Nachdem Archias den Waschtisch 'ausgegraben' hatte, war er auch schon gleich wieder verschwunden und Axilla saß allein im Zimmer. Sie schaute sich einmal noch um, ihr Blick traf etwas wehmütig das zerwühlte Bett, und sie seufzte. Jetzt musste sie wohl wirklich aufstehen, jetzt war die leichte Zeit, in der man nicht nachdenken musste, vorbei. Auch wenn es unglaublich schwer fiel.
Etwas missmutig krabbelte Axilla aus dem Bett und streckte sich erst einmal ausgiebigst, bis ihr Rücken einmal leise knackte. Danach tapste sie hinüber zu dem Waschtisch und goss das Wasser, auf dem eine hauchdünne Staubschicht schwamm, in die Waschschüssel. Naja, es war abgestanden, aber es war noch gut, und Axilla wollte mal nicht allzu empfindlich sein. Nach ein wenig suchen fand sie sogar sowas wie ein Handtuch, das frisch roch und nun kurzerhand als Waschlappen herhalten musste. Und unter einem Buch zog Axilla mit Nachdruck sogar ein Stück Seife hervor. Damit konnte man doch etwas anfangen. Sie schäumte also die Seife auf und begann, sich zu waschen. Das Wasser war ganz schön kalt und entlockte ihr anfangs einige “Uuuäääh“'s und “Brrr“'s. Nachdem ihre Arme und ihr Oberkörper zu ihrer zufriedenheit abgeseift und sauber waren, kümmerte sich Axilla um das Gestrüpp auf ihrem Kopf. Durch diverse Aktivitäten in der letzten Stunde standen ihre Haare wild in alle möglichen Richtungen und waren recht verschwitzt, so dass sie sich kurzerhand nach vorne beugte und sie einfach komplett in die Waschschüssel tauchte, um sie durchzuwaschen. Eine andere Möglichkeit blieb ja auch kaum. Das war zwar verflixt kalt, aber was sollte sie sonst schon machen? Sie fluchte immer wieder leise, vor allem, da sie überall Knoten in den Haaren hatte, sie gleich beim rauskämmen schön ziepen würden, aber man wollte ja nicht aussehen wie ein keulenschwingender Barbar.
Schließlich war auch das erledigt und Axilla wickelte ihre Haare in Ermangelung eines weiteren Handtuches kurzerhand in eine von Archias saubere Tuniken zum trocknen. Ihr war kalt, der Morgne war doch recht frisch, und so krabbelte sie wieder aufs Bett und schlang sich die Decke um den Körper. Durch die Tunika auf dem Kopf tropfte ihr Haar langsam und beständig noch auf ihre Schulter, aber das würde sich gleich ausgetröpfelt haben. Jetzt musste nur noch Archias wiederkommen.
Beiträge von Iunia Axilla
-
-
Ja, Axilla las wirklich gerne. Es gab nur zwei Dinge, die ihrem Geist manchmal etwas Ruhe brachten. Das eine war, draußen zu sein, zu laufen, zu klettern, zu reiten, sich zu bewegen, bis jeder Muskel schmerzte und man nur noch fühlte, dass man frei war. Und das andere waren Bücher, die Axilla in andere Welten entführten, in der sie nicht über das hier und jetzt oder ihre eigene Vergangenheit nachdenken musste.
“Also, ich fand es unheimlich süß. Mir hat noch nie jemand ein Gedicht geschrieben“, gestand sie Archias offen und ehrlich. Es hatte sie wirklich sehr gerührt, es zu lesen, und auch, wenn sie jetzt den ganzen Hintergrund kannte und wusste, dass es war, weil er von ihrer Schwangerschaft wusste, fand sie es immernoch unheimlich süß von ihm.
Bei der Blumenfrage aber zog sie skeptisch die Stirn ein wenig kraus. “Ja, ich mag Blumen sehr gerne. Die sind auch wirklich hübsch, die du mir geschenkt hast. Araros schimpft die ganze Zeit wegen der Blüten, murmelt immer irgendwas von wegen und Flora-Tempel, aber der soll ruhig meckern. Ich find sie wirklich wunderschön.“
Und wie zum Beweis strich Axilla einmal ganz vorsichtig über die feinen Blüten, die neben ihr und Archias lagen. Axilla hatte keine Ahnung, was für Blumen das waren, aber sie waren sehr hübsch. “Als Kind hab ich immer auf den Feldern ganz viele Blumen gepflückt und dann abends mit heim gebracht und verschenkt, damit ich keine Schimpfe kriege“, erinnerte sie sich lächelnd und schaute Archias dann wieder strahlend an. Es tat gut, so ein wenig von den schwermütigen Themen abzukommen.Doch was er dann zur Arbeit und auch sonst sagte, ließ sie noch einmal stutzen. Dass er es noch so lange aushalten würde, bescherte ihr einen Satz rote Ohren, denn natürlich fasste Axilla es anders auf, erst recht, als er es relativierte. Kurz fragte sie sich, wie es denn bei ihr überhaupt war. Würde sie es ab jetzt aushalten, nur mit ihm befreundet zu sein und für ihm zu arbeiten, ohne hin und wieder mal seine Lippen zu fühlen? Es musste, das wusste Axilla, aber... nein, sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
“Was denn für eine schlechte Neuigkeit?“ hakte sie gleich nach, weil sie neugierig war. “Und meine Kräfte kommen schon zurück, keine Sorge. Um ehrlich zu sein, mir ist jetzt schon ziemlich langweilig, weil ich nicht wirklich was zu tun hab.“ -
Wen meinte Archias denn mit Milchbubi? Leander? Jemand anderem hatte sie es ja gar nicht erzählt, sie wusste es ja auch selber noch gar nicht so lange. Statt einer Antwort kuschelte sie sich noch ein wenig mehr an ihn und war einfach froh, dass er nicht böse auf sie war.
