Beiträge von Iunia Axilla

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    Araros hatte in seiner Zeit als Ianitor ja schon viel erlebt, aber sowas noch nicht. Da stand ein junger, unbekannter Mann, verschwitzt, hämmerte an die Tür und wollte ihn mit einer mehr als knappen Begrüßung über den Haufen rennen. Aber so nicht. Er war zwar nicht der kräftigste und schaffte wohl auch keine 39 Liegestütze mehr am Stück, aber deshalb nahm er seinen Dienst als Ianitor dennoch vorbildlich wahr und versperrte den Weg ins Hausesinnere mit seiner Gestalt.


    “Domina Axilla empfängt heute keinen Besuch. Erst recht keinen unbekannten.“


    Araros wusste zwar nicht, was genau vorgefallen war, aber ein Medicus hatte vor zwei Nächten kommen müssen, und Axilla war wohl sehr krank. Ihm wurde versichert, sie befände sich auf dem Weg der Genesung, aber Besuch empfind sie sicher keinen. Erst recht nicht, wenn dieser sich nichtmal vorstellte!

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    Dass er Urgulania als Trulla bezeichnete, gefiel Leander nicht, und er verzog kurz missbilligend das Gesicht. Immerhin hatte er ihr auch sehr lange gedient, bevor er in den Alleinbesitz von Axilla übergegangen war. Und alles in allem war sie eine sehr respektable Frau gewesen, der er gerne gedient hatte.
    Als er Katander aber zuhörte, verstand er hauptsächlich eines wieder: Warum er auf Männer stand. Die waren nicht so furchtbar kompliziert bei sowas. Sex und Freundschaft waren zwei verschiedene Dinge. Nungut, er hatte nie Sex mit einem freund gehabt, nicht in dem Sinne, aber seinen Verflossenen weinte er nun auch nicht unbedingt nach und wünschte sich, die Erfahrungen mit ihnen zu wiederholen. Vielleicht war er auch einfach nur zu oberflächlich für solch tiefschürfende Gefühle, wer weiß?


    Aber als Katander dann offenbarte, dass Axilla wohl im Palast mit Archias geschlafen hatte, fiel dem Griechen alles aus dem Gesicht, und er starrte einen Moment nur entsetzt zu seinem Landsmann hinüber.
    “Wie, du meinst... also... ich meine, ich weiß, sie hat im Palast übernachtet, aber... doch nicht bei ihm?“ Das musste er nochmal genau wissen.
    Und auch die zweite Anspielung gefiel Leander gar nicht. “Ja, aber Axilla würde nicht, wenn er verheiratet... scheiße...“ Wahrscheinlich würde sie doch. Wenn sie sich in ihn verliebte, dann sogar ganz sicher. “Scheiße“, wiederholte er nochmal.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    So beeindruckend fand Axilla ihre Reise nun wieder nicht. Sie war ja nur aus Notwendigkeit geschehen, zumindest die nach Alexandria. Die nach Rom war ja eigentlich nur eine Einladung, die sie nun aber ein wenig ausdehnte und mit ein paar anderen Sachen gleich verband.
    “Na, so beeindruckend finde ich das gar nicht. Ich meine, hätte Senator Decimus mich nicht eingeladen, hätte ich für die Hochzeit von Aelius Archias und Decima Seiana ja sowieso kommen müssen. So besonders find ich das gar nicht.“
    Dass sie ihm ein weiteres Bröckchen an Information zugeworfen hatte, das für sie unerheblich war, für ihn aber vielleicht nicht, merkte sie noch nicht einmal. Viel mehr war sie damit beschäftigt, nicht zu kess zu ihm hinüberzulächeln, als er auf die iunische Weiblichkeit zu sprechen kam. Ja, hübsche Frauen hatte die Gens noch immer hervorgebracht, auch wenn Axilla nicht alle kennengelernt hatte. Aber Urgulania allein war trotz ihres höheren Alters für Axilla ein Inbegriff an Schönheit und Noblesse gewesen. Dass er sie auch in dieser Gesellschaft sah, schmeichelte ihr schon ein wenig, wenngleich es wieder einen leichten Schatten auf ihr Gemüt bei der Erinnerung warf.


    Sie schlenderten langsam durch den Raum, aber keine Spur, weder von Serrana, noch von den Brautleuten. Dafür aber von einem Sklaven mit Weingläsern, von denen sie auch schon prompt eines in die Hand gedrückt bekam. Axilla sah nur auf die Flüssigkeit und wollte sich schon herausreden, als Sermo schneller war und mit ihr anstieß. Es wäre ja wirklich sehr unhöflich, nicht wenigstens einen Schluck zu nehmen. Aber nur einen klitzekleinen! Sie wollte sich nie wieder betrinken, ihre letzten Erfahrungen reichten ihr da.
    “Auf einen schönen Abend, und die charmante Gesellschaft“, stieß sie mit ihm an und nippte einmal an dem Wein, dass er kaum die Lippen benetzte. Kurz sah sie sich um – doch nicht etwa nach den Verlobten oder Serrana, sondern nach einer schönen Pflanze, der sie heimlich den Wein zuführen konnte, ohne dass es auffallen würde. Die nächste stand allerdings ein ganzes Stück weiter an der Wand.
    “Ach, ich bin sicher, wir finden schon etwas, worüber wir uns unterhalten können. Zum Beispiel über dich haben wir noch gar nicht gesprochen. Du kommst aus Rom?“
    Ganz dezent machte Axilla einen Schritt in die Richtung, in der sie die Pflanze erspäht hatte und hoffte, dass Sermo dieser Bewegung insofern folgen würde, dass sie in die Richtung schlenderten. Sie konnte ihn ja wohl schlecht mit sich ziehen.

