Beiträge von Iunia Axilla

    Sie fühlte seine Finger unter ihrem Kinn, und ganz sanft ließ sie sich von ihm dirigieren. Erst nur hob sich ihr Kopf, dann schließlich ihr Blick, bis sie ihm in die Augen schaute. Er sah sie einfach nur an und sagte nichts. Und Axilla sagte auch nichts. Und schließlich küsste er sie, sanft und zärtlich, ehe er sie losließ und sich zurückzog. Axilla saß noch einen Moment einfach nur da, noch mit vom Kuss geschlossenen Augen. Noch nie hatte sie jemand so geküsst, nicht auf diese Weise. Sie kannte flüchtige Küsse ohne Bedeutung, begierige Küsse, leidenschaftliche Küsse, verspielte und neckische Küsse. Aber so einen sanften Kuss völlig ohne Besitzanspruch an sie, den kannte sie nicht. Erst, als Archias zu sprechen anhob, merkte sie, dass sie die Augen noch geschlossen hatte, und verwirrt blinzelte sie ihre Gedanken weg.
    Peinlich berührt räusperte sie sich kurz und setzte sich endgültig wieder auf ihre Kline. Die Stellen, wo Archias sie eben noch berührt hatte, fühlten sich nun plötzlich besonders kalt an, als seine Wärme wegfiel, und sie rieb sich leicht die Unterarme, um sich selbst etwas mehr zu wärmen. Ihre Gedanken waren in einem noch schlimmeren Durcheinander als gewöhnlich, und sie brauchte eine Weile, in der sie nur blinzelte und sich die Arme rieb, bis sie sie so weit geordnet hatte, um ihm eine Antwort zu geben.
    “Ja, ähm, ich meine, nein. Du musst ja aufräumen, und... also, ich bin noch wo eingeladen, wo ich hinmuss, und... dann ist es ja auch schon so weit. Und ich kann dich ja nicht die ganze Zeit für mich beschlagnahmen.“
    Axilla hörte, wie sie es sagte, auch wenn sie es nicht ganz glauben konnte. Sie wollte ihn für sich beschlagnahmen. Sie wollte, dass er wiederkam. Was interessierte sie die doofe Hochzeit von einem Aurelier und einer Tiberia, die sie kaum kannte? Den Bräutigam kannte sie sogar gar nicht. Der einzige Lichtblick daran war, dass sie mit Vala dahin gehen würde. Sie schloss kurz die Augen und versuchte, sich seine Gestalt ins Gedächtnis zu rufen, wie er am Hafen stand und seine Tunika auswrang. Ja, bei ihm musste sie nicht an Archias denken. Es könnte gehen. Es war gemein, aber reichte es nicht, verliebt zu sein und zu begehren? Musste da denn mehr sein? Bei Timos war es ja auch nicht mehr, als sie Liebeskummer wegen Silanus gehabt hatte...
    Sie fühlte sich gräßlich, sowas auch nur zu denken. Und sie fühlte sich sehr merkwürdig, wenn sie jetzt Archias mit Silanus verglich. Zum einen war sie in Silanus wirklich verliebt gewesen, und Archias... sie wusste nicht, was sie für ihn fühlte. Er war ihr bester Freund, er hatte ihr volles Vertrauen, er war der beste Liebhaber, er war... perfekt. Sie mochte seinen Witz, sie mochte seine Nähe, sie mochte seine vielen, kleinen Unzulänglichkeiten, mochte seine Unordnung, seine Hilflosigkeit angesichts von Papierkrieg, die Art, wie seine Augenbrauen zusammenwanderten, wenn er nachgrübelte. Sie mochte es, wie er sie neckte. Sie mochte es, ihn zu necken. Sie...
    Sie musste dringend damit aufhören, zu erforschen, was sie für ihn fühlte. Es würde nur umso schmerzhafter sein, wenn er Seiana heiratete. Axilla wusste das, und daher traute sie sich nicht, weiter darüber nachzudenken.
    “Aber wir können ja mal nächste Woche vielleicht, also, nach der Arbeit. Wenn du vorbeikommen willst oder... mal schauen.“ Lass ihn gehen. Sag einfach 'Vale' und lass ihn gehen...

    Mitten in diesem aufregenden durcheinander von Händen und Lippen drückte er sie plötzlich ein wenig von sich weg. Axillas Kopf ging noch vor, um ihn doch weiter zu küssen, aber sein Griff hatte etwas so bestimmtes, dass sie in ihrer Bewegung innehielt. Sie hätte auch nicht wirklich die Kraft gehabt, sich zu ihm zu drücken, wenn er sie nicht lassen würde. Vermutlich hatte sie die nichtmal, wenn sie gesund gewesen wäre, so aber erst recht nicht.
    Wie verträumt öffnete sie die Augen und sah ihn fragend an, als er ihren Namen genannt hatte. Sie sah in seine Augen, die nur schwarze Pupillen zu sein schienen. Sie sah, wie er atmete, wie schwer sein Brustkorb dabei ging. Sie musste nicht nach unten schauen, um zu wissen, dass seine Erregung wohl noch da war, allein sein Blick verriet es. Und doch war es nicht die Lust, die aus ihm sprach, das hörte sie schon bei der Art, wie er ihren Namen sagte. Nein, es war der Verstand, und tief in ihr wusste Axilla, was kommen würde, und noch viel tiefer in ihr wusste sie, dass er recht hatte.


    Sie hasste, wenn er recht hatte.
    Sie hasste, wenn sie recht hatte.