“Ja, Araros hat es mir erzählt, dass du zu mir wolltest. Aber... ich bin froh, dass du jetzt da bist.“ Axilla war sich ziemlich sicher, dass sie nicht gewollt hätte, dass Archias sie so gesehen hätte. Sie war jetzt immernoch etwas blass und zittrig, aber es ging ihr schon bedeutend besser. So konnte sie sich über Archias Besuch freuen. Aber wenn er gesehen hätte, wie sie dalag, Opium gegen die Schmerzen im Körper, mehr schlafend als wach... nein, das hätte sie ihm nicht zumuten wollen. Wenn sie den Schmerz dann in seinen Augen gesehen hätte, das wäre zu viel für sie. Sie war ganz froh, dass Araros ihn nicht zu ihr gelassen hatte, wenngleich seine Nähe ihr gut getan hätte.
Dass Leander das nicht mit Absicht, sondern im Suff gemacht hatte, milderte den Schmerz ein klein wenig, aber ausradieren konnte es ihn nicht. Axilla hätte nie, nie, NIE geglaubt, dass ihm sowas auch nur unter Folter hätte herausrutschen können, und jetzt... Jetzt wusste Archias etwas, das sie eigentlich mit ins Grab hatte nehmen wollen.
Nun also würde es ein Geheimnis zwischen ihnen beiden sein – plus Leander und Katander. Er hatte gesagt, er würde es nicht weitersagen, was ja auch Seiana mit einschloss, und Axilla war erleichtert. Sie würde seine Hochzeit nicht ruinieren, er würde ihr deswegen nicht nachtragend sein. Alles würde sein, als wäre es nie passiert. Naja, zumindest fast.
Als er dann aber meinte, sie sei hierher verbannt worden, sah sie ihn doch nochmal an. “Wieso verbannt? Ich wollte hier her. Für den Garten ist es zu kalt, und ich wollt doch nicht die ganze Zeit in meinem Bett rumliegen und mich bemitleiden lassen. Neeeee. Wenn ich schon nicht viel machen kann, dann les ich wenigstens was. Sonst sterb ich ja vor Langeweile, wenn ich nur die Decke anstarren kann.“ Axilla lächelte ihn an. Verbannt, irgendwie schon lustig. Sie hatte kämpfen müssen, dass sie hier ihr zweites Lager bekommen hatte. “Mit dem Laufen geht schon wieder ganz gut, nur nicht so weit, dann geht mir die Kraft aus. Aber ich fühl mich eigentlich schon wieder ganz fit. Nach den Parentalia würd ich auch wieder arbeiten kommen. Also... wenn du das noch magst, heißt das.“ -
Das... war... Grrrr! Da verdrehte er ihr einfach die Worte im Mund! Vor allem sein erster Satz war mehr als nur demütigend für Axilla, und sie holte auch sofort Luft, um etwas zu sagen. “Das stimmt doch gar nicht! Und das hab ich auch überhaupt nicht gesagt!“ Sie wollte sich gerade weiter darüber ereifern, als Vala sein Glas auch schon abgestellt hatte und ihr mit seiner Rede wieder das Wort abschnitt.
Dieser... dieser... KERL! Hatte Axilla sich eben noch beruhigt gehabt und das Durcheinander ihrer Gedanken und Gefühle in einigermaßen gleichlaufende Bahnen gelenkt, so war das jetzt alles hinfällig. Vala verdrehte ihr jedes einzelne Wort, Stück für Stück, und sie konnte nur dasitzen und unauffällig die Fäuste ballen, bis die Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte doch eben sogar gesagt, dass sie wusste, dass die Sieger die Geschichte nach ihrem Gutdünken schrieben! Dass das per se nicht als Maßstab für Ehre daher gelten kann und sollte! Aber so hatte sie das nicht gemeint, dass dadurch ein Mörder und Frevler am Gastrecht zum Helden emporgehoben wird. Und was er mit ihrem bedauernswerten Verwandten, Iunius Brutus, meinte, verstand sie in diesem Zusammenhang auch nicht ganz. Es war ehrenvoll gewesen, dass er so aufrecht in den Tod gegangen war! Was wollte er ihr denn jetzt damit beweisen?
Und wann hatte sie irgendwas von Caesar gesagt, oder gar gesagt, sie bewundere ihn? Dem war nämlich absolut nicht so. Sie würde das zwar nie öffentlich sagen, aber im Grunde fand sie es nicht Recht, dass er Rom erobert und sich selbst zum Imperator gemacht hatte. Er war sicherlich ein brillanter Stratege und gewiss auch ein hervorragender Politiker gewesen. Aber bewundern tat Axilla ihn deshalb noch lange nicht. Überhaupt, was wollte er ihr damit sagen, dass Caesar seine Feinde quasi begnadigt hatte? Das war von ihm nicht nur mildtätig, sondern ziemlich genial. Feinde so zu Gefolgsleuten zu machen war ein sehr kluger Zug, festigte es doch seine Stellung. Dass man das auch als ehrlos sehen konnte, war halt so. Axilla hätte es nicht gemacht, aber sie war weder eine Politikerin noch brillant.
Und dann schließlich starrte er sie nieder. Oder, naja, er versuchte es. Seine Augen taxierten Axilla, die nur zurückschauen konnte und dabei durchaus etwas kleiner wurde. Allerdings senkte sie ihren Blick nicht, sondern schaute tapfer zurück, selbst, nachdem er geendet hatte und sie erstmal nichts zu sagen wusste.
“Ich hab keine Angst vor dir“, kam schließlich etwas kleinlaut über ihre Lippen. Im Grunde genommen bedeutete dieser Satz aber nichts anderes, als dass sie doch so ein klein wenig Angst im Moment vor ihm hatte, aber bevor sie etwas anderes sagen konnte, sie erstmal ein bisschen Restwürde zusammenkratzen musste und ihre Stellung damit festigte.
“Und ich verstehe sehr wohl, was Ehre ist. Nur seh ich sie nicht so... sooo... SO!“ Wie sollte man das denn sagen? Axillas Welt war einfach, weil Axilla sie einfach hielt. Schwarz, und weiß, kein grau. Ab und an bekam diese Weltsicht einen kleinen Knacks und zwang sie dazu, Dinge, die sie stur dem einen oder anderem Extrem zugeordnet hätte, neu zu bewerten und abzumildern. Aber im Grunde funktionierte ihre Welt so für sie. Und es passte ihr nicht, dass Vala diese mühsam aufgebaute Illusion, wie er es nannte, einfach so auseinander pflückte. Und vor allem passte es ihr nicht, dass sie ihm an Argumenten eindeutig unterlegen war. Aber aufgeben kam gar nicht in Frage!