    Es war anders, als einen Mann zu küssen. Ganz anders. Das Kribbeln im Bauch fehlte, und dieser drängende Wunsch, sich dem ganz hinzugeben. Vor allem fehlte das Drängen von der Seite desjenigen, den Axilla küsste. Normalerweise führte Axillas Geschmack bei Männern dazu, dass diese, einmal geküsst, nur zu gerne die Führung übernahmen und sich alles nahmen, was sie wollten, und Axilla nur noch zurücklehnen und genießen musste. Aber bei Seiana war das anders. Sie ließ sich küssen, öffnete Axilla leicht den Mund. Es war zärtlicher als mit einem Mann. Wenngleich es für Axilla persönlich auch uninteressanter war als mit einem Mann, gab sie sich Mühe – sofern das in doch mehr als stark angeheitertem Zustand noch so gesagt werden konnte. Und Seiana schien es zu gefallen, denn sie küsste zurück.
    Ganz sachte und langsam fuhr Axillas Hand von Seianas Nacken vor zu ihrer Wange, legte sich dort vorsichtig an die Kontur des Gesichtes, ihre andere Hand ebenso auf der anderen Seite, ohne Zwang, ohne Druck, ihr Gesicht wie das einer zerbrechlichen Tonfigur haltend, ehe sie den Kuss ganz langsam und bedacht löste. Sie blieb noch bei Seianas Gesicht, keine zwei Fingerbreit von ihren Lippen entfernt, hielt ganz sanft ihr Gesicht und sah sie mit grünen Augen beinahe liebevoll an.
    “Und deshalb haben Nymphen Macht über die, die sich für Dionysos halten“, flüsterte sie ihr noch zu, noch immer beseelt von der göttlichen Erkenntnis von eben, die aus dem Wein geboren war, ehe sie Seiana wieder frei gab und sich ganz einfach zurückfallen ließ. Dass sie dabei gegen Archias stieß, merkte sie erst, als sie ihn berührte und deshalb das Gleichgewicht endgültig verlor, so dass sie sich schließlich etwas rasanter als gewollt auf ihre Vierbuchstaben auf den Boden setzte. Allerdings machte das nicht, es tat nicht weh, und Axilla musste ziemlich befreiend lachen. Natürlich sah sie jetzt nicht die Reaktionen der anderen am Tisch, sie saß dezent tiefer und konnte nichtmal über die Tischplatte gucken, aber das war auch ganz egal.
    “Götter, ich bin müde...“, meinte sie nur zwischen ein paar glückseligen Glucksern und ließ sich zurück gegen die Seite der Kline in ihrem Rücken sinken. Der viele Wein hatte nämlich nicht nur die Wirkung, ihr göttliche Erkenntnisse, die sie in fünf Minuten vergessen haben würde, und eine ausgelassene Stimmung zu geben.

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    Unwillig wedelte Leander wieder mit seiner Hand vor Katander herum, als dieser ihn total falsch verstand. “Ich mein doch nicht das davor, ich meine doch davor davor. Also bevor die beiden unbedingt miteinander poppen mussten. Das davor. Weißt schon, als die einfach nur Freunde waren.“
    Bona Dea, die beiden sollte bloß aufhören, miteinander in die Kiste zu steigen. Aber Leander glaubte, dass Axilla ihre Lektion in dieser einen Nacht mehr als nur bitter gelernt hatte und mit ihrer Freizügigkeit nun zurückhaltender sein würde. Vor allem Archias gegenüber, der ja scheinbar mit einem Schuss – denn von mehr wusste Leander ja nicht, zumindest nicht definitiv – einen Treffer gelandet hatte.
    “Wie meinst du das, er wird sie fragen, was los ist? Jetzt ist sie halt krank. Irgendeine Frauensache...“ Leanders Hirn brauchte eine Weile, bis er andere Möglichkeiten realisiert hatte, und dann sah er geschockt auf Katander. “Ne, oder? Die machen doch wohl nicht regelmäßig weiter? Dass hättse mir gesagt. Oder? Bitte nicht...“
    Katanders Vorschlag, mehr zu trinken, hörte sich plötzlich verlockender an denn je, und auch Leander goss sich nochmal nach.




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    Och, warum wollte er es denn jetzt unbedingt ihm sagen? Klar hatte Archias schuld, aber trotzdem sollte niemand so Axilla sehen. Gar niemand! Und schon gar nicht wissen, warum das so war. Wie sollte sie denn noch einen vernünftigen Mann finden, wenn das jeder wusste?
    “Neee, einfach gar nicht sagen. Auch wenn er es verdient hat. Gar nie nicht sagen, und zwar gar nichts. Dann ist nie was gewesen. Die beiden machen einfach weiter wie vorher... also, noch vorher, bevor sie das gemacht haben... also ganz vorher.“ Leander versuchte, das 'vorher' mit Händen und Füßen zu erklären, was zur Folge hatte, dass er einen halben Becher Wein auf dem Tisch großzügig verteilte. Aber das störte hier sowieso niemanden, das Stroh auf dem Boden war schon sehr saugfähig, und dieses kleine Extraopfer an die Götter fiel da nicht ins Gewicht.
    “Auf die Verschwiegenheit“ prostete nun auch Leander, allerdings war das mit dem Anstoßen nicht ganz so einfach, so dass die Becher fröhlich aneinander vorbeieierten, ehe sie sich dann nach einiger Willenskraftanstrengung doch trafen, um anschließend hinuntergestürzt zu werden.





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    Scheiße. Er hätte nicht so viel trinken sollen. Jetzt war ihm etwas rausgerutscht, was nicht hätte sein sollen. Und Katander schien nicht einlenken zu wollen. Leander lehnte sich nach vorne, stützte seinen Ellbogen auf der Tischplatte ab und wedelte mit leicht erhobenem Zeigefinger etwas abwehrend vor Katander herum.
    “Neeeee... neeee, bloß nicht. Mach das bloß nicht! Was meinst du, was der dann macht? Der rennt dann zu Axilla, um zu schauen, wie es ihr geht, und dann kommt raus, dass er das weiß. Und dann bringt Axilla mich um. Neee, halt bloß die Klappe. „
    Götter, von dem Rumgewedel wurde einem ja ganz schwindelig. Leander ließ es bleiben und trank lieber noch einen nach. Er hatte ja schon einen guten Vorsprung vor Katander. Und auch, wenn er recht trinkfest war, irgendwo hatte alles eine Grenze.
    “Ich schlage vor, wir sitzen hier und betrinken uns, und vergessen einfach alles.“




