Beiträge von Iunia Axilla

    Ein bisschen mulmig war Axilla schon. Oder was hieß ein bisschen. Ungefähr so wie ein Elefant ein bisschen dick war oder ein Pferd ein bisschen schneller als ein Mensch oder die Sterne ein bisschen höher am Himmelszelt hingen. So ein bisschen mulmig war Axilla, als sie zu ihrem ersten Arbeitstag nach der verunglückten Abtreibung ging.
    Sie hatte keine Ahnung, wie es werden würde. Archias hatte sich so aufbrausend benommen bei der Hochzeit, und danach hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie kannte ihn so gar nicht, und sie konnte bis jetzt noch nicht so wirklich begreifen, was da eigentlich passiert war. Sie hatte es zwar miterlebt, und es auch gehört, aber begreifen konnte sie es nicht. Nichtmal ansatzweise. Sie wollte es auch irgendwie nicht so wirklich wahrhaben. Und das machte sie noch ein kleines elefantenmäßiges bisschen nervöser.


    Von der Tür wurde sie von einem Sklavenjungen auch direkt weitergeleitet, direkt bis zu Archias' Cubiculum. Ob er es wohl aufgeräumt hatte? Ein widersinniger Gedanke, trotzdem schoss er Axilla durch den Kopf, als sie anklopfte und nach der Reaktion von drinnen vorsichtig die Tür öffnete und herein kam.
    “Hey...“, war die einzige Bemerkung, die ihr auf die Schnelle einfiel. War Archias wohl noch immer wütend? Sie wusste es nicht, sie tapste nur in den Raum und machte hinter sich die Tür zu, während sie zu ihm rübersah. Sie war sich ja noch nichtmal sicher, ob sie selbst ihm wütend sein sollte.

    Axilla saß gerade an ihrer Fensterbank und schaute hinunter in den Garten. So langsam kam der Frühling. Noch war das meiste grau und matschig, aber hier und da war sowas ähnliches wie Grün zu erspähen. Konnte nicht mehr lange dauern, vielleicht noch einen Monat, und da unten würde das Leben blühen.
    Als die Tür ging, ruckte ihr Kopf herum und mit einem Lächeln begrüßte sie Crios. Der schaute zwar ein bisschen komisch drein, und Leander, der ihm die Tür geöffnet hatte und wieder entschwunden war, hatte ausgesehen wie drei Tage Regenwetter – aber der sah in letzter Zeit ohnehin ziemlich fertig aus. Aber jetzt lächelte auch der Arzt und fragte sie durch die Blume nach ihrem Wohlbefinden.
    “Ja, mir geht es schon wieder blendend. Ich kann es kaum erwarten, dass Frühling wird. Dann kauf ich mir als erstes ein Pferd und galoppier hier die ganze Gegend ab.“ Frech grinste sie ihn an und stand dann auf, damit er sich selbst davon überzeugen konnte, wie fit sie schon wieder war. Nur noch bei wirklich langen Wanderungen über den Markt oder wenn sie sich aufregte ging ihr die Puste aus, ansonsten fühlte sie sich schon wieder pudelwohl. Und die Übelkeit war sie auch los, den Göttern sei dank. Eigentlich war alles in bester Ordnung.
    “Und, was sagst du? Ich bin wieder voll einsatzfähig, oder?“ Sie auf jeden Fall fühlte sich wieder voll einsatzfähig und zu allen Schandtaten bereit.

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    Was bei allen Göttern des Olymp hatte Archias ihm denn angedroht dafür, dass er sich um Axilla kümmerte? Das war doch Paradox! Es war doch gut, dass er herkam und sich um sie kümmerte? Lenader schaute etwas fragend aus der Wäsche, denn irgendwie hatte er es sich nicht SO schlimm vorgestellt. Was war nur in den Aelier gefahren?


    “Äh, gut, dann bring ich dich zu ihr. Aber... sie wird sicher alles andere als erfreut sein.“ Leander hoffte, dass Axilla nicht in einem plötzlichen Wutanfall wieder Sachen durch die Gegend schmiss. Das passierte schonmal. Und die Nachricht, dass die Abtreibung nicht wie geplant verlaufen war war sicherlich etwas, das sie ganz und gar nicht erfreuen würde.


    Leander als öffnete die Tür für den Iatros und geleitete ihn dann weiter zum Cubiculum von Axilla, wo diese schon auf die Ankunft des Arztes für die abschließende Visite wartete.



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    Und da kam sie auch schon zu ihr herüber. Damit war es für jedwede Flucht nun definitiv und absolut zu spät. Wie hätte das auch ausgesehen, wenn sie jetzt auf einmal sich umgeschaut hätte und mit einem 'Oh, ich muss weg' entschwunden wäre?
    Es war ja nicht so, als ob sie vor Romana Angst hätte. Nein, eigentlich mochte Axilla die Vestalin ja ganz gerne. Die hatte wenigstens eine Ahnung von dem, was sie sagte, war selber ein Soldatenkind. Nicht so ein in Watte gepacktes Plüschwesen, das nicht weiter als bis zur eigenen Nasenspitze dachte und vergaß, wodurch das alles hier zusammengehalten wurde. Nein, Romana war da schön bodenständig und ehrlich. Das einzige war, sie machte Axilla ein klein wenig Angst. Also, nicht sie im Sinne von sie, eher sie im Sinne von Vestalin. Axilla fühlte sich in ihrer Gegenwart einfach ein wenig unbehaglich, weil Romana für so ziemlich alles stand, was sie falsch gemacht hatte. Sie diente der Vesta und würde für die nächsten... Axilla hatte keine Ahnung, auf jeden Fall würde sie eine ganze Ewigkeit lang Jungfrau sein. Und Axilla war das nicht. Romana würde jede Menge Ansehen dafür ernten und hatte eine ziemlich mächtige Stellung vielleicht eines Tages. Axilla wohl eher nicht. Und das so direkt vorgeführt zu bekommen war schon etwas einschüchternd und machte Axilla ihre eigenen Unzulänglichkeiten nur zu deutlich klar.
    “Ja, man könnte meinen, Rom ist ein Dorf“, meinte Axilla also etwas unsicher, lächelte dann aber doch erfreut. Es gab wahrlich schlimmeres als eine Vestalin, die die Ehre von Soldaten in ihrer Freizeit verteidigte.
    “Opfertiere?“ Es dauerte einen kurzen Moment, bis Axilla verstanden hatte. Im ersten Moment konnte sie nur denken, für was sie denn schon wieder opfern sollte. Man opferte zwar ständig wegen dem einen oder anderen Feiertag, oder für die eine oder andere Gunst, aber momentan hatte Axilla eigentlich nichts, wofür sie opfern würde. Abgesehen davon, dass sie im Moment auch gar nicht durfte. “Ach, du meinst wegen der Ziegen? Nein, ich seh mich nur mal um. Ich wollte nachher noch nach einem Pferd schauen, aber erstmal wollte ich nur ein wenig schauen, was der Markt noch zu bieten hat.“
    Sie wandte sich wieder den Ziegen zu. Ja, vermutlich waren das gute Opfertiere. Sie waren sehr hübsch, so man das von Ziegen sagen konnte. Sicher zu schade, einfach geschlachtet und verwurstet zu werden. Aber einem Gott würde so eine schicke Ziege sicher gefallen. “Die sind hübsch, oder? Du suchst Opfertiere?“ Axilla schloss das aus dem kleinen Wörtchen 'auch'. Und irgendwie war es auch logisch, denn was sonst sollte Romana auf einem Viehmarkt auch machen?