    “Du kannst mir gar nicht weh tun“, war der letzte, kleine, atemlose Versuch, zu leugnen, was wahr und richtig war. Und trotzdem war das auch eine Wahrheit, nur eben ein anderer Teil davon. Er konnte ihr nicht wirklich weh tun, denn trotz allem hatte sie ihn sehr gern. Und das würde wohl nichts zu ändern vermögen, so sehr sie sich das auch irgendwo wünschte. Das würde es leichter machen. Viel leichter.
    “Ich...“ Es tat ihr leid. Bei allen Göttern, es tat ihr furchtbar leid, ihn in diese Situation gebracht zu ahben. Ihn schon wieder in so eine Situation zu bringen. Und zu wissen, dass sie es wohl wieder tun würde, wenn er sie nicht abwies. Es tat ihr so unendlich, unendlich leid. Und trotzdem konnte sie es nicht sagen, konnte es noch nicht einmal so richtig denken. Denn dass das zwischen ihnen beiden war, das tat ihr nicht leid. Das konnte ihr gar nicht leid tun, trotz aller Konsequenzen.
    “Wir sehen uns dann in drei Tagen, nicht?“ Ihr Blick war irgendwann nach unten gewandert, weg von seinen Augen. Sie konnte ihm jetzt nicht in die Augen sehen, weil er dort die stumme Bitte und das Verlangen sehen würde. Sie wollte es ihm nicht noch schwerer machen. Und sie wollte es sich selbst auch nicht noch schwerer machen. “Ich... kann dann einfach zum Palast, oder...?“ Eigentlich interessierte sie das jetzt alles gar nicht. Nicht die Bohne. Aber es lenkte ab, zumindest genug, um ihn nicht an sich zu ziehen und weiterzumachen. Nur, dass sie noch halb auf ihm saß, diese Verbindung konnte sie nicht ganz auflösen. Nicht jetzt.

    Noch bevor er zu einer Antwort ansetzte, fühlte Axila, was sie bei ihm auslöste, und der animalische Teil in ihr jubilierte. Er wollte sie, und egal, was er sagen würde, egal, welche Vernunftsgründe er anführen würde, er wollte sie, und das konnte er nicht verheimlichen. Gleichzeitig aber jaulte eben jener vernünftige teil in Verzweiflung auf und betete darum, dass wenigstens er soviel Vernunft und Weitblick besaß, das ganze nun abzubrechen, am besten, ihr dabei weh zu tun, damit sie nie, nie, nie, nie, nie wieder auf solch furchtbare Ideen kam. Wenn nichtmal dieser Schmerz hier reichte, um bei ihr ein nachhaltiges Lernen auszulösen, dann musste er ihr eben seelisch weh tun, und ein kleiner Teil von Axilla hoffte das sogar, damit sie von ihm loskam. Damit es nicht so schwer würde, wenn er Seiana heiraten würde. Damit sie an etwas anderes denken konnte und vielleicht endlich einmal etwas beginnen würde, was Zukunft hatte.
    Allerdings war dieser Teil von ihr eindeutig in der Unterzahl und ging erst recht unter, als Archias sie zu sich weiter hoch zog und sie seine Worte hörte. Mehr ncoh als seine Worte aber waren es seine Augen, die ihn verrieten, denn wenngleich er sagte, dass es keine gute Idee war, sagten seine Augen etwas anderes. Und als er dann noch relativierte und nur noch den Ort als unangemessen befand, ging auch das letzte bisschen Widerstand gegen sich selbst in Axilla zugrunde. Sie ließ sich einfach nach vorne fallen, gegen ihn. Ihr Körper verbog sich zwar leicht, aber sie schmiegte sich gegen ihn, sie fühlte seine Erregung an ihrem Bauch und sie küsste ihn. Einfach, weil sie es wollte, und weil sie instinktiv wusste, dass er es wollte.
    “Gehn wir in mein Zimmer“, schlug sie atemlos zwischen zwei Küssen vor. Sie wollte einfach bei ihm sein. Sie wollte nicht darüber nachdenken, wie falsch es war. Und erst recht wollte sie nicht, dass er darüber nachdachte.
    Nur ein klein wenig ihres Verstandes meldete sich dann doch noch einmal in Form von Angst, die ihr die Schönheit des Moments ein wenig vergrätzte. Vorsichtig löste sie sich etwas von ihm, um ihm in die Augen zu schauen. Ein wenig zitterte sie schon, weil sie nicht wollte, dass sein Verstand sich womöglich ebenso noch einmla zu Wort meldete und nun nein sagte. Aber sie musste es einfach sagen. “Aber ich weiß nicht, ob ich... also richtig, ich meine...und wir müssen vorsichtig sein, ja?“

    Noch während er seinen Vorschlag unterbreitete, glaubte Axilla, gleich an Herzrasen sterben zu müssen. Ein Teil von ihr sagte ihr, dass es nur ein Scherz sei, nichts weiter, ein alberner, kleiner Scherz. Dass er Seiana heiraten würde und das hier ohnehin eigentlich nur seinem schlechten Gewissen entsprang. Dass es ganz gewiss nicht so gemeint war, ncihtmal ansatzweise.
    Aber der andere Teil war größer. Und der machte sich nichts aus Logik und Vernunft, nichts aus Scherzen und Albernheiten. Der wollte einfach nur zu ihm, bei ihm sein, und das alles vergessen, was passiert war. Wollte nicht an die Abtreibung denken, nicht an die damit verbundenen Schmerzen. Der wollte nicht lernen, sich nicht ändern. Der wollte einfach nur sein. Nur empfinden. Nur schmecken, riechen, fühlen.
    Als er geendet hatte schluckte Axilla kurz und sah Archias an. Er saß fast direkt vor ihr auf seinem Korbsessel. Zwischen ihnen beiden war eigentlich gar nicht so viel Platz. Er hatte den Stuhl ja auch hergerückt, damit sie auf der Kline spielen konnten. Von der Axilla grade mit sehr langsamen Bewegungen die Füße nahm und dann nach vorne rutschte. Und als sie am Rand angekommen war, rutschte sie weiter, ließ sich auf die Knie nieder, beugte sich zu ihm herüber. Ihr Oberkörper berührte seine Knie, und sie beugte sich vor. Ihre Hände lagen auf seinen Oberschenkeln, und sie sah ihm mit diesem Blick in die Augen, den er wohl schon sehr gut kannte, der im Moment so unmöglich wie sehnsüchtig war. Axilla konnte ja nichtmal, selbst, wenn sie wollte. Sie hatte nicht die Kraft dazu. Aber dennoch legte sie den Kopf diese Winzigkeit in den Nacken, um zu ihm aufzuschauen.
    “Wolltest du nicht ursprünglich eine Massage?“ fragte sie ihn, und es war wohl klar, dass sie nicht zwingenderweise seinen Rücken gerade meinte.