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    Eine ganze Weile folgte nichts. Einfach... nichts. Keine Empörung, kein Niederreden. Einfach gar nichts. Und irgendwie war das einschüchternder als alles andere. Axilla blieb einfach ganz still sitzen, sank etwas in sich zusammen, so dass ihr Kopf hinter ihren Knien zu verschwinden drohte. Es war fast wie damals am Tiberhafen, kurz bevor Vala losgebrüllt hatte. Damals hatte auch ein Wort von ihr gereicht, um ihn dazu zu bringen, weil sie sich daneben benommen hatte. Und so traute sich axilla jetzt nicht, auch nur einen Piep von sich zu geben, oder wirklich nachzuschauen, wie wütend Vala wohl auf sie war.
    Doch dann lachte Vala auf einmal. Zwar verlegen und nicht aus vollem Herzen, aber er lachte. Axilla schaute vorsichtig auf, sah ihn an, aber er schien sich zu amüsieren. Es war alles in Ordnung. Er war nicht wütend. Irgendwie... gar nicht. Axilla brauchte noch einen Moment, um den Schreck zu verdauen, und dann musste sie auch lachen. Verlegener, viel verlegener, aber erleichtert. Ihre Wangen wurden leicht rot, und sie ließ ihre Knie zur Seite wegfallen, so dass sie zwar immernoch in einer sehr unerwachsenen Pose auf der Kline saß, aber weitaus weniger verteidigend. Und irgendwie war auch der Ärger von Eben vor lauter Erleichterung ziemlich verflogen.
    “Wenn ich aufgeregt bin, sind meine Gedanken schneller als mein Mund. Entschuldige“, meinte sie und schaute verlegen zu Vala hinüber. Jetzt im Moment war der Wunsch nach Diskussion schon fast wieder verschwunden, viel lieber wollte sie ihn eigentlich anlächeln. Hör auf damit, schalt sie sich selber und wandte ihren Blick wieder dem Tisch zu, fischte sich auch eine Olive und aß sie schnell, aber mehr aus Verlegenheit denn aus Hunger. Ich muss den Trank noch nehmen, erinnerte sie sich selbst dabei wieder und dämpfte so ein wenig ihre gute Laune. Schon verrückt, eigentlich mochte sie Oliven nicht wirklich.
    Sie versuchte, ihre Gedanken nochmal zu ordnen und diesmal in sinniger Reihenfolge hervorzubringen.
    “Was ich gemeint habe, ist... Wenn du sagst, dass Ehre nur ein Konstrukt ist, wie erklärst du dir dann die Gesellschaft, in der wir leben? Auf Ehre baut alles auf. Dass ein Wort ein Wort ist, dass man sich auf die Seinen verlassen kann, dass man sich auch auf andere verlassen kann. Wenn du sagst, dass das nur eine Idee ist, warum also erkennen die Menschen das nicht als wahr? Warum fühlt es sich falsch an, zu sagen, dass es keine Ehre gibt? Warum fühlt man sich in seiner Ehre beleidigt, wenn es sie doch nicht gibt?“
    Axilla nahm noch eine Olive aus der Schale, behielt diese jetzt aber erstmal zwischen Daumen und Zeigefinger, traute sich wieder mehr, zu Vala zu schauen. Jetzt, wenn sie einmal redete, ging es leicht, ihn dabei anzusehen.
    “Natürlich zählen die Taten eines Menschen als solches, aber eine Tat, die aus Gründen der Ehre getan wird, ist anders zu sehen als eine Solche, die aus Habgier oder Neid entsteht. Warum sonst hat ein Mann das Recht, eine ihn betrügende Ehefrau zu erschlagen samt ihrem Liebhaber, wenn er sie inflagranti erwischt? Nach deiner Definition wäre das ein Mord. Denn es gibt ja keine Ehre, in der er sich gekränkt fühlen könnte. Es wäre nur seine Wut. Aber warum sollten andere Menschen bei so etwas Wut als Grund anerkennen, in anderen Fällen aber nicht?“
    Jetzt verschwand die Olive doch in Axillas Mund und sie nahm eines ihrer Beine runter, setzte sich um und auf den anderen, noch auf der Kline verbliebenen Unterschenkel, indem sie den Fuß einfach unterhakte. Sie beugte sich auch mehr zu Vala hinüber. So sachlich hatte sie soweit sie wusste noch nie argumentiert, aber es machte Spaß. Vor allem machte es deshalb Spaß, weil sie ihm dabei nahe sein konnte, ohne dass es irgend etwas daran zu bemängeln gab.
    “Aber ich muss dir insoweit Recht geben, dass die Geschichte nicht immer die ehrenvollen Absichten zu würdigen weiß. Denn die wird von denen geschrieben, die gewinnen. Die Verlierer sind tot und können ihre Motive nicht mehr veröffentlichen, damit die Welt darüber urteilen möge. Bestimmt würden wir über einige Personen anders denken, wenn es nicht ihr Schicksal gewesen wäre, zu unterliegen. Bestimmt hatten einige davon durchaus noble Absichten, die nur die Welt nie zu sehen und zu beurteilen bekommt.“ Das Beispiel mit Iunius Brutus und der Schlacht bei Philippi ließ sie jetzt aber wohlweißlich weg. Hätte der Verschwörer damals gegen Augustus und Marc Anton gesiegt, würde die Welt ihn heute gewiss nicht als Caesarenmörder verdammen, sondern als Retter der Republik feiern. Aber er hatte nunmal nach dem Willen der Götter nicht gesiegt.
    “Aber...“, sie wollte eigentlich 'dein Volk' sagen, aber sie wusste nicht, wie er darauf reagieren würde, da sie damit ja die freien Germanen meinte. Sein Vetter Rufus war damals in Alexandria ein wenig seltsam gewesen bei diesem Thema. “... die Germanen kennen doch auch die Ehre? Ich habe... gelesen... also... dass sie sehr viel darauf geben, und sehr ehrenvoll zu handeln stets bemüht sind, und auch die Frauen... also, sehr... sittsam und ehrenvoll sich benehmen... ähm... was ich sagen will, ist, also... ich meine... wieso sollten alle Völker ein Gefühl für Ehre haben, wenn es sie doch gar nicht gibt? Warum sollten sie alle ihren Kindern die Grundsätze von Ehre und Tugend beibringen? Warum sollten die Götter ehrenvolles Handeln fordern, egal von welchem Volk, und unehrenhaftes verurteilen, warum sollten Männer bei ihren Anführern auf solches Verhalten bestehen, wenn es das doch gar nicht gibt?“

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    Eine ganze Weile saß Katander nur da und soff. Anders konnte man das nachschenken und runterstürzen des Weines nicht nennen. Was aber auch nicht weiter schlimm war, Leander soff gleich mit. Nur der Krug beinhaltete nur eine endliche Menge an Wein, so dass das ziemlich schnell ein Ende fand und Katander leider doch beschloss, darüber reden zu wollen.
    Im Ersten Moment sah der iunische Sklave sein Gegenüber nochmal scharf an. Er war dagegen, dass die beiden rummachten? War Axilla nicht gut genug für ihn, oder wie meinte er das? Aber als er weiterredete, beruhigte sich Leanders Gemüt wieder. Er fand es ja auch alles andere als toll. Und auch er hatte es kommen sehen, auch wenn er es nicht hatte kommen sehen wollen.
    “Nein, es geht ihr nicht gut. Sie hat verdammt viel Blut verloren. Ich mein... scheiße, ich hab schon Schweine geschlachtet, die weniger geblutet haben. Sie ist weiß wie ein Laken. Und weißt du was? Sie hat mich weggeschickt, weil sie sich Sorgen um meinen Zustand gemacht hat! Axilla ist total irre...“
    Er wollte einen Schluck nehmen, stellte dann aber fest, dass der Becher noch immer leer war. Inzwischen war aber der neue Krug angekommen und er konnte nachschenken. Erst da bemerkte er seinen letzten Satz.
    “Also, nicht irre, aber... du weißt schon. Macht sich Sorgen um mich... als ob ich das wär, der fast krepiert wär...“
    Jetzt endlich konnte er nochmal kräftig nachspülen. Scheiße, sein Kopf schwirrte auch schon vor Gedanken und Bildern.
    “Wenn du mich fragst, hat's geklappt. Das war soviel Blut...“ Es schüttelte ihn einmal leicht, und er trank noch einmal nach. Irgendwann mussten die Bilder aufhören.