    Tja, die Güte hätte Axilla wahrscheinlich, aber das war für sie eine Frage des Prinzips. Sie verriet niemanden, so einfach war das. So hatte ihr Vater sie nicht erzogen. Freunden war unbedingte Treue zu halten, ansonsten brauchte man sie nicht als Freunde bezeichnen. Und Archias war ihr bester Freund. Wer war sie, wenn sie ihn da verriet, nur weil es etwas schwieriger wurde?
    Allerdings schien ihre Vorstellung den Patrizier etwas zu beschwichtigen, denn er stellte sich dann auch gleich vor. Auch jetzt sagte sein Name Axilla nichts, aber sie hatte sich ja auch nicht über die Aurelier erkundigt. Für sie waren Namen ja auch nicht wichtig, überhaupt nicht. Die Hälfte davon vergaß sie sowieso wieder. Für sie war nur wichtig, ob sie jemanden leiden mochte oder nicht. Und bei dem Aurelier hier bestand in dieser Frage noch ein ganz großes Fragezeichen.
    Allerdings war sie ihm sehr dankbar, dass er das Thema wechselte auf ein weitaus unverfänglichers Gebiet und ihr mit den Klinen auch einen kleinen Fluchtpunkt zugestand. Sie brauchte also nicht lange, um sich auf eine zu setzen. Gewohnheitsmäßig und wenig damenhaft aber nahm sie wie immer die Füße mit hoch und saß sich so selbst auf den Unterschenkeln, was ihre jugendliche Erscheinung wohl noch eher vertiefte und sie eher weniger als erwachsene Frau oder gar Matrona erscheinen ließ.
    “Ähm, ich hab ihn am Tiberhafen zufällig getroffen. Er hat ein eher unfreiwilliges Bad im Tiber genommen, und als er heraus war, haben wir uns unterhalten. Und weil ich allein unterwegs war, sah er es als seine Pflicht als Ehrenmann, mich heimzubringen.“
    Das war wieder eine geschönte und noch verkürztere Form als die, die Archias und Seiana erhalten hatten, aber nichts desto trotz war es auch Wahrheit. Auch wenn es etwas seltsam anmutete, von Vala als Ehrenmann zu reden, wo er die Ehre doch so strikt als bloßes Konstrukt und etwas unschönes bezeichnet hatte. Axilla sah beim erzählen auch immer mehr zu dem Gang und hoffte, dass ihr Begleiter auch gleich wieder zurückkommen würde. Derweil versuchte sie, einigermaßen höflich immer wieder den Blickkontakt zu dem Aurelier zu halten und weiterzureden. “Und naja, seine Familie besitzt ein großes Handelshaus, und ich habe seinen Vetter in Ägypten kennengelernt. Ich besitze da ein paar Betriebe, und die beliefern nun seine Betriebe. Also, die Farbmischerei, so ein wenig. Daher kenne ich die Familie als Geschäftspartner schon etwas länger.“
    Sollte ja nicht so klingen, als hätte sie sich wegen dieser Errettung am Hafen in Vala verknallt. Auch wenn das irgendwie ja stimmte. Trotzdem sollte es nicht so klingen. Und wieder wanderte ihr Blick in Richtung des Ausganges, wo der große Germane hinverschwunden war.

    “Jetzt komm schon, Leander!“ Endlich war Axilla soweit wieder fit, dass sie wirklich lange Spaziergänge machte, und dann trödelte der Grieche so hinter ihr her! Und dabei wäre sie am liebsten nur gelaufen und gerannt. Nicht, um die ihr entgangene Bewegung der letzten Zeit nachzuholen, sondern um endlich mal wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Es war so viel passiert, dem sie einfach am liebsten entfliehen mochte, so viel, was weit außerhalb ihrer Kontrolle lag, dass sie gar nicht darüber nachdenken konnte, ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Und ihr Gefühl sagte ihr ganz deutlich, dass sie fliehen sollte. Einfach weglaufen, diese ganzen Probleme, diese Erwartungen und Schwierigkeiten hinter sich lassen und nur laufen, laufen, laufen. Und sie konnte es einfach nicht!
    Erst recht nicht, wenn Leander so herumtrödelte! Der kämpfte sich grade zwischen zwei grobschlächtigen Kerlen hindurch, um zu ihr aufzuschließen, und sah dabei etwas gehetzt aus.
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    “Domina, hältst du das wirklich für eine gute Idee? Ich meine... du weißt doch, was Crios gesagt hat, und...“
    “JAAAA, ich weiß. Aber ich will ausreiten, Leander. Einmal wieder frische Luft und um mich herum nichts, NICHTS außer weites Land. Kannst du das nicht wenigstens ein bisschen verstehen? Ich brauch das!“ Sie wandte sich wieder um und stapfte weiter. “Und dafür brauch ich ein Pferd.“
    Und Leander konnte ihr nur hinterherhetzen und sich fragen, was um alles in der Welt sie dann auf dem Markt für Kleinvieh zu suchen hatten. Das größte, was es hier gab, waren Ziegen, vielleicht gab es irgendwo auch Esel, wenn auch unwahrscheinlicher. Kein Mensch mit Verstand verkaufte seine Esel auf so einem Markt, wo er heruntergehandelt wurde. Die grauen Wesen waren die größten Arbeitstiere, und würden noch essentiell für jeden Hof bleiben für die nächsten 1.500 Jahre. Aber der Grieche hatte schon lange aufgegeben, die wirren Gedankengänge seiner Herrin begreifen zu wollen.