    Geschickt fing er eine Figur auf ihrem Weg nach unten auf, aber die anderen verselbständigten sich unaufhaltsam. Axilla konnte schon die Sklaven leise fluchen hören, wie sie das schwere Regal denn verschieben sollten, unter das ausgerechnet der schwarze bellator gekullert war. Wohin all die Steine gerollt waren, bekam Axilla nichtmal mit, denn sie schaute eigentlich nur auf Archias. Einen Moment schien der zu zaudern, und dann grinste er sie frech an.
    “Ertappt?“ fragte Axilla unschuldig nach, allerdings mit hochroten Ohren. Natürlich hatte er durchschaut, dass sie das Brett absichtlich umgeworfen hatte. Das als Versehen zu deklarieren hätte wohl selbst der charmanteste Mann von Welt nicht überzeugend gekonnt. Und Axilla besaß nicht genug Schauspieltalent, um so etwas zufällig geschehen zu lassen, so dass man es nicht als offensichtlichen Akt erkennen konnte.
    “Ich hätte ja vorgeschlagen, dass wir beide unsere Spielschulden einlösen müssen... oder willst du mich bestrafen, weil du mich ertappt hast?“
    Was machte sie hier eigentlich? Sie sollte eine Ausrede erfinden und ihn heimschicken! Sofort! Sie war müde, zum Beispiel. War sie ja auch, und erschöpft. Oder dass der Arzt noch kam. Was er noch tun würde, wahrscheinlich. Oder... irgendwas. Dass sie keine Zeit mehr habe, wegen der Parentalia. Dass er ja auch nicht so lange bleiben wollte. Egal, einfach irgend etwas. Und sie saß nur da und schaute ihn mit ihrem Rehblick treuherzig an, weit davon entfernt, ihn irgendwie von sich zu weisen oder gar ganz wegzuschicken.

    Warm? Ein wenig, ja. Axilla zumindest wurde es doch etwas wärmer, und sie geriet auch etwas mehr ins Stocken. Sie war sich einfach nicht sicher, was Archias da machte. Wollte er sie nur zurückärgern und alberte er rum, oder hatte es nicht doch ein wenig ernstere Gründe? Sie wusste es einfach nicht, und sie konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Es war, als wäre dieser Gedanke in ihrem Kopf gefangen und würde jedesmal, wenn er an ihre Kopfwand stieß, wieder zurückgeworfen, um noch einmal gedacht zu werden. Sie blickte auf und sah, wie er sich gerade etwas streckte und posierte. Unter anderen Umständen hätte sie es wohl lustig gefunden und gelacht, im Moment wurde sie nur ziemlich rot dabei.
    Sie versuchte, sich aufs Spiel zu konzentrieren. Wenn Archias gewinnen wollte, verfolgte er aber einen ziemlich seltsamen Plan. Jetzt hatte sie schon die Auswahl zwischen zwei Zielen, die sie ihm wegschnappen konnte, ohne dass er etwas tun konnte, um sie abzuhalten. Ließ er sie absichtlich gewinnen, oder hatte er einfach nur aufgegeben. Und egal welche der beiden Möglichkeiten, warum? Er könnte doch... nein, das würde sie kontern. Aber wenn er... nungut, dann würde sie ihren bellator...
    Es ergab keinen Sinn.
    Axilla hatte noch immer den Spielstein, mit dem sie ziehen wollte, in der Hand, hatte ihn aber noch nicht gesetzt. Sie würde ihn schlagen. In vielleicht acht, vielleicht zehn Zügen. Aber sie würde ihn schlagen. Und er musste das eigentlich auch sehen. Und trotzdem grinste er sie so an und... Axilla war einfach etwas durcheinander. Wenn er wirklich...


    Mit einem etwas durchschaubaren Zufall fuhr ihr Fuß nach vorne und stieß dabei gegen das Brett. Allerdings stoppte er da nicht, sondern glitt weiter vor, so dass die Steine nicht nur wackelten, sondern mit wildem Klackern auf den Boden fielen, gefolgt vom Brett, das einen dumpfen Ton von sich gab beim Auftreffen auf dem Fliesenboden.
    “Huch“, machte Axilla und sah dabei auf. Ihr Blick suchte den von Archias, und sie hoffte, er bemerkte nicht, wie nervös sie bei ihren Worten war. “Hmmm... ich würde in dem Fall sagen, dass es unentschieden war. Was meinst du?“
    Sie wollte es wissen. Sie wollte es einfach wissen.

    Axilla hatte sich noch aus dem Gespräch mit Septima und Ursus kurz verabschiedet, aber für eine ausführliche Antwort war das nicht die rechte Zeit, immerhin wollte sie den Schwung an Gratulanten nicht aufhalten, der sich gerade einzustellen begann. Daher fiel auch eine langwierige Erwiderung an Calvena aus – wo Axilla ohnehin kurz gezögert hatte und nicht so recht wusste, wie ehrlich das nun gemeint war. Sie beide hatten sich ja nicht unbedingt gut verstanden. Eher so absolut gar nicht. Dass Axilla ihr nicht an die Kehle gegangen war, sondern statt dessen den grummelnden Rückzug bevorzugt hatte, war eigentlich auch schon alles gewesen. So nahm es die Iunia auch nicht schwer, erstmal abseits vom Geschehen mit Vala zu sein.


