Beiträge von Iunia Axilla

    Puh! Axilla konnte sich eben noch so beherrschen, nicht erleichtert auszuatmen, als Archias nicht weiter auf das Thema einging. Axilla wollte ihm von dem Fluch nichts erzählen. Am Ende würde er noch von ihr verlangen, ihn wieder zurückzunehmen! Nein, sie hoffte, Pluto schickte dem Terentier eine Plage nach der anderen, und wenn Axilla dafür hundert schwarze Ochsen opfern müsste! Aber bisher wusste sie ja noch nichtmal von dem Effekt, den der eine Ochse gehabt hatte.
    So aber hatte sie Archias wohl genug abgelenkt, und er schien nur etwas verwirrt zu sein, als er nochmal die Sache mit Silanus' Posten bekräftigte. “Ja, mach das“, stimmte sie ihm zu und musste daran denken, dass sie vermutlich Quarto immernoch eine Erklärung schuldig war wegen der kleinen Verwechslung der Tür damals bei Urgulanias Tod. Aber das lag so weit zurück, mit etwas Glück hatte der Bruder des Kaisers das schon vergessen. Passierte doch laufend, dass man sich in der Tür irrte, nicht? Nunja, vielleicht nicht so...


    Zum Glück war es jetzt Archias, der Axilla ablenkte. Sie sah zu ihm auf und schmiegte sich nochmal etwas frecher an ihn. “Oh, mir würde was Schönes einfallen. Aber nicht unbedingt im Atrium“, meinte sie vielsagend. Sie beide wussten, dass es noch nicht ging. Sie würden diese Woche noch mindestens warten müssen, aber Axilla ärgerte Archias einfach gerne, indem sie es ihm in Aussicht stellte.
    “Aber wir können ja mal ins Atrium schauen. Und ansonsten schlage ich dich auch gerne nochmal vernichtend beim Soldatenspiel in der Bibliothek“, meinte sie, als sie sich zurückzog, als wäre nichts weiter gewesen, und Anstalten machte, einfach weiterzuschlendern.

    merci :anbet2: Wenns immernoch zu viel Stoff ist, meld ich mich :D


    [size=6]Gott, da kommt man sich ja wie ein Drogendealer vor. "Hey, psst, magst mehr Stoff kaufen?" :D [/size]

    Jetzt, wo Axilla angefangen hatte, über Ägypten nachzudenken, konnte sie nicht mehr aufhören. Irgendwie vermisste sie das dort alles. Dort waren alle ihre Freunde, auch wenn die alle Griechen waren und keine Römer. Und dort war sie jemand richtig wichtiges. Hier interessierte sich außer Archias ja niemand für sie. Und die Casa dort war um einiges größer und luxuriöser. Und überhaupt, sie machte sich gerade wieder immense Sorgen über alles, was Terentius Cyprianus mit seiner schroffen Einstellung dort anrichten konnte. Vielleicht sollte sie einmal nach neuen Nachrichten dort unten fragen? Überhaupt, Nikolaos musste sie unbedingt noch schreiben und ihm alles erklären.


    Da riss Archias sie mit seiner Frage nach Silanus richtig aus ihren Gedanken, so dass sie erstmal nur verwirrt blinzelte. Und dann kam auch schon gleich die Frage nach Pluto hinterher, was ihr gar nicht hätte rausrutschen sollen, während er ihren Ablenkungsversuch total überging.
    “Ach, ist nicht so wichtig." Sie versuchte, beiläufig zu klingen, der forschende Blick, ob er die Ausrede auch schluckte, verriet sie aber wahrscheinlich dennoch. Also redete sie lieber gleich weiter und beantwortete seine Frage nach Silanus. “Und ich finde es eine tolle Idee, wenn du dich auf den Posten bewirbst. Ich meine, mein Vetter hat es ja sogar versäumt, eine ordentliche Amtsübergabe zu machen. Und da liegt die Arbeit jetzt ja sicher brach, und ich könnte mir vorstellen, die brauchen da bestimmt jemanden. Ich meine, geht ja um die kaiserliche Korri..um die Briefe für den Kaiser, die sind ja wichtig. Und wenn der ja auch mit dir verwandt ist, dann ist das doch fast sowas wie eine familiäre Pflicht, nicht? Und ich meine, du bist ja geeignet für den Posten, als Eques und so.“
    Unsicher sah Axilla zu Archias auf. Hoffentlich hatte ihr Redeschwall ihn genug abgelenkt, so dass er nicht noch weiter nachhaken würde wegen Pluto. Und Axilla hoffte einfach, dass Archias sie noch nicht so gut kannte, um dieses Ablenkungsmanöver und die kleine Notlüge zu durchschauen.