    Axilla schlängelte sich weiter über den Markt. Ihr war klar, dass sie hier kein Pferd finden würde, aber sie wollte erstmal laufen, wollte sich in der Anonymität der Masse verlieren und dann mit einem kleinen Schlenker weiter zum Pferdemarkt gehen, wenn sie sich sicher genug fühlte. Aber erstmal musste sie Kraft tanken, Ruhe finden. Irgendwie. Auch wenn sie nicht wusste, wie.
    Ende ihrer Reise war erstmal ein Gatter mit Ziegen darin. Hübsche Tiere, die meisten einfarbig. Wenig gefleckte, eigentlich nur ein einziges Zicklein, das zwischen den älteren Tieren herumhüpfte. Axilla merkte, dass es doch etwas anstrengend war, und gönnte sich – und vor allem Leander – einen Moment der Verschnaufpause. Sie stand einfach nur da und starrte in Richtung der Ziegen, ohne sie wirklich zu sehen, und versuchte, nicht zu viel nachzudenken.
    “Ist das nicht Claudia Romana?“ tippte Leander Axilla leicht an und deutete mit dem Kopf etwas nach rechts. Axilla folgte seinem Blick und tatsächlich, da war die große Vestalin.
    Die auch auf der katastrophalen Hochzeit gewesen war....


    Axilla überlegte sich, ob Flucht noch eine Option war, aber vermutlich wohl eher nicht. Bei Axillas Glück hatte sie sie schon entdeckt und gesehen, dass auch Axilla sie gesehen hatte. Gut, bei ihrer Größe war übersehen auch etwas schwer.
    “Salve, Claudia Romana“, grüßte Axilla also etwas zaghaft in ihre Richtung.

    Natürlich durfte sie nicht einfach gehen. Wäre auch zu schön gewesen, wenn Fortuna ab und an mal etwas Glück über sie ausgekippt hätte. Aber Axilla hatte kein Glück, und jetzt kam auch noch ausgesprochenes Pech dazu. Und natürlich durfte sie nicht zu Vala und damit verschwinden. Nungut, ihm beim umziehen behilflich zu sein war wohl auch eine selten dämliche Ausrede.
    “Ähm... also... das solltest du ihn vielleicht selber fragen...“
    Axilla hatte nicht besonders viele Tugenden. Eigentlich hatte sie so gut wie gar keine Tugenden. Aber eine hielt sie in Ehren: fides. Sie war treu bis aufs Blut und würde keinen Freund verraten, egal bei was. Sie hatte gesehen, wie Marcus Achilleos am Hafen einen Mann geköpft hatte und hatte ihn nicht verraten, als sie als Zeugin befragt worden war. Da würde sie Archias, für den sie deutlich mehr empfand, sicher auch nicht verraten, weil der eine Schüssel über Vala ausgekippt hatte. Folglich verriet sie auch seinen Namen nicht und auch nicht, in welchem Zusammenhang er zu Seiana stand. Das würde sie ihr auch nicht antun. Zumal nicht, da sie absolut keine Ahnung hatte, wer vor ihr stand. Nicht die geringste.
    Bei sich selber war Axilla aber nicht so strikt mit dem Verschweigen von Einzelheiten. Sie stand für ihre Fehler ein, meistens jedenfalls, und dazu gehörte auch, den eigenen Namen preiszugeben.
    “Nein, ich bin Iunia Axilla. Ich bin eine Bekannte der Braut. Sie hat mich und meine Cousine eingeladen, und... Duccius Vala ist meine Begleitung. Ich bin von niemandem Klient.“ Wer würde sie schon als Klient wollen? So verrückt konnte kein Patron sein.

    Am liebsten wäre Axilla Vala direkt hinterhergelaufen und raus aus dem Atrium, aber es ging nicht. Ein Mann stellte sich ihr in den Weg und sie konnte ihn entweder umrennen – was ihrem Plan, sich möglichst unauffällig aus dem Mittelpunkt des Interesses hinauszubegeben aber zuwider lief – oder aber, sie musste stehen bleiben. Axilla entschied sich für letzteres, einfach, weil es unauffälliger war und sie ohnehin viel zu verwirrt war, um irgendwelche schlüssigen Gedankengänge zu haben.
    Sie war sich nur zu sehr bewusst, dass ihre Ohren noch immer Rot waren, und wohl auch ihre Wangen davor nicht verschont geblieben waren. Sie warf nur einen kurzen Blick hinauf zu dem Mann, der sie am Weggehen gehindert hatte und sie zwar höflich, aber eindeutig verärgert, angesprochen hatte. Ihr Blick dürfte wohl etwas von einem Kätzchen gehabt haben, aber er währte nur kurz, ehe sich Axilla wieder der ausgiebigen Betrachtung des Bodens widmete. Am liebsten wäre sie ganz tief in ihn hineinversunken.


    Sie hörte, wie der Gastgeber die Situation überspielte und das Gastmahl eröffnete und war ihm sehr dankbar dafür. Nur scheinbar hielt das den großen Mann – Patrizier, wie sie bei der so ausgiebigen Betrachtung seiner Schuhe feststellte – nicht davon ab, sie an der Flucht zu hindern. Er wollte eine Erklärung.
    “Ich weiß es auch nicht. Ehrlich nicht. Es war alles prima, und auf einmal keift er Vala an und stülpt ihm die Schüssel über. Ich weiß wirklich nicht, was das ganze sollte. Bitte, darf ich...“ sie deutete nur vage in die Richtung des Ganges, wohin Vala entschwunden war. Vermutlich, um sich umzuziehen, aber das war Axilla egal. Zum einen hatte er sich vor ihr ja schonmal ausgezogen, wenngleich nur kurz, und zum anderen wollte sie eigentlich nur dieser ganzen Situation entfliehen.

