nein, Moment, war ja Centhos Verlobte. Zu welcher gens gehörte sie wieder? Axilla hasste ihr Namensgedächtnis manchmal – egal, die zweite Rothaarige kam hinzu und fragte sie auch etwas. Axilla musste sich bei dem ganzen Gejubel und Gejaule des Fanblockes etwas vorbeugen, um sie zu verstehen, aber es ging irgendwie.
    “Sicher. Ist zwar ein wenig eng, aber irgendwie ist es das hier überall. Aber wir sind ja schlank, da passt das schon irgendwie.“ Axilla versuchte sich an einem möglichst charmanten Lächeln und rutschte ein Stück – sogar von Archias weg. Vielleicht schüttelte der dann Calliphania durch vor lauter Begeisterung. Wäre ja nicht unwitzig.
    “Und zum Rennen... passiert ja eigentlich nicht viel. Ich hab's mir irgendwie etwas... aufregender vorgestellt.“ Axilla war zwar nicht blutrünstig, aber im Moment sah das Rennen ja mehr danach aus, als wären da unten eben 4 Männer, die besonders schnell im Kreis herumfahren konnten. Vielleicht waren sie auch einfach zu weit weg von den wirklich guten Plätzen, vielleicht hatte ihr das Treffen mit Serrana und Anhang auch einfach die Laune so verhagelt, dass eine rechte Rennstimmung nicht hatte aufkommen wollen. Es war nicht schlecht, es war nur nicht... ach, Axilla wusste selber nicht. “Aber ist ja auch mein erstes, vielleicht braucht man dafür mehr Ahnung.“ Sie zuckte unbekümmert mit den Schultern. “Und wie gefällt es euch beiden?“