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    Ihm wurde nachgeschenkt, und Leander trank. Er würde morgen einen Brummschädel ohne gleichen haben, aber wenn es jetzt das Bild aus seinem Hirn bannen würde, dann war es das wert. Er wollte nichtmehr sehen, wie sie dalag wie tot, und das viele Blut, und er absolut NICHTS machen konnte.
    Scheiße, da war man sein Leben lang Sklave, hatte ein einfaches und nicht zu enges Verhältnis zu seinen Herren, und dann kam da ein Mädel aus Tarraco daher, mit großen grünen Rehaugen und einer Leichtigkeit, die jeden vor Neid erblassen ließ, und man vergaß, dass man Sklave war. Auf einmal war man Freund, Vertrauter, ja fast schon Bruder. Man log für sie, damit ihr kein Leid geschah, mehr als einmal. Man tat die abstrusesten Dinge, um ihr einige wirre Gedanken auszutreiben und sie in die richtige Richtung zu schubsen. Man wachte wie ein Schatten über sie. Und dann... BÄM, riss es einem das Herz heraus, wenn man dieses urtümliche Wesen auf einmal so sah. Er hätte sie nie so nahe an sich ranlassen dürfen, aber das hatte er. Und jetzt wurde er dieses Bild nicht los, das sich in sienen Schädel eingebrannt hatte.


    Erst, als Leander ihn so ansah und mit seinen letzten drei worten die ganze Komplexität der Situation ziemlich exakt zusammenfasste, merkte Leander, dass er zuviel gesagt hatte. Er wusste, dass Axilla nicht wollte, dass es jemand wusste, dass sie darauf vertraute, dass es jetzt vorüber und ausgestanden wäre, wie früher. Und er verplapperte sich.
    “Scheiße, vergiss es wieder. Das hast du eben nicht gehört“, versuchte er noch das schlimmste zu verhindern, aber ungesprochen konnte er die Worte wohl nicht mehr machen.




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    Die Berührung am Unterarm registrierte Leander mit einem ein wenig komischen Gedankengang. Hatte Katander nicht gemeint, er habe da ein Techtelmechtel mit irgendeiner Sklavin der Decima, die Archias heiraten würde? Irgendwas klingelte da. Leander sah kurz zu Katander hinüber und fragte sich gerade, ob sich daran wohl etwas geändert habe, als die Hand auch gleich zornig weggezogen wurde und der Grieche ziemlich eingeschnappt reagierte, als die Sprache auf Axilla kam.
    Wut, angestachelt von Wein, regte sich in Leander. Klar, wütend auf Axilla sein, natürlich. Als hätte er dazu auch nur irgendeinen Grund! Als würde die Kleine nicht alles tun, damit er weiter seine decimische Sklavin schnackseln konnte und sein Herr nicht aufflog! Und auch, dass Katander die letzte Frage dann weitaus weniger streitlustig gestellt hatte, linderte diesen aufgeflackerten Zorn nicht.
    “Krank? Wär der Medicus nicht in der Nacht mitgekommen, würd se gar nimmer kommen! Und bloß weil dein Herr seinen Schwanz net bei sich lassen konnte!“ schnappte er ziemlich ungehalten und in eigentlich ungewohntem Jargon und stürzte gleich noch einen Schluck Wein runter. Er knallte den Becher wieder auf den Tisch und schloss kurz die Augen. Er sah immernoch das Blut. Die Faust landete nochmal auf dem Tisch, aber das Bild ging nicht weg.



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    Versetzt worden? Leander sah kurz auf und wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Schließlich lachte er, schüttelte den Kopf und nahm noch einen Schluck. “Nein, ich bin nicht versetzt worden.“
    Leander stieß kurz mit Katander an, murmelte aber mehr, als dass er wirklich sagte “Auf das Junggesellendasein...“
    Er kippte seinen Wein in einem Zug, blieb die Antwort, was denn los sei, schuldig, und schenkte sich gleich nochmal nach. Der Wein war stark, aber ihm noch nicht stark genug. Wenn er die Augen schloss, sah er immernoch das Blut auf den Laken und die eingefallenen Augen seiner Herrin.
    “Oh, Axilla... was machst du nur...“, murmelte er kurz mit geschlossenen Augen weiter, weil er wieder ihr blasses Gesicht vor sich sah. Er öffnete seine Augen wieder, und das Gesicht von Katander vertauschte sich mit dem siener Herrin. “Dass sie die nächsten Tage nicht kommt, ist ausgerichtet, nicht?“ fragte er einfach einem plötzlichen Gedankengang einfach folgend Katander. Immerhin war der Archias' Leibsklave, da konnte er das schon wissen. Immerhin lief er nun Leanders Herrin so oft über den Weg wie Leander Archias. Wenn nicht sogar öfter.