    Er war lustig, und Axilla musste lachen. So war sie auch nicht ganz schnell genug, als er vom Essen sprach. Sie wollte ja nicht von dem dankbaren Blumenkübel weg, und Hunger hatte sie auch keinen. Den Kuchen vorhin hatte sie nur in die Hand genommen, um etwas in der Hand zu halten. Wo hatte sie den eigentlich gelassen? Hatte sie ihn wieder zurückgelegt? Sie wusste es nicht mehr. War im Grunde auch egal.
    So aber führte Sermo sie wieder von der Pflanze weg, mehr Richtung Buffet zurück, und Axilla musste sich wohl was neues mit dem Wein überlegen. Aber später, erstmal musste sie antworten. “Ja, es gibt eine hohe Mauer um Basileia drumherum. Und drei Tore. Eins direkt an der Hafenstraße, damit man schnell zum Xenai Agorai kommt, dann eines zum Brucheion hin nach Süden, mit direkten Ausblick zum Tetragon Alexandris, und schließlich noch das Osttor zum Delta hin. Aber ich glaub, das ist nur, damit es nach da auch ein Tor gibt. Im Delta leben hauptsächlich Juden.“
    Im Delta war Axilla eigentlich eben deswegen nie gewesen. Abgesehen davon, dass Urgulania ihr sonst den Hals umgedreht hätte. Kurz dämpfte der Gedanke an ihre Cousine ihre Laune, aber nicht lang genug, als dass es sich niederschlagen hätte können.
    Außerdem weihte Sermo sie gerade ein, wo er wohnte, und versprach ihr auch eine Stadtführung. Axilla musste lächeln und lehnte nicht minder verschwörerisch zu ihm hinüber. “Nun, den Viminal hab ich mir noch nicht so genau angesehen, auch wenn die Casa Iunia ja fast an seinem Fuß liegt.“ Sie lächelte ihn verschmitzt an, ehe sie auf seine andere frage noch antwortete. “Und ich bin hier seit Anfang Dezember. Und ich muss sagen, Rom im Winter scheint mit bislang noch nicht so berauschend, wie es mir beschrieben wurde. Aber vielleicht hab ich ja auch nur nicht die wahren und geheimen Perlen dieser Stadt bisher gefunden.“

    Also hatte Seiana auch keine Ahnung, was in Archias gefahren war. Sie guckte zwar einmal kurz etwas komisch, aber wahrscheinlich war ihr die ganze Situation genauso peinlich wie Axilla. Axilla hasste es irgendwo im Mittelpunkt zu stehen, sie hasste es, wenn alle auf sie schauten und sie beurteilten und ihre Erwartungen an sie richteten. Mit Druck konnte Axilla ganz und gar nicht gut umgehen. Und auch, wenn sie sich herausgeputzt hatte ohne gleichen, eben damit man sie heute beneidete, war es ihr alles andere als recht, nun hier allein neben Seiana zu stehen und ihren besten Freund mit ihrem Begleiter streiten zu sehen.
    Anfangs verstand Axilla gar nichts, was die beiden redeten. Sie sah nur Valas Mimik, und die schien einen Moment sehr ausgelassen und fröhlich zu sein, ehe sie ernst wurde. Und dann auf einmal wurde Archias laut. Anfangs verstand Axilla ihn noch nicht so ganz, aber gegen Ende dann doch immer besser. Es ging um sie. Um seine beste Freundin, und Archias wollte Vala alle Knochen brechen, wenn sie ihn nochmal anschaute! Axilla war geradezu entsetzt! Hoffentlich waren die anderen gerade frisch ertaubt, dass niemand sonst das gehört hatte. Archias war ja immerhin weder mit ihr verwandt, und erst recht nicht verlobt oder dergleichen. Axilla meinte, Blicke zu fühlen, die ihr mehr als unangenehm waren. Und DANN setzte Archias dem ganzen noch die Krone auf! Sogar recht wörtlich, denn er nahm eine Schüssel mit irgendeiner süßen Nachspeise zur Hand und goß sie über Vala aus!
    Axilla starrte nur ungläubig auf die Szene, sah wie in Trance zu, dass Vala Archias nochmal zurückhielt und ihm was zuflüsterte, spürte dann des Aeliers Blick auf sich liegen, während Vala an ihm vorbei zu ihr und Seiana lief. Er hatte sich zwar das gröbste vom Gesicht gewischt, aber dennoch troff überall die süße Creme von ihm herunter. Er entschuldigte sich nur schnell und ging an einer schockstarren Axilla vorbei zu irgendwelchen Räumlichkeiten, von wo aus man ihn leise schimpfen hören konnte.
    Auch Archias kam, behielt sie dabei die ganze Zeit im blick. Axilla konnte immernoch nichts sagen und nur recht entgeistert schauen. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Hatte er überhaupt etwas dabei gedacht? Und wieso bei allen Göttern, wieso hatte er das getan? Sollte er sich nicht freuen, dass sie auch jemanden gefunden hatte, so wie er? Sollte er nicht für Seiana so reagieren? Sollte sie ihm nicht etwas... naja, mehr egal sein?
    Sie sah ihn nur an und wusste nicht, was sie zu ihm sagen sollte. Es hatte sich noch nie jemand wegen ihr geprügelt! Oder Nachspeise über jemand anderem ausgekippt. Überhaupt noch gar nie hatte jemand wegen ihr mit jemand anderem Streit angefangen. Und auch, wenn es vielleicht eine romantische Vorstellung einiger Frauen war, Objekt eines solchen Streits zu sein, Axilla konnte damit nicht umgehen. Ganz und gar nicht. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen oder machen sollte. Am liebsten wäre sie einfach rausgerannt und weggelaufen, bis ihre Muskeln gebrannt hätten, Hauptsache weit weg von hier. Sie konnte damit wirklich ganz und gar nicht umgehen.
    Und dann entschuldigte sich Archias bei ihr, was sie nur noch mehr in Verwirrung stürzte, und dann ging er auch schon seiner wütenden Verlobten hinterher. Axilla stand noch einen Moment da wie ein verschrecktes Reh und sah ihm einfach nur hinterher. Erst nach und nach realisierte sie, dass sie jetzt ja allein mitten im Raum stand und als einzige Beteiligte dieses Debakels grade greifbar war und folglich doch etwas mehr Aufmerksamkeit auf sich zog. Hätte Axilla es gekonnt, sie hätte sich in exakt diesem Moment in Rauch aufgelöst, nur um unsichtbar entschwinden zu können. Sie wünschte sich, sie hätte doch etwas Bleiweiß aufgetragen, denn so lief sie undamenhaft rot an. “Ich... das tut mir so... unendlich leid“, stotterte sie, hauptsächlich in Richtung des Brautpaares, und machte sich dann mit hochroten Kopf auf in die Richtung, in die Vala entschwunden war. Vielleicht konnte sie da noch etwas retten. Oder zumindest war sie dann nicht allein und musste diese Blicke ertragen. Am liebsten wäre sie durch den Boden in die Richtung hindiffundiert, anstatt hier nun auch noch quer durch den Raum gehen zu müssen und dabei dem Drang zu widerstehen, wegzurennen.