“Wie kommst du darauf, die Ehre als sowas... sowas... schreckliches darzustellen. Die Ehre macht uns gut, und aufrecht, und, und... tugendhaft! Wie kann das dreckig und kalt und schmerzhaft sein? Das ergibt doch gar keinen Sinn!“
Gut, das waren jetzt keine Argumente als vielmehr ein heftiger Ausbruch, aber Axilla hatte keine Argumente. Was man auch sehr deutlich daran merkte, dass sie, je mehr Vala sagte, selbst umso weniger zu sagen wusste. Das jetzt war eigentlich nur noch verzweifeltes Wehren und Abstreiten. -
“Ja, ich denke, wenn die Parentalia vorbei sind und nach der Carista kann ich auch wieder arbeiten“ bekräftigte Axilla, dass es ihr gut ging. Ihre Kraft kam recht schnell zurück, aber sie hatte schon immer eine gute Konstitution gehabt. Etwas, das sie zum Glück vom Vater geerbt hatte, war die Mutter doch schon immer sehr zierlich und zerbrechlich und auch kränklich gewesen. Und bei den vielen Schürfwunden, die sie sich in ihrer Jugend geholt hatte, war das auch ganz gut so.
Axilla wand sich der Rüstung ihres Vaters zu und strich einmal ganz zärtlich über das Schulterstück, als wolle sie Staub wegwischen. Nur dass nicht das geringste Staubkorn darauf zu finden war. Irgendwie war ihr ganz schwermütig ums Herz. Diese Tage gingen ihr immer sehr nah, fühlte sie doch zu den Parantalia stärker als sonst ihren Verlust, und wusste sie so auch noch weniger damit umzugehen als sonst. Sie konnte sich nicht wie sonst in aufgesetzte Fröhlichkeit retten. Die Trauer war allgegenwärtig, und es war fast schon eine heilige Sache, diese auch zuzulassen und sich ihr ein Stück weit zu ergeben.
“Serrana? Magst du vielleicht das Opfer machen?“ Es war nur ein unblutiges, kleines Opfer für die Geister der Ahnen. Später würden sie noch raus zum Grab fahren und dort beim Grab Essen und Trinken mit den Toten teilen. Das hier war nur ein kleiner Schritt, um die Geister der Verstorbenen zu ehren und zu beruhigen, und nicht zuletzt um ihrer zu gedenken.
Eigentlich war Axilla ja die Ältere von ihnen beiden, aber sie überließ der Cousine gerne den Vortritt. Zum einen fühlte sie sich noch immer ein wenig zittrig, und je weniger sie machen musste, umso besser war es vermutlich im Endeffekt. Und außerdem war Serrana ja Priesterin, da wusste sie wahrscheinlich sowieso besser, was man sagen musste. Axillas letztes Opfer im vergangenen Jahr war wahrscheinlich nicht sehr fachmännisch gewesen, und vielleicht war es da besser, es dieses Mal jemanden machen zu lassen, der sich damit auskannte. Sie konnte ja dann ergänzen, wenn ihr noch etwas einfiel.
Ein wenig traurig war Axilla, dass Silanus dieses Opfer nicht vollzog, aber sie gingen einander schon wieder aus dem Weg. Andererseits war das auch ganz gut, fragte er so schon nicht über Gebühr nach, warum sie denn jetzt krank sie und was sie gehabt hatte. -
Wieso sollte Axilla ihm böse sein? Sie verstand schon allein die Frage nicht wirklich. Er hatte das ja nicht mit Absicht gemacht, um sie dazu zu zwingen, ein Kind abtreiben zu müssen. Und letztendlich hatte sie ihn ja immer wieder überredet, es wieder und wieder zu wiederholen. Axilla verstand nicht genug davon, um zu wissen, ob das einen Einfluss darauf gehabt hatte. Sie wusste nur, dass Kinder machen so funktionierte, und es auch schon mit einem Mal klappen konnte, aber ob ihr späteres Verhalten das noch irgendwie gefestigt hatte oder sowas, davon hatte sie keine Ahnung.
“Nein, ich bin dir nicht böse. Gar nicht. Und du, bist du mir böse, dass ich schwanger war?“ Er hatte nur gesagt, dass er enttäuscht darüber war, dass sie es ihm nicht gesagt hatte. Aber ob er böse war, dass es überhaupt soweit gekommen war, war etwas anderes. Irgendwie fürchtete Axilla auch ein wenig diese Antwort. Vielleicht bereute er ja, dass sie miteinander geschlafen hatten? So sehr Axilla auch wusste, dass es falsch gewesen war, sie konnte es nicht bereuen. Sie wollte nicht eine Sekunde davon vermissen.
Und dann fragte er noch nach den Schmerzen. Nur ganz leicht löste sich Axilla von ihm, aber nur so weit, um ihm in die Augen schauen zu können. Sie wollte wissen, ob er es wirklich wissen wollte, suchte kurz in seinen Augen. Sie wollte ihn nicht mehr anlügen, wollte es ihm ja sagen. Ohne bestimmten Grund küsste sie ihn ganz kurz und flüchtig, ehe sie sich wieder an ihn kuschelte.