    Jetzt auch noch sein Mitleid zu hören war fast zu viel für Axilla. Sie schluckte und nickte nur Stumm, während sie auf der Kline die Beine mit nach oben zog, um sich so in ihre Übliche Schutzhaltung zu begeben. Es half einfach dabei, sich zu beherrschen, und Axilla wollte auf keinen Fall einen schlechten Eindruck hinterlassen.
    Als Vala dann von dem Überfall sprach, wandte Axilla ihren Blick von ihm ab und dem Fenster zum Perystil zu, das hier für Licht sorgte. Wieder kamen ungewollt die Bilder hoch, und sie unterdrückte ein Schütteln. “Ja, ein Passant ist eingeschritten“ bekräftigte sie mit abwesender Stimmlage, als Vala dann auf etwas anderes zu sprechen kam. Abrupt wandte Axilla sich wieder ihm zu und sah ihn einen Moment erschrocken an. War das auch ihre Schuld? Hätte sie die Subura umgehen müssen? Wäre Leander dann noch am Leben, wenn sie nachgedacht hätte?
    “Ich... ich wollte nur“ Kurz wandte sie wieder den Blick zum Fenster und wischte sich möglichst unauffällig über die Augenwinkel mit den Fingern ihrer rechten Hand. Sie machte sich so schwere Vorwürfe, weil sie nicht eingeschritten war, als der Überfall stattgefunden hatte. Auch wenn Archias sie zu überzeugen versucht hatte, dass sie ja doch nichts hätte tun können, Axilla fühlte es anders. Tief in ihr drinnen war sie einfach überzeugt, dass sie irgendwas anderes hätte tun müssen. Oder eben gar nicht erst dahingehen sollen.
    Die aufkeimenden Tränen waren mit einem Blinzeln schon unter Kontrolle, und Axilla sah Vala mit einem entschuldigenden und zerknirschten Lächeln wieder an, ehe sie sich erklärte. “Ich wollte nur auf dem schnellsten Weg von hier zum Palast. Es ist so, ich...“ Irgendwie kam sie sich wie eine Verräterin vor. Sie schaute ihm in seine grauen Augen, und mit einem Mal tat es ihr fast leid, dass sie ihm die Wahrheit sagen musste. “... werde demnächst Aelius Archias heiraten.“ Wobei sie keine Ahnung hatte, wann denn genau. Er hatte ihr nur gesagt, dass er sie heiraten wolle, nicht wann. “Und an dem Tag wollte ich zu ihm. Durch die Subura ging das am schnellsten... Ich hätte besser darüber nachdenken müssen.“
    Axilla sah einen Augenblick einfach nur weiter zu ihm, fast, als wollte sie um Entschuldigung bitten. “Ich hoffe, du bist mir nicht böse?“ Und was sie damit genau meinte, wusste sie selber nichtmal so genau.
    Aber vielleicht sollte sie auch einfach das Thema wechseln versuchen. Sie konnten ja nicht nur über diese trüben Sachen sprechen. Oder über Dinge, die Axilla mit einem Mal unangenehm schienen. Und sie war schon immer gut darin, ohne ersichtlichen Grund einfach ein neues Thema zu beginnen.
    “Aber erzähl mir lieber ein bisschen was von dir. Wir haben uns jetzt ja eine ganze Weile nicht gesehen. Hat dir das Buch gefallen?“ Vielleicht hatte er das Buch, das sie ihm geschenkt hatte, auch gar nicht gelesen. Aber ein besseres Thema fiel Axilla auf Anhieb nicht ein.

    Als Vala eintrat, konnte Axilla nicht anders, als ihm ganz kurz und traurig zuzulächeln. Seit der Hochzeit hatte sie ihn nicht mehr gesehen, und irgendwie erschien ihr das Treffen jetzt so irreal. Sie hatte keine Ahnung, warum er hier war, und trotzdem war sie froh, dass er hier war. Auch wenn Archias dafür vermutlich für verrückt halten würde.
    Als er dann sprach, ließ Axilla kurz den Kopf in trauriger Schwermut sinken und blickte verlegen beiseite. Er war also nicht zufällig hier, sondern wirklich wegen dem Überfall. Und er hatte sich Sorgen um sie gemacht. Ein Teil von Axilla war ehrlich gerührt deswegen. Wie konnte Archias nur auf die Idee kommen, jemand, der so ehrlich war, könnte ihr etwas tun wollen?
    Sie sammelte sich einen kurzen Moment, und blickte dann wieder direkt zu ihm hoch. Seine grauen Augen sahen fragend drein, und Axilla hatte wieder Mühe, ihren Blick davon loszureißen. “Ich bin unverletzt“, meinte sie schließlich nickend. Was sollte sie ihm schon vorjammern von ihrem Gefühl des Verlustes wegen Leander? Und dass sie das Kind verloren hatte konnte sie ihm ja auch nicht sagen, abgesehen davon dass das für Axilla nicht wirklich schwer wog. Das war nunmal passiert, darüber war sie hinweg.
    “Setz dich doch. Möchtest du etwas trinken?“ bot sie ihm einen Platz auf den bequemen Klinen hier an und setzte sich auch gleichfalls schon auf eine. Sie mussten hier ja nicht herumstehen und so künstlich eine Atmosphäre der Unbehaglichkeit erschaffen.


    “Es ist nur... der Sklave, der getötet wurde, war mir ein guter Freund. Ich hätte ihn schon längst freilassen sollen, aber... das Schicksal hatte wohl anderes vorgesehen. Aber mir geht es gut, du musst dir keine Sorgen machen“
    irgendwie tat es ihr leid, dass sie Vala offenbar solchen Kummer gemacht hatte. Sie sah sich geradezu gezwungen, es ihm zu erklären, und ihm gleichsam zu versichern, dass alles in Ordnung war. Sie mochte es nicht, wenn er sie auf diese Art und Weise ansah.

    Dafür, dass er auf ihrer Seite war, biederte er sich aber ganz schön der anderen an. Da halfen auch keine Kosenamen, um Axillas Zorn abzuflachen. Und sie stritt doch gar nicht! Sie hatte nur genau das gesagt, was der andere hatte hören wollen! Am liebsten hätte sie ihn mit einem 'Soll ich mal streiten?' angefahren, aber da kam ihr Serrana dazwischen.
    Axilla runzelte die Stirn, als sie zu ihrer Cousine hinüber sah. Hatte sie ihre Überlegungen mit der Familie laut geäußert? Sie war sauer gewesen, und da sagte man öfter Dinge, die man lieber hätte nicht sagen sollen, aber sie war sich sehr sicher, dass sie von ihren gesamten Überlegungen bezüglich Höflichkeit und dem Verhältnis zwischen zukünftiger Familie nicht einen einzigen Ton gesagt hatte. Jeder noch so kleine Vorwurf war in ihren Gedanken geblieben. Wie Serrana also gerade jetzt auf genau dieses Thema kam, als wäre es eine Antwort auf das, was Axilla gedacht, aber nie ausgesprochen hatte, war der Iunia fast schon unheimlich. Allerdings war sie zu wütend, um diese Verwunderung über diesen grotesken Zufall etwas ändern zu lassen, so schaute sie einfach beiseite, als hätte sie Serrana gar nicht gehört. Jetzt noch zu grüßen und so zu tun, als fände sie Calvena nicht schrecklich, wäre sowieso heuchlerisch gewesen. Und Axilla konnte man sicher viel vorwerfen, aber Heuchelei sicher nicht.