    Allerdings hielt dieser Zustand ja nicht lange an, bis Archias und Seiana zu ihnen kamen. Während Axilla Archias noch entgegenlächelte, sah dieser aus, als wäre ihm eine Laus über die Leber gelaufen. Warum guckte er denn so böse? War etwas passiert? Axilla beschlich ein ungutes Gefühl, aber wirklich begreifen konnte oder wollte sie nicht.
    Und auch nach der Vorstellung wurde die Situation nicht wirklich besser. Archias zischte ja geradezu seine Begrüßung zwischen den Zähnen hervor! Axilla sah kurz verwundert zwischen Seiana, ihm und Vala hin und her. Die Decima war so erhaben und ruhig wie immer, und auch Vala schien eher ausgelassen und fröhlich zu sein. Was also war los? Warum war Archias so... so... war er wütend? Axilla wusste es nicht. Er benahm sich nur etwas seltsam und so einen Gesichtsausdruck hatte sie an ihm noch nie gesehen.
    Zu dem, dass sie sich alle schon kannten, fiel Axilla als erstes ein wenig geistreiches “Ähm, achso.“ ein, dicht gefolgt von einem nicht wirklich viel intelligenterem “Ich wusste gar nicht, dass du da Verwandte hast.“
    Aber Archias sah nichtmal zu ihr rüber, auch wenn sie ihn anlächelte, sondern starrte ganz starr und steif Vala an, und Axilla wusste nicht so wirklich, was sie da nun machen sollte. Hilfe erflehend sah sie zu Seiana hinüber. Vielleicht wusste die ja, was los war. Vielleicht hatten sich Archias und Vala ja bei diesem Essen gestritten oder so? Axilla wusste es doch nicht! Ihr war die Situation nur irgendwie unangenehm, und sie hatte nicht genug Erfahrung, um das einfach so zu überspielen und mit einem charmanten Einwurf aufzulösen. Über jeden Wink, den Seiana ihr geben konnte, wäre sie also wirklich dankbar.
    Auch zu Vala sah Axilla hoch, versuchte abzuschätzen, ob ihm diese Begegnung unangenehm war, ob sie gerade alles furchtbar falsch machte und ihn vielleicht kränkte. Aber der schien abgelenkt und schaute zu dem Senator, den Axilla nicht kannte. Erst nach einem Augenblick wandte er sich wieder den übrigen zu, und Axilla wusste erst recht nicht, was sie von dem ganzen zu halten hatte. Er schien ihr ganz locker und ausgeglichen zu sein, charmant wie immer. Irgendwas war hier falsch, sie wusste nur nicht, was es war.

    Warum sollte ihm das nicht möglich sein, wenn er Senator war? Der Kaiser konnte ja auch Senatoren in dieses Amt stecken, wenn es ihm beliebte. Immerhin war er der Kaiser, Ägypten sein Privatbesitz, und da konnte der doch tun und lassen, was er wollte. So zumindest fasste Axilla die Sache auf.
    “Naja, der Kaiser gibt auch immer wieder mal eine Sondererlaubnis. Und im Endeffekt ist es seine Provinz, meinst du nicht, er kann da machen was er will?“. Nein, seinen Einwand verstand sie nicht so wirklich. Aber wahrscheinlich kannte sie sich in punkto Politik auch einfach zu wenig aus.
    Aber das war auch ganz gleichgültig, Sermo schien ihr nicht böse zu sein. Im Gegenteil, die Idee einer Stadtführung schien ihm zu gefallen. Entweder das oder er flirtete mit ihr, als er doch sehr unverschämt fast nach der Adresse der Iunii in Alexandria fragte. Aber Axilla war weit entfernt davon, darauf irgendwie empört zu reagieren, nein, sie musste lachen. Sie amüsierte sich wirklich sehr gut mit dem Quintilier.
    “Dieses große Geheimnis soll ich dir verraten, wo ich noch nichtmal weiß, von welchem Fleckchen Roms du kommst? Nichtmal eine Führung hast du mir angeboten.“ Gut, das war jetzt nicht minder unverschämt und frech, aber es machte Spaß. Als Sermo nach neuem Wein fragte, schüttelte sie nur lächelnd den Kopf. “Nein, ich hab noch. Der steigt mir sonst zu schnell zu Kopf.“ Oder anders gesagt, sie hatte noch keine Gelegenheit gehabt, den Rest im Pflanzenkübel zu kippen, ohne dass es jemand mitbekommen hätte. Und so hatte sie noch Alibi-Wein, was auch seine Vorteile haben mochte.
    “Naja, ich will mal nicht so sein“, meinte sie dann charmant, als der Sklave wieder weiter war und sie wieder für sich waren. “Wir haben ein Haus in Basileia. Oder, was heißt Haus, es ist riesig! Da kann die Casa hier in Rom nicht mithalten. Wenn man vom Westtor die Basileia betritt, ist es so ungefähr auf halbem Weg zur Regia. Kann man eigentlich gar nicht verfehlen.“