    Ein Sklave brachte einen kleinen, unscheinbaren Brief vorbei. Zusammen mit der restlichen Post der Gens sollte er möglichst rasch auf seine Reise gehen, weshalb man ihn dann gleich von der Wertkarte abziehen sollte.


    Ad
    Marcus Duccius Rufus
    Casa Duccia
    Mogontiacum
    Germania Superior



    Salve Ragin,


    tut mir leid, dass die Antwort so lange gedauert hat, aber im Moment scheint es, dass die Post dieser Tage ohnehin länger braucht als gewöhnlich. Und ich war auch krank und kam so nicht dazu, dir zu antworten. Keine Sorge, mir geht es schon wieder sehr gut. Um ehrlich zu sein, mich nerven schon alle, weil sie mich so betüteln und tun, als wäre ich aus dünn gebranntem Ton gemacht. Wenn es nach mir ginge, würde ich schon längst wieder arbeiten.
    Oh, das habe ich glaube ich gar nicht erzählt! Ich arbeite, hier in Rom. Ich habe entschieden, erstmal noch ein Weilchen hier zu bleiben. Mir hängen ohnehin alle in den Ohren, cih soll nicht mehr anch Ägypten, aber das ist nicht der Grund.
    Aelius Archias – du kennst ihn doch noch? - ist nun auch in Rom und er hat mich als sein Scriba eingestellt. Oder naja, offiziell bin ich Vilica für seine Betriebe, aber ich finde, das klingt viel zu wichtig. Ich bewahre nur seine Finanzen davor, im gröbsten Chaos unterzugehen. Und ob ich mich nun nur um meine Betriebe kümmere oder um seine gleich mit, macht keinen großen Unterschied mehr. Außerdem mag ich ihn gern, er ist einer meiner ältesten Freunde, und er kann wirklich Hilfe brauchen.


    Aber etwas anderes: ich hab deinen Vetter gefunden! Stell dir vor, er wohnt in der Casa Prudentia! Ich bin vor einigen Tagen dorthin gegangen, um mich bei ihm zu bedanken. Er ist ein wirklich sehr netter, junger Mann. Auch, wenn er ein paar seltsame Ansichten hat und teilweise etwas harsch erscheint. Aber das macht nichts, ich hab ihn sehr gern.
    Ich gehe morgen mit ihm zu einer Hochzeit. Ich kenne die Brautleute eigentlich kaum, und er gar nicht, aber er war so lieb, mich zu begleiten.
    Hier in Rom ist es teilweise echt furchtbar, wie die Leute tratschen. Ich war neulich in den Thermen, und diese... diese WEIBER dort hatten doch nichts besseres im Kopf, als wer wann was über wen gesagt hat und ob das irgendwelche Auswirkungen habe. Und das schlimmste war ja noch, das diese hohlen Puten sich über die Soldaten des Imperiums lustig gemacht haben! Naja, nicht alle, eine Vestalin, Claudia Romana, war anscheinend nicht ganz so doof und hat versucht, mit mir zusammen die Ehre unserer Legionen vor diesen geschwätzigen Nichtigkeiten zu verteidigen.
    Und da geh ich dann lieber mit einem so schnieken Mann wie deinem Vetter dahin, damit sie, wenn sie schon tratschen, dann mich wenigstens nicht am Ende als alte Jungfer betiteln, die irgendwo allein hingeht. Ne, die werden sicher nicht schlecht staunen. Wünsch mir Glück – auch wenn der Brief wohl viel später ankommt – dass sie vor Neid alle erblassen werden. Das würde mir wohl gefallen.


    Vale, und fall nicht nochmal vom Pferd


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    Sim-Off:

    Einmal Wertkarte Iunia

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    Zum Glück hatte Leander im Grunde keinerlei Ahnung von der weiblichen Anatomie als solches, und erst recht nicht von Geburten, Abtreibungen und möglichen Totgeburten. Vermutlich hätte er sonst die letzten Tage noch viel weniger geschlafen und Axilla ständig nach irgendwelchen Vergiftungsanzeichen abgesucht. So allerdings war er eigentlich nur erleichtert, dass es seiner Herrin immer besser und besser ging und sie sich rasch erholte. Ihre zierliche Konstitution hatte sie zwar einige Tage schwach sein lassen, aber im Grunde ging es ihr schon wieder sehr gut. Sah man davon ab, dass sie noch immer, wie es schien, ein uneheliches Kind erwartete.
    Dass Crios nicht mehr weiterhelfen wollte, was eine mögliche, weitere Abtreibung anging, nahm Leander mal so hin. Viel ändern konnte er daran wohl ohnehin nicht, und vielleicht wäre da ein anderer Arzt auch besser. Einer, der weniger mit Decima Seiana zu tun hatte. Sofern Leander seine Herrin wirklich nicht davon überzeugen konnte, das Kind einfach heimlich zu bekommen und dann unauffällig irgendwo auf dem Land verschwinden zu lassen.


