Beiträge von Iunia Axilla

    Axilla nahm also die Tafel und fing an zu schreiben. Seine Verbesserungen löschte Axilla immer gleich geschickt mit dem Daumen gleich wieder aus, Übung genug hatte sie ja. Nikolaos diktierte manchmal halbe Romane, die er beständig verbesserte und daran feilte, da bekam man in der richtigen Wischtechnik schnell Übung.
    Am Anfang zog Axilla eine Augenbraue kurz fragend nach oben, weil sie dachte, Archias wolle sie ärgern. Da sagte sie ihm, dass sie Arbeit brauchte, und er lie sie einen arbeitsvertrag für jemanden anderen schreiben.


    Arbeitsvertrag


    Hiermit stelle ich._________________ mit sofortiger Wirkung ein. Die Aufgaben beinhalten die Kontrolle und Verwaltung der Betriebe des Caius Aelius Archias, diverse Schreibarbeiten regelmäßige Berichte über die wirtschaftliche und finanzielle Sachlage.


    Vergütet wird diese Arbeit mit einem wöchentlichen Entgelt von______________



    PRIDIE ID IAN DCCCLX A.U.C. (12.1.2010/107 n.Chr.)









    Axilla schaute sich ihr Werk gerade nochmal an, als Archias in seiner gewohnt lässigen Art endlich die Katze aus dem Sack ließ und meinte, sie solle ihren Namen einsetzen. Axilla zuckte kurz und schaute ihn überrascht an, dann fiel sie ihm mit einem wilden Jauchzen um den Hals und warf ihn dabei glatt mit sich um. Zum Glück aber landeten sie weich – er auf einem Beutel mit raschelndem Inhalt, und sie auf ihm – und Axilla drückte ihren nicht nur besten freund, sondern nun auch Arbeitgeber, einmal sehr ausgelassen.
    “Natürlich hab ich Lust!“ meinte sie freudestrahlend, als sie ihn kurz zum Luftholen losließ und drückte ihm einen verspielten Schmatzer auf, ehe sich ein bisschen Restverstand doch wieder einschaltete und sie mit glühenden Wangen von ihm runterkrabbelte.
    “Und du meinst wirklich, du willst mich? Dass ich für dich richtig arbeite?“ Lieber nochmal nachfragen, wenngleich ihre Stimmlage schon so war, dass man hörte, dass sie eigentlich nur ein 'ja' hören wollte. “Aber was soll ich denn bei dem Gehalt eintragen? Nikolaos hat mir zehn Drachmen gegeben. Zehn Sesterzen dann? Ist das in Ordnung?“

    Jemand kam ins Tablinum. Axilla hörte die Schritte, ehe sie die dazugehörige Person sah. Ein wenig neugierig schaute sie auf und sah einen etwas älteren Mann in einer vornehmen Toga mit breitem, dunkelroten Streifen. Sie sah einmal kurz etwas fragend zu Seiana hinüber, die ihr mit ihrem Blick schon verriet, dass das wohl derjenige welche war, auf den sie gewartet hatte.
    Hastig nahm Axilla die Füße vom Stuhl, weil sie merkte, dass sich das wohl nicht gehörte, und bemerkte just zwei Sekunden später, dass sie vielleicht auch nicht sitzen bleiben sollte. Noch ein wenig hastiger stand sie auf, verschüttete dabei fast ihren Saft und unterdrückte einen Fluch. Jetzt nahm sie die Knitter in ihrem Kleid sehr wohl wahr und strich schnell mit der Hand einmal darüber, in der Hoffnung, die schlimmsten Knitter glätten zu können. Aber im Grunde hätte sie ebensogut versuchen können, die Berge einzuebnen. Mit leicht geröteten Wangen stand sie also da, suchte einen Abstellplatz für ihren Saft, stellte ihn also kurzerhand auf den Boden mangels anderer Einfälle und trat zu dem Senator näher hin.
    “Senator Decimus?“ fragte sie nochmal etwas schüchtern nach. Wobei jeder Senator der Decimer wohl mit dieser Frage richtig angesprochen worden wäre. Irgendwie war sie froh, dass er nicht klein und dick war, wie in den Albereien mit Archias ausgedacht. Sonst hätte sie jetzt sicher lachen müssen. So aber stand sie eignetlich fast etwas schüchtern und steif vor dem Senator und überlegte, wie sie den Mann richtig begrüßen sollte.

    Es konnte daran liegen, dass sie zu oft badete? Die Theorie klang interessant, aber widerlegen konnte Axilla sie natürlich nicht. Allerdings wollte sie auch nicht unbedingt weniger baden, sonst müffelte man ja! Nein, das ging gar nicht! Aber vielleicht etwas kürzer... Sie behielt es mal im Hinterkopf. Vielleicht kam sie um den Arztbesuch ja noch drumherum.


    Auf Archias' Idee war Axilla aber mehr als nur gespannt. Etwas skeptisch schuate sie ihn kurz an, aber dann zerrte sie die Wachstafel frei. Es war gar nicht so einfach, lag obenauf doch eine kleine Truhe. Naja, zumindest, bis Axilla kräftig an der Tafel ruckte, dann fiel die Schachtel rücklings in einen Haufen Wäsche und gab dabei ein schepperndes Geräusch aus ihrem Innenleben zum Besten. Aber Axilla hatte die Tafel und wischte sie einmal mit dem Handballen glatt. Danach nahm sie den angebundenen Griffel zur Hand und wartete.
    “Gut, schieß los“, meinte sie nur und setzte die Spitze des stylus schonmal an.

    Interessiert lauschte Axilla dem sich entwickelnden Gespräch und grinste dabei einmal kurz zu Piso hinüber, als dieser von den Männern der Runde schön reihum veralbert wurde. Sie machte es sich auf der Kline bequem und fühlte sich zum ersten Mal an diesem Abend so langsam aber sicher wohl. Sowas wie das jetzt kannte sie, während ihr die Feinheiten von Kompliment und Intrige vollkommen fremd waren, und sie sich sicher war, dafür auch kein Gespür zu besitzen.
    Axilla war ganz glücklich damit, dass sie eigentlich nur es sich hier bequem machen konnte und den drei Männern zuschauen und zuhören. Es erinnerte sie an eine glücklichere Zeit, als ihr Vater noch gelebt hatte und zuhause mit einem seiner Freunde gesessen und gescherzt hatte, während sie heimlich von der Treppe aus oder hinter dem Türdurchgang versteckt gelauscht hatte. Das hier war fast so ähnlich, denn obwohl sie da war, war sie in gewisser Weise unsichtbar. Und irgendwie war dieses Gefühl schön.