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    Es dauerte auch nicht lange, bis Crios zu reden anfing. Leander nickte bei sienen Worten langsam mit dem Kopf, auch wenn er sich fragte, ob domina Serrana für dieses Gespräch nicht vielleicht besser geeignet wäre. Andererseits war diese seit den Vorkommnissen auch etws verstört und verschreckt und ging Axilla ein wenig aus dem Weg, was der Sklave sehr wohl auch mitbekam. Von daher war es vielleicht wirklich nicht schlecht, wenn er alles wusste, was man noch zu tun hatte.
    “Ja, komm hier herein, bitte“, meinte Leander nur auf die Frage hin, ob sie sich irgendwo ungestört unterhalten konnten. Im Gegensatz zu den Zimmern der Herrschaften befanden sich die Zimmer der Sklaven teils im Erdgeschoss, so auch seines, und es bedeutete nur einen kleinen Umweg. Dort aber waren sie in jedem Fall erstmal ungestört.
    Leander öffnete also die Tür und ließ Crios eintreten. Der Raum war ein einfaches, kleines Zimmer mit einem Bett, einer Kleidertruhe und einer Waschmöglichkeit, ansonsten entbehrte er jeglichem Komfort. Aber Leander brauchte auch nicht viel, so dass es ihm genügte. Was der Raum nicht hatte, war einen Stuhl für Gäste, so dass Crios sich entweder aufs Bett setzen konnte – was er wohl nicht machen würde, wie Leander schätzte – oder sie blieben eben beide stehen.
    Als Crios dann meinte, Leander sähe 'nicht allzu gut' aus, sah der Grieche ein klein wenig vorwurfsvoll drein, aber nur ein wenig. “Mir geht es gut. Es ist nur etwas schwierig im Moment, zur Ruhe zu kommen. Keine Sorge, mir geht es gut.“
    Und gegen einen von Sorgen geplagten Kopf gab es ohnehin kein Kraut, das einen nicht gleichzeitig gänzlich außer Gefecht setzte.
    “Und domina Axilla geht es auch wieder gut. Sie war gestern sogar auf einer kleinen Hochzeitsfeierlichkeit. Ich danke dir dafür. Was gibt es denn noch zu beachten? Sie scheint doch soweit wieder genesen zu sein?“
    Dass der Arzt sich davon noch überzeugte, ehe Axilla wieder regelmäßig ihren Körper und ihren Geist belastete, fand zwar Leanders vollste Zustimmung, aber dennoch verstand er nicht so ganz, was Crios meinte. Andererseits war er ja auch kein Arzt und hatte keine Ahnung von weiblichen Körpern, erst recht nicht von ihren Leiden.



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    Da Crios sich unterhalten hatte, schlug Leander ein sehr gemütliches Gehtempo in Richtung Treppenaufgang ein. Die Cubicula lagen im ersten Stock, und so konnten sie sich auf den Gängen der Casa noch unterhalten.
    Leander wartete einfach, was Crios wohl wollen würde, fing aber selbst kein Gespräch an. Da war er einfach zu sehr Sklave, um von sich aus so vorschnell das Tempo einer Unterhaltung vorzugeben, und außerdem dachte er sich, dass Crios schon mit der Sprache herausrücken würde, sonst hätte er nicht gefragt. Außerdem machten sein langsamer Gang und der fragende Blick deutlich, dass Leander eigentlich nur auf ein Wort seines Landsmannes wartete.




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    Zwar verwirrte es Leander ein wenig, was der Arzt von ihm denn wollte, aber nungut. Kurz hatte er Befürchtungen, Crios würde ihm wieder irgendeinen Trank verabreichen wollen, weil er selber nicht allzu gut aussah. Aber dann konnte er ja immernoch nein sagen, und solange Axilla ihm nicht befehlen würde, so etwas zu sich zu nehmen, musste er das ja dann auch nicht tun.
    “Natürlich. Folge mir bitte.“




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    Und wie immer war es Araros, der die Tür öffnete. War ja auch seine Aufgabe als Ianitor, eben jenes zu tun, ebenso wie es siene Aufgabe war, sich Gesichter und dazugehörige Namen zu merken. Den Arzt hier kannte er schon, der war in der letzten Woche ein paar Mal dagewesen, um nach Iunia Axilla zu sehen. Von daher konnte er ihn auch gleich freundlich und höflich begrüßen, ohne erst fragen zu müssen, was dieser Besuch denn überhaupt wolle.
    “Salve, Iatros. Domina Axilla erwartet dich bereits. Tritt doch ein.“
    Und höflich machte er Platz und schaute sich auch schon nach irgendeinem anderen um, der den Arzt begleiten konnte. Zwar kannte der wahrscheinlich schon den Weg in das Cubiculum, aber deshalb ließ man einen Gast noch lange nicht allein herumspazieren. Selbst, wenn dieser Gast ein Medicus war.


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    Just da ging Leander in der Nähe des Vestibulums vorbei, und Araros ergriff die Gelegenhiet gleich beim Schopf und winkte den Griechen zu sich heran.
    Leander war noch immer recht abgespannt und sah nicht wirklich gesund aus. Die letzte Woche hatte er kaum geschlafen, immer wieder war er aufgewacht und hatte gelauscht. Dass Axilla herausgefunden hatte, dass er sich bei Katander verplappert hatte und Aelius Archias deshalb dieses Haus hier mit Blumen hatte überschütten lassen, belastete ihn zusätzlich. Er mochte seine kleine, ungestüme Herrin sehr gern, und dass diese ihm nicht mehr so vertraute wie ehedem schmerzte ihn. Es war nicht wirklich, dass sie etwas sagte oder tat, es waren mehr Kleinigkeiten. Wie sie sich nicht mehr von ihm helfen ließ, wenn sie nicht musste. Dieser fragende Blick voller Selbstzweifel, wenn sie ihn anschaute. Das ehrliche Lächeln, das eine Sekunde später brach und zu einer Maske wurde, deren Unterschied man nur an ihren Augen erkennen konnte. Solche Dinge. Aber sie bereiteten ihm schlaflose Nächte, so dass er nicht wirklich fit war, als er zur Tür kam und den Arzt sah.
    “Iatros“, grüßte er ihn respektvoll. “Darf ich dich zu meiner domina führen?“ Aus einem anderen Grund hätte Araros ihn wohl nicht herangewunken, ohne gleich eine Erklärung mitzuliefern.