    Zum Glück kam in diesem Moment auch eine Ablenkung in Form eines Iuliers mit 2 Damen als Begleitung. Im Gegensatz zu diesen beiden fiel Axilla nichtmal ansatzweise auf, dass sie dasselbe Kleid trugen. Hier trug ohnehin jeder zweite blau, und Axilla hatte noch nie einen Blick für Mode gehabt. Leander hatte ihre Kleider ausgesucht, wenn es wichtige Ereignisse waren, für die sie sich ankleidete. Kurz legte sich eine dunkle Wolke über Axillas Gemüt, aber sie ließ nicht zu, dass die Trauer sie überwältigte. Eine Iunia heulte nicht in der Öffentlichkeit, und diesen Grundsatz hatte sie in letzter Zeit zu oft gebrochen. Da musste sie dem ganzen nicht hier die Krone aufsetzen.
    Sie zwang sich zu einem unbefangenen Lächeln, als die drei dazukamen, und nickte ihnen allen kurz freundlich zu. “Salvete. Wir kennen uns schon, wenn auch nur ganz flüchtig. Ich war auf deiner Verlobungsfeier, aber ich glaube, ich kam gar nicht dazu, mich richtig mit dir zu unterhalten.“ Dort waren ja auch sehr viele Leute gewesen, und die meiste Zeit hatte sich Axilla mit einem netten Quintilier beschäftigt. Außerdem war es ja doch schon eine ziemliche Zeit her, dass diese Feier stattgefunden hatte. Januar oder Februar, und jetzt war April.
    Die weibliche Begleitung von Centho widmete sich gleich Calvena, weshalb Axilla sich dezent zurückzog. Sie stritt nicht! Auch wenn Archias was anderes behauptete. Sie ignorierte, das war ein himmelweiter Unterschied! Wenn Axilla sich streiten würde, wäre das bei weitem lauter, direkter und vermutlich mit einer blutenden Nase verbunden. So aber behielt sie ihr Lächeln bei und wandte sich einfach Centho zu. “Setz dich doch“, bat sie ihn. Irgendwie würden sie sich shcon zusammenquetschen. Und je mehr andere Leute da waren, umso weniger konnte Axilla zu direkter Konfrontation mit Serrana oder gar Calvena gezwungen werden.


    Gerade da wurde Axilla auch schon von Archias angestuppst, der beinahe ihr Trommelfell zum Platzen brachte mit seinem plötzlichen Schrei. Sie schaute nach unten, und der blaue Wagen hatte sich tatsächlich auf den dritten Platz vorgekämpft. Dass er gewinnen würde glaubte Axilla zwar nicht, aber so, wie sie die Gesänge aus dem Auriga-Fanblock deutete, und die Antwortgesänge ihrer Sitznachbarn, ging es sowieso nur darum, besser als der andere zu sein. Wer gewann war wohl nur Nebensache dabei. Und wenn auch nur eines der Pferde strauchelte beim Rennen, konnte sowieso alles noch anders aussehen.
    “Ja, ich seh's. Vielleicht holt er ja noch auf die anderen auf?“ So wirklich Begeisterung verspürte Axilla bei dem ganzen Ärger hier nicht, aber sie bemühte sich. Wär doch gelacht, wenn sie sich nicht selbst motivieren könnte!

    Mit schmalen Fingern konnte man eben besser filigrane Arbeiten verrichten. Axilla löste nebenbei das Wachs aus den Ritzen des Siegels, während sie dem Aurelier zuhörte. Abblätternde Wachsbrösel sammelte sie schön artig auf einem Häufchen am Rand des Schreibtisches, immerhin wollte sie ihm sein schönes Officium nicht vollkrümeln, sondern ihm Arbeit abnehmen.
    “Das muss dann sicher sehr schön sein in Asia“, meinte sie mit einem leichten Lächeln, als sie sich einen ganzen Wald dieser Blumen vorstellte. Vor allem, wenn diese so empfindlich waren, dann war das fast sowas wie ein Wunder. In den Wäldern würde sich wohl kaum wer um diese Pflanzen kümmern. Außer, dort gab es tatsächlich Nymphen, die einen Spaß daran hatten, eben das zu tun. “Aber es ist dann doch sicher sehr schwierig, dass sie nicht eingehen. Hast du dafür extra jemanden, oder machst du das selbst?“
    Axilla hatte wenig Ahnung von der Pflege von Pflanzen. Man war eben vorsichtig mit ihnen, stellte sie in die Sonne oder in den Schatten, und goss sie. Weiter reichten ihre Kenntnisse nicht. Abgesehen davon war sie sowieso viel eher für die robusteren Wildpflanzen zu begeistern. Oder Bäume, unbedingt Bäume. Und die konnte man meistens gefahrlos anfassen.


    Sie war mit dem Siegel fertig, und der Senator streckte auch gleich seine Hand wieder danach aus. Mit einem etwas unsicheren Blick gab Axilla das Siegel anstandslos zurück und war sich nicht sicher, ob das eben falsch war. Aber er schien ihr nicht wirklich böse deswegen zu sein, also zuckte sie einfach die Schultern und dachte sich nichts weiter dabei, während sie interessiert zuschaute, wie er die Urkunde aufsetzte.
    “Ja, Senatoren dürfen ja nur mit Sondererlaubnis nach Alexandria. Flavius Furianus war ja letztes Jahr da, aber weil er krank war“, erzählte Axilla freimütig. “Aber ich kenne einen guten Maler in Alexandria. Wenn du möchtest, könnte ich ihn bitten, ein Bild von den Blumen des Paneions zu malen. Dann siehst du sie wenigstens so.“ Anthimos würde das sicher für Axilla machen, wenn sie ihn lieb darum bat. Da hatte sie keine Bedenken. Und wenn es den Aurelier freuen würde, warum also nicht? Dass dieser sie eben noch etwas herablassend behandelt hatte, war dabei schon wieder so ziemlich vergessen.