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    Leander schenkte sich nach und bemerkte die anderen Gäste schon gar nicht mehr. Ständig kam oder ging irgendwer, und warum sollte er sich nach jemandem umsehen? Abgesehen davon, dass die Chance, jemand gleichgesinnten und vom Stand entsprechenden, der auch noch die nötige Zeit hatte, hier in dieser Taverne zu finden, dem er auch genug trauen konnte, um mit ihm sonstwohin zu verschwinden, Leander war nicht nach Gesellschaft, ihm war nach Saufen. Und das ging ganz prima allein, da musste er sich die Umgebung nicht dafür ansehen. Wozu also Energie verschwenden, wenn der Becher doch so einladend und nah war.
    Allerdings fand die Gesellschaft ihn dann doch, und er wurde von einer bekannten stimme begrüßt, als sich jemand zu ihm an den Tisch setzte. Leander blickte auf und offenbarte dabei wohl Augenringe, die mit „schwarz“ noch zu hell beschrieben wären. Sein Blick traf auf Katander, der sich zu ihm gesetzt hatte, und als Erwiderung grunzte er erstmal nur unwillig. Dann nahm er noch einen Schluck, einen großen.
    Von allen Leuten in dieser ganzen Stadt, warum traf er da ausgerechnet auf Katander? Ausgerechnet auf den? Das besaß beinahe schon eine kosmische Komik, und Leander lachte leise kurz vor sich hin, schüttelte den Kopf und nahm noch einen Schluck. “Dann passt es ja zu meiner Stimmung. Willst du auch?“ Er nickte kurz zum Krug und deutete damit an, dass Katander sich auch davon bedienen konnte. Seine Stimme war zwar belegt und langsam, ansonsten aber gut verständlich.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Sie hörte die Stimmen um sich herum. Alle redeten etwas, aber sie verstand es nicht richtig. Es war, als halle es in ihrem Kopf wieder, wie Echo, deren Stimme als Widerhall nach Narziss rief. Und sie fühlte sich so schwach, dass sie nur die Augen zumachen und sich diesem Schmerz ergeben wollte. Es war so unendlich viel.
    Das einzige, das wirklich einzige, was sie davon abhielt, war, dass ihr Blick immer wieder auf die Truhe fiel, in der die Rüstung ihres Vaters lag und darauf wartete, eines Tages wieder von einem stolzen, jungen Mann getragen zu werden. Es würde keinen solchen jungen Mann geben, wenn sie jetzt aufgab. Es würde niemand den Namen ihres Vaters ehren und besingen, er würde in der Lethe verblassen, sein Geist verschwinden im Nichts, wenn sie jetzt nicht durchhielt. Sie musste noch einen Erben zur Welt bringen. Sie musste einen Mann heiraten, damit der diesen Erben rechtmäßig machte, und erlaubte, dass er den Namen ihres Vaters in seine Ahnenreihe aufnahm. Das musste sie tun. Sie durfte vorher nicht sterben.
    Auch, wenn ihr Körper immer wieder krampfte, zwang sie sich, wach zu bleiben, es auszuhalten. Sie zwang sich, zuzuhören, den Worten Sinn abzugewinnen. Besser wäre es gewesen, sie hätte es nicht getan, denn sie hörte ein Wort, dass sie instinktiv noch mehr zusammenkauern ließ. Es gab Wege, auf denen Medizin ekelig war, wenn sie bitter schmeckte und dergleichen, wenn es Dämpfe warne, die juckten und die Augen zu verätzen schienen, oder Salben, die sich ins Fleishc brennen wollten. Und dann gab es noch das, was Crios mit ihr vorhatte. Instinktiv zog sie ihre Beine noch ein wenig näher ran und schüttelte unwillig den Kopf. Kraft, sich zu wehren hätte sie ohnehin nicht, aber dennoch würde sie das nicht so einfach über sich ergehen lassen, ohne ihm zu zeigen, wie unangenehm ihr das war.
    Ruhig bleiben... der hatte leicht reden....

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    Der Krug lag leer auf dem Tisch. Kein Tropfen mehr drin. Nicht ein einziger. Leander hatte genau nachgesehen, aber der Wein war alle. Schon wieder. Es blieb ihm nicht viel übrig, als mit der Hand zu winken, bis der Wirt ihn bemerkt hatte, und den leeren Krug in seine Richtung zu schwenken. Bloß nicht fallen lassen, sonst gab es Ärger. Am Ende warfen sie ihn jetzt schon raus. Und dabei wollte er noch gar nicht gehen.
    Leander hatte eine schreckliche Nacht hinter sich, und einen noch schrecklicheren Tag. Die ganze Zeit dachte er darüber nach, was da passiert war. Oh, natürlich wusste er, was passiert war, aber... warum war das passiert? Und so heftig! Er war zwar ein Haussklave und hatte Zeit seines Lebens in guten Verhältnissen gelebt, aber deshalb war er eigentlich nicht zimperlich geworden. Ihm machte es auch absolut nichts aus, beim Schlachten zu helfen, und er hatte schon bei etlichen Geburten von Sklavinnen im iunischen Hausstand geholfen... naja, hinterher sauber gemacht halt. Aber das vorgestern Nacht... das ließ ihn nicht schlafen. So viel Blut, und seine Herrin, so bleich und so kraftlos...
    Heute hatte sie ihn weggeschickt. Das auch noch! Die ganze Zeit war er an ihrer Seite, wie sie wie tot im Bett lag, so schwach und krank, brachte ihr Brühe, half ihr. Und was machte sie? “Du siehst furchtbar aus“, hatte sie ihm zugeflüstert, als sie ihn angesehen hatte. Traurig hatte sie gelächelt. Er sah furchtbar aus? Sie sah aus, als hätte Hades seine Fäuste fest um ihren Leib geschlungen, um sie jeden Moment mit sich zu reißen. Und dann hatte sie ihn weggeschickt. Hatte gesagt, er solle ausschlafen. Sich entspannen. Ihr gehe es gut! Gut?!
    Nun, schlafen hatte in der Nacht nicht geklappt. Aber entspannen, das konnte er versuchen. Allerdings fiel ihm nur eine Methode dazu ein. Und die erforderte verdammt viel Wein. Der einfach nicht schnell genug nachgeliefert wurde, wie es aussah! Leander hob den leeren Krug noch einmal, schwenkte ihn ein bisschen nach links und Rechts, bis endlich der Wirt mit einem neuen Krug kam. Er kassierte auch gleich ab. Vielleicht war er misstrauisch, weil Leander Sklave war und seine Bulla um den Hals das auch verriet. Aber so lange er ihn bediente, war es ihm eigentlich ganz egal.


    Sim-Off:

    Reserviert




    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Mit einer schnellen Geste ließ sich Axilla nochmal nachschenken und nahm einen weiteren Schluck von dem starken Wein. Alles wurde irgendwie so unwirklich, und sie wusste gar nicht so genau, warum sie so lachen musste. Ihr Blick glitt wieder zu Piso hinüber, und so ein elendes Gefühl beschlich sich ihrer. Vorhin hatte sie es noch prima verdecken können, hatte so tun können, als wären Piso und sie nur eben bekannte, die sich auf einen friedlichen Plausch getroffen hatten. Allerdings war der Abend ja nicht so verlaufen, es gab ja da noch eine weitere Seite, und diese bereitete Axilla Kopfzerbrechen. Ihr Blick wurde etwas abwesend und sie starrte mit einem eingefrorenen Lächeln vor sich hin, bekam die Trinksprüche nur halb mit und blickte nur kurz mit befangenem Grinsen auf, ehe ihr Blick wieder auf der dunklen Oberfläche ihres Weines haftete. Erst, als Archias sie ein wenig mit sich zog, um seinen Arm um sie zu legen auf der einen Seite, während er im anderen Arm Seiana hielt, löste sie sich ein wenig aus ihrer Lethargie und schaute ihn fragend an.