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    Schade, so einen waschechten Orakelspruch hätte Axilla gerne mal gehört. Sie kannte das ganze nur vom Hörensagen, und da klang es schon sehr faszinierend. Nicht nur das Orakel in Delphi, was so ziemlich das berühmteste überhaupt war, sondern auch beispielsweise das in Cumae oder in der Oase Siwa oder so es sie nicht überall gab. Es war schon verlockend, so einen kleinen Blick in die eigene Zukunft zu erhaschen, wenngleich das auf der anderen Seite auch erschreckend sein mochte. Was, wenn das Orakel einem einen schmerzhaften und kurz bevorstehenden Tod voraussagte, beispielsweise? Wollte man sowas überhaupt wissen?
    Trotzdem, die Neugier blieb, und Axilla konnte wohl nicht verheimlichen, dass sie ein ganz klitzekleines bisschen enttäuscht war. Wäre auch zu schön gewesen. Nunja, egal, sich darüber Gedanken zu machen brachte nichts, und außerdem gab es soviel interessanteres zu besprechen. Ob es wirklich ein Kompliment war, dass sie scheinbar so selbständig war, wusste sie nicht mit Sicherheit zu sagen. Aber sie nahm es einfach mal als eines und lächelte Sermo an.
    “Na, vielleicht wirst du auch Praefectus Aegypti, wenn du Senator bist?“ meinte Axilla charmant und so, dass man ihr durchaus glauben konnte, dass sie das ernst meinte und nicht, um ihn etwa aufzuziehen. Soweit sie wusste war Germanicus Corvus auch Senator. Aber ganz sicher war sie sich nicht. “Oder du musst einfach einmal hinreisen, bevor du Senator bist. Wer weiß, vielleicht bin ich dann ja auch wieder in Alexandria, dann führ ich dich mal rum.“ zugegebenermaßen ein gewagter Vorschlag, aber nichts desto trotz ein ehrlicher. Axilla war froh, dass es offenbar auf dieser Welt noch jemanden gab, der Ägypten einfach zauberhaft fand. Und das, obwohl er noch nie dort gewesen war!

    Natürlich strahlte Axilla bei den Dankesworten von Septima und Ursus, wenngleich sie sich ein wenig seltsam fühlte, als die beiden sich ihres Wohlergehens nochmal versicherten. Zumindest fasste sie es so auf. “Ja, es geht mir wirklich schon bedeutend besser. Die Klimaumstellung war wohl nur doch ein wenig viel“, log sie, ohne mit der Wimper zu zucken, als sie auch bemerkte, dass weitere Gäste eintrafen. Sie sah sich nicht gleich um, aber sie hörte die schritte, und da ihr ohnehin angeboten wurde, sie solle ihre Wünsche dem großen Nubier mitteilen, ging Axilla auch gleich einen kleinen Schritt beiseite, um eben jenes zu tun.
    “Wäre es wohl sehr unverschämt, wenn du mir einen Saft bringen würdest, bitte?“ fragte sie so charmant und höflich wie zu jedem Menschen. Für Axilla machte es nicht wirklich einen Unterschied, ob Cimon Sklave war oder nicht. Und sie bedachte natürlich mal wieder nicht diese ungeschriebene Regel, dass man Sklaven weder bat noch sich bei ihnen bedankte. Für sie war Cimon ein Mensch wie die meisten anderen auch, der damit genau dieselbe Höflichkeit verdiente wie alle anderen, und diese auch so lange bekommen würde, bis er sie ärgerte. Da er das nicht tat, warum also sollte sie dieses kleine Wörtchen 'bitte' nicht sagen?
    Sie nahm dann auch gleich dann den Becher entgegen, der ihr gereicht wurde, und strahlte nochmal einen Augenblick zu Vala hoch. Wer da gerade ankam, war ihr in dem Augenblick eigentlich ganz egal, denn für den Moment hatte sie nur Augen für ihn. Egal, ob er nicht halb so zurechtgemacht war, wie sie. Egal, wie die anderen auf ihn reagieren mochten. Für sie war er beinahe perfekt. Er hätte auch nackt neben ihr stehen können – wobei sie dann wohl noch abgelenkter gewesen wäre – und sie hätte dennoch verliebt und stolz zu ihm hochgelächelt.
    Erst, als sie dann hörte, wer neu dazugekommen war, drehte sie sich doch herum, und irgendwie wurde ihr Lächeln etwas unsicher dabei. Natürlich freute sie sich, Archias zu sehen – und Seiana ja auch, irgendwie – aber trotzdem fühlte sie sich ein ganz klein wenig ertappt. Nicht schlimm, nur eben ein ganz klein wenig, als würde sie hier etwas verbotenes machen. Was ja definitiv nicht so war, nur fühlte es sich ein ganz klein wenig so an.
    Sie wartete, bis die beiden dem Brautpaar gratuliert hatten und auch schon der nächste Gast ankam – irgendein Senator, den Axilla nicht kannte und noch nie gesehen hatte – ehe sie ihnen offen entgegenlächelte. “Salve, Seiana. Salve, C...Archias.“ Ihn beim Vornamen zu nennen in so einem Rahmen war wahrscheinlich unangebracht, also wich Axilla noch schnell aus und hoffte, es hatte niemand mitbekommen. Vor allem Vala nicht! Nicht, dass er noch auf falsche Gedanken kam! Naja, auch wenn die nicht ganz so falsch waren, nur eben auch nicht so ganz richtig. Trotzdem sollte er sie nicht denken. “Darf ich euch meinen Begleiter, Duccius Vala, vorstellen?“ Dass die drei sich schon kannten, konnte Axilla ja nicht wissen. Sie schaute bei der Erwähnung seines Namens nochmal kurz zu ihm hoch, und ihr Lächeln kam doch wieder zurück. Sie konnte ihn nicht anschauen, ohne dass ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte. Wenngleich es jetzt dabei sich ein wenig zierte und ziepte.