    So, ich hab auch mal wieder was.


    Und zwar geht es um Webereien. Während sich der gefärbte Stoff einigermaßen gut verkauft, stopft der "normale" Stoff mir so langsam aber sicher das Lager zu. Das war eigentlich von Anfang an so, dass man nie allen "Stoff" verkauft hat, während "gefärbter Stoff" sofort wieder ausverkauft war.


    Ich schätze, das hängt wahrschienlich auch damit zusammen, dass es wenige Schneider gibt und die eben nicht so viel "normalen" Stoff, sondern vielmehr gefärbten benötigen. Aber könnte man vielleicht das Produktionsverhältnis von Stoff und gefärbtem Stoff ein bisschen anpassen?

    Als Araros zaghaft bei Axilla angeklopft hatte, hatte sie nur müde aufgesehen. Sie konnte nicht richtig schlafen, seit Tagen nicht. Archias war ein paar Tage permanent bei ihr gewesen, was ihr die schlimmste Last genommen hatte, aber heute war er nicht hier. Er musste Arbeiten. Axilla wusste das, und wenn er gesagt hätte, dass er heute nochmal bei ihr bleiben wollte, sie hätte ihn Arbeiten geschickt. Der Staat war wichtiger als sie, das wusste und verstand sie auch. Und sie brauchte auch ein wenig Zeit für sich allein, ohne jemanden um sich. Mit ihrer Schuld konnte sie nur selber fertig werden, da konnte ihr niemand helfen. Auch er nicht.
    Und so hörte sie auch mit gemischten Gefühlen, dass Vala vor der Tür stand. Vala... an ihn hatte sie schon eine ganze Weile nicht mehr gedacht. Was er wohl wollte? Ob er von dem Überfall gehört hatte? Sie erinnerte sich auch an Archias' Worte, dass er angeblich sie töten wollte, was sie nach wie vor nicht glauben konnte. Aber dennoch würde es Archias gar nicht gefallen, wenn sie den Germanen empfing. Andererseits musste sie es ihm ja auch nicht auf die Nase binden.


    So nickte sie und ließ sich noch schnell die wegen der Trauer offenen Haare kämmen. Die Sklavin, die es machte, war vorsichtig und flink, aber nicht so gut wie Leander. Dennoch waren ihr welliges Haar bald gebändigt, und Axilla machte sich auf ins Tablinum. Noch immer trug sie ein einfaches, schwarzes Kleid. Dasselbe, das sie zuletzt während ihrer Trauerzeit um Urgulania getragen hatte. Kein Schmuck, keine Schminke, keine Haarspangen. Nur einfache Sandalen. Nichts, was irgendwie herausragend wirken würde, abgesehen von dem silbernen Gürtel und den ebenfalls silbernen Fibeln.
    Axilla wartete ruhig und fast schon verschlafen darauf, dass Araros mit Vala zurückkehren würde. Körperlich ging es ihr eigentlich wieder ganz gut. Sie konnte auch längere Zeit stehen, ganz normal laufen und auch alles andere tun, was sie wollte. Nur ihr Appetit war quasi nonexistent, und im Schlaf wälzte sie sich eigentlich nur unruhig herum, ohne wirklich Erholung zu finden, weshalb sie ständig einfach müde wirkte. Aber wenigstens vor Augenringen blieb sie verschont.

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    Aha, zu Axilla. Und er benutzte nur den Cognomen, was also entweder eine Respektlosigkeit war oder aber darauf schließen ließ, dass dieser junge Herr mit seiner Herrin bekannt war. In ersterem Fall sollte er ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, seit dem Überfall ging es Axilla ausgesprochen schlecht. Da konnte sie solche Frechheiten dann nicht brauchen. In letzterem Fall aber würde sein Besuch sie aufheitern.
    Araros brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu entscheiden, einfach nachzufragen und den Herren hier warten zu lassen. “Domina Axilla ist zugegen, aber in Trauer. Ich werde fragen, ob sie dich dennoch empfängt.“ Dass sie überfallen worden war war schließlich kein Geheimnis. Immerhin war es auf offener Straße geschehen, da hatte es jede Menge Zeugen gegeben. Das konnte man gar nicht geheim halten. Nur die 'Nebenwirkungen' waren sorgsam unter den Teppich gekehrt worden.


    Nach einer Weile erschien Araros wieder und öffnete die Tür erneut. “Sie empfängt dich im Tablinum. Folge mir bitte.“

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    Als Araros die Tür öffnete, musste er als erstes seinen geschäftsmäßigen Blick um einige Grad nach oben abändern. Verdammt aber auch, was musste der Kerl so riesig sein?!
    “Du wünscht?“ fragte er dennoch in ruhigem und sachlichem Tonfall. Dieser Tage war aber ja auch wirklich viel Besuch in der Casa, aus den verschiedensten Gründen. Aber den hier hatte der Ianitor bislang noch nicht gesehen, daran könnte er sich erinnern. Zumindest nicht in letzter Zeit.

    Ohja, da hatte Axilla wohl in die Vollen gelangt. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Archias das so sehen würde. Daher schaute sie gleich ein wenig zerknirscht drein, als er sich darüber aufregte, dass sie meinte, es sei Quartos Siegel. Aber er hatte es selber doch grade so erzählt, als habe er im Namen seines Cousins gehandelt! Aber besser, sie hielt den Mund und ritt sich nicht noch weiter rein.
    Sie selbst hätte auch das iunische Familiensiegel wohl nirgends drunter gesetzt. Naja... vielleicht doch... wenn sie denn wüsste, wo Silanus das gelassen hatte... und wo denn das Wachs dazu war. Ein paar Sachen konnte sie ja wohl auch selber veranlassen, zumal das Männervolk da herzlich unbedarft vorging, wie sie fand. Trotzdem, Klappe halten war nun definitiv die weisere Wahl, und ab und an konnte Axilla ja auch mal auf ihren Kopf hören. So zur Abwechslung.