“Ja, es hat sehr weh getan. Ich hab sehr viel Blut verloren und hab wohl ziemlich stark gekrampft. Hätte Leander nicht gleich Crios geholt, wäre es wohl schlimm geworden. Du hättest ihn mal sehen müssen. Kreideweiß war er, sogar einen Tag später noch. Hätte ich ihn nicht irgendwann schlafen geschickt, ich glaube, Leander wär die ganze Zeit an meinem Bett sitzen geblieben und hätte über mich gewacht wie ein Hund.“
Sie musste kurz lächeln, bis ein anderer Schmerz sie wieder durchzuckte. Leander hatte sie verraten. Der einzige, dem sie alles anvertraut hatte. “Und er hat mich wirklich verraten?“ fragte sie noch einmal leise und irgendwie hoffte sie, dass es doch jemand anderes gewesen wäre. Egal wer. -
Er sagte nichts. Eine ganze Zeit lang sagte er nichts, und Axilla wollte am liebsten sterben. Ein kleiner Teil von ihr wünschte sogar, sie wäre doch gestorben, damit dieses Gespräch hier nie stattgefunden hätte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihm das so sagen? Warum hatte sie ihn nicht einfach anlügen können? Sie fühlte sich elend und wank mehr und mehr in sich zusammen, weil ihre kleine Welt in sich zusammenzustürzen drohte. Und da endlich erlöste Archias sie, streichelte ihr durchs Haar und beschwor so beinahe eine neue Tränenwelle herauf. Dieses Mal aber konnte Axilla sie noch runterschlucken. Dennoch glänzten ihre Augen, als sie zu ihm aufsah und in seine ernsten Augen blickte.
Es dauerte ein, zwei Sekunden, in denen sie einfach nur hineinschaute und nichts sagte. Nur ihre Augen sprachen ganze Bände. Sie war unendlich erleichtert, dass er noch hier war, und noch viel erleichterter, dass er bei ihr bleiben würde. Zwar nicht ganz, das wusste Axilla, aber sie würde ihn nicht verlieren, sie musste keine Angst haben. Noch immer schweigend umarmte sie ihn und schob sich näher an ihn. Sie brauchte das so sehr, diese Berührung. Axilla war nie gut mit Worten gewesen, ihre Gedanken waren meist ein einziges Durcheinander. Aber fühlen, berühren, verstehen, das war es, was sie brauchte wie die Luft zum atmen, und womit sie mehr ausdrücken konnte als mit jedem Redeschwall.
“Ich versprech es dir. Ich schwöre es dir. Ich hab nur solche Angst.“ Ihr fehlte die Kraft, um ihn wirklich zu drücken, aber sie tat es, so gut sie konnte. Sie brauchte jetzt einfach die Gewissheit, dass er wirklich, wirklich da war.
Ohne ihn loszulassen redete sie dann weiter. Wenn er wollte, konnte er sie mit Leichtigkeit wieder zurückschieben. Sie würde sich nicht wehren, selbst wenn sie die Kraft dazu hätte. Aber sie wollte gerne nur ein wenig bei ihm sein. “Es tut mir so leid, dass das alles passiert ist.“ -
Von all dem bekam Axilla ncihts mit. Sie lag einfach ganz gemütlich auf dem Bauch an Archias' Seite und gab nur kleine, wohlige Laute von sich, während er sie streichelte. Als er damit aufhörte, meckerte sie einmal leise und fiepte fast wie ein Hundewelpe, als könne sie ihn damit zum weitermachen bewegen, aber auch, als er nicht gleich weiterstreichelte, blieb sie liegen.
Nur im Halbbewußtsein bekam sie mit, dass jemand in ihrer Nähe sich aufrichtete und Anstalten machte, zu gehen und dass dann gesprochen wurde. Ebenso im Dämmerschlaf bekam sie mit, dass derjenige sich wieder zurücksetzte. Aber was gesprochen worden war, davon hatte sie keine Ahnung. Sie ruckte ein wenig ihren Körper in eine bequemere Lage, bemerkte dabei wieder Archias neben sich. Mit der Hand suchte sie kurz nach seiner Gestalt, ohne hinzuschauen, und schließlich lag ihr Arm auf seinem Knie. Zufrieden seufzte sie einmal und atmete dann einmal ganz tief durch. Sie murmelte noch etwas, von dem sie selber nicht wusste, was sie da gesagt hatte, und dann kamen auch schon nur noch sehr gleichmäßige Atemzüge von ihr. Dass die anderen alle wach waren und sie hier vor Publikum eingeschlafen war, störte sie dabei scheinbar nicht im Mindesten. Wenn sie aufwachte, würde sich ihr Kreuz wegen der Schlafposition vielleicht beschweren, aber im Moment schien die Welt so ganz in Ordnung zu sein für die Iunia. -
Oh, musste er denn nachbohren? Axilla wollte das doch gar nicht so sagen, weil sie wusste, wie es sich anhörte. Sie wusste, dass sie nicht in Archias verliebt war. Sie war ungefähr drei Mal am Tag verliebt, und das fühlte sich anders an. Wenn man verliebt war, dann war da dieses brennende Verlangen, diese Schmetterlinge, dass man tanzen wollte. Dann fühlte man sich so leicht, und es war so vieles egal.
Das mit Archias fühlte sich anders an. Das war irgendwie bodenständiger und tiefer. Sie fühlte sich wohl bei ihm, fühlte sich sicher bei ihm. Sie war so gerne bei ihm. Sie war nicht aufgeregt, wenn sie bei ihm war. Dann war einfach alles irgendwie nicht ganz so schlimm chaotisch. Zwar immernoch, nicht zuletzt, weil er ja auch so war, aber... es hatte dann einen Sinn und war nicht schlimm.
Verschämt sah Axilla zu Boden und suchte nach den richtigen Worten. Wie sollte sie ihm das erklären? “Caius... wenn du es ihr sagst, dann wird sie nicht wollen, also, dass wir uns noch sehen. Ich meine, sie wird Angst haben, dass wir nochmal... Oder aber sie wird dann nichtmehr heiraten wollen, und dann würdest du, wenn du mich ansiehst, nur noch sehen, dass ich Schuld bin, dass sie gegangen ist. Und Caius... ich hab dich lieb. Ich hab dich wirklich sehr lieb. Ich will nicht, dass wir uns nie wieder sehen. Du... du bist mein bester Freund, und... ich hab einfach Angst, dass das alles ändert, und... ich will nicht, dass sich etwas ändert. Ich.... weiß doch auch nicht, aber ich will mir ncihtmal vorstellen, dich nicht mehr zu sehen. Und, und, ich hab einfach Angst, dass das passieren wird.“
Besser konnte sie es nicht erklären. Schon allein für diese Erklärung schämte sie sich in Grund und Boden, aber sie musste es ihm einfach sagen. Er durfte es Seiana nicht verraten! -
Ihren Sklaven... Axilla starrte in Richtung Tür, als sie bermerkte, wer als Schuld daran war. Wahrscheinlich bemerkte Archias es nicht einmal, aber diese kleinen Worte trafen sie hart. Leander hatte sie verraten. Ihr Leander war die undichte Stelle gewesen. Dem sie alles, wirklich alles anvertraute. Der für sie schon fast sowas wie ein Bruder war. Der hatte sie verraten? Warum? Axillas Welt, die ohnehin vor Unsicherheit nur so strotzte, verlor nun auch noch dieses kleine bisschen Halt, und sie fühlte sich so leer und hilflos, dass sie nur perplex vor sich hinstarrte, während Archias schon weiterredete.