    Es brauchte einen Moment, in dem sie ihn einfach nur grübelnd anschaute, ehe sie lachen musste. Es war anders als das kichern vorhin, nicht so spaßig, mehr schon ein wenig ironisch. Oh, Archias war ihr bester Freund, und sie wollte weder gemein zu ihm sein, noch ihn auslachen, aber im Moment konnte sie einfach diesem inneren Drang nicht standhalten, sie musste einfach lachen.
    “Du sitzt da wie Dionysos“, meinte sie schließlich und musste noch mehr lachen. Ja, es hatte schon was komisches an sich, wie er je eine Nymphe im Arm dasaß, vor sich der Wein. Axilla musste wieder zu Piso schauen und noch mehr lachen. “Alle Männer halten sich für Dionysos“, meinte sie schließlich böser, als sie für gewöhnlich war, und ihr lachen wurde ein wenig sarkastisch und verzweifelt zugleich. In bestem, alten Ionisch, das wegen der archaischen Aussprache vermutlich nur die wenigsten am Tisch verstanden, sang Axilla – zwar schief, aber nicht zu schief – die ersten Zeilen des Hymnos, den Homer über den Gott geschrieben hatte. "Doch da die Göttinnen ihn aufzogen, den oft besungenen Gott, begann er zu wandern ohne Unterlass durch die waldigen Schluchten mit Lorbeer bedeckt und mit Efeu. Und die Nymphen folgten seinem Zug und der grenzenlose Wald widerhallte von ihrem Schrei...“
    Sie griff wieder nach ihrem Becher, trank ihn in einem Sturz leer und ließ ihn achtlos auf den Tisch fallen. Sie räkelte sich leicht, die Hände nach oben haltend und den Oberkörper leicht wiegend. “Und dabei wisst ihr Männer gar nichts von dem Gott...“ gluckste sie und lachte dann wieder. Sie richtete sich leicht auf ihrer Kline auf und wiegte sich weiter, fast, als würde sie zu der Melodie des verklungenen Liedes tanzen. Ihre Hände fuhren an ihrem Hals und ihren Seiten dabei nach unten, ehe sie sie wieder ausgelassen und fast lasziv über den Kopf führte. “Gar nichts über ihn. Bacchus... Lärmer... Bacchus... nur Nymphen und Satyrn im Gefolge, Mänaden...“ Sie schloss die Augen und kicherte vor sich hin, als hätte sie gerade eine göttliche Erkenntnis erhalten, schüttelte dann den Kopf.
    “Nein, ihr Männer wisst es nicht...“, ihr Blick fiel auf Seiana, die sie irgendwie ganz komisch ansah. Axilla verstand nicht, dass das wohl deshalb war, weil sie sturztrunken war und recht wirres Zeug daherfaselte, für sie hatte alles unglaublichen Sinn. Und so dachte sie auch nichts weiter bei dem Blick und strahlte die Decima nur glückselig an. “Aber Frauen schon. Nymphen sind wir... ja, Nymphen... und das macht euch Angst.“ Sie nickte wie zur Bekräftigung, und lachte dann. “Und ich kann es euch beweisen! Frauen verstehen den Gott besser als ihr Männer es könnt, weil wir Nymphen sind.“
    Sie ging – oder torkelte – um Archias Kline herum, um direkt vor Seiana auf die Knie zu fallen. Ob das Absicht war oder sie das Gleichgewicht nur nicht halten konnte, wusste sie selber nicht. Sie strahlte einfach nur geradeheraus und streichelte Seiana einmal fast verträumt über die Wange. “Du bist eine Nymphe“, sagte sie und es klang wie die Feststellung einer unumstößlichen Tatsache. Und dann, um es diesem Mannsvolk, das sich für Dionysos hielt, zu beweisen, fuhr ihre Hand sanft in Seianas Nacken, um sie etwas zu sich zu ziehen, während ihr Oberkörper auch nach vorne ging und sie die andere Frau einmal ganz sanft, aber doch von weinseliger Leidenschaft belegt, küsste. Fast, als wolle Axilla ein bacchisches Ritual einleiten. Denn dem Gott würde das gefallen.

    Axilla überlegte kurz, wann denn die Ludi gewesen waren, aber das musste irgendwann im Herbst gewesen sein und damit doch recht lange vor ihrer Ankunft. “Achja, die Feier. Ich hab davon gehört, aber da war ich noch nicht da“, plapperte sie fröhlich als erste Erwiderung, bevor Sermo nachfragte, woher sie denn komme. Erst da merkte Axilla, dass sie dengleichen Fehler nun schon zum zigsten Mal begangen hatte, und ein wenig verlegen schaute sie beiseite, aber nur ganz kurz.
    “Nein, eigentlich bin ich nur hier auf Besuch. Ich komme eigentlich aus Älexandria. Also, ganz eigentlich komme ich aus Tarraco, aber ich habe die letzten Jahre in Alexandria bei meiner Verwandten Urgulania gelebt.“ Ihr Lächeln wurde kurz traurig, als sie an ihre Cousine denken musste. Oh nein, du wolltest dich heute amüsieren. Das hier ist zur Ablenkung, nicht, damit du weiter heulst... Nein, sie wollte kein Trübsaal blasen, also plapperte sie einfach weiter, um von dem Thema abzulenken. “Ich bin Anfang Dezember hier angekommen. Kurz vor den Faunalia, ich weiß nicht mehr, wann genau. Wenn ich gewusst hätte, dass hier so schön gefeiert wird wie bei den Ludi und man da so nette Leute kennenlernt, hätte ich mich vielleicht schon früher nach Rom einladen lassen.“
    Zugegeben, ihre Bemerkung war ein wenig kess, dazu ein kleiner, frecher Blick von der Seite zu ihm hoch, was den Eindruck noch unterstützen mochte, aber bei den Göttern, es lenkte sie selbst verdammt gut ab.

    Zum Glück hielt sich ihre neue Bekanntschaft gar nicht lange damit auf, sich richtig von dem Iulier zu verabschieden, sondern schlenderte mit ihr schon los, bevor es peinlich hätte werden können. Es war ja nicht so, als ob sie Libo nicht hätte ausstehen können, aber... er war ihr einfach suspekt. Und im Vergleich zu Sermo erschien er fast wie ein Kind, was vermutlich auch einfach am Alter lag. Sermo war definitiv älter.
    Sie gingen also in eine Richtung – Axilla hatte keine Ahnung, ob das künftige Brautpaar denn auch da irgendwo war - und Sermo fragte sie, mit wem sie hier war. Instinktiv drehte sich Axilla nochmal leicht an sienem Arm, um sich umzusehen, aber sie konnte Serrana nirgends ausmachen. Dafür waren hier vielleicht zu viele Leute schon unterwegs. Wenn sie gewusst hätte, dass diese just in diesem Moment von Germanicus Avarus in frage gestellt wurde, hätte sie Sermo wohl einfach mitgezogen, um ihr beizustehen. Im Gegensatz zu ihrer Cousine hatte sich bei Axilla noch nie jemand darüber beschwert, dass ihr Mundwerk vielleicht zu zögerlich mit Worten umging.
    “Ich bin mit meiner Cousine hier, Iunia Serrana. Auch wenn ich sie irgendwie aus den Augen verloren hab. Sie kennt die beiden wohl. Auf jeden Fall hat sie eine Einladung gekriegt und hat mich gefragt, ob ich sie begleiten mag. Damit ich mal ein paar Leute kennenlerne, wenn ich schon mal in Rom bin.“
    Axilla zuckte lächelnd mit den Schultern und wandte sich wieder ganz ihrem Retter zu. Sie vergaß bei ihrer Ausführung mal wieder so Kleinigkeiten, wie dass Sermo gar nicht wissen konnte, woher sie war, und dass sie nur auf Besuch war. Aber das störte sie auch nicht, wenn er fragen würde, würde sie schon antworten. Im Moment wollte sie einfach nur die Feier genießen und vielleicht das eine oder andere interessante Gespräch führen. “Und du kennst das baldige Brautpaar gut?“