    “Aber ich hab gar nichts blaues. Das steht mir doch überhaupt nicht.“ War ihr doch wurscht, ob sie dann so aussah, als wäre sie für einen anderen Rennstall. Das war doch nicht so wichtig, was man anhatte, oder? Und sie konnte sich ja nicht extra ein Kleid kaufen, nur um Wagenrennen anzusehen. Soviel Geld hatte sie nun auch wieder nicht, um es für sowas rauszuschmeißen. Überhaupt, sie würde sich eine neue Arbeit nun suchen müssen, denn sie wollte ihr eigenes Geld verdienen. Ob irgendwer noch eine Scriba brauchte? Also irgendjemand, den sie nicht durch ihre bloße Anwesenheit tödlich beleidigt hatte, wie sämtliche Decimer, und wohl auch Senator Aurelius... dingsda. Ihr Namensgedächtnis war eine Katastrophe.
    Da kam das Thema Ägypten als Ablenkung wie gerufen.
    “Du meinst, wieder zurück nach Ägypten? Bald, oder nur erstmal so prinzipiell?“ Axilla war schon überrascht, da Archias sich ja eigentlich so angehört hatte, als würde er lange in Rom bleiben. Zumindest bei seinem Abschied von ihr, der ja etwas ausgeartet war, hatte er so geklungen, als würden sie sich mindestens für Jahre nicht wiedersehen. Und jetzt waren sie ein paar Monate hier, und er fragte, ob sie auhc zurückkehren würde.
    “Aber so prinzipiell, sicher. Ägypten ist wunderschön. Und ich mag die Leute da. Und die mögen ja auch die Iunier. Und es gibt so viel zu tun da. Und ich kenn ja auch alle.“ Natürlich würde Axilla mit nach Ägypten gehen. Das Land hatte für immer einen Platz in ihrem Herzen. Nur die Frage verwirrte sie nach wie vor, weshalb sie auch gleich weiterredete. “Nur ich mach mir sorgen, was dieser elende Terentier damit alles macht. Ich meine, nachdem er Urgulania ermordet hat, hält ihn jetzt doch keiner mehr auf. Ich hab da ehrlich gesagt Angst, dass es wegen ihm noch Krieg geben wird da unten. Ich meine, der ist doch echt ein Scheusal, findest du nicht? Der hat gar kein Gespür für die Griechen, und, und, und... ich hoffe nur, dass er seine gerechte Strafe kriegt. Und ich hoffe, Pluto hält sein Wort, und ich kann ihm dann ins Gesicht sehen, und... ähm, vergiss das, ich... bin grad etwas durcheinander.“ Verdammt, davon wollte sie ihm ja gar nichts erzählen.
    “Du meintest, die Blauen gewinnen beim Mosaik, und er soll gleich nochmal zweiter werden?“ Einfach Thema wechseln und ablenken, das konnte Axilla gut.

    Ihre Hände waren völlig verschmiert, fast bis zu den Ellbogen. Zum Glück trug sie ohnehin schwarz, sonst würde man wohl die ganzen Flecken auf ihrem Kleid sehen. Axilla starrte eine lange Weile nur auf ihre Hände, als ihr das Tuch gereicht wurde. Die Urne wurde unterdessen schon an ihren Platz gebracht, und bei der Gelegenheit wurde auch gleich den Toten etwas zu essen dagelassen. Vor allem für Leander ließ man Wein da, dazu einen Laib Brot und eine Schale mit Pulsum, und ein Beutelchen mit Salz.
    Die Vögel fingen schon an, zu singen. Axilla kam ihr fröhlicher Gesang geradezu höhnisch vor. Der Himmel war noch stahlgrau, die Morgenluft fürchterlich kalt und entsetzlich klar. Sie wischte sich die Hände an dem Tuch ab. Eine Frau, die Axilla extra dafür bezahlt hatte, kam mit einem Lorbeerzweig herbei. In ihrer anderen Hand hielt sie einen kleinen Kessel mit Wasser, in die sie die Zweige eintauchte. Ausgiebig besprenkelte sie damit zuerst Axilla, dann Archias, dann alle anderen, um sie von der Unreinheit des Todes damit rituell zu reinigen. Dennoch fühlte sich Axilla schmutzig und einfach schlecht.
    Sie hörte, wie Archias sie aufforderte zu gehen. Sie fühlte auch den sanften Ruck, den er ihr gab, um sie ganz leicht mit sich zu ziehen, weil sie noch immer wie angewurzelt da stand. Hier war alles getan, es gab keinen Grund mehr, zu verweilen. Die Lebenden sollten nicht bei den Toten sein, nicht für so lange. Und doch musste Archias ihr nochmal einen Ruck geben, ehe sie die kalte Morgenluft noch einmal zitternd einsog. “Ilicet!“ rief sie einmal, und es hallte merkwürdig laut in ihren Ohren. Ganz langsam machte sich der Tross aus Sklaven auf dem Heimweg, die Maskenträger zuerst. Den Wachsmasken tat der Aufenthalt hier im Freien nicht gut, sie mussten zurück ins Lararium. Die anderen gingen auch ein Stück vor, warteten dann aber auf ihre Herrin. Sie konnten diese ja nicht allein mit Archias und seinem Sklaven gehen lassen. Jeder von ihnen verabschiedete sich am Grab mit einem kleinen 'Vale', bis schließlich nur noch Axilla und Archias da standen. Und auch sie musste gehen.
    Sie ließ sich bereitwillig von Archias vor das verschlossene Grab führen. Ganz langsam hob sie noch einmal ihre rechte Hand zum Gruß an den Toten. “Vale, Leander.“


    Sie war kaum vier Schritte gegangen, da musste Archias sie schon tragen, weil sie wieder so sehr schluchzen musste, dass sie nicht laufen konnte.