    Axilla nickte nur bekräftigend auf Serranas Worte hin. Natürlich meinte sie das ernst, sie sagte sehr selten Dinge, die sie nicht auch meinte. Manchmal drückte sie sich zwar falsch aus, immer wieder wurde etwas von ihr missverstanden, oder sie versäumte es, es richtig zu stellen. Aber im Grunde konnte man sich bei ihr darauf verlassen, dass sie alles so meinte, wie sie es sagte.
    Natürlich bekam Axilla das Zögern und zurückweichen der Cousine mit. Axilla war zwar geschwächt, aber nicht blind. Aber sie nahm es Serrana nicht übel. Wenn sie Zeit brauchte, um über das Geschehene hinwegzukommen, würde Axilla ihr diese Zeit geben. Sie selbst war jemand, der sich in sich selbst zurückzog und die Einsamkeit suchte, wenn sie mit einem Umstand nicht zurechtkam. Wer wäre sie also, Serrana zu drängen und sich ihr aufzuzwingen? Nein, wenn Serrana zu der Einsicht gleangt war, dass Axilla noch immer derselbe Mensch wie ehedem war, würde sie wieder kommen. Bis dahin verschloss sich Axilla einfach vor dem leichten Schmerz, etwas verloren zu haben, von dem sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie es haben könnte, ehe sie nach Rom gekommen war.
    “Leander, du hast doch die Sänfte geordert, oder?“ fragte sie ihren Sklaven, zu dem ihr Verhältnis momentan auch etwas schwierig war.
    “Ja, Herrin, und Essen ist auch bereit.“
    Axilla nickte nur etwas geschwächt und sah zu ihrer Cousine. “Gut. Dann können wir zum Grab fahren und das Essen mit den Verstorbenen teilen.“
    Es hatte keine Eile, und gewiss würden sie nicht die Einzigen an den Gräbern sein. Immerhin war das Teilen der Nahrung mit einer der Hauptaspekte bei diesem Fest. Vermutlich würde an den Gräberstraßen außerhalb von Rom dieser Tage mehr Betrieb sein als innerhalb der ewigen Stadt.

    Bei seinen Worten sah Axilla wieder auf und verzögerte damit ihren Zug. Er ihr den Hintern versohlen? Nun, das war ein Scherz. Aber das, was er danach sagte, da war sich Axilla nicht so sicher. Oh, sie hatte ganz gewiss keine Angst, dass er seine Macht oder sonstwas ausnutzen würde, sie dachte da eher an etwas anderes, was er damit wohl meinen würde. Und auch sein 'das muss ich ja leider bleiben lassen' bestärkte sie eher noch in diesem Eindruck. Mit einem Mal fühlte sich ihr Mund ganz trocken an, und das Spiel war vollkommen vergessen. Sie wusste, wie die nächsten Züge auszusehen hatten, hatte schon oft genug gespielt, um die Lage auf dem Spielbrett abschätzen zu können. Natürlich sah sie irgendwo im Unterbewusstsein auch die Bedrohung für ihren bellator, dafür war der Angriff einfach zu offensichtlich. Aber sie war in ihren Gedanken gerade wo ganz anders.
    Auch Archias' Vorschlag brachte sie da eher noch weiter aus dem Konzept, und instinktiv ging ihr Blick kurz an ihm runter zu einer sehr bezeichnenden Stelle, ehe sie sich wieder fing und blinzelte, als würde sie gerade erst wieder zu sich kommen. Mit einem “Ähm...“ wandte sie sich wieder dem Brett zu, runzelte kurz sich erinnernd die Stirn und machte dann den Zug, den sie eigentlich schon seit einer Minute hatte machen wollen. “Dann ist es ja gut, dass ich gewinne. Ich hab doch im Moment gar nicht die Kraft, den großen Kriegsfürsten so zu massieren, wie er es wohl will.“
    Es war eine sehr schwache Erwiderung auf seine frechen Worte, und insgesamt war Axilla durchaus anzusehen, wie verlegen sie gerade war und versuchte, nicht daran zu denken, ob Archias mit ihr schlafen wollte. Und dennoch stellte sie sich diese Frage, schaute immer wieder fast heimlich zu ihm rüber und wusste nicht, wie sie sich fühlte. Das war so durcheinander! Er heiratete doch Seiana! Bald schon! Und, und, und sie konnte ja ohnehin gerade nicht, und sie sollten auch nie wieder. Sie hatte gerade eben erst sein Kind abgetrieben! Da sollte sie wirklich nicht darüber nachdenken, ob er sie noch immer wollte. Und erst recht sollte sie nicht in Erwägung ziehen, dass es ihr selbst ja nicht anders ging.

    Axilla musste gehässig lachen, als er sie ein kleines Ekel nannte. Sie wusste, es war gemein gewesen, aber was ließ er sich auch ablenken? Selber schuld! Sie nahm ihm zwei ordinarii und einen vagus ohne Probleme ab, und würde ihm wohl auch den Rest abnehmen, wenn sie ein wenig aufpasste.
    Als er dann aber anfing, an sienem Gürtel rumzufummeln, musste Axilla kurz schon stocken und schaute erst zu seinen Händen am Gürtel, und dann zu ihm in die Augen. Das Problem daran, dass sie momentan so blass war, war, dass man ihr nur allzu deutlich ansehen konnte, wenn sie rot wurde. Ihr sonst etwas dunklerer Teint überdeckte das ja meistens und ließ es sanft wirken, aber jetzt im Moment sah man es wohl deutlich, auch wenn Axilla es gleich zu überspielen versuchte.
    “Ach, und wenn das vielleicht alles nur eine Falle war, um dich dazu zu kriegen, das zu machen?“, meinte sie kesser, als sie sich eigentlich fühlte und setzte dann wie geplant ihren bellator um, um die nächste Großoffensive gegen die schwarzen Spielsteine zu sichern.
    “Und was heißt unlautere Mittel? Du wolltest doch einen Vorschlag, was du kriegst. Hättest ja auch selber was vorschlagen können. Was willst du denn sonst haben?“