    Doch dann sagte Archias etwas, dass sie einmal kurz zusammenzucken ließ. Imperiosus sollte sich eine Frau suchen? Plötzlich hoffte sie wieder, dass sie wirklich unsichtbar war. Sie fühlte sich so ein bisschen unbehaglich, da sie ja eigentlich nicht genau wusste, womit sie die Einladung des Pompeiers verdient hatte, und versuchte, es hinter ihrem Becher mit dem eigentlich viel zu starken Wein zu verstecken. Aber zum Glück fragte Archias auch gleich, was Imperiosus denn eigentlich wissen wollte, und lenkte sie damit wieder soweit ab, dass sie auch einfach nur fragend und erwartend zu ihrem Gastgeber hinübersah.

    “Weiß nicht“, gab Axilla nicht minder unschuldig auf die Frage, mit wem Archias sie denn verkuppeln sollte, zurück. Sie war sich ziemlich sicher, dass er etwas plante, sonst hätte er das vorhin nicht so gesagt, aber sie wollte ihm auch nichts unterstellen.
    Auf seine Anweisung hin, wo sie noch weiter räumen konnte, bestrafte sie ihn mit einem halb vorwurfsvollen, halb frechen Blick. “Du könntest auch helfen“, meinte sie keck, räumte dann aber doch kurz weiter. Archias war schon ein fauler Kerl. Sie musste ihm noch irgendwann mal eine Tafel vermachen mit der Aufschrift 'Und wenn mich die Arbeitswut packt, setze ich mich in eine Ecke, und warte, bis der Anfall vorbei ist', dachte sie ganz frech.
    Zumindest bis das Gespräch auf die Farben kam und sie damit soweit ablenkte, dass sie ganz ihren Schlachtplan vergaß und mit einer Urkunde – sie meinte, es war das zerknitterte Ding, dass Archias ihr damals so ganz stolz im Museion präsentiert hatte, mit der Auszeichnung für den bestandenen Kurs – in der Hand einfach stehen blieb und ihm zuhörte, was er mit Farben meinte.
    “Ach, wirklich? Ja, dann kann ich mich vielleicht revanchieren. Sie hat mir angeboten, dass ich bei ihr mal in der Taberna Medica vorbeischauen darf, so kostenlos und so, weil die Seekrankheit doch nicht weg gehen will.“
    Erst am gestrigen Morgen hatte sie sich übergeben müssen. Danach war es zwar immer wieder besser, aber es störte Axilla einfach, diese anhaltende Übelkeit dauernd. “Eigentlich mag ich Medici ja nicht, aber vielleicht sollte ich mal vorbeischauen. Und Farben kann sie gerne haben, soviel sie braucht. Die Farbmischerei läuft richtig gut.“ Vornehmlich deshalb, weil in Alexandria alles bunt war, vor allem die Leute.


    Und dann wurde Archias irgendwie etwas komisch. Beinahe ernst, während sie trotz – oder vielleicht gerade wegen – der Situation der letzten Stunde schon wieder lächelte. Axilla wollte alles, nur nicht ganz ernst jetzt sein. Denn wenn sie nachdachte, dachte sie nicht das nach, was sie nachdenken wollte, sondern es kamen ungefragt sehr ernste und traurige Gedanken dazwischen. Einfach so zu tun, als wäre nichts, war da einfacher.
    “Ja, natürlich mein ich das ernst. Ich mag nicht die ganze Zeit hier nur dasitzen und nichts tun. Ich meine, klar, ich will mir alles ansehen, die tollen Bauwerke und so, und vielleicht mal zu den Spielen oder ins Theatrum. Aber was mach ich den Rest der Zeit?“
    Es war nicht so, dass Axilla unbedingt immer Arbeit brauchte. Aber gar nichts tun ging nicht. Dann dachte sie nach, und das wollte sie nicht. Sie brauchte schlichtweg etwas, das sie ablenkte und vom Grübeln abhielt.
    “Wieso fragst du?“

    Axilla war bislang weder allein noch in Gesellschaft in einer Schenke gewesen, außer, Nikolaos brauchte etwas geschäftliches von Cleonymus und dieser befand sich gerade in seiner Schenke. Nun, außer das eine Mal mit Timos, aber daran hatte sie keine rechte Erinnerung mehr, weshalb es nicht wirklich zählte. Aber da sie ohnehin von einem halben Becher Rotwein schon betrunken wurde, war das auch eigentlich ganz gut so. Ob es allerdings in diesem Zusammenhang auch so gut war, dass Piso ein 'Tavernenexperte' war, war wohl zu bezweifeln. Ein klein wenig hatte Axilla ja schon Angst, dass er wesentlich früher eine Gesangsprobe bekommen könnte, als sie plante, aber andererseits wollte sie jetzt noch ein Weilchen bei ihm sein. Und so schlimm würde es schon nicht werden, bestimmt hatte die Schenke auch etwas, wovon man nicht so schnell betrunken wurde.


    Und dann, als Axilla gerade noch damit beschäftigt war, nicht zu tun, was sie wollte, kam Piso und schaute sie so lange und eindringlich an und fragte nach ihrer Hand. Einen Moment schaute sie ihn an wie vom Blitz getroffen, schaute einfach nur zurück in seine Augen und wusste nicht, was sie antworten sollte. Er hatte wunderschöne Augen.
    “Ähm, ja, das ist eine gute Idee“, meinte sie dann, als sich ihr Blick geradezu auf den Boden schräg vor ihr tackerte und sie sich wieder gefangen hatte. Nur kurz schaute sie etwas vorsichtig zu seiner Hand auf, um sie zu ergreifen.
    Es fühlte sich irgendwie interessant an, sie war schon eine Ewigkeit mit niemandem mehr so gelaufen. Seine Hand war größer als ihre, die Finger fühlten sich interessant an. Sie waren gepflegt und weich, aber doch fühlte sie die ganz feinen Stellen vom Üben mit den Saiten seines Instrumentes, wo die Haut etwas dicker war. Sie kannte solche Hände noch nicht. Sie versuchte, dem Drang zu widerstehen, sie sich genau anzusehen und zu befühlen.
    Sie gingen so weiter, und Piso ärgerte sich, dass er nicht in Ägypten gewesen war. “Naja, vielleicht kannst du ja nochmal hinreisen? Es ist wirklich sehr schön da. Naja, das weißt du ja...“ Immerhin hatte er vorhin noch erzählt, dass er schon einmal dort gewesen war.
    “Wie, ich?“ schaute Axilla dann doch noch einmal verwirrt auf in seine Augen, als er sie fragte, ob sie daran teilgenommen hatte. “Nein, ich doch nicht. Ich kann ja nichtmal ein Instrument spielen.“ Sie reckte ihre freie, rechte Hand vor und zeigte sie ihm wie zum Beweis. “Zu kurze Finger“ meinte sie nur und schaute etwas zweifelnd auf ihre Hand. Schwerthand huschte durch ihren Geist. Gut, um einen Griff zu halten, schlecht für Instrumente. Schade nur, dass sie kein Junge war.
    Beinahe etwas verlegen ließ sie die Hand wieder sinken und schaute weiterhin in der Gegend herum, um nicht in Versuchung zu geraten, zu Piso zu schauen. “Aber dir würde ich gerne mal zuhören“, meinte sie noch, als sie scheinbar interessiert einem Straßenköter hinterherblickte, der versuchte, hier und da ein paar Schlachtabfälle zu erhaschen.