    Allerdings hatte sein Beschwichtigungsversuch bezüglich des Vaters da wohl eher weniger Erfolg. Abwehrend hob Leander gleich die Hände, als Crios aufstand und sich echauffierte. Ja, wo käme man hin, wenn man sowas ungesühnt ließe? Jeder Sklave kannte das nur zu gut, wo man dann hinkam: Dahin, wo man schon war. Nur ohne noch mehr Ärger heraufzubeschwören. Aber offenbar war Crios nicht geneigt, das ebenfalls so zu sehen.
    “Ja, kann er. Aber ich muss dich bitten, auch weiterhin nichts zu sagen. Das ganze ist sehr kompliziert. Und ich bin mir auch sicher, dass er nicht noch einmal kommen wird. Das war eine Überreaktion, die sicher nicht mehr vorkommen wird.“
    Da hatte er ja wieder was losgetreten! Am besten, er hielt in Zukunft immer ganz die Klappe, dann verplapperte er sich nicht bei aelischen Sklaven, woraufhin keine beinahe-dann-doch-nicht-jetzt-scheinbar-wieder-Väter irgendwelche verrückten Aktionen starteten. Langsam glaubte Leander, dass das Pech seiner Herrin ansteckend sein könnte.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Auch, wenn Vala sich bescheiden gab, Axilla fand es ganz und gar nicht selbstverständlich, dass er sie begleitet hatte. Oder naja, eigentlich hatte er sie über den Rücken geworfen und getragen, und eigentlich hatte sie ihm ja sogar gesagt, dass sie das auch allein können würde und er sie nicht zu begleiten brauchte. Wie gesagt, eigentlich. Und so erntete Vala bei sienen Worten auch ein erneutes, schüchternes Lächeln, das noch anhielt, als Seiana auf die Frage nach Duccius Rufus antwortete, die Axilla im Grunde schon wieder vergessen hatte.
    Und dann auf einmal bat Archias Vala auf ein Wort und ließ damit zwei ratlose Frauen einfach zurück. Vala schaute sie noch kurz an mit einem Blick, den Axilla nichtmal im Ansatz zu deuten wusste, und ging dem Aelier dann hinterher. Axilla konnte nur dastehen und verwirrt hinterherschauen.
    Seiana neben ihr schien es nicht wirklich besser zu gehen, wobei die eher wütend denn verwirrt dreinschaute. War ja aber auch wirklich seltsam, das ganze, und Axilla hatte da ein ganz ungutes Gefühl. Ein wirklich, wirklich ungutes Gefühl. Sie hatte immernoch nicht rausgefunden, wen Archias nun eigentlich verhauen hatte wegen ihrer Abtreibung, sie wusste nur, Piso war es nicht. Und irgendwie hatte sie gerade so ein klein wenig die Befürchtung, Archias würde sich hier gleich in eine ähnliche Dummheit stürzen, wieder ihretwegen.
    Aber eigentlich ergab das doch gar keinen Sinn! Sollte er sich nicht freuen, dass sie jemanden wie Vala an ihrer Seite hatte, der groß, und stark, gutaussehend und auch noch ein sehr tugendhafter Mann war? Immerhin hatte er sie beinahe heldenhaft vom Avantin nach Hause geleitet, ohne an sich selbst dabei zu denken! Da soltle er sich doch für sie freuen und für sie hoffen, dass es vielleicht mehr würde als nur eine oberflächliche Bekanntschaft? Er hatte ja auch Seiana, die einfach nur perfekt war. Und die er liebte. Warum also wollte er jetzt mit Vala reden und war dabei so sauer?
    Axilla schaute kurz fragend zu Seiana rüber und beschloss, einfach mal nachzufragen. Irgendwie mochte sie ja Seiana, sie war eine nette Person, mit der man sich unterhalten konnte. Und auch, wenn sie eine Frau war, benahm sie sich nicht so wie die meisten anderen … Mädchen und plapperte nur belangloses Zeug vom neuesten Tratsch, mit dem Axilla nichts anfangen konnte.
    “Weißt du, warum Caius so wütend ist? Ist bei dem Essen etwas vorgefallen?“ Das war noch die sinnigste Erklärung, die Axilla einfiel. Vor der anderen Möglichkeit verschloss sie stur die Augen.

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    Ganz kurz war Leander versucht zu sagen, dass es wohl aufs gleiche rauslief, ob sie richtig starb oder eben nur gesellschaftlich. Und dass er nicht ganz ausschließen konnte, ob Axilla nicht eine ganz endgültige Lösung in Erwägung ziehen würde, wenn klar war, dass sie noch schwanger war. So lässig sie doch im allgemeinen war, so durchtränkt war sie doch von dieser Vorstellung von Ehre, die die Iunia seit jeher zu beeinflussen schien. Nicht umsonst beriefen sie sich auf den ersten Konsul der Republik und damit auch auf Lukretia, die wegen einer erzwungenen Vergewaltigung Selbstmord begangen hatte, um eben nicht die Ehre der Familie zu beschmutzen. Aber er verbiss sich den Kommentar und hörte stattdessen lieber die anderen Antworten von Crios umso genauer an.
    “Ich hoffe, ich kann sie davon überzeugen, das nicht zu tun. Schneiden ist gefährlich, und es macht unfruchtbar. Wir könnten...“ Auch Leanders Gedanken gingen in die Richtung, es zu kaschieren und zu verschweigen. Sie könnten nach Ägypten zurückreisen und das Kind dort einfach als Diener im Hausstand aufwachsen lassen. Sofern Axilla sich soweit davon distanzieren konnte, manchmal waren Mütter nach der Geburt ja sehr anhänglich gegenüber ihren Kindern. Einige wollten sie nichtmal der Amme geben.
    Als Crios dann aber vom Vater erzählte, fiel Leander aus allen Wolken. Einen Moment schaute er nur verdattert drein, dann entschied er sich, doch etwas zu sagen. “Ähm, ich würde davon absehen, den Vater zu beschuldigen.“
    Kurz überlegte Leander, wie er es am besten formulierte, ohne jemanden zu verraten. Er wusste ja, dass die Taberna medica Decima Seiana gehörte, und Aelius Archias diese ehelichen würde. Aber das musste der Angestellte hier ja so alles gar nicht wissen. “Er hat gute Kontakte ins Kaiserhaus... und seine Zukünftige ist mit deiner Arbeitgeberin recht gut bekannt.“ Das war knapp an der Wahrheit vorbeigeschrappt, aber so waren alle guten Lügen.
    “Ich denke auch nicht, dass er dir nochmal Ärger bereiten wird.“