    Axilla hatte doch keine Ahnung, wer wann was gesagt hatte. Sie hatte ein paar Dinge, die sie sich gut merken konnte, einige Dinge, die sie sich so halb merken konnte und einen riesigen Batzen an Wissen, den sie fröhlich durcheinanderwürfelte oder nie wirklich gewusst hatte. Aber auch mit gefährlichem Halbwissen ließ sich noch aus vollster Überzeugung argumentieren, wenn man jung war und nicht darüber nachdachte. Und natürlich war Axilla naiv, sie war 17 und ihre Erziehung war nur sporadisch erfolgt. Der Vater war als Soldat die meiste Zeit außer Haus, und wenn er daheim war, setzte er seiner Tochter Flausen in den Kopf, wie Axillas Mutter es so schön nannte. Diese war schwer krank gewesen und hatte dem energiegeladenen Kind nichts entgegenzusetzen gehabt. Der einzige, der etwas zu ihrer Erziehung kontinuierlich beigetragen hatte, war der griechische Sklave Iason gewesen, der versucht hatte, ihr etwas Bildung beizubringen. Natürlich war so ihr Kopf voll von Ideen und Idealen, die sie aus vollstem Herzen verteidigte, und sie verstand im Gegenzug nicht, wie Vala nur so daherreden konnte. Sie wollte es vor allem nicht glauben, da sie ihn nicht so sehen konnte, wie er sich selbst gerade darstellte. Sie konnte von ihm nicht einen Moment lang denken als einen Mann, für den Ehre nur eine hohle Phrase war. Natürlich beeindruckte sie der starke Wille, der aus ihm sprach, und wie er die Tat über gedankliche Konstrukte stellte. Aber das machte es noch viel schwieriger für Axilla, denn wie konnte sie sich zu ihm so hingezogen fühlen, wenn er keinerlei Ehre besaß oder auch nur besitzen wollte? Er stellte sie damit vor ein ernsthaftes Problem, zu dem sie keine Lösung hatte.
    Allerdings schaffte er es auch ziemlich schnell, sie dieses Problem vergessen zu lassen, als er sie anging. Wer sie glaubte, das sie sei? Oh, das war ganz sicher die falsche Frage, die er ihr nicht stellen sollte. Und als er sie dann auch noch halb anschrie, was für ein Idiot Arminius gewesen sei – wo Axilla ihm eigentlich noch nichtmal widersprochen hätte – da wurde sie wirklich sauer und starrte ihn an wie eine Katze wohl eine entkommene Maus anstarren würde.
    “Ich bin Axilla aus dem Geschlecht der Iunier, die den Etruskerkönig Tarquinius Superbus aus Rom vertrieben, die Republik gegründet und den ersten Konsul, den Rom je hatte, gestellt haben“, knurrte sie ihm als erste Erwiderung entgegen. Auf ihre Abstammung war Axilla stolz, und da ließ sie auch absolut nichts darauf kommen. Es war ein ehrenvoller Name, wenngleich ihm die frühere Macht wohl fehlte. Dennoch sollte Vala ja nicht versuchen, dagegen zu argumentieren. “Und vielleicht war Arminius ein Idiot. Ja, bestimmt war er das sogar, wenn er dachte, aus Germania Rom machen zu können, in nichtmal zwanzig Jahren.“ Axilla hatte keine Ahnung, wie lange es tatsächlich gedauert hatte, bis Arminius gestorben war, mit Daten hatte sie es noch weniger wie mit Namen und Zitaten. “Aber das heißt nicht, dass er es nicht aus ehrenhaften Motiven getan hat. Meinst du denn wirklich, ein Mann wäre so verrückt, zu glauben, Rom an jedem beliebigen Ort der Welt entstehen lassen zu können?“ Axilla schnaubte einmal, allein die Vorstellung war lächerlich. Vielleicht war das römische Arroganz, die mehr als einmal von verschiedensten Philosophen und Denkern angeprangert worden war, und eigentlich war Axilla ein sehr toleranter Mensch und bei weitem nicht so engstirnig, wie sie sich gerade gab, aber Vala ärgerte sie, und was ihr an Argumenten fehlte, musste sie durch Heftigkeit wettmachen. Sie hätte vielleicht selber besser das Buch lesen sollen, das sie ihm geschenkt hatte, aber im Moment war sie einfach nur ziemlich böse auf ihn, da war ihr Ruhe und Gelassenheit, ganz zu schweigen von Logik herzlich egal.
    “Und du willst doch nicht sagen, dass ein Soldat, der mit Mars' Segen in die Schlacht zieht, nichts weiter ist als ein Mörder, weil er einen Feind erschlägt?“
    Axilla war sich ihrer Argumentation selber nicht ganz sicher, denn mit den Sühneopfern hatte Vala ja recht, ebenso wie es Opfer zu Beginn eines Krieges gab. Und natürlich zählte die Tat letztendlich als solches. Im römischen Recht gab es schließlich auch nur wenig Würdigung für die Gründe einer Tat, wenn es sie denn überhaupt gab. Nur in sehr wenigen Fällen brachten solche Gründe eine Milderung des Urteils. Daher blieb ihr nicht viel, als eine mehr rhetorische Frage zu stellen, denn sie hatte kein wirkliches Argument. Allerdings wollte sie ihn keinesfalls gewinnen lassen. Unter gar keinen Umständen!
    “Und natürlich schützt einen das Recht nur so lange, wie man sich selbst zu schützen und zu wehren weiß. Und wenn jemand mit dem Schwert daherkommt, ist es leichtfertig, zu glauben, dass man ihn damit aufhält, wenn man ihm sagt, dass er das nicht darf. Wenn er der Stärkere ist, hat er das Recht des Stärkeren. Ein Grund, warum Rom über die Welt herrscht, ist, weil Rom die stärkste Macht der Welt ist. Ich bin nicht dämlich, also halte mich nicht dafür!
    Aber ein Mann kann nicht erwarten, dass die Menschen es lieben, ihm zu folgen, wenn er gegen die Ehre handelt. Und Recht hin oder her, Macht hin oder her, Alexander hätte das Angebot aus Gründen der Ehre nie annehmen können, weil ihn das sein Gesicht vor seinen Männern gekostet hätte. Die sind ihm gefolgt, weil sie an ihn geglaubt haben, weil sie zu ihm aufgeschaut haben, weil er an ihrer Seite gekämpft hat und nicht irgendwo aus den hinteren Reihen nur Befehle erteilt hat. Hätten sie wohl noch zu ihm aufgesehen, wenn er sich auf solche politischen Ränke eingelassen hätte und mit so einer ehrlosen Person einen Handel eingegangen wäre?
    Dass er versäumt hat, gleich einen würdigen Nachfolger auszuwählen, kann man ihm vorhalten. Hätte er länger gelebt, wäre sein Sohn vielleicht so ein Nachfolger geworden, anstatt ermordet zu werden von Kassandros. Dass seine Freunde wie Hyänen übereinander hergefallen sind und sich zerstritten haben, weil jeder das größte Stück der Beute abhaben wollte, und sich damit allesamt ehrlos verhalten haben, das aber nicht.“