Sie blinzelte einmal, als würde sie aufwachen, als er so verzweifelt zu ihr rüberschaute und nicht wusste, was er tun sollte. Erst da drangen seine Worte wirklich zu ihr durch, und die Angst löste kurzzeitig diese Leere ab.
“Nein, nein, sie wird das nicht herausfinden. Crios hat mir versprochen, dass er nichts sagt. Warum sollte er denn was sagen? Nein, ganz bestimmt wird er nichts verraten. Und du auch nicht. Bitte, Caius“, und Axilla rückte näher zu ihm und griff nach seiner Hand. Sie musste ihn jetzt berühren, musste eine Verbindung mit ihm herstellen. Sie fühlte sich, als würde sie fallen, sie brauchte etwas zum festhalten, und wenn es nur seine Hand war. “Bitte, du darfst es ihr nicht sagen. Wenn du es ihr sagst...ich will dich nicht ganz verlieren. Bitte, Caius, bitte.“ So oder so, Axilla würde verlieren. Entweder würde Seiana darauf bestehen, dass er Axilla nie, nie, NIE mehr wieder sah, und weil er sie liebte, würde er ja sagen. Oder aber sie würde ihn deswegen sogar verlassen, und Axilla hätte ihn trotzdem verloren, weil er dann in ihr doch nur den Grund für dieses Verlassenwerden sehen würde. Und Axilla wollte ihn nicht ganz verlieren. Einen Teil hatte sie verloren, ganz bestimmt. Archias würde sie wohl nie mehr so ansehen, an sich ziehen und sie küssen. Damit würde Axilla leben können, leben müssen. Aber ihn ganz und gar zu verlieren, das konnte sie nicht. Das würde sie nicht verkraften, nicht das auch noch. -
Und als er ihr Antwortete, war es Axilla, als stürze ein Kartenhaus ein. Er war schuld, dass sie schwanger war, und offensichtlich hatte er nichts von Piso gewusst. Dann war es vollkommen unlogisch, dass er ihn verhauen hatte. Aber irgendwen musste er ja verhauen haben! Nur wen? Und weswegen? Axilla saß einen Moment da und bemerkte nur, wie er sie wieder losließ.
Ihre Augen bewegten sich etwas hektisch, als sie verzweifelt versuchte, das alles zu begreifen und ihm die richtige Antwort zu geben. Das war so viel auf einmal, und sie wusste gar nicht, was sie machen sollte. Ihr war gerade von einem auf den anderen Moment unglaublich schlecht geworden, und sie wünschte sich, er würde sie wieder in den Arm nehmen.
“Was passiert wäre...“ echote sie, um ein wenig Zeit zu gewinnen und ihre Gedanken zu ordnen. “Ich... ich weiß nicht. Das, was jetzt grade passiert. Dass du mich so anschaust wie jetzt, und nicht mehr... ich...“ Axilla fand es schön, wenn er sie mit diesem leicht begehrlichen Blick ansah. Sie fand es schön, wenn er sie hübsch fand. Sie wollte nicht, dass er sie anschaute, und nur einen Fehltritt sah, der nicht hätte sein dürfen. “Ich weiß, das ist albern.“ Sie sank ein wenig in sich zusammen. Sie fühlte sich wieder so elend.
“Und... Seiana weiß doch nichts, oder?“ Jetzt blickte sie doch wieder auf, beinahe panisch. Sie wollte nicht, dass Seiana davon erfuhr. Wenn sie davon erfuhr... nicht auszumalen! Vor allem jetzt, nachdem es doch ohnehin egal war. “Ich meine, wenn ich es dir gleich gesagt hätte... ich wollte nicht, dass du es ihr sagst und dadurch etwas kaputt geht. Ich meine, es ändert doch nichts. Du liebst sie doch, und willst sie heiraten. Und ich will... ich...“ Es fiel ihr so schwer, es zu sagen, weil es zwar die Wahrheit, aber doch irgendwie eine Lüge war. Und Axilla wusste das, tief in sich drinnen. “Ich will doch, dass du glücklich bist. Es wäre doch ohnehin nicht anders gegangen. Nur dass du dann davon gewusst hättest... und ich wollte das nicht. Dass du dich schuldig fühlst, oder verantwortlich. Ich meine, wenn ich... tugendhaft gewesen wäre, und gemacht hätte, was ich hätte sollen, dann wär ich ja gar nicht in diese Lage gekommen!“
Was hätte sie denn machen sollen? Sie hätte es ihm doch nicht sagen können! Er hätte sich doch nur Vorwürfe gemacht, und geändert hätte es dennoch nichts.
“Woher weißt du es überhaupt?“ fragte sie schließlich noch ziemlich aufgeregt. Sie hatte doch so darauf acht geben wollen, dass niemand es erfuhr. Wenn Silanus es erfuhr und auch wusste... oh Götter! Axilla wollte sich nichtmal ausmalen, was dann wäre. -
Jetzt kam er auch noch zu ihr, um sie zu trösten! Axilla wäre es auf unerklärliche Weise lieber gewesen, er wäre wütend auf sie. Sie selbst war wütend auf sich. Sie war enttäuscht von sich selber, dass sie das zugelassen hatte, und sie schämte sich so abgrundtief, dass Archias es jetzt wusste. Sie wollte nicht, dass er das wusste. Was dachte er denn jetzt von ihr? Und so dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich wieder wirklich beruhigen konnte und aufhörte, wie ein Mädchen zu heulen. Oh, sie hasste sich selbst so sehr dafür, sie wollte nicht so sein. Sie wollte NIE so sein. So ein Püppchen, dass nur dasaß und heulte, anstatt wie ein ganzer Kerl dafür einzustehen und die Konsequenzen eben zu tragen. Sie hasste sich selbst ja so abgrundtief dafür.