    Axilla hatte keine Ahnung, wo was hingehörte. Sie hätte ein Mosaik auch einfach an die Wand gemacht. Sah doch sicher auch hübsch aus! Von daher merkte sie noch nichtmal, dass sie aneinander vorbeiredeten. Denn sie fand die Wände auch viel zu kahl und dringend verbesserungsbedürftig.
    “Und kriegst du nicht Ärger mit Quarto, wenn du einfach sein Siegel benutzt?“ kicherte Axilla halb. Sie stellte sich gerade vor, was los wäre, wenn sie sich Silanus' Siegel einfach mal schnappen würde und so das eine oder andere im Namen des Kaiserhofes veranlassen würde. Wäre ja immerhin das Siegel des Procurators ab epistulis drauf. Gut, sie hatte nichts, wo sie das brauchte, und das wäre ja auch gemein, und Archias hatte es ja auch nicht gemein gemeint, als er da einen Wagen angemeldet hatte. Er wollte ja nur seiner Factio helfen. Aber trotzdem, irgendwie hatte es den Reiz des Verbotenen.
    “Wie, was blaues?“ Axilla sah an sich runter, und sah dann Archias an. Sie hatte NIE was blaues an. Immer grün in den verschiedensten Facetten. Nur ganz selten mal was anderes. Axilla mochte grün. Es stand ihr. Und es sah lebendig aus.
    Da überrumpelte die Frage nach dem Süden sie doch ein wenig. “Öhm, klar würde ich auch wieder zurückgehen. Aber du bist ja jetzt hier, und wirst hier ja auch bleiben. Warum sollte ich ohne dich wieder zurück nach Ägypten?“ Also manchmal stellte Archias schon extrem komische Fragen. Wenn er ein Talent hatte, dann das, Axilla durcheinander zu bringen.

    Hinter Axilla ächzte und krachte das Holz, als das Feuer es allmählich verschlang. Die anderen Sklaven warfen kleine, geschnitzte Grabbeigaben noch hinein. Eine stilisierte Truhe, die Figur eines Hundes, einige Blumen, Teller, Becher und dergleichen flogen in die Flammen, damit Leander auch eine gute Ausstattung im Jenseits hatte. Einer der Sklaven warf Parfum in die Flammen, und jedes Mal, wenn er das tat, gab es einen kleinen Knall, als die Flüssigkeit ihr Tongefängnis sprengte und verpuffte.
    Axilla stand nur da und heulte. Sie konnte gar nicht mehr aufhören, so sehr Archias sie auch hielt und zu trösten versuchte. Bis gerade eben hatte alles noch den Anschein eines bösen Traumes gehabt, aber jetzt war es so real und wirklich. Sie konnte den Qualm riechen, den Geruch nach bratendem Fleisch und Rauch und Asche, übertüncht von dem Rosenwasser, und ihr wurde ganz schlecht davon. Sie sah die tanzenden Schatten auf dem Boden vor ihr, wenngleich sie das Feuer nicht sah. Und sie wusste einfach, dass das hier wirklich passierte, und das war fast mehr, als sie ertragen konnte.


    Irgendwann konnte sie nicht mehr stehen und musste sich hinsetzen. Es dauerte lange, bis der ganze Berg an Holz heruntergebrannt war und die Asche nicht mehr so sehr glühte. Ein Sklave ging los und nahm eine große Amphore mit Wein zur Hand. Langsam goss er sie über die Asche, so dass es erst zischte und Weindampf aufstieg, die letzten glühenden Funken allerdings erloschen.
    Nun war es wieder an Axilla, Leander einen letzten Dienst zu erweisen. Mit Archias Hilfe kam sie wieder auf die Beine und stolperte zu der Verbrennungsstelle hin. Der Schädelknochen war von der Hitze geborsten, ebenso die großen Knochen von Oberschenkel und Oberarm. Die kleineren Knochen waren Teilweise komplett verbrannt. Sie bückte sich und sammelte die Knochen ein, legte sie vorsichtig in die Urne aus nicht ganz so edlem Marmor, die sie hierfür besorgt hatten. Jedes Bisschen, das von Leander übrig war, sammelte sie behutsam auf und legte es in die Urne. Anschließend gab sie noch einmal Parfum darüber.
    Ihre jetzt Asche verschmierten Hände fuhren einmal über die einfache Inschrift, die in die Urne gemeißelt war.
    D.M.S.
    Leander SER
    qui vixit XXXII
    et salvabat dominam suam


    Ihren Namen hatte sie nicht daruntersetzen lassen. Sie schämte sich zu sehr dafür, dass Leander ihretwegen nun tot war, und nach wie vor gab sie sich die schuld daran. Sie hatte nicht das Recht, dass ihr Name irgendwo verewigt wäre.
    In der Nähe ihres Urgroßvaters Lucius Iunius Silanus Torquatus war Platz für ihn gemacht worden, in der Nähe einiger anderer Sklaven, die der Gens große Dienste erwiesen hatten. Axilla hoffte, er würde sich dort wohl fühlen. Er war gewiss in edler Nachbarschaft. Dennoch wollte sie ihn am liebsten nicht zurücklassen.

    “Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“ zischte Axilla ärgerlich zu Archias hinüber. Da verteidigte sie ihn schon, und wurde dafür auch noch in den Arm gekniffen! Und überhaupt, warum versuchte er sich so unbedingt mit Sedulus anzufreunden? War doch total wumpe, ob der auf ihn gut zu sprechen war oder nicht. Der sollte sich sowieso trauen, auch nur ein weiteres, falsches Wort fallen zu lassen, und Axilla würde ihm die kompletten 600 Jahre der iunischen Familiengeschichte um die Ohren hauen. Was der sich darauf einbildete, Senator zu sein! Die Iunier hatten zig Senatoren in ihrer Familiengeschichte, und bestimmt ein gutes dutzend Konsuln. Und nicht nur irgendwelche, nein, sogar den allerersten. Sie konnten ihre Familiengeschichte bis zur Zeit der etruskischen Könige zurückverfolgen!
    Und was hatten die Germanicer? Soweit Axilla wusste, stammten die von einfachen Kaufleuten ab, die irgendwannmal das Recht erhalten hatten, einen Gensnamen zu führen und in der Beamtenschaft tätig zu werden. Vielleicht 200 Jahre an Familiengeschichte, wenn überhaupt. Und da traute er sich, auf diesen lächerlichen kleinen Titel zu bestehen? Axilla war grade in der richtigen Laune, jemandem körperlich weh zu tun, so sauer wie sie war.


