Anstatt einer Antwort auf seine Frage bekam er einen Pieks in die Seite. Auf einem Pferd mit einem Mann... hätte er davon nicht angefangen, Axilla hätte daran noch nichtmal gedacht. Sie wusste nichtmal, ob das möglich wäre. Allerdings bekam das nun einen eher sehr weit hinten liegenden Platz auf der Liste der Dinge, die man auf diesem Gebiet nochmal ausprobieren sollte.
Archias ärgerte sie, als sie sich hinsetzten, und spielerisch schlug sie nach seiner Hand. Sie versuchte, ernst zu bleiben und böse zu schauen, aber das ging nicht so ganz, weil sie lachen musste. “Du bist unmöglich!“ meinte sie schließlich gespielt beleidigt und blieb neben ihm sitzen. Es war schon wirklich kalt, und unauffällig legte sie sich ihre Rechte Hand auf den linken Unterarm, um ihn ein wenig zu wärmen und die beginnende Gänsehaut zu vertreiben. Aber sie wollte jetzt nicht schon wieder rein, sie wollte zeigen, dass sie wieder belastbar war. In der Zwischenzeit musste ihr Körper doch den Blutverlust ausgeglichen haben! Und sie wollte nicht schwach wirken. Wenngleich sie ein klein wenig näher an ihn rückte, um ein wenig von Archias' Wärme abzubekommen.
Dann auf einmal war das Thema bei Axillas Vater, und plötzlich fühlte sich Axilla doch wieder so, dass sie am liebsten reingehen wollte. Oder weitergehen. Zumindest nicht hier sitzen bleiben. Sie fühlte diesen schweren Stein in der Gegend ihres Magens, der immer zu drücken schien, wenn sie an ihren Vater dachte. Sie ließ den Kopf etwas hängen und schaute zu Boden, während sie Archias zuhörte. Kein Soldat, eher Bürokrat... “Ich glaube, du wärst ein ganz guter Soldat geworden“, flüsterte sie fast, ohne ihn dabei anzuschauen. “Bei dir fühl ich mich sicher und beschützt“, fügte sie noch an, als wäre das eine Erklärung für ihre erste Aussage.
Sie atmete einmal durch und sah dann auf. Sie waren nicht weit weg vom Lararium, und ihr Blick wanderte dorthin. Man konnte zwar von hier aus nicht hineinsehen, aber Axilla wusste, dass dort die Rüstung stand mitsamt dem Schwert. “Weißt du...“, fing sie dann an und sah kurz zu Archias hinüber, weil sie sich nicht sicher war, ob sie es ihm erzählen sollte. Sie redete nie darüber, mit niemandem. Es fragte sie ja auch niemand, warum also sollte sie es tun? Auch Archias hatte nicht wirklich gefragt. Aber dennoch wollte sie jetzt reden, wenigstens ein wenig. “...wegen der Legion war Vater immer viel von zuhause weg. Aber wenn er dann heim gekommen ist, dann war alles einfach gut. Er hat mich dann hochgehoben und mir einen Kuss auf die Wange gedrückt, und als wäre er nie weggewesen hat er gefragt, was ich so an dem Tag gemacht hab. Ich hab immer mit den vielen Schnallen an der Rüstung rumgespielt, während ich es ihm erzählt habe.“
Axilla weinte, während sie erzählte. Es tat so unendlich weh, sich zu erinnern, selbst an die schönen Dinge. “Weißt du, ich hatte immer das Gefühl, dass ich dann genau richtig bin, wie ich bin. Ich konnte ihm sagen, auf wie viele Bäume ich geklettert war und welches Knie ich mir aufgeschlagen habe und welchen Blödsinn ich angestellt habe, und es war trotzdem alles gut. Er hat nur gelacht und gemeint, sie hätten mich doch Eichhörnchen nennen sollen.“
Axilla wischte sich die Augen, weil sie nicht mehr richtig sehen konnte. Sie schluchzte nicht und auch sonst war ihre Stimme eher leise und ruhig. Nur die Tränen liefen beständig. “Ich vermisse ihn“, sagte sie schließlich noch und fasste damit so ziemlich alles zusammen, was in den letzten Jahren in ihrem Leben falsch gelaufen war. Sie vermisste ihn schrecklich. Mehr, als sie durch Worte ausdrücken könnte.