    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

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    “Na, was soll sie denn machen, Mensch?“ fuhr Leander kurz selber auf. “Sie kann ja kaum ein uneheliches Kind kriegen.“
    Er fing an, im Zimmer zwei Schritte zu gehen, als müsse sich die Unruhe irgendwie köerperlich abarbeiten. Das war eine Katastrophe! Das war eine riesige, unerreichbare, Vulkanausbruch-mit-Erdbeben-und-Sonnenfinsternis-mäßige Katastrophe“
    “Das ist eine Katastrophe!“
    Leander bleib stehen, stützte die Hände in die Hüften und atmete erst einmal durch. Wenn er den Kopf verlor, nützte das niemandem was. Er atmete einmal, zweimal, dreimal, und schüttelte dann den Kopf. Ruhig bleiben und alles logisch durchdenken hieß die Devise.
    “Wird es für sie nicht umso gefährlicher, je größer das Kind wird? Ich hab gehört, wenn der Bauch einmal angefangen hat, zu wachsen, geht es nicht mehr richtig.“
    Nicht, dass er sich damit nur im Mindesten auskannte. Er hatte das nur irgendwannmal von den weiblichen Sklavinnen so aufgeschnappt und es irgendwo im Hinterkopf unter der Rubrik „unnützes Wissen“ abgelegt. Crios machte zwar durchaus den Eindruck, als wäre es ihm ernst, dass er das nicht mehr machen würde und sie sich folglich einen anderen Medicus suchen mussten, aber die Frage konnte er sicher beantworten. “Aber was meinst du mit deinen Kopf riskieren? Abtreibungen sind doch legal?“



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

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    Notfalls daran erinnern... das war leichter gesagt, als getan. War ja nicht so, als ob Leander dann als Publikum daneben stand, wenn seine Herrin mal wieder von ihren Trieben übermannt wurde. Aber Leander sagte nichts und lehnte sich nur ein klein wenig gegen die Wand. Er hätte es etwas komisch gefunden, sich neben Crios ins Bett zu setzen. Das hätte ausgesehen... naja, als ob sich die beiden näher stünden. Es würde zwar wohl niemand hier hereinplatzen, aber trotzdem.


    Leander lehnte also leicht gegen die Wand, als Crios seine Sitzposition änderte und mit einem Mal befangen wirkte. Er druckste ein wenig herum, und Leander befürchtete schon, dass er gleich sagen würde, Axilla sei unfruchtbar oder etwas ähnlich katastrophales. Und im Grunde hatte er mit seiner Vorahnung da auch schon ganz recht.
    Im ersten Moment stand der Mund des Griechen einfach nur offen, im nächsten wurde er weiß. “Kann es nicht sein, dass es kleiner war und in den Laken irgendwie übersehen wurde? Ich meine,d a war so viel Blut, kann man das denn mit Sicherheit sagen?“
    Und keinen Moment später, den er genutzt hatte, um sich mit der Hand an die Stirn zu packen, kam ein gequältes “Oh Götter, sie wird es nochmal versuchen müssen...“ über seine Lippen. Und plötzlich wünschte Leander sich, er würde doch sitzen. Das alles nochmal durchzumachen... Oh, Götter, habt Erbarmen...



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

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    Am liebsten hätte Leander gesagt, er solle das seiner Herrin sagen und nicht ihm. Wenn es nach ihm gegangen wäre – was es ja nicht tat und nie tun würde – dann wäre es nie so weit gekommen. Dann hätte Axilla schon mit dem griechischen Strategen nichts angefangen, von der Sache mit dem Aelier ganz zu schweigen. Dann wäre sie noch brav und unschuldig und vor allem kerngesund.
    So aber nickte er nur, nachdem er gesehen hatte, wie Crios sich auf sein Bett gesetzt hatte. Kurz huschte der Gedanke, wann sich da zuletzt ein junger Mann hingesetzt hatte, durch seinen Geist, aber im Grunde war er viel zu müde, um darüber nachzudenken. “Gut, ich werde es beachten. Aber du solltest ihr das vielleicht selber noch einmal sagen. Auf dich wird sie eher hören als auf ihren Sklaven.“ Zwar ließ sich Axilla auch von Sklaven durchaus mal etwas sagen, aber letzten Endes war sie ja doch die Herrin und hatte die Entscheidungsgewalt.


    Bei der nächsten frage allerdings wurde Leander doch etwas mulmig. Es war ja nicht so, als ob er Axilla in diesem doch sehr privaten Bereich nachspionierte, aber natürlich wusste er sowas. War ja oft genug, dass er das Bett machte oder ihre Wäsche vom Boden aufklaubte, um sie zum Waschen zu geben. Abgesehen davon, dass Axilla wie alle Frauen schlechte Laune hatte, wenn sie ihre Tage hatte. Es war fast unmöglich, das nicht mitzubekommen. Dennoch fand er die Frage etwas seltsam, und er fühlte sich alles andere als wohl bei der Antwort.
    “Das war... noch in Ägypten. Also muss es Anfang November gewesen sein. Ja, oder sogar noch Oktober, ich weiß nicht mehr, wann Neumond war. Auf der Überfahrt war es auf jeden Fall nicht, aber die domina war auch wirklich schwer seekrank, so dass wir uns nichts weiter dabei gedacht haben. Weshalb fragst du danach?“
    Irgendwie wurde Leander so ein seltsames Gefühl in der Magengegend nicht los.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Und dann ging er. Eben hatte sie seine warme Hand nochmal auf ihrer Wange, und dann war er im nächsten Moment auch schon weg und Axilla konnte ihm nur noch hinterherschauen. Ein Teil von ihr wollte ihn zurückrufen, ihm noch irgendwas sagen, aber sie ließ es. Sie saß einfach da und wartete, bis er gegangen war. Sie wartete sogar dann noch, aus Angst, sie würde ihm hinterherlaufen, bestimmt war er noch nicht aus der Porta. Oder wenn, die Straße hinunter konnte er unmöglich schon sein. Sie könnte ihn noch erwischen, wenn sie nur aufstehen würde und ihm hinterherlaufen würde.
    Aber was würde sie dann sagen? Geh nicht? Bleib bei mir? Vergiss die Welt? Vergiss dein Leben? Vergiss die Ehre? Nein, das kontne sie nicht sagen. Auf welcher Grundlage sollte sie das sagen? Oh, sie konnte Archias verführen, inzwischen hatte sie das bemerkt. Sie konnte ihn dazu bringen, mit ihr ein paar schöne Stunden zu verbringen. Aber mehr? Er liebte sie nicht, er liebte Seiana. Wollte sie denn wirklich nur der Schatten im Hintergrund sein?