    Und dann biederte sich ihr Verlobter dem auch noch an! Reichte ihm die Hand hin, stellte sich mit Praenomen vor! Axilla wollte ihn am liebsten jetzt verprügeln. Wieso machte er nur sowas? Er sollte auf ihrer Seite sein, verdammtnocheins! Als er sie dann auch noch nach Apfelsaft fragte, war sie wirklich kurz davor, ihm wie eine Katze mit den Krallen ins Gesicht zu springen.
    Sedulus zeigte sich nun deutlich versöhnlicher und erklärte seine arg unwirsche Art damit, er habe es vorhin überhört. Sie waren einander doch direkt gegenübergestanden! Nicht gehört... nicht aufgepasst traf es wohl eher, fand Axilla. Oder aber, Sedulus war schon so alt, dass seine Ohren nicht mehr richtig funktionierten. Oder es war die erste Ausrede, die ihm eingefallen war.
    Als sie sein Kompliment hörte, lag ihr schon ein spitzer Kommentar auf der Zunge. Sie sah bezaubernd aus? Sie trug BLAU! Axilla trug NIE blau! Sie hatte immer, immer, immer grüne Sachen an, weil die ihr am besten standen, und heute trug sie dunkles Blau. Und sie wusste, dass sie blass war, weil sie seit Leanders Tod nicht mehr richtig geschlafen hatte. Und sie wusste, dass sie bei jeder hektischen Bewegung in ihrer Umgebung zusammenzuckte und sich erschreckte. Und das fand er bezaubernd? Sie holte grade Luft, als Archias sie schon wieder am Arm ruckte. “Au, lass das! Was ist denn?“ funkelte sie ihn an.
    Verdammt, jetzt hatte sie ihren Gedanken dank Archias vergessen. Und dabei wäre es ein so herrlich spitzer Kommentar gewesen. So aber lächelte sie nur auf diese Art, die auch Urgulania immer zueigen gewesen war und die wohl in der Familie lag, wenn man den anderen wissen lassen wollte, dass man eigentlich nichts von dem ernst meinte, was man sagte. “Dankeschön“, sagte sie nur schlicht und wandte sich dann wieder dem Rennen zu. Immerhin war sie dafür hier, und es ging noch ganze 5 Runden.

    Axilla versuchte ihren treuesten Hundeblick an Archias. “Du könntest mir doch nie was tun, oder?“ Ein paar mal mehr blinzeln, als es nötig gewesen wäre, aber nicht genug, um es als Wimpernklimpern gelten zu lassen. So albern war Axilla nun doch nicht, und sie kannte das richtige Maß, den richtigen Blick, um Männerherzen zu erweichen. Zumindest hoffte sie das, bislang hatte sie ihre Übung darin nie im Stich gelassen.


    Und Archias versprach auch schon, dass sie das Mosaik bekommen würde, wenn sie das denn wollte. “Ja, ich fänd das wirklich sehr nett. Und wenn ich mir das schonmal aussuchen kann dann können wir das doch auch gleich nehmen. Wird sicher toll.“
    Wo sie noch nicht so sicher war, war das Wagenrennen. Also, das in Mosaik gepresste an der Wand, das erst noch entstehen musste. Als Archias dann aber erwähnte, dass Merula auch Anhänger der Blauen war und Axilla einfach annahm, dass es also bei den Iuniern eh Tradition war, der Veneta zuzujubeln, konnte man die wohl auch an der Wand gewinnen lassen. Das wäre ja dann sicherlich auch den Gästen bekannt, zumindest jenen, die sich für Wagenrennen interessierten. So zumindest ihre Theorie.
    “Und das darfst du einfach machen? Nicht, dass dann die Schiedsrichter meckern.“ Gab es bei Wettrennen eigentlich Schiedsrichter? Axilla hatte nur die sportlichen Wettkämpfe zum Neujahrsagon in Alexandria gesehen, und da hatte es für ALLES Schiedsrichter gegeben. Aber auf jeden Fall klang es trotzdem recht beeindruckend.
    Einzig der Punkt mit Germanicus Sedulus gefiel Axilla nicht so wirklich. Warum musste es ausgerechnet der sein? Nun, Axilla hatte nichts gegen ihn – sie kannten einander ja so gut wie gar nicht – aber wenn der auch öfter bei den Rennen war, so wie Archias das eben für sich angekündigt hatte, dann würde er sicher auch öfter Serrana mitbringen und das würde die ganze Situation dann noch viel schwieriger machen.
    “Also, ich würde mir gern ein Rennen mal anschauen. Kann ja nicht sein, dass ich dann hier in Rom wohne, und nie auch nur ein Rennen sehe. Oh... da fällt mir ein... ich muss noch fragen, ob ich die Proxenie dann noch behalten darf, wenn ich ja gar keine Alexandrinerin mehr bin...“
    Der Gedankensprung kam recht plötzlich, aber Axilla würde ihren Wohnsitz noch für die Schreiber der Stadt umtragen lassen müssen, oder sich überhaupt als Einwohnerin mit Wahlrecht melden müssen. Ob sie da die Alexandrinische Ehrenbürgerschaft, die ihr ja doch einiges bedeutete, behalten durfte, wusste sie nicht.