    Axilla wusste, dass ihre Argumentation sehr dünn war, aber das hieß nicht, dass sie sie nicht beherzt vorbrachte. Sie wollte nicht, dass Vala recht hatte, also argumentierte sie eben, so gut sie konnte. Vielleicht hätte sie Nikolaos besser zuhören sollen, wenn dieser seine Kurse vor den griechischen Jugendlichen gehalten hatte zum Thema Rhetorik, aber das hatte sie nunmal nicht. Folglich blieb ihr nichts weiter übrig, als eben so heftig wie möglich zu reagieren und zu hoffen, dass Vala es gut sein lassen würde. Verdammtnocheins, ihr hatte noch nie ein Mann ernsthaft widersprochen! Nach den ersten heftigen Widerworten war noch jeder eingelenkt und hatte klein beigegeben, sich in Ausflüchte begeben oder das Thema gewechselt! Vala war der erste Mann überhaupt, der – ganz Kerl – seinen Kopf gegen sie durchsetzen wollte. Und das war Axilla nicht gewohnt – auch wenn sie zugeben musste, dass es nicht nur ihre Wut auf ihn anstachelte.
    “In was für einer traurigen Welt lebst du, wenn du wirklich glaubst, dass es keine Ehre gibt? Wenn das so ist, sind doch alle Menschen nur Feinde, auf nichts ist verlass und auf niemanden. Nichtmal auf die eigene Familie. So kann doch niemand leben? Das kannst du nicht meinen?
    Und natürlich wird die Geschichte von Siegern geschrieben! Da wird dann auch gerne die Ehre so hingedreht, wie es dem Geschichtsschreiber passt, und Taten, die eigentlich Unrecht sind, werden als glanzvoll dargestellt. Aber das Ehrgefühl sagt uns doch, ob es richtig oder falsch ist.
    Natürlich bestimmt der Sieger, was später als ehrenvoll gehalten wird. Vielleicht würde die Geschichte anders über Iunius Brutus denken, wenn er bei Philippi... ich....“

    Ertappt machte Axilla schnell den Mund zu. In ihrer heftigen Tirade hatte sie nicht gemerkt, in welch gefährliches Gewässer sie sich begeben hatte. Die Tat ihres Verwandten, den Mord an Caesar, als etwas anderes zu sehen als eine schändliche Tat, konnte böswillig auch als Angriff auf das Kaisertum und der Versuch, die Republik wiederzuerwecken, gelten. Das war eines der wenigen Dinge, die ihr Lehrer ihr doch beigebracht hatte, über diese Dinge sollte sie nicht debattieren, egal, wie sie darüber dachte und welche Meinung sie dazu hatte. Aber jetzt war die Hälfte des Satzes ihr einfach herausgerutscht, und außer zu schweigen und beiseite zu schauen, blieb Axilla nicht viel übrig, und sie hoffte, dass Vala es einfach überhören oder niederdiskutieren würde wie gerade eben.

    [Blockierte Grafik: http://img705.imageshack.us/img705/5492/leander.gif]


    Auf dem Weg nach Oben ins Cubiculum antwortete Leander noch leise auf die Frage von Crios. “Ich denke, sie weiß nichts. Aber wenn sie nicht blind ist, wird sie sich ihren Teil schon denken. Du wirst es ja gleich sehen.“ So viele Möglichkeiten für den Zustand von Axilla gab es ja nicht, und wenn Serrana nicht wirklich so vollkommen unschuldig und naiv war, wie sie meist erschien, würde sie es einfach wissen müssen.
    Sie betraten das Zimmer und Leander ging als erstes besorgt zu Axilla hinüber. Sie war so blass, und sie hatte angefangen, zu zucken. Das gefiel ihm gar nicht. “Domina? Der Medicus ist hier, domina. Axilla? Hörst du mich?“ Er blickte in die etwas glasig wirkenden Augen seiner Herrin und machte dann Platz für den Arzt. Er hatte keine Ahnung, ob sie ihn gehört oder erkannt hatte.


    Axilla sah die Gesichter wechseln, sah plötzlich Crios vor sich und begann, daran zu glauben, dass das hier Wirklichkeit war. Er öffnete ihre Augen mehr, fasste nach ihren Bauch. Axilla bekam es nicht wirklich bewusst mit. Sie fühlte sich so schwach, einzig noch für den Schmerz reichte ihr Empfinden. Alle anderen Reaktionen waren nur eingeschränkt möglich. Er tätschelte ihr auch die Wange, und Axilla versuchte, ihn mit ihren Augen zu fixieren, was aber nicht so gut ging. Ihr wurde ganz schwindelig dabei, und noch einmal schlecht. Ihr Körper krampfte sich zusammen, gerade, als Crios ihr etwas gegen den Schmerz geben wollte, und sie erbrach noch einmal auf das Bett vor ihr. Ihr Magen hatte keinen eigentlichen Inhalt mehr, so kam nur Galle. Sie blieb einen Moment leicht nach vorne gebeugt und atmete zweimal schwer, ehe sie sich wieder zurück sinken ließ und hoffnungsvoll zu Crios blickte, mit einem Flehen in den Augen. Ihr war es egal, was er ihr gab, solange es den Schmerz nur lindern würde. Sie war eigentlich kein Weichei, sie behauptete von sich selbst, einiges auszuhalten, aber das im Moment war zuviel. Soviel Kraft hatte sie nicht, weil es nichts gab, mit dem sie sich dagegen wehren konnte.