    Axilla starrte vor sich auf den Boden, eine ganze Weile, bis irgendwann ein Sklave herein kam. Er hatte etwas gefragt, und verwirrt blinzelte Axilla und sah ihn an, als wache sie gerade auf. “Herrin, geht es dir gut? Ist etwas passiert?“
    Axilla blinzelte nochmal verwirrt, ehe sie sich des Chaos' im Raum wieder bewusst wurde. “Ähm, nein, nein, mir geht es gut. Ich war nur etwas ungeschickt.“ Und sie bückte sich auch gleich nach dem Spielbrett und den Figuren, die nicht nach sonstwohin gerollt waren.
    Sogleich war der Sklave aber da und meinte pflichtschuldig “Das kann ich doch machen, Herrin.“ Axilla übergab ihm also das Brett und die Figur, die sie in der Hand gehabt hatte, und setzte sich wieder richtig auf die Kline. Sie hätte im Moment lieber selber aufgeräumt, auch wenn ihr dabei die Puste ausgegangen wäre. Aber wenigstens hier räumliche Ordnung zu schaffen hätte vielleicht das Durcheinander in ihrem Kopf geschmälert.
    Der Sklave griff gerade nach dem blauen Überwurf, um ihn erstmal wegzuräumen, als Axilla ihn kurz, aber bestimmt, am Arm griff. “Nein, den nicht, den brauch ich.“ Sie ließ sich das blaue Stück Stoff übergeben und hielt es einfach nur an sich. Sie sollte es ihm zurückbringen, immerhin gehörte es ja ihm. Aber irgendwie wusste Axilla jetzt schon, dass sie das nicht machen würde.
    Sie blieb noch eine Weile sitzen, ehe sie aufstand und den Überwurf in ihr Cubiculum brachte. Die Cena würde nicht mehr lange auf sich warten lassen, und sie wollte nicht, dass das Tuch am Ende doch weg war.

    Am liebsten hätte Axilla Seiana in diesem Moment umarmt. Sie war halt ganz römische Matrona und wusste, wie man in so einer Situation weiter machte. Ein ganz klein wneig erinnerte sie Axilla da an Urgulania, die ja auch immer streng und erhaben gewirkt hatte, und trotzdem eine wunderschöne und gewandte Frau gewesen war.
    Den Hinweis mit den wenigen Aeliern nahm Axilla daher nicht übel. Nein, sie versuchte sogar, nicht allzu rot dabei zu werden. Nichtmal vier Tage war es her, dass sie sich genau darüber mit Archias unterhalten hatte, und gerade schwirrte es ihr wieder im Kopf herum. Es gab wenige Aelii, ebenso gab es wenig Iunii. Nicht nur in Rom, sondern überhaupt. Wenn sie sich zusammentäten, wären sie nicht mehr ganz so wenige. Tja, aber das war nur ein 'Was wäre wenn', und Axilla war fast schon froh, dass Seiana schnell fragte, wie sie und Vala sich denn kennen gelernt hatten.
    Kurz schaute sie zu ihrem Hünen hinauf, und mit etwas Glück würde man das zarte rosa ihrer Wangen auf diesen Blick zurückführen, ehe sie ihr Lächeln wiederfand und sich plappernderweise an die Decima wandte.
    “Naja, ich hatte ein wenig Heimweh. Also, nach Ägypten. Und deshalb hab ich mich dazu entschlossen, mal ein wenig spazieren zu gehen, um mich abzulenken. Ich bin also zum Tiberhafen gegangen, eher zufällig, und hab den Schiffen beim Entladen des Korns zugeschaut.“
    Wieder ein Blick zu Vala, begleitet von einem Lächeln. “Naja, und auf einmal macht es laut 'Platsch' und ich hör nur jemanden schimpfen.“ Fast schüchtern lächelte sie zu Vala hoch, ehe sie sich wieder Seiana zuwandte. Zu Archias schaute sie nicht, aus Angst, sie würde dann das Lächeln nicht beibehalten können. Und auch, wenn Axilla ein Schussel war, sie besaß doch ein gewisses Maß an Anstand. Und bei einer Hochzeit, bei der sie zumal nur Gast war, herumzustehen und Archias bedrückt anzuschauen, wo dessen Verlobte auch noch direkt daneben stand, gehörte sicher nicht zum guten Ton. Nein, heute sollten alle fröhlich sein und leichtherzig.
    “Naja, nachdem er dann wieder aus dem Wasser heraus war, kamen wir ins Gespräch. Und ihm ist aufgefallen, dass ich so ganz ohne Begleitung in dieser Gegend... naja, nichts verloren habe. Also war er so nett, mich heimzubegleiten. Und dabei hat sich herausgestellt, dass er ein Verwandter von Duccius Rufus ist. Ich weiß nicht, ob ihr ihn noch kennt, er war auch in Ägypten eine Weile. Du müsstest ihn doch kennen, Caius?“ Verdammt, jetzt war es ihr doch herausgerutscht. Egal, schnell weiterreden, hatte keiner gehört. “Er war doch auch beim Cursus Publikus während der Zeit, nicht? Naja, und Duccius Rufus und ich haben ja seit seiner Zeit in Ägypten eine Geschäftsbeziehung. Und deshalb wollte ich mich erst recht nochmal für die nette Hilfe von Vala bedanken. Ich meine, welcher Mann hilft schon einfach so einer fremden Frau, von der er grade mal den Namen weiß?“
    Wieder ein kleiner Blick zu ihm hinauf. Das war ein ziemlich grober Abriss dessen, was geschehen war, und ließ einige essentielle Stellen aus. Zum Beispiel, dass sie und Vala sich eigentlich jedesmal, wenn sie sich sahen, gestritten hatten. Recht heftig sogar, zumindest beim ersten Mal. Aber Axilla blendete das vollkommen aus. Sie war zum einen nicht nachtragend, und zum anderen war Valas Charme überwältigend genug, um sie das völlig vergessen zu lassen.
    Nur kurz schaute sie zu Archias immer wieder, wenn sie dachte, dass niemand sie gerade beobachtete. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, auch wenn sie sich sagte, dass sie keines haben musste. Immerhin heiratete er bald eine wirklich wundervolle Frau. Da sollte er sich ja eigentlich für sie freuen, dass sie auch einen wundervollen Mann gefunden hatte. Gut, der machte keine Anstalten, sie heiraten zu wollen, und Axilla versuchte nichtmal, diese Richtung zu forcieren, aber dennoch.