    Oh, er wusste nicht was sie meinte? Natürlich. Und sie sah toll aus? Na, das änderte natürlich alles grundlegend! Axilla sah Archias an, so dass dieser sich eigentlich in Stein hätte verwandeln müssen – hätte er da nicht shcon längst wieder auf das Renngeschehen geschaut und würde sich nicht über das Winken des Führenden aufregen. Darüber würden sie beide noch sprechen, soviel war klar. Da würde Axilla noch ein gewaltiges Hühnchen mit ihm rupfen.
    Sie schmollte also und versuchte, sich irgendwie durch das Rennen abzulenken, als plötzlich Sedulus ankam und sich von der Begrüßung durch Archias wohl irgendwie beleidigt fühlte. Fragend schaute Axilla ihn an. Serrana hatte Archias doch gerade eben vorgestellt, als Axillas Verlobten – wenn auch nirgends eingetragen – und fälschlicherweise als Postpräfekt – was dann gleich berichtigt worden war. So hörte der werte Herr Senator seiner Frau also zu! Das Stimmchen des Stolzes in Axilla begehrte gleich auf, dass sie ihm mal ordentlich den Kopf zurechtrücken sollte deswegen. Er konnte doch nicht einfach ihre Cousine schon vor der Hochzeit so total ignorieren und beiseite schieben! Das machte man mit einer Iunia nicht! Er sollte heilfroh sein, dass er eine Frau aus dieser edlen Ahnenreihe kriegen würde, und sich da nicht erdreisten, ihr einfach nicht zuzuhören und stattdessen den Verlobten einer anderen Iunia anzugehen, die auch noch die Cousine seiner Verlobten war. Was die beiden zu fast sowas wie Verwandten machte, wenn denn dann mal alles unter Dach und Fach war. Sowas in der Art wollte sie ihm an den Kopf knallen.
    Tat sie aber nicht. Serrana hatte sehr deutlich gemacht, dass sie keine Iunia sein wollte. Axilla akzeptierte das. Sobald diese vermaledeite Hochzeit vorbei wäre, hatte sie dann da auch vollständige Ruhe. Ihretwegen konnte Serrana ihrem Mann auch gleich die Gewalt über sich geben und seinen Namen annehmen, das wäre ihr auch egal gewesen.
    Aber so gar nichts zu sagen ging auch nicht. Also, wenn der Senator Germanicus unbedingt förmlich angesprochen werden wollte, sollte der Senator Germanicus genau das kriegen. Wenn der Senator Germanicus keinen Wert darauf legte, dass wenigstens er bei Axilla noch einigermaßen angesehen war, dann eben nicht. Sollten die ganzen Germanicer Axilla doch den Buckel runterrutschen.
    Senator Germanicus, verzeih das Vergessen deines Ranges und die ungebührliche Vertrautheit, wie sie vielleicht nur unter eine Familie oder einer zukünftigen angebracht wäre. Also, Senator Germanicus, wenn ich dich nochmals meinen zukünftigen Ehemann, denn Procurator a mermoria Aelius Archias vorstellen dürfte. Ist damit dem Moment genüge getan, Senator Germanicus?“
    Silanus war ja aufs Land abgereist, und Axilla war grade durchaus in der Stimmung, als Älteste Frau des Hauses die ganze Hochzeit einfach abzusagen und alle aus der Casa dann rauszuschmeißen. Was bildeten die sich denn ein? Ging man denn so mit künftiger Verwandtschaft um?

    “Hmm... ich hab ja keine großen Brüder, die dich verhauen, wenn du mich ohne Erlaubnis einfach kitzelst. Aber so wirst du mit meiner Rache immer und jederzeit rechnen müssen.“ Und um ihn zu ärgern und um ihm zu zeigen, dass ihre Rache nicht unbedingt in Kitzeleinheiten erfolgen musste, schmiegte sie sich noch mehr an ihn und räkelte sich dabei ganz leicht, ehe sie von ihm abließ. Sie wusste, das war gemein, und sich selbst strafte sie dabei mindestens genauso sehr wie ihn, aber es ging ums Prinzip! Und ums letzte-Wort-haben.


    Dass er sie der Venus vorziehen würde, das war wiederum sehr schmeichelhaft. Axilla wollte zwar nicht den Zorn der Göttin riskieren, war sich aber auch recht sicher, dass die Schaumgeborene besseres zu tun hatte, als sich über Mosaike auf Fußböden von Schlafzimmern aufzuregen. Oder das aber einfach ignorierte. Egal, so bekäme sie schon irhe Nymphe wie gewünscht. “Na, dann gehen wir vielleicht doch auf Nummer Sicher und nehmen die Nymphen und Faune, die scheren sich da sicher nicht. Höchstens, weil sie vom Fußboden aus keinen guten Blick aufs Bett haben, um zuschauen zu können.“


    Aber beim Thema Factiones war Archias dann auf einmal sehr überzeugt und vehement. “Wir?“ Axilla blinzelte verwirrt. Wieso hatten da 'wir' die besten Rennpferde? Oder... oh, oh, hatte er ihr das mal erzählt? Sie erinnerte sich da dunkel an was, aber es war ihr nicht wichtig erschienen, also hatte sie es sich nicht gemerkt.
    “Oh, achso, du... achso, na dann... ähm, ja, die können natürlich gewinnen. Oder wir machen an jede Seite vom Perystil einen Wagen, und den Raum dazwischen als Rennbahn. Also nicht zusammenhängend ein Mosaik,. Sondern vier. Dann ist auch kein Gast beleidigt. Oder ist da gewinnen besser?“ Axilla hatte in ihrem ganzen Leben noch kein Rennen gesehen, folglich war ihr das relativ wurscht, wer da gewann. Woher sollte man sich für eine Factio entscheiden, wenn man noch nicht eine einzige gefahrene Runde gesehen hatte? “Und das heißt, wir gehen dann öfter zu den Rennen? Ich war noch nie auf einem! Ist das so aufregend, wie man sich erzählt?“