Aber schließlich versiegten die Tränen doch und ihr Atem beruhigte sich. Fast zornig wischte sie sich die restliche Feuchtigkeit von der Wange. Sie wollte nicht, dass Archias so einen Eindruck nun von ihr hatte. Das hier war nur ein Ausrutscher, und würde nicht wieder passieren. Das war bestimmt nur wegen der Kräutermischung, die sie seit Tagen trank. Und dem Blutverlust. Ja, genau, daran lags.
“Wieso bist du schuld? Ich versteh nicht...?“ Verwirrt schaute Axilla auf und versuchte, diesen Zusammenhang zu begreifen. Was konnte er dafür, was Piso gemacht hatte? Das war doch total widersinnig? -
Er schwenkte die Oliven so direkt unter ihrer Nase, und der Heißhunger auf diese kleinen Dinger kam wieder. Axilla schaute zwar einmal streng zu Archias rüber, dann aber nahm sie doch eine mit einem Grinsen im Gesicht. Er konnte ja so süß sein, wenn er wollte. Sie sah ihn einen Augenblick lang an und war sich selber nicht so ganz im klaren, was sie eigentlich dachte und wollte. Sie schnappte sich noch eine weitere Olive und auch ein bisschen Brot. Wenn man einmal mit Essen angefangen hatte, ging es irgendwie leichter.
Zum Thema Barbier zog Axilla gespielt kritisch eine Augenbraue nach oben. “Achja? Ich weiß nicht, ich mag meine langen Haare. Aber wenn du meinst, dass mir ein Männerschnitt stehen würde...“ So leidenschaftlich, wie er ihr vor nichtmal einer Stunde mit den Händen in die Haare gefahren war, konnte Axilla sich nicht vorstellen, dass er es wirklich mögen würde, wenn sie sie sich ganz kurz abschneiden würde. Also ärgerte sie ihn ein wenig.
“Naja, vielleicht sollte ich mich auch waschen. Hast du hier irgendwo einen Waschtisch oder so?“ Ihr Blick glitt über das Chaos, aber irgendwelche Waschutensilien konnte sie nicht ausmachen. “Ist zwar nicht ganz so dringen, aber... naja...“
Im Moment roch Axillas Haut noch nach Liebe und Archias. Sie fand den Geruch herrlich, aber man musste sich ja nicht auf diese Art und Weise verraten. Und bevor sie den Senator treffen würde, sollte sie vielleicht lieber nach Wasser und Seife duften als nach frühmorgentlicher Bettgymnastik. -
Wie, er wusste gar nicht, was Piso gemacht hatte? Aber wieso hatte er ihn dann verprügelt? Was hatte der Flavier ihm denn erzählt, bei allen Göttern der Unterwelt? Axilla verstand immer weniger, aber sie verstand, dass Archias außer sich vor Wut war. Er lief vor ihr hin und her wie einer dieser gefangenen Löwen im Paneion in ihren Käfigen. Und dabei wurde er richtig laut, so dass Axilla schon Angst hatte, jemand könne ihn hören und diese Geschichte, auf die sie wahrlich nicht stolz war, damit ans Licht bringen.
“Bitte, Caius, bitte...“ versuchte sie ihn zu beruhigen. Sie fühlte sich so elend und schlecht. Sie wollte ihn doch nicht betrügen, und belügen wollte sie ihn doch auch nicht.
“Ich wollte doch nicht, dass es soweit kommt. Ich dachte, er wäre nett. Er hat doch gesagt, er kennt dich und wäre ein alter Freund von dir, und er hat mich eingeladen. Ich hab doch nichts böses dabei gedacht. Bitte, Caius, ich wollte es dir ja nicht verheimlichen, aber... die Hochzeit mit Seiana steht doch so kurz bevor, und ich wollte da nichts kaputt machen“
Und jetzt würde er seinen ältesten Freund nicht zu seiner Hochzeit einladen können, und das war ganz allein ihre Schuld. Sie hätte eben deutlicher nein sagen müssen.
Eigentlich war Axilla keine Frau, die Tränen als Waffe einsetzten, und sie war auch niemand, der gleich heulte, aber im Moment fühlte sie sich so verzweifelt, dass doch ein paar Tränchen kullerten. Sie fühlte sich so schlecht und so erbärmlich, und es war ihr so peinlich, dass Archias das von ihr und Piso wusste, so unendlich peinlich. Auch wenn sie den Zusammenhang zu ihrem jetzigen Ausfall nicht wirklich herstellen konnte. Außer, Archias wusste das von dem Schwangerschaftsabbruch auch noch, was Axilla stark vermutete. Aber sie konnte sich nicht erklären, woher er das hätte wissen sollen.
“Ich würde nie etwas tun, was dir weh tut. Bitte, das musst du mir glauben. Bitte, Caius. Ich wollte das wirklich nicht. Aber wenn ich es dir gesagt hätte, das hätte so viel kaputt gemacht.“ -
Na toll, er hatte seinen Freund verprügelt! Wegen ihr! Gut, vielleicht hatte er auch Prügel verdient, weil er sie betrunken gemacht und abgeschleppt hatte, ohne ihr Einverständnis zu erfragen, aber Axilla fand es trotzdem ganz furchtbar und hatte ein schlechtes Gewissen. Denn er war ja nicht Schuld an ihrer Schwangerschaft. Diese schuld trug sie ganz alleine. Sie gab nichtmal Archias die Schuld daran, denn in ihren Augen konnte er ja auch nichts dafür, dass sie so unkeusch war und ihn dazu verführt hatte. Nein, die Schuld lag ganz allein bei ihr.