    Dann richtete der Flavier ihre Aufmerksamkeit auf eine Schenke, entschied sich dann aber doch dagegen, und sie gingen weiter. “Ist gallischer Wein denn so schlecht? Ich hab noch nie welchen getrunken. Nur den ägyptischen, aber der ist fast immer mit Palmwein versetzt. Ar... also, Aelius Archias, meinte, dass der sehr stark sei im Vergleich zu anderen Weinen. Aber ich kenn sonst nur den, den mein Vater in Tarraco selber gekeltert hat. Und der zählt nicht.“ Sie lächelte kurz verlegen zu ihm hoch. “Vater meinte immer, der rollt einem die Zehennägel hoch, so schlecht wäre er. Aber es war seiner.“ Sie schenkte Piso einen entschuldigenden Blick und hatte keine Ahnung, warum sie das überhaupt erzählt hatte. “Aber du kannst mich ja beraten, so als Experte“, setzte sie noch rasch hinzu.

    Langsam glaubte Axilla, jeder in dieser Stadt war ein Charmeur. Nicht, dass sie sich nicht geschmeichelt fühlen würde, sie fühlte sich sogar außerordentlich geschmeichelt. Aber die kleinen Flirtereien fielen sogar dem kleinen Wirrkopf auf und begannen, ihm zu eben jenem zu steigen. Und so, obwohl ja eigentlich in Trauer, lächelte Axilla keck zurück und erwiderte das Zwinkern mit einem verführerischen Blick.
    “Ach, wenn man so nett bedient wird, dann fällt es einem ja auch leicht, treu zu bleiben“, meinte sie keck und zückte dann ihren Geldbeutel. Sie beförderte nach einigem Fischen zwei Aurei, sieben Denari und zwei Sesterzen schließlich nacheinander auf den Tisch und zählte dabei leise vor sich hinmurmelnd den Wert zusammen.
    Sie schaute noch einmal kurz fragend auf, ob sie sich auch nicht verrechnet hatte, und grinste den Mann dann einmal fröhlich an.
    “Na dann, bis bald“, meinte sie noch lächelnd und entschwand auch schon wieder aus dem Officium.


    Sim-Off:

    230 Sesterzen müssten angekommen sein

    Wo ist sie hin, die gute alte Zeit, als man noch SimOn losging und sich eine Arbeit suchte, das Gehalt aushandelte und davon dann irgendwann einen Betrieb kaufte? Oder als man die Verwandten einfach fragte, ob sie einem etwas leihen können? Oder den Patron? Oder wo man solche Dinge schlichtweg ausgesimmt hat? Irgendwie vermiss ich die bettelfreie Zeit...


    (Nichts gegen dich, aber so langsam geht mir dieses SimOff-Anfragen nach Geld schlicht und ergreifend auf den Keks.)

    Stimmt, Vala musste irgendwo wohnen. Nur wo? Axilla hatte ihn nicht gefragt, irgendwie hatte sich dazu ja auch gar keine Gelegenheit ergeben. Und sie war sich auch nicht sicher, ob er es ihr gesagt hätte.
    “Ich kenne noch einen Duccier aus Mogontiacum, Duccius Rufus. Der war vor etwa einem Jahr zu Besuch in Ägypten, da hab ich ihn kennengelernt. Er hat mir erzählt, dass die Duccier ein Handelskonsortium mit begründet haben – oder so ähnlich. Auf jeden Fall, dass seine Familie viel Handel treibt. Wenn Vala mit denen verwandt ist“ Was ja nicht unbedingt der Fall sein musste. In späteren Jahrtausenden waren ja auch nicht alle Meiers oder alle Müllers miteinander verwandt. “...könnte ich ja vielleicht mal einen Brief schreiben oder so?“ Die Chance, sich nach dem Wohnhaus des Duccius durchzufragen, war wohl eher gering und würde gewiss ebenso lang brauchen wie ein Brief und dessen Antwort. Nichts desto trotz würde Axilla auch selber suchen, so oder so.
    Über einen Vorwand wollte sie noch nicht nachdenken. Wenn sie zuviel plante, vergaß sie die Hälfte sowieso wieder und bekam obendrein Kopfweh. Erstmal genügte es ihr, mehr über ihn herauszufinden, und vielleicht ergab sich ja was.
    “Aber ich will dich jetzt nicht noch länger aufhalten, sonst kommst du ja nie hier los“, meinte sie nach einer Weile des Grübelns, als sie bemerkte, dass Serrana ja immernoch neben ihr saß. Vor allem aber deshalb, weil je eher Serrana ihre Freundin fragte, umso schneller hatte sie vielleicht eine Antwort.

    Endlich war Axilla dazu gekommen, auf den Brief von Timos zu antworten. Und so brachte sie ihn selbst bei der Poststelle des Cursus Publicus in der Stadt vorbei. Sie trug noch immer nach außen deutlich sichtbar Trauer: Kein Schmuck, keine Schminke, dunkle, schlichte Kleider. Aber dieser Brief sollte losgeschickt werden, und es war ihr wichtig, weshalb sie nicht einfach nur einen Sklaven geschickt hatte, sondern ihn selber abgab.



    Ad
    Timotheos Bantotakis
    Magaro Bantotakia
    Alexandria
    Aegyptus


    Chaire, Timos!


    Ich danke dir für deine Worte, wirklich. Ich bin froh, einen so lieben Freund zu haben. Und als lieber Freund wirst du mir sicher auch meine Fragen beantworten?


    Ich habe in der Acta nun auch schon über ihren Tod gelesen. Ist es wahr? Hat man tatsächlich ihren Leichnam geschändet und ihr diese schrecklichen Worte eingeritzt? Bitte, sag mir die Wahrheit, ich will alles wissen.
    Und das andere... ich weiß, du kannst mir vielleicht nicht so antworten, weil wir beide nicht wissen, wer die Zeilen mitliest, aber... du und ich wissen, wer es war, nicht? Nikolaos wird es sicher auch wissen.


    Ich habe Angst um Alexandria. Ich habe Angst um die anderen Pyrtanen. Bitte, Timos, versprich mir, dass du vorsichtig bist. Aber bitte, versprich mir auch, dass Urgulanias Mörder verfolgt wird, und es nicht aus politischen Gründen unter den Tisch fallen wird. Ich bitte dich, als Freundin, und als Iunia.


    Ich werde morgen Pluto einen Ochsen opfern, für Urgulania, und für Gerechtigkeit. Ich würde dich bitten, wenn du die Zeit findest und die Stadtverwaltung nicht von sich aus ihr dieselbe Ehre im Serapeion zuteil werden lassen will, dort ebenfalls für sie ein Opfer darzubringen.
    Ich habe meinen Sklaven Levi mit einem wichtigen Auftrag nach Alexandria geschickt. Wenn es an Mitteln fehlt, habe ich ihn angewiesen, dir aus unserer Hauskasse welche zu übergeben. Aber ich hoffe, dass die Pyrtanen ihrer Archepyrtane diese Ehre auch ohne mein eingreifen erweisen werden.


    Chaire, Timos, liebster Freund


    [Blockierte Grafik: http://img509.imageshack.us/img509/3392/axillaunterschrph0.gif]



    “Ich möchte gerne für die Iunier eine Familienwertkarte erstehen und den Brief damit verschicken. Die größte, die es dafür gibt. Wieviel macht das?“ fragte Axilla, als sie an der Reihe war.

    Nun, wenn Seiana auch nicht wusste, ob und wann Livianus kam, blieb nur Abwarten und Saft trinken. Zur Not würde sie einfach nochmal kommen, wenn er wirklich nicht kam, ehe sie heim ging. Oder sie lud ihn zu sich ein? Ihr Blick glitt kurz durch die schöne Ausstattung des Hauses, die edlen Hölzer, die verarbeitet wurden bei den Möbeln... vielleicht ließ sie die Einladung in die Casa Iunia auch bleiben. Sie waren nicht arm, aber hiermit konnten sie nicht mithalten.


    Zum Glück war aber das Thema sowieso schnell anderswo, und Axilla verlor den Gedanken wieder aus dem Sinn. “Wusst ich ja gar nicht, dass sie kommen wollte“, meinte Axilla, aber sie wusste ja auch nicht alles, was in Alexandria so vorging. Auch wenn sie und die Bantotakin bekannt waren und Nikolaos ja zum Epistates geworden war, hieß das ja nicht, dass sie über irgendwelche Reisen deshalb informiert war. Aber es war interessant, das zu erfahren. “Ja, vielleicht kannst du sie kennenlernen. Sie kann wirklich wundervoll spielen.“ Axilla hatte bei den Spielen richtig mitgefiebert, als sie an der Reihe gewesen war.
    Und zum Glück war Seiana auch nicht wegen Axillas unbedarfter Frage böse, sondern antwortete darauf, so gut sie es eben wusste. Und Axilla war dankbar für den Hinweis, wie es in Rom denn war, denn sie konnte sich hier auch noch gar nichts wirklich vorstellen. “Dann meinst, du, es ist hier auch gar nicht so schlimm, wenn ich erzähle, dass ich zwei Betriebe besitze und leite? Ich weiß noch gar nicht so recht, wie die Leute hier sind. Ich kenne bisher eigentlich nur ein paar, und die nichtmal so richtig. Und ich will nichts falsch machen.“
    Axilla würde ja gern mehr Menschen kennenlernen. Sie hatte ja eigentlich Gesellschaft sehr gern, denn je mehr Gesellschaft sie hatte, umso abgelenkter war sie und umso weniger musste sie nachdenken.


    Doch dann kam das Thema auf Axillas Mutter. Sie merkte nicht, wie Seiana dabei ihre Sitzposition beobachtete und ahnte auch nichts von ihren Gedanken. Denn im Moment dachte sie wirklich nicht nach, erst Recht nicht über irgendwelche Knitter in ihrer Kleidung. Viele Frauen gaben sich sehr viel Mühe bei der Auswahl ihrer Garderobe, bedachten hunderte Dinge wie Qualität des Stoffes und den neuesten Schnitt, wie modisch etwas wohl war... Für Axilla war Kleidung nur etwas hübsches, was man eben anzog, um nicht nackt rumzulaufen. Nicht mehr. Weder Statussymbol noch Instrument, und erst recht nichts worüber man groß nachdenken musste. Sie hatte sich zwar hübsch gemacht, aber, weil sie für den Senator hübsch hatte sein wollen. Immerhin hatte er sie eingeladen, und ein bisschen Erziehung hatte Axilla ja doch gehabt. Für sie war das ihre Art, ihm Respekt entgegenzubringen. Aber wirklich berechnend darüber nachgedacht hatte sie nicht.
    Sie hatte in ihrem Leben schon so viele Tuniken vollständig ruiniert. Mal war sie auf einen Baum geklettert und hatte den Stoff an den feinen Ästen zerrissen, mal war sie irgendwo unbedacht langegangen und hatte sich irgendwo angelehnt, wo es schmutzig war oder von frischer Farbe bemalt, die später nicht mehr rausgegangen war. An ihrem Geburtstag im letzten Jahr hatte sie eine Tunika von oben bis unten mit Schlamm von den Feldern vor Alexandria verdreckt, weil sie hingefallen war. Es kümmerte sie nicht wirklich.
    Dass Seiana aber nicht wirklich über ihre Familie reden wollte und es ihr schwer viel, von ihrer Mutter zu berichten, das bemerkte Axilla sehr wohl. Sie bekam gleich so ein flaues Gefühl in der Magengegend, als sie merkte, dass sie einen Fettnapf wohl erwischt hatte, und versuchte, es zu überspielen. Leider fiel ihr nichts vernünftiges dabei ein. “Nein, streng war Mutter nicht. Sie war mehr... still...“ Axilla versuchte, zu überlegen, wie ihre Mutter denn eigentlich war. Auch, wenn sie ihre eigene Mutter war, irgendwie war da nicht viel, das Axilla sagen konnte. Ihre Mutter war eine zurückhaltende, stille, ruhige Person gewesen, die auf sanfte Weise versucht hatte, das wilde Kind zu zügeln. Sie war ganz anders gewesen als der Vater, und auch sehr anders als Axilla, die ein rechter Wirbelwind gewesen war. Und ohne Grenzen war Axilla auch sehr frei aufgewachsen, lediglich der Sklave Iason, der ihr Lehrer gewesen war, hatte sie noch einigermaßen gebändigt, und natürlich der Vater.
    Zum Glück blieb das Thema aber nicht hierbei, sondern wechselte sehr rasch zum Thema heiraten. Das war zwar auch irgendwie seltsam, aber nicht ganz so unangenehm.
    “Nein, Silanus ist nicht mein Tutor. Ich bin emanzipiert“ Axilla sagte es ein wenig schüchtern. Es war ungewöhnlich, wenn eine junge Frau für sich selber sprach. Bei einer Witwe war es wohl eher, aber bei einer siebzehnjährigen doch nicht Usus, und genau genommen auch nicht ganz gesetzeskonform. “Also, wenn es etwas gibt, wo ich eine Vertretung brauche, dann macht er das schon, aber ich kann und darf für mich selber entscheiden.“ Axilla schaute in etwa so zu Seiana auf, als hätte sie ihr eben gestanden, dass sie eine gesuchte Mörderin war. In Ägypten war der Umstand, dass sie für sich selbst sprach, kein Thema gewesen, hier würde es hoffentlich nicht zu einem Problem werden. “Also, falls du deinen Patron fragen möchtest, wäre das wirklich sehr nett. Vielleicht findet sich ja jemand?“ Immernoch war es komisch, sich selbst fast wie eine Kuh auf dem Viehmarkt anzubieten, aber so war das nunmal. Und vielleicht wusste der Aurelier ja jemand nettes und junges, der Axilla ihre Freiheiten gewährte? Fragen konnte man ja mal.

    Also, im Teutoburger Wald schneit es so leise und friedlich ein bisschen vor sich hin. Habs mir schlimmer vorgestellt und schon gehofft, Montag nicht zur Arbeit zu müssen. Aber das wird wohl nichts :D

    Axilla konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie in vierzig Jahren sein würde. Oder auch in zwanzig. Oder auch nur in zwei. Ob sie dann wirklich ein wenig ruhiger und weiser sein würde, wagte sie aber zu bezweifeln. Dafür fühlte sie in sich viel zu aufgedreht und spontan, viel zu sehr dem Chaos verbunden. Nein, modestia war wohl auszuschließen, und sapientia eher unwahrscheinlich. Aber Serrana wollte sie wohl aufmuntern.
    Aber bei dem nächsten, was sie sagte, schaffte sie es dann doch, Axilla aus ihrer Grübelei zu reißen. “Glaubst du wirklich?“, fragte sie mit hoffnungsvoller Stimme noch einmal nach. Stimmt, er hätte sie auch einfach stehen lassen können. Axilla hatte ja sogar geglaubt, er würde sie an der Brücke stehen lassen, hatte ja sogar so getan, als würde das nichts ausmachen. Und trotzdem hatte er sie getragen – nagut, wie einen Sack Getreide, aber trotzdem. “Das wäre... wundervoll.“ Axilla ließ sich zurücksinken und überlegte. Konnte das wirklich sein? Das wäre so unendlich wundervoll. Allein der Gedanke ließ die Schmetterlinge in ihrem Bauch wilde Purzelbäume flattern. Voller Aufregung hibbelte sie etwas auf der Bank herum. “Hoffentlich weiß deine Freundin wirklich was. Jetzt muss uns nur noch was einfallen, wie ich zu ihm kommen könnte, ohne dass es zu auffällig ist.“ Und jegliche Grübelei über ihre Tugenden war wieder vollkommen vergessen und verdrängt von den Gedanken, was sie ihm denn sagen sollte, wenn sie Vala wiedersah.

    Auch, wenn Axilla von Opfern allgemein nicht viel hielt und auch noch nie so etwas Großes geopfert hatte, sie wusste, wie der Ablauf war. Auch, wenn sie sehr selten in die Stadt zu einem Tempel gegangen war, ihr Vater hatte ihr gezeigt, wie man opferte. Schon einige Kaninchen hatten ihr Leben verloren durch ihre Hand. Und auch, wenn Axilla sicher hundert Fehlerchen machte, die grundsätzlichen Dinge wusste sie ja doch.
    Und so verstand sie, als Serrana ihr das Zeichen mit den Schuhen gab, auch sofort. Mit einem fast verlegenen “Oh, da war ja was“ zog sie sich ihre Schuhe aus und gab sie einem der Sklaven.
    Der Boden war eiskalt, der edle Stein, der hier verlegt war, von den Kohlebecken nur leicht erwärmt. Unangenehm kroch die Kälte das Bein hinauf, aber Axilla versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Wer Opfer bringen wollte, der musste eben Opfer bringen. Und auch das Wasser war nicht wirklich warm, so dass Axilla sich ein wenig überwinden musste, sich nochmal die Hände zu waschen. Zuhause hatte sie sich nicht nur gewaschen, sie hatte sich geradezu geschrubbt. Aber vielleicht war sie ja unbeabsichtigt mit irgendwas in Berührung gekommen, also schadete Händewaschen nicht. Auch wenn es eiskaltes Wasser war.
    Dass Serrana auch keine Ahnung hatte, wie das hier nun genau vonstatten gehen würde, beunruhigte Axilla noch ein wenig mehr, aber sie versuchte, es zu unterdrücken. Mut ist eine Tugend. Immer mutig sein. Eine Iunia ist immer mutig, versuchte sie sich selbst zu tadeln und zu motivieren, trotzdem ging das flaue Gefühl in der Magengegend nicht weg.


    Axilla hörte schließlich Schritte und drehte sich zu dem Aedituus. Instinktiv schenkte sie ihm ein ganz kleines, schüchternes Lächeln, weil sie ihn wiedererkannte und er sie wohl auch, obwohl sie etwas anders wohl aussah.
    “Das ist meine Cousine, Iunia Serrana“, stellte Axilla die Cousine schnell vor. “Und ich würde mir den Ochsen gerne einmal anschauen.“
    Axilla gab ihre Palle noch einem ihrer Sklaven und folgte also dem Priester zu dem Tier. Natürlich hatte sie es vorhin beim Kommen schon gesehen. Die ganze Ansammlung an Opferhelfern war neben dem pechschwarzen Tier kaum zu übersehen gewesen. Aber jetzt konnte sie ihn aus der Nähe betrachten.
    Es war ein schönes, großes Tier. Ein starkes Seil hinderte das Tier daran, einfach wegzulaufen. Die Hörner und Hufe waren versilbert worden, wie sie es gesagt hatte. Axilla trat direkt neben das Tier, hob einmal die Hand, als wolle sie ihn streicheln, fuhr aber einen palmus über seinem Fell entlang, gerade so, dass sie seine Körperwärme fühlen konnte, ohne ihn zu berühren. Sein Fell war ein bisschen matt, aber tiefschwarz. Sie mutmaßte, dass er mit irgendwas eingerieben war, testete es aber nicht. Die Augen des Tieres waren wach und dunkel und folgten ruhig ihren Bewegungen.
    “Ein sehr schönes Tier“, meinte sie schließlich an den Aedituus gewandt und gab damit ihr Einverständnis zu dem Tier als Opfertier. "Wollen wir hoffen, dass er Dispater auch so gut gefällt.“
    Sie ging wieder zum Kopf des Tieres und schaute nochmal in die schönen, braunen Augen. [size=5]“Ein Leben für ein Leben“[/size], flüsterte sie dem Ochsen zu und hoffte, das Tier würde dem Gott genügen für das, was sie sich wünschte. Dann löste sie sich von dem Tier und ging zu dem Aedituus. Auf ihren Armen bildete sich eine Gänsehaut, und irgendwas wurde hier verräuchert, dass ihr leicht im Hals kratzte, aber sie versuchte, beides zu ignorieren. “Ich habe noch eine Frage zum Voropfer. Hat der Altar eine Öffnung für das mulsum und das Öl und den Honig? Oder sind da Schalen? Oder ist es ganz anders?“ Jetzt konnte man doch ihre Nervosität an ihrer Stimme hören, auch wenn sie sich ganz tapfer hielt. Aber das war einfach das größte, was sie jemals von sich aus getan hatte.


    Sim-Off:

    Zuschauer sind natürlich auch jederzeit willkommen, falls jemand das Opfer sehen möchte ;)

    Natürlich glaubte Axilla ihrer Cousine, dass sie das nicht böse gemeint hatte. Sie war ihr deswegen auch nicht böse, aber trotzdem blieb sie etwas grüblerischer. Und die Komplimente von Serrana konnte sie nicht so ganz annehmen. Sie kannte ihre Fehler dafür zu gut.
    “Ich habe vielleicht die Tugend der fides und bestimmt auch fortitudo, aber ich fürchte sapientia und modestia fehlen doch ein wenig. Aber es ist trotzdem lieb, dass du das sagst.“
    So mitfühlend fand Axilla sich selbst nicht, und ob sie warmherzig war, konnte sie nicht beurteilen. Wie immer, wenn jemand ihr ein Kompliment machte, fühlte sich Axilla an der schwelle zum Unwohlsein deswegen, auch wenn es schmeichelte. Aber sie fühlte sich einfach nicht wirklich liebenswert, vor allem nicht, wenn das eigentliche Gesprächsthema gerade ihre Laster gewesen waren, und sie jetzt gezwungen war, darüber nachzudenken.
    Egal, verschieben wir's auf morgen, dachte sie sich. Sie würde sich ja doch nur den Kopf darüber zerbrechen, und damit war das Thema auch eigentlich gegessen.


    Die andere Frage von Serrana war ohnehin viel interessanter. Würde sie Vala heiraten, wenn er jetzt herein käme und sie fragen würde? Sie stellte es sich vor, seine große Gestalt, dieser Blick, seine Bewegungen, die sie an einen Wolf erinnerten... die Schmetterlinge im Bauch meldeten sich wieder wild flatternd. Vor allem, als sie sich vorstellte, wie er näher zu ihr kam, und sie ansah... nein, sie sollte nicht in Tagträume verfallen. Zumindest nicht in diese Art, wo sie doch kein Ventil dafür hatte.
    “Er würde nicht herkommen und um mich anhalten, einfach so.“ Auch wenn Axilla es von sich wies, sie konnte gut mit anderen mitfühlen. Sie konnte intuitiv kleine Gesten deuten und durchschauen, was es ihr oft leicht machte, Stimmungen zu erkennen. Sie machte das weder bewusst, noch berechnend, aber meistens fühlte sie einfach richtig. Und bei Vala hatte sie das Gefühl, dass er ein Mann war. Ein richtiger Mann. Und der kam nicht nach einem einzigen Treffen wie ein verliebter Trottel daher und hielt im Überschwang um die Hand seiner Angebeteten an. Da war Axilla sich sicher. “Wenn er es täte, wäre er nicht der, in den ich mich so verliebt habe.“ Axilla richtete schüchtern den blick kurz nach unten. Es klang so kitschig, wenn sie es wirklich aussprach. So voller kindlicher Übereifer. Und dabei war sie doch schon im besten Heiratsalter und sollte über diese Schwärmereien hinweg sein. Aber sie fühlte es einfach. “Aber ich würde sonstwas dafür geben, wenn er mich bemerken würde. Und ich würde ihn nicht abweisen.“

    Als Archias sich nach seinen Besitzurkunden umsah, schaute Axilla auch gleich einmal mit. Allerdings war das bei diesem Chaos ein absolut zweckloses Unterfangen, die hätten schon zufällig irgendwo obenauf liegen müssen. Und selbst da wären sie wohl übersehen worden. Archias sollte wirklich hier mal aufräumen, fand die Iunia.
    Aber dann wurde sie auf einmal ganz hellhörig, als er plötzlich von „wir“ sprach. Verwirrt schaute sie einen Moment zu ihm herüber, und das Wieso wir?, das durch ihre Gedanken hallte, war in ihrem verwirrten Gesicht durchaus zu sehen. Er wollte doch nicht...? Und gleich im nächsten Satz erschien es so, als ob er wollte.
    “Caius Aelius Archias, willst du mich verkuppeln?“ fragte sie mit diesem halb scherzenden Tonfall, der aber trotzdem eine Antwort forderte. Ein ganz komisches Gefühl bildete sich bei Axilla dabei, und sie wusste nicht wirklich, was es war. Freute sie sich darüber, dass er ihr dabei helfen wollte, oder war es doch etwas anderes? Es ziepte und nagte irgendwie, und Freude war ja doch anders. Aber sie war sich eigentlich sicher, dass sie sich freute. Und daher grinste sie ihn auch frech an, auch noch, als er die Einladung aussprach. “Na, da bin ich ja dann mal gespannt, wen du so einlädst.“ Sie setzte sich mit einem Lächeln aufs Bett, und wieder fühlte es sich kurz irgendwie komisch an. Sie wollte ja heiraten, und wenn Archias ihr da ein wenig half und sie hier dem ein oder anderen vorstellte, sollte sie das doch sehr freuen? Bestimmt waren das nur die Oliven, die schwer im Magen lagen. Es gab immerhin einen Grund, warum sie die Dinger nicht mochte.


    Als er dann aber so beleidigt reagierte wegen dem kleinen Wörtchen, schaute Axilla ehrlich zerknirscht drein. Sie glaubte zwar, dass er nur scherzte, aber trotzdem bekam sie diesen entschuldigenden Klein-Mädchen-Blick wie auf Knopfdruck hin und sah Archias mit großen Kulleraugen nur verlegen an. Allerdings nur einen Moment, ehe sie wieder grinste, vor allem wegen Archis Argumentation.
    “Eindeutig, das zu widerlegen würde vielleicht höchstens ein Gelehrter Philosoph schaffen, und wahrscheinlich nicht mal der. Aber wie heißt es so schön? Wer Ordnung hält, ist nur zu faul, zu suchen. Und Faulheit ist schließlich ein Laster.“
    Axilla stand also auf und fing ungefragt an, doch ein bisschen aufzuräumen. Angesichts des Berges an Unordnung eigentlich eine Sisyphusarbeit, aber irgendwo musste man ja mal anfangen. Axilla fing damit an, dass sie alles, was nach Papier aussah, zusammen auf einen Stapel legte. Da musste ja theoretisch die Urkunde irgendwo dabei sein.
    Da fing Archi allerdings auch schon mit dem Thema Farbe an, und sie unterbrach ihr Tun doch nochmal, um sich mit ihm vernünftig zu unterhalten. “Ich glaube, wir reden von verschiedenen Dingen. Ich mein nicht das angerührte Zeug, sondern das Pulver. Oder, naja, mehr so dicke Pampe, wobei man manche Sachen auch trocken mahlt. Die Bantotaken haben ja einen Maler, der mischt die Farbe ja dann irgendwie noch an. Bei mir haben die früher auch viel Farbe gekauft, aber seit etwa einem Jahr dann nicht mehr.“
    Axilla zuckte die Schultern. So gut kannte sie Anthimos Bantotakis ja nun auch nicht. Eigentlich, wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie ihn fast jedes Mal, wenn sie sich gesehen hatten, irgendwie angepflaumt. Ein Wunder, dass er sie offenbar trotzdem gern gehabt hatte.
    “Ich hab nur die wirkliche Farbe, so zum Färben von Kleidern, und Ton für Vasen, oder eben flüssige Farbe. Oh und natürlich Kosmetik. Ich weiß jetzt aber nicht, ob du die auch brauchen kannst? Dann verkauf ich dir natürlich gerne, so viel wie du haben magst.“

    Sim-Off:

    Nur kein Stress, läuft ja nicht weg


    Axilla war gerade mal ein paar Tage in Rom, und sie hatte natürlich keine Ahnung, wo eine Schänke sein könnte. Aber es freute sie, dass Piso der Vorschlag überhaupt gefiel. Sie hatte schon Befürchtungen gehabt, sie könnte mal wieder zu schnell gewesen sein, aber offenbar freute er sich auch darauf. Er lächelte ihr zumindest zu, nachdem er sich umgeschaut hatte.
    “Ich weiß keine, ich bin nicht ja erst so kurz hier, und allein in einer Schänke ist es doch langweilig, nicht?“ Sie lächelte zu diesem Zeitpunkt noch immer zu ihm hinauf und dachte sich nichts dabei. “Aber ich denke, wir finden schon irgendwo was geeignetes.
    Und keine Minute später brachte Piso Axilla dazu, ganz leicht rot zu werden. Er schien so sicher zu sein, dass ihre Stimme nicht so schlimm wäre, dass sie sich direkt ein wenig verlegen fühlte. Irgendwie war das ja süß, denn sie wusste, dass ihre Stimme wirklich nicht nur nichts besonderes, sondern zum Singen nicht geeignet war. Sobald sie laut sang, traf sie die Töne nicht mehr richtig, und im Flüsterton sang es sich selten gut. Aber ihre Neugier, ihn einmal singen zu hören, war zu diesem Zeitpunkt einfach größer als irgendwelche Scham, er könne sie wegen ihrer Stimme doch am Ende auslachen. Überhaupt war er so nett, dass sie nicht glaubte, er würde sie auslachen, selbst wenn sie schief sang.
    “Gut, abgemacht. Wenn du für mich etwas singst, singe ich dann auch ein Lied.“
    Axilla wollte gerade schon auf seine Frage nach den Spielen antworten, als Piso offenbar die Leute ebenso wie sie bemerkt hatte. Anders als sie war er aber mitnichten peinlich berührt. Nein, im Gegenteil, er scheuchte die Leute fort. Kurz stutzte Axilla und sah Piso an, als würde sie ihn erst jetzt richtig sehen. Und in gewisser Weise war das auch so, denn irgendwo in ihr machte etwas ganz tief innen drinnen einmal 'klick', als sie ihren Gesprächspartner das erste Mal bewusst als Mann wahrnahm. Er hatte sie verteidigt und beschützt. Nungut, vielleicht auch nur sich selber, weil die Blicke ihn geärgert hatten. Aber er hatte sich eben wie ein Kerl benommen, und nicht immer diplomatisch, korrekt und schüchtern wie ein geschlechtsloses Neutrum.
    Axilla war noch dabei, etwas überrascht zu ihm aufzuschauen, als er sie aufforderte, mit ihm zu kommen. Ganz automatisch trat sie zu ihm, in den Schatten seines Schutzes, ohne darüber nachzudenken, und erst seine Frage brachte sie dazu, aus dem beinahe tranceartigen Zustand herauszukommen. “Ich weiß nicht. Wo gibt es wohl am ehesten eine Schänke?“ Eigentlich war ihr die Schänke in diesem Moment doch recht egal, aber irgendwas musste sie ja sagen und irgendwohin mussten sie ja auch gehen. Also gingen sie schließlich in eine Richtung los, und Axilla hoffte nur, dass Piso die Veränderung in ihren Augen nicht sehen konnte. Und so ging sie ein paar schritte schweigend neben ihm her, bemüht, eben nicht zu ihm zu schauen (obwohl sie es wollte), nicht nahe bei ihm zu laufen (obwohl sie es wollte) und zu dem belanglosen Gesichtsausdruck zurückzufinden, der lediglich eine gewisse Schwärmerei für den Dichter offenbarte, und mehr nicht.
    “Oh, die Spiele“, fiel ihr dann nach einigen stillen Momenten doch wieder ein, und verlegen sah sie zu Piso hoch, musste kurz lächeln und sah deswegen fast gleich wieder schüchtern weg. “Also, gewonnen hat Penelope Bantotakis aus Alexandria. Sie ist Lehrerin am Museion, und ihr Großvater hat wohl auch schonmal sowas gewonnen. Aber nicht in Alexandria, sondern... ich hab's mir nicht gemerkt. Ich glaube, es war Delphi. Oder Korinth.“ Axilla zuckte mit den Schultern und merkte gar nicht, wie sie wieder ins Plappern abdriftete. “Auf jeden Fall ist sie jetzt am Museion, und ist die Frau vom Agoranomos, und die Schwägerin vom Strategos. Und es war wirklich sehr schön, auch wenn das Lied eigentlich ziemlich traurig war. Die anderen Lieder über Merkur – also, das war das Thema des Wettkampfes, die Leider waren alle über Hermes, die meisten über die Geschichte mit der Schildkröte und der Lyra – die waren fröhlich, aber ihres war eher dunkel. Naja, sie hat ja auch von der Totenstraße gesungen, da muss das wohl so sein. Aber es war wirklich sehr schön. Ein paar Zuhörer hatten sogar Tränen in den Augen.“
    Kurz fühlte Axilla sowas wie ein schlechtes Gewissen, weil sie dachte, sie hätte Nikolaos jetzt verpetzt. Aber sie hatte die Ergriffenheit des Gymnasiarchos schon bemerkt, auch wenn Pompeius Imperiosus sie insgesamt den ganzen Abend sehr abgelenkt hatte.
    Lächelnd sah sie wieder zu Piso hinüber. Er hatte schöne Hände. Und graue Augen. “tut mir leid, ich plappere glaub ich schon wieder.“

    Auch, wenn Serrana es im Scherz gemeint hatte, Axillas Lachen wurde doch etwas verlegener und grüblerischer. Sie war sich nicht sicher, ob sie ein Naturtalent in Sachen Sex sein wollte, und sie war sich ganz sicher, dass sie lieber wollte, dass die Männerwelt davon nichts wusste.
    “Naja, mir wäre ein anderes Talent eigentlich lieber...“, meinte sie gequält und fing nun ihrerseits an, an ihrem Kleid herumzuzupfen. “Und mir würde eigentlich schon ein vernünftiger Antrag reichen. Vorzugsweise von Vala.“ Auch wenn sie Rufus vor fast einem Jahr abgelehnt hatte mit der Begründung, die Duccier und die Iunier hätten nicht genug gemeinsame Interessen. Aber das war ohnehin vorgeschoben gewesen, weil sie in dem Jungen zwar einen Freund, aber eben keinen Mann sehen konnte. Nicht mal ansatzweise. Bei Vala war das etwas ganz anderes, auch wenn sie nichtmal zu hoffen wagte, dass er auch nur in diese Richtung dachte. Aber sofern er überhaupt irgendwie an sie denken würde, wäre sie schon glücklich.
    “Aber sag, wann wolltest du bei deiner Fruendin sein? Nicht, dass wir uns hier völlig festquatschen und sie dann sauer ist“, wechselte Axilla schnell das Thema.

    Dass ihre Cousine schon wieder versuchte, Erdbeeren Konkurrenz zu machen, sah Axilla schon. Sie selber fühlte auch ein wenig Röte auf ihren Wangen, aber bei weitem nicht so schlimm. Sie hatte zwar noch mit keiner Frau über sowas so richtig gesprochen, aber sie war in diesem Punkt einfach nicht wirklich schüchtern. Sie schämte sich nicht für das, was sie getan hatte, zumindest nicht so richtig.
    “Falsch machen? Nein, eigentlich nicht. Wirklich falsch machen kann man dabei nichts. Da mach dir keine Sorgen. Es ist nur manchmal eben schöner als andere Male, und es kommt eben sehr auf den Mann an. Er kann da schon mehr falsch machen“, meinte sie frech und entspannte sich merklich. Serrana schien es ihr nicht übel zu nehmen und hatte wohl auch keine neuerliche Entrüstung für sie.
    “Du musst halt nur erstmal rausfinden, was du überhaupt magst. Das kannst du ja noch gar nicht wissen, bevor du es nicht ausprobiert hast? Ich meine... woher denn? Aber Sorgen musst du dich eigentlich nicht. Schwer ist es eigentlich nicht. Höchstens etwas anstrengend, aber das merkt man nicht wirklich, bis es vorbei ist.“
    Kurz blinzelte Axilla, dann musste sie kichern. “Götter, ich rede daher wie eine alte Lehrmeisterin“, kicherte sie vor sich hin. Sie hätte nicht gedacht, dass sie einmal so darüber reden würde.

    Pünktlich drei Tage später stand Axilla wieder vor dem Tempel, aber dieses Mal nicht allein. Sie hatte ihre Cousine Serrana gefragt, ob sie sie begleiten wollte, und diese hatte natürlich ja gesagt. Bestimmt würden auch genug Passanten stehen bleiben und zusehen, um so vielleicht ein wenig vom Segen des dunklen Gottes abzubekommen, oder zumindest um ihre Schaulust zu befriedigen. Und genau deshalb war Axilla auch so nervös. Sie würde im Mittelpunkt eines Geschehens stehen, wo alle Welt sie anschauen würde, und jeder kleine Fehler, jeder Makel, den sie hatte, nur umso deutlicher hervorstechen würde. Ihr war schon wieder schlecht, den ganzen Morgen über. Aber es nützte nichts, sie hatte es dem Gott versprochen. Und sie würde den Dis tun – auch wenn es in diesem Fall besonders anmaßend war – und ihm dieses Opfer nicht bringen. Sie wollte ihre Rache.


    Sie sah noch einmal zu ihrer Cousine, um dort ein wenig Mut zu schöpfen. Serrana kannte sich mit dem ganzen hier natürlich weitaus besser aus als sie selbst, und es war irgendwie gut, noch jemanden bei sich zu haben, der notfalls vielleicht helfen konnte. Oder zumindest wusste, wenn etwas fehlte, und sich dann kurz räuspern konnte.
    Axilla hatte ein schlichtes, schwarzes Kleid an, das bis zu den Knöcheln reichte. Kein Schmuck, keine Verzierungen, nur ganz schlichtes, sattes schwarz. Nicht einmal die Fibeln waren besonders gearbeitet, sondern eher unauffällig. Unter der Palla, die Axilla gleich noch ablegen würde, war ihr Haar offen. Sie hätte gerne glattes Haar gehabt, damit es noch einfacher aussehen würde, aber sie hatte diese Wellen darin, die es leicht lockig aufplusterten. Insgesamt sah sie eher klein und unwichtig aus, fand sie zumindest. Sie hoffte, dass diese zur Schau gestellte Schlichtheit den Gott versöhnlich stimmen würde.


    Sie hatten zwei Sklaven mitgebracht, die eben den Honig, das Öl und das mulsum, ein Honig-Wein-Gemisch, zum Tempel trugen. “Ich bin ein wenig nervös“, gestand Axilla ihrer Cousine. Es war noch nicht ganz die zwölfte Stunde, aber im Winter vergingen die stunden auch schnell, so dass sie hier nicht trödeln sollten.
    “Hat der Altar wohl eine Öffnung für das Voropfer, oder soll ich es einfach draufstellen?“ Warum hatte sie das nicht schon vor drei Tagen gefragt? Jetzt zerbrach sie sich über diese Frage den Kopf und wurde deshalb immer nervöser. “Siehst du den Aedituus irgendwo?“