    Den geschlagenen ordinarius schien Axilla gar nicht weiter zu beachten. Stattdessen zog sie nun mit einem vagus schräg hinter ihren anderen ordinarius und lachte nur leicht, als er so angewidert das Gesicht verzog. Sie erinnerte sich daran, dass ihm ihr Fuß bei anderer Gelegenheit durchaus schonmal sehr gefallen hatte. Allerdings war das eher im Eifer des Gefechtes gewesen, wie man so schön sagte.
    Sie ließ ihn noch einen Zug machen, und brachte dann ihren bellator in Stellung, so dass die Falle stand, und Archias, wenn er nicht aufpasste, drei Steine verlieren würde, auf jeden Fall aber einen vagus. Als er sie dann um einen Vorschlag bat, was er kriegen sollte, wenn er gewann, grübelte sie kurz. Ihr schossen ja einige Dinge durch den Kopf, aber alle hatten mit Dingen zu tun, die sie besser nicht machen sollte. Nicht mehr.
    “Dir hat doch der Kuss zwischen mir und Seiana so gut gefallen. Du weißt schon, auf der Fete von Impi...“ fing sie trotzdem vielversprechend an und beobachtete ihn genau unter dunklen Wimpern heraus. Sie wollte, dass er in ihre Falle stolperte. Sie wollte gewinnen. Auch, wenn das hier grade gemein war. “Nun, ich könnte sie ja fragen.... ob es ihr vielleicht gefallen würde...“
    Betont unauffällig schaute sie auf das Spielbrett, ehe sie mit einem fiesen Lächeln im Gesicht wieder zu Archi hochschaute. “Willst du gar nicht ziehen?“ fragte sie dann unschuldig lächelnd, wartete seinen Zug ab, ehe sie dann grinsend ihren eigentlichen Satz vervollständigte. “... also, ich könnte sie fragen, ob es ihr gefallen würde, mit mir eine Feier für dich zu organisieren.“
    Das war gemein, und Axilla wusste es, daher grinste sie betont frech und machte wie geplant ihren Zug. “Außer, du willst was anderes“, fügte sie fast kichernd noch hinzu.

    Axilla grinste nur breit, als er meinte, so würde er gleich aufgeben, blieb aber ansonsten liegen. Erst, als er nach dem Tribut frage, zuckte sie kurz und musste wirklich überlegen. Sie hatte das nur so dahingesagt und sich keine Gedanken darum gemacht.
    “Nun, meine letzte Tributforderung an dich war etwas frech“, meinte sie in Erinnerung an den Kuss, den sie seinerzeit in Ägypten eingefordert hatte. Wohin dieser geführt hatte, darüber dachte sie am Besten jetzt gar nicht weiter nach. Stattdessen überlegte sie lieber, was sie von ihm wollen könnte.
    “Hm... hmhmhmhm... nun, du hast mir doch den Ausritt versprochen? Wie wärs, wenn du auch was zu essen und eine Decke einpackst, und wir reiten und machen irgendwo ein Picknick? Ich hab gehört, hier in der Nähe gibt es einen Nymphenwald? Den würd ich wirklich gerne mal sehen.“ Ja, das war doch ein etwas ungefährlicherer Vorschlag.
    Nachdem er seinen Zug vollendet hatte, beugte sich Axilla wieder vor, und zog scheinbar ohne zu überlegen mit einem anderen ordinarius auf gleiche Höhe zum ersten, allerdings vier Felder weiter rechts. “Alternativ kannst du mir natürlich auch immer die Füße küssen“ konnte sie sich dann doch nicht verkneifen und lehnte sich wieder genau wie vorhin zurück. Natürlich hatte sie seinen Blick gesehen, das machte aber nichts. Sie ärgerte ihn einfach gern.

    Als sein Blick über sie glitt, war das trotz allem ein warmes Gefühl für Axilla. Sie musste sich selbst wieder sagen, dass sie sowas nicht mehr tun sollte. Nie mehr. Sie wusste, welche Wirkung das auf Archias hatte, und eben deshalb musste sie das unterlassen. Ab sofort. Für immer. Und Ewig.
    Dennoch beugte sie sich betont langsam nach vorne zum Spielbrett und griff dann grinsend nach dem weißen bellator. “Ah, dann hast du dich also dazu entschieden, kurz und schmerzlos unterzugehen? Weise Entscheidung“, neckte sie ihn und baute schnell mit ihm zusammen das Spiel wieder auf. Eigentlich spielte sie lieber mit den schwarzen Steinen, das war irgendwie einfacher. Man konnte erst sehen, was der andere machte, und die eigene Taktik dann anpassen. So aber musste sie eine eigene, offensive Taktik planen. Noch dazu eine, die nicht zu offensichtlich war. Nun, irgendwie würde das schon funktionieren.
    Sie fing also gleich mal an und zog mutig einen ordinarius gleich zwei Felder auf einmal nach vorne. Schlagen konnte Archias ihn so nicht, aber die Provokation war offensichtlich. Frech grinste sie ihn an und lehnte sich wieder zurück. Ach, was solls, heute kann ich ihn nochmal reizen. Kann ja ohnehin nichts passieren dachte sie dann und nahm die Arme über den Kopf auf der Lehne. In dieser fast schon einladenden Position schaute sie zu ihm rüber. “Wenn ich dieses Mal aber wieder gewinne, schuldest du mir Tribut, niederer Sterblicher.“