“Was hätte ich dir denn sagen sollen? 'Er hat mich betrunken gemacht und dann in ein dunkles Zimmer geschleppt, wo er es einfach mit mir gemacht hat, ohne um mein Einverständnis zu bitten'? DAS hätte ich dir sagen sollen? Ich meine, ja, es war falsch, aber... wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, wäre es ja auch gar nicht passiert. Und ich meine... du siehst doch auch, welche Komplikationen das jetzt gibt? Und ich will ja auch auf keinen Fall, dass das öffentlich wird.“
Axilla schaute ganz zerknirscht zu Boden. Sie schämte sich ja so dafür, was mit Piso gewesen war. Vor allem schämte sie sich Archias gegenüber, denn sie hatte das unbestimmte Gefühl, als wäre sie ihm untreu gewesen. Was ja eigentlich quatsch war, sie waren ja kein Paar. Dennoch aber fühlte es sich genau so an, als hätte sie ihn betrogen. -
Hätte Axilla gewusst, dass Quarto derjenige welche war, der Zeuge ihres nächtlichen Spazierganges geworden war und in dessen Armen sie, wenngleich nur kurzzeitig, gelegen hatte, sie hätte wohl nicht so leichtfertig gesagt, sie wolle ihn kennenlernen. Vermutlich hätte sie sich von Archias statt ihrem Kleid einen Umhang mit sehr großer Kapuze bringen lassen, damit sie diese weit ins Gesicht ziehen konnte und so ihre Identität verbergen konnte, während sie leise wie ein Schatten entschwunden wäre. Hätte... aber sie wusste es nicht.
Und so setzte sie sich nun nur auch im Bett richtig auf und räkelte und streckte sich einmal ausgiebig. Sie fühlte sich entspannt. Noch immer hatte sie diese Schwermut wegen Urgulania in sich, noch immer verspürte sie ein schlechtes Gewissen Seiana gegenüber, und noch immer meinte ihr Magen, dass diese verflixte Seereise nicht lange genug her war, aber dennoch fühlte sie sich sehr entspannt.
“Mir ist grad ein wenig übel. Das legt sich gleich, ist meist nur eine Weile und dann wieder weg. Mir steckt nur die Seereise noch ein wenig in den Knochen“, meinte sie, ehe sie sich direkt neben Archias setzte und die Arme einmal um ihn legte, um noch einen Moment an ihn zu schmusen. Es war nur ein kurzer Augenblick, aber sie brauchte es einfach. Sie mochte seinen Geruch, dabei fühlte sie sich so wohl, und sie nahm einen tiefen, ruhigen Atemzug davon.
Als sie ihn wieder los ließ, fand sie sich langsam damit ab, dass jetzt wohl der Morgen wirklich gekommen war und sie langsam würde aufstehen müssen. Es nützte ja nichts, sie konnten ja nicht wirklich den ganzen Tag im Bett verbringen. Nicht auszudenken, wenn jemand reinkam und sie inflagranti erwischte.
“Und ich brauch auf jeden Fall eine Haarbürste. Meine Frisur sieht doch sicher aus, als wäre ich durch einen Sturm gelaufen. Oder meinst du, ich kann mir eure Ornatrix borgen?“ -
Axilla fand seinen Aufenthalt in Griechenland auf jeden Fall um einiges beeindruckender als alles, was sie in ihrem Leben gemacht und gesehen hatte. Wie gerne würde sie sich alle diese Stätten auch einmal ansehen! Sogar in Delphi war er gewesen! “Hast du auch das Orakel befragt?“ fragte sie gleich neugierig. Axilla war noch nie bei einem Orakel gewesen. In Ägypten gab es auch ein Orakel in der Oase Siwa. Dort war Alexander dem Großen geweissagt worden und bestätigt worden, dass er göttlicher Abstammung war. Axilla hätte es ja gerne auch besucht, allerdings war die Reise dorthin mehr als nur gefährlich, und allein ging das ja sowieso nicht. Außerdem lag das schon fast wieder in der nächsten Provinz, Cyrenaica. Oder lag es nicht sogar dort? Axilla hatte keine Ahnung, Geographie war nicht so ihre Stärke.
Und auch, was Sermo so alles studiert hatte! Axilla kam sich gerade irgendwie ziemlich dumm daneben vor. Wenn er das alles konnte... nungut, er war ein Mann, aber sie fand es schon ganz schön beeindruckend. Sie hatte in jedem dieser Bereiche wohl eher ein mehr oder minder fundiertes Grundwissen, das sie allerdings nicht auf Kommando abrufen konnte. Folglich war es im Grunde nutzlos.
“Naja, mein Lehrer hat irgendwann aufgegeben, mir das alles beibringen zu wollen und sich auf die wichtigsten Dinge dabei beschränkt. Aber ich bin ja auch kein Mann“, meinte sie etwas verlegen und schaute kurz, als Sermo seinen Wein so runterstürzte. Der musste ja richtig Durst haben, oder aber er ertrug ihre Gesellschaft nüchtern nicht. Auf die Idee, er könne den Weinstand ihres Bechers als Maß nehmen, kam Axilla nicht. Vielmehr fühlte sie sich ein klein wenig verlegen und versuchte, zu ihrer so gut geschauspielerten Selbstsicherheit zurückzufinden. Da war seine Frage wegen Ägypten ja eigentlich genau richtig, denn da kannte sie sich mittlerweile ganz gut aus.
“Achja, Ägypten“, griff sie also seine anfängliche Frage auf und drehte ein wenig unsicher den Weinbecher in den Händen. “Nun, es ist... anders als hier. Viel... bunter. Nicht so ernst. Also, nicht, dass es hier so ernst wäre, aber... es ist einfach anders da. Liegt vielleicht auch an den vielen verschiedenen Völkern, grade in Alexandria. Da gibt es hauptsächlich Griechen, die die ganze Stadtverwaltung machen. Sie sind meistens die Nobilitas der Städte, wohl noch aus Zeiten von Alexander. Und dann natürlich die Einheimischen, also die Ägypter. Die schaffen es aber meistens nicht so hoch in der Politik. Aber ihre ganze Art und ihre alten Bräuche beherrschen überall das Land. Das merkt man schon.
In Memphis gibt es einen Tempel für Serapis beispielsweise, da gibt es einen heiligen Stier. Also, ich meine, die beten tatsächlich zu dem Stier, als Inkarnation von Apis. Der wird sogar verheiratet. Immer mit Zwillingsmädchen. Ich wollte es am Anfang gar nicht glauben, aber das ist deren voller Ernst.“
Ja, Ägypten hatte schon ein paar wundersame Gebräuche. “Und in Bubastis ist es noch immer streng verboten, Katzen zu töten. Überhaupt ist Ägypten weniger eine Provinz oder ein Land, als eine Ansammlung von Poleis, die sich teils selbst verwalten. Natürlich hat keine so viele Rechte wie Alexandria, die ja dem Kaiser allein gehört, aber... es ist einfach anders. Als würde über allem ein wenig Zauber liegen, der es etwas unwirklicher macht. Wie der Sandstaub, der überall hinfliegt.“
Axilla wurde leicht rot und musste verlegen grinsen. “Das klingt sicher furchtbar albern“, meinte sie verlegen. -
Alles war vorbereitet worden. Die Totenmasken der Iunier, die an der Wand hingen, waren mit winzigen Kerzen dahinter erleuchtet worden. Ganz vorsichtig, damit die Flammen das Wachs auf keinen Fall aufweichen würden, gerade hell genug, um den Gesichtern eine gewisse Lebendigkeit zu verleihen. Davor am Hausaltar standen die Laren, Figurinen von fröhlichen, tanzenden Jünglingen, immer paarweise. Der ein oder andere hatte auch einen kleinen, bronzenen Hund dabei, der verspielt um die tänzelnden Füße zu toben schien. Sie trugen Füllhörner in der einen, in der anderen Hand Schalen oder kunstvoll gegossene Eimer, wo man ihnen kleine Opfergaben wie Puls und dergleichen geben konnte. Alle waren sie heute mit frischen Blüten geschmückt worden, die ihnen vorsichtig auf die bronzenen Köpfe gesetzt worden waren.
Neben dem Altar stand heute aufgebaut die Rüstung von Atticus Iunius Cassiodor. Von ihm gab es keine Totenmaske. Nachdem er gefallen war, hatte es gedauert, bis sein Leichnam den Aufständischen wieder abgenommen werden konnte, und hätte Castricius Tegula ihm nicht diesen Freundschaftsdienst erwiesen, Axilla hätte noch nicht einmal diese Rüstung. Und so war ihr dieses Stück hier heiliger als alles andere.Noch immer etwas schwach auf den Beinen kam Axilla zum Lararium. Sie hatte die Haare offen, immerhin wollten sie den Ahnen zum Gedenken gleich hier Opfer bringen. Sie fühlte sich noch immer etwas schwach, aber zur Not war Leander ja da und stützte sie. “Und es ist alles da?“ fragte sie ihren Sklaven noch einmal sicherheitshalber.
“Ja, Weihrauch ist schon am Altar, und wir haben pulsum und mulsum bereitgestellt. Und domina Serrana ist ja auch da“, beruhigte er seine Herrin und blieb neben ihr erstmal stehen, um sie zur Not noch stützen zu können, sollte ihre Kraft doch nicht ausreichen. Aber Axilla hätte wohl schon tot sein müssen, um hier und heute nicht ihren Ahnen zu gedenken. -
-
[Blockierte Grafik: http://img705.imageshack.us/img705/5492/leander.gif]
Nachdem er mit dem Kesselchen wiedergekommen war, hatte sich Leander wieder an die Wand gelehnt. Sein Blich glitt zu seiner Herrin, die von Serrana gerade ausgezogen wurde. Gerne wollte er seine Hilfe anbieten, aber er hatte Befürchtungen, dass das unschicklich sein könnte, gleich, ob er dabei nichts sexuelles empfand. Also ließ er es bleiben und sah nur, wie Serrana vorsichtig die Tunika wechselte und Axilla etwas wusch, ehe sie ihr eine neue Tunika über den Kopf zog. Seine Herrin selber schien nicht mehr ganz bei sich zu sein. Er sah ihre Lider flattern, und hin und wieder eine etwas hilflose Bewegung mit der Hand, als würde sie versuchen, Serrana wegzuschieben. Aber das konnte Einbildung sein. Insgesamt sah es aus wie die Bewegungen eines Trunkenen, dem jegliche Kraft fehlte.
Der Arzt mischte etwas zusammen und bestand darauf, dass sie es trinken sollten. Leander starrte nur vor sich hin. So viel Blut... er glaubte nicht, dass sie überlebte. Er hatte noch nie so viel Blut gesehen, und Axilla war nun nicht gerade die Kräftigste. Sie war zierlich und sanft... zwar nicht wehleidig, aber doch eben von schmaler Statur. Manchmal aß sie tagelang nichts, wenn man sie nicht daran erinnerte. Sie war ncihtmal besonders laut, außer, wenn sie wirklich wütend war. Insgesamt hatte Leander nicht den Eindruck, dass sie wirklich hart genug war, um ausreichend zu kämpfen.
Er betete zu den Göttern, dass sie ihr die Kraft gaben. Wenn sie starb... er wollte gar nicht daran denken!Mit einem Mal bekam er einen Krug entgegengehalten und Serrana meinte, er solle davon trinken. Axilla würde das auch wollen. Leander schaute wie hypnotisiert auf den dampfenden Inhalt und zögerte kurz. Weigern ging nicht, er war Sklave. Aber er glaubte nicht, dass er verdient hätte, Linderung zu erhalten. Er hätte besser auf sie acht geben müssen, damit sie nicht in diese verdammte Lage erst geraten wäre. Er hätte ihr damals schon bei diesem Griechen deutlicher im Weg stehen müssen, und jetzt das mit dem Aelier... er hätte einfach mehr machen müssen. Auch wenn er nicht konnte, er hätte müssen. Irgendwie.
Gehorsam nahm er einen großen Schluck von der bitteren Mischung und reichte dann den Krug an Adula weiter. Sein Blick ruhte starr auf Axilla, die einzuschlafen schien, nachdem der Arzt ihr auch aus dem anderen Becher etwas eingeflöst hatte. [size=7]“Lasst sie nicht sterben, Götter. Isis, große Magierin, heile sie, bitte...“[/size]
LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA