Auch wenn Serrana meinte, dass sie Fehler habe, Axilla konnte beim besten willen keine finden. Selbst, dass sie etwas schüchtern war, war ja in dem sinne kein Fehler. Eine Frau sollte ja schließlich auch ein wenig zurückhaltend sein und auf ihren Mann dann vertrauen. Axilla hatte da schon eher ein Problem aus ihrer Sicht, weil sie eben nicht still sein konnte, wenn sie etwas wollte oder sie etwas aufregte. Axilla nahm sich schonmal vor, irgendwannmal ein Hühnchen mit Serranas Großmutter zu rupfen. Eine Iunia butterte man nicht so unter! So!
Allerdings wischte das Thema über tugendhaftes Verhalten im Angesicht männlicher Begierden doch sämtliche Gedanken in diese Richtung sehr effektiv beiseite, so dass Axilla ganz dankbar war, dass Serrana nicht weiter nachhakte. Was hätte sie der Cousine denn erzählen sollen? Sie konnte sie nicht anlügen und ihr sagen, dass es ihr nicht gefallen hatte, oder dass sie daran unschuldig war. Aber das waren Sachen, die sie sie nicht preisgeben sollte. Von daher kam ihr der Themenwechsel mehr als nur Recht und auch die Informationen, die Serrana ihr gab.
“Hmm, vielleicht könnte man dann deine Freundin fragen? Ich meine, vielleicht weiß sie das ja sogar, wenn ihr Verlobter dort doch auch Centurio ist? Oder dass sie ihn fragt, sie wird ihren Verlobten ja vielleicht eher sehen? Meinst du, das würde sie für mich machen, oder ist das etwas forsch?“
Zumindest war es mal ein Plan.
Was Silanus aber anging, da konnte Axilla auch nicht viel mehr als betreten schauen. “Ja, mir weicht Silanus auch aus. Aber er hat auch in Alexandria immer sehr viel gearbeitet und wenig Zeit bei der Familie verbracht.“ Dass sie wohl der Grund dafür war, ließ Axilla aber wegfallen.
Beiträge von Iunia Axilla
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Ganz langsam nickte Axilla bei den Worten des Aedituus, wägte sie genau ab. 300 Sesterzen war sicherlich nicht wenig, und doch hatte die Iunia sich schon darauf eingestellt, weitaus mehr dafür zu bezahlen. In diesem Moment war sie sehr dankbar dafür, die letzten anderthalb Jahre in Ägypten verbracht zu haben, denn dort waren ihr als Frau Mittel und Wege offengestanden, selbst ein wenig Geld zu verdienen, ohne irgendwelche Seitenblicke fürchten zu müssen. Ob sie hier in Rom dieselben Mittel gehabt hätte, bezweifelte sie.
“Nun, Caecus Niger, 300 Sesterzen sind sicher angemessen für den großen Gott.“ Man konnte an Axillas Augen ablesen, wie sie überlegte, hin und her rechnete und abwog. Normalerweise ging sie immer aus dem Bauchgefühl heraus an Dinge heran, so dass man ihr am Gesicht ablesen konnte, wie schwer ihr die Abwägung fiel. Sie wollte, dass der Gott zufrieden war und sie erhöhrte. 300 Sesterzen waren da wohl ein kleiner Preis für das verlangte. Vielleicht ein zu kleiner.
“Aber ich möchte wirklich, dass der Gott das Opfer annimmt. Da will ich nicht am falschen Ende sparen. Sagen wir...600 Sesterzen, und du suchst das schönste Tier dafür aus? Und vielleicht noch ein paar Flötenspieler während des Opfers?“
Axilla war sich nicht sicher, ob das nun schon Bestechung war oder noch nicht. Sie hatte von diesen Dingen doch absolut gar keine Ahnung. Und außerdem wollte sie den Priester ja auch nicht bestechen, sie wollte wirklich wissen, ob Pluto das Opfer annahm. Aber sie wollte eben auch gleichzeitig dafür Sorge tragen, DASS er es annahm.
Ein wenig unschlüssig suchte Axilla im Gesicht des Priesters nach einer Antwort, ob das nun zuviel gewesen war. Verlegen kratzte sie sich dabei am Ellbogen. Irgendwie war ihr gerade sehr mulmig zumute. -
Frohes Neues! Ich hoffe, ihr seid alle gut rübergerutscht
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“Au!“ tönte es einmal halb beleidigt, ehe die Tafel frech zurück Richtung Archias flog und ihn am Bauch traf. Wirklich weh hatte es nicht getan, aber da war Axilla zu verspielt, um das einfach ruhen zu lassen.
“Hm, gut, dass Nikolaos das nicht sieht. Der wollte seine Briefe immer genau geordnet haben. Dem dürfte ich gar nicht erzählen, dass seine Scriba sowas wichtiges verliert“, kommentierte sie noch etwas zerknirscht. Ihr war es arg, dass der Brief weg war, aber ändern konnte sie es wohl nicht.
Sie gaben die Suche nach dem Brief auf und Archias rief seinen Sklaven. Allerdings schien dem grade irgendwas die Petersilie verhagelt zu haben, denn er betrachtete Axilla, als hätte sie ihm etwas getan. Ganz kleinlaut und etwas verwirrt schaute sie unschuldig zurück, ließ ihren Blick dann aber mit jeder verstreichenden Sekunde mehr und mehr schuldbewusst zu Boden sinken.
Als er schließlich den Raum verlassen hatte, war Axilla irgendwie erleichtert. Etwas verlegen kratzte sie sich am Ellbogen und sah zu Archias auf. “Habe ich ihn irgendwie beleidigt? Das wollte ich nämlich nicht. Meinst du, es hilft, wenn ich mich bei ihm entschuldige?“
Dass Katander ein Sklave war und sie sich damit nicht entschuldigen musste, kam ihr dabei nicht in den Sinn. Axilla behandelte alle Menschen gleich freundlich, egal, ob das nun Patrizier oder Sklaven waren. Also war es für sie ganz selbstverständlich, dass sie sich entschuldigte, wenn sie ihm etwas getan hätte. -
“Ja, das klingt besser. Müssen wir nur den Brief finden.“
Auch Axilla begann damit, beim Suchen zu helfen, allerdings ging sie dabei weitaus vorsichtiger als Archias voran. Immerhin waren es ja nicht ihre Sachen, und sie wollte ihm keine Unordnung in... die Unordnung bringen. So hob sie alles eher vorsichtig an, um darunter oder dazwischen zu schauen, und stellte alles dann möglichst wieder exakt wieder an den Platz, wo sie es weggenommen hatte. Sie fand noch mehr Schächtelchen. Aus einem hübschen Holzkästchen rieselte Sand, so dass sie es gleich erschrocken wieder hinstellte und unauffällig weiterging, in der Hoffnung, dass Archi es nicht bemerkt hatte. Allerdings kein Brief.
Schließlich legte sich Axilla bäuchlings aufs Bett, ließ den Kopf nach unten hängen, um so unters bett zu schauen. Archias bekam nur ihre Rückseite und die spielerisch erhobenen Füße zu sehen. “Hier ist er auch nicht. Aber mitgebracht haben wir ihn, oder?“ echote es irgendwo unterm Bett hervor, ehe Axilla sich wieder aufrappelte und einmal ihre Haare zerwuschelte, die ihr in die Stirn gefallen waren.
“Hmm... sonst muss es auch ohne gehen. Oder Katander könnte ja sagen, dass Urgulania... also... wenn wir ihn nicht finden...“ Der Klos in Axillas Hals nahm wieder zu und sie räusperte sich noch einmal, schnappte sich noch eine Olive – hatte sie jetzt wirklich das ganze Schälchen leergegessen? Irgendwie schüttelte es sie bei dem Gedanken – und setzte sich wieder aufs Bett. -
Bei dem Angebot von Seiana zuckte Axilla innerlich leicht zusammen, allerdings ließ sie es nicht nach Außen dringen. Sie mochte Ärzte wirklich nicht. So überhaupt gar nicht. Nicht ein kleines bisschen. Die einzige Ausnahme war vielleicht noch Anthimos Bantotakis, wobei sich das da auch schon hart an der Grenze hielt. Aber sie wusste nicht, wie sie das nun ablehnen sollte, ohne Seiana damit vor den Kopf zu stoßen. Immerhin war es ein sehr nettes und großzügiges Angebot.
“Ich kann ja mal vorbeischauen, wenn es nicht besser wird...“ meinte sie also eher unverfänglich und bereitete sich seelisch und moralisch schonmal auf einen Besuch beim Medicus vor.Dass Livianus ihr wohl nicht grollte, beruhigte Axilla nur ein wenig. So ganz sicher schien sich Seiana auch nicht, auch wenn sie meinte, dass er ihr sicher verzeihen würde, wenn er ihre Erklärung hörte. Manchmal schien es einfach doch gar nicht so schlimm zu sein, ein gewaltiger Tollpatsch zu sein, denn die meisten Leute nahmen es einem irgendwie nicht übel. Aber vielleicht galt das ja auch nur, weil Axilla 17 und eine Frau war? Egal, weswegen, Axilla war den Mächten ehrlich dankbar für diesen Umstand.
“Frühjahr klingt doch toll! Wenn dann alles blüht und wieder grün ist, das wird bestimmt schön“ schwärmte Axilla für Seiana. Sie fand die Idee, dass ihr Freund die Frau heiratete, die er liebte, einfach fantastisch und konnte da ganz romantisch ins Schwärmen geraten. “Und ich bleib denke ich bis zum Frühsommer, wenn das Meer wieder ruhig ist. Mir war ja die ganze Zeit soooo schlecht. Der arme Pompeius Imperiosus, der mich mitgenommen hat. Der hat eigentlich die ganze Überfahrt lang nur bestaunen dürfen, wie ich über der Reling gehangen habe. Ich glaube, ich war die furchtbarste Reisegesellschaft, die man haben konnte.“
Da fiel Axilla ein, bei dem musste sie sich nochmal ausführlicher Bedanken. Und sie wollte ihm dem Senator vorstellen. “Hmm, ich hatte ihm eigentlich versprochen, dass ich ihn als Dank den Senator vorstelle. Meinst du, das ginge? Du kennst deinen Onkel ja sicher besser“, fühlte sie also mal kurz vor.
Doch dann kam das Gespräch auf die verschiedenen Städte, und Axilla hörte Seiana zu, dass sie auch aus Tarraco kam. “Ja, unser Hof lag etwas nordöstlich davon, etwa eine Stunde mit dem Pferd. Nichts besonders, nur ein paar Felder zum bewirtschaften und so. Eher klein.“ Axilla wollte nicht so gern zu ausführlich darüber sprechen, denn dann bekam sie immer ein ganz flaues Gefühl im Magen, selbst nach der langen Zeit jetzt. “Aber Alexandria ist schon anders als das hier. Irgendwie... bunter.“ Axilla hoffte, damit ihre Gastgeberin nun nicht zu beleidigen, aber im Grunde liebte sie die Stadt am Nil mehr. Vermutlich gerade wegen der ganzen Freiheiten dort. “Hier schauen immer alle ganz erstaunt, wenn ich von meinen Betrieben erzähle, oder dass ich Scriba beim Gymnasiarchos bin. Oder war, ich glaube, bis ich wiederkomme, hat Nikolaos einen neuen. Aber wir sind ja auch nicht schlechter als Männer.“ Auch wenn das hier in Rom wohl keiner hören oder gar zugeben wollte. Dahingehend war es in Ägypten schon herrlich anders. “Und ich weiß nicht so recht... ich kenne Rom ja noch gar nicht. Aber wenn ich irgendwannmal heiraten soll, dann wäre es vielleicht klüger, hier zu bleiben. In Alexandria sind die meisten Römer ja Soldaten...“ Und dass sie keinen Peregrini heiraten würde, das stand zumindest fest. Eine Iunia heiratete römisch. -
Axilla würde ja was anderes essen wollen, aber... irgendwie wollte sie nicht. Eigentlich liebte sie alles, was mit Honig in Berührung gekommen ist, es konnte gar nicht genug Honig geben. Aber wenn sie jetzt an den süßen Geschmack dachte, rebellierte ihr Magen schon wieder. Sie nahm noch eine dritte Olive und würgte sie halb runter. “Vielleicht nachher“, meinte sie eher salopp und beobachtete Archias dann dabei, wie er seine Unordnung umordnete. Besonders neugierig betrachtete sie die Perlmuttschatulle. Ihre Mutter hatte eine ähnliche besessen, aber die hatte Axilla mit dem ganzen Hausrat verkauft. Interessant, woran man sich so alles erinnerte, was einem schon entfallen zu sein schien.
Sie starrte noch etwas Gedankenverloren – und der mittlerweile achten Olive im Mund – auf das Schächtelchen, als Archias ihr den Brief vorlas und sie so aus ihren Gedanken riss. “Hm? Eigentlich reicht das, denk ich. Ich weiß nicht, ob man noch einen Grund hinschreiben sollte. Vielleicht... also, kann dein Bote den Brief von Merula mitnehmen, so als Anhang, damit die auch Bescheid wissen?“ Axilla sah sich dabei ein wenig um, sie wusste gar nicht, wo sie das zerknüllte Stück Papyrus denn gelassen hatte. Irgendwie war es weg. -
Jedesmal, wenn Axilla Schritte im Gang vor der Tür hörte, spannte sie sich innerlich an. Die ersten zwei Mal waren es wohl nur irgendwelche Sklaven oder andere Hausbewohner, aber beim dritten mal bewegte sich die Türklinke und die Tür wurde aufgestoßen. Kurz spannte sich Axilla mehr an und richtete sich gerader auf, bis sie Archias mit seinem Tablett erkannte. Er balancierte es an Kisten und Truhen vorbei und stellte es auf dem Stuhl ihr gegenüber ab, ehe er sich neben sie setzte und die frohe Nachricht verkündete.
Dankbar fiel Axilla ihm um den Hals und drückte ihn einmal sanft an sich. In Gesten war sie einfach besser als mit Worten, und sie war so unendlich erleichtert und dankbar, dass sie bleiben konnte. “Danke. Dankedankedanke“, flüsterte sie nur ganz dicht an seinem Ohr, ehe sie ihn wieder losließ und das Herzklopfen, das sich aufgrund der Erleichterung wieder eingestellt hatte, wieder zu beruhigen versuchte.
Ein wenig missmutig sah sie zu dem Essen hinüber. Sie hatte wirklich keinen Hunger. Um ganz ehrlich zu sein, war ihr schon wieder ein wenig schlecht, wie so häufig, seit sie in Rom war. Irgendwas hier bekam ihr wohl nicht und schlug ihr auf den Magen. “Eigentlich hab ich gar keinen Hunger...“, begann sie ein wenig unsicher, angelte dann aber doch eine Olive vom Tablett. Sie war ölig und salzig, wie Oliven nunmal waren, und erinnerte Axilla daran, warum sie eigentlich keine Oliven mochte. Sie war doch eher eine Süße oder Scharfe, weniger salzig. Trotzdem fischte sie sich noch eine Zweite aus der Schale. “Eigentlich mag ich die gar nicht...“, murmelte sie mehr zu sich selbst und kaute ein wenig auf der Frucht herum. Aber ihrem magen schien das wenigstens ncihts auszumachen. -
Axilla verharrte noch eine ganze Weile auf dem Fliesenboden. Sie schaute hinein in die Dunkelheit und rührte sich nicht, die Hände noch immer wie betend zum Ara erhoben. Ihr Atem ging so ruhig und langsam, dass Leander nach einer Weile doch sorgenvoll näher zu ihr rückte, um nachzusehen, ob sie noch lebte. Erst bei dieser Bewegung in den Schatten ließ Axilla sich in sich zusammensinken und gab damit ein Lebenszeichen von sich.
Schweigend legte sie das Messer neben die Bleiplatte. Das Taubenblut daran begann bereits, zu trocknen, ebenso wie auf der Tafel und auf ihrem Kleid. In der Dunkelheit konnte man allerdings das nicht sehen, waren es nur schwarze Flecken auf dunklem Grund.
Sorgfältig und ohne Eile faltete Axilla die Bleiplatte mit dem Fluch zusammen, schön eine schmale Reihe nach der anderen rollte sie sie auf, bis sie schließlich so klein zusammengequetscht war, dass sie in eine Faust passte. Sie schaute noch einmal auf das nun doch recht unscheinbar wirkende Gefäß ihrer Rache. Wenn sie sie jetzt Levi übergab, würde er sie nach Ägypten bringen und an einem Ort verstecken, an dem der Fluch den Terentier erreichen konnte. Es musste eine räumliche Nähe geschaffen werden, damit es wirkte. Wenn Axilla jetzt aufhörte, dann würde nichts passieren. Selbst wenn sie dem Gott opfern und er es annehmen würde, würde der Fluch nicht geschehen, wenn sie ihn nicht auf die Reise schickte. In dieser kleinen Bleimasse lag die ganze Schwärze des Hades, alles, was Axilla entfesseln konnte.
Seltsam, wie leicht sie ist, schoss Axilla nur widersinnigerweise durch den Kopf, als sie sie in Händen hielt. Etwas so gewichtiges sollte schwerer sein. Und es sollte schwerer sein, es über sich zu bringen, so etwas auszusprechen. Vielleicht bin ich doch nicht liebenswürdig, wie alle denken... fügte sich ein trauriger Gedanke an. Noch konnte sie alles zum Guten wenden. Sie musste nur die Bleiplatte ins Feuer werfen, damit sie schmolz, und der Fluch war vergessen. Sie konnte noch immer gut sein, andere Mittel und Wege finden. Es musste nicht sein.
Axilla stand auf, sah auf die Platte in ihren Händen, atmete durch. Das blutige Messer lag noch auf dem Boden. War sie das wirklich? Ihr schien, als wäre es nicht das Blut einer Taube, das sie vergossen hatte, sondern als hätte sie dieses Messer dem Terentier in den Rücken gerammt. War sie so? Eine Mörderin? Eine Tochter des Dis? Nemesis?Langsam ging sie zu den beiden etwas geschockt dreinschauenden Sklaven. Sie sah nicht einmal zu ihnen auf, sondern hielt ihre Augen auf dem Blei.
“Bring das dorthin, wo es wirken kann“ sagte sie leise und übergab Levi den Fluch. -
Ein wenig verwundert hörte Axilla ihrer Cousine zu, was diese so von ihrer Kindheit erzählte. Was war das nur für ein Mensch, der ihrer Cousine sowas einredete? Mit Serrana war doch alles in Ordnung! Die war so lieb und gut und tugendhaft, wie konnte da jemand ernstlich Fehler finden? Axilla war immer ein sehr wildes Kind gewesen, hatte sich ständig die Knie aufgeschürft und irgendwas gemacht, was ganz und gar undamenhaft war, und trotzdem hatte sie nur selten richtig Schelte bekommen. Natürlich hatte die Mutter versucht, sie da zu bremsen, aber wirklich handhaben konnte nur der Vater den kleinen Wirbelwind. Und den störte es nicht, dass seine Tochter sich eher wie ein Junge benahm.
“Deine Großmutter hat unrecht“, sagte Axilla im Brustton der tiefsten Überzeugung. “Du hast keinen Fehler. Und du bist was besonderes.“ Wie konnte nur ein vernunftbegabter Mensch etwas anderes sagen? Diese Frau konnte kein Herz haben.
Und plötzlich war die Stimmung doch etwas ernster geworden, als Axilla beabsichtigt hatte. Das merkte sie auch an der Antwort der Cousine über Sedulus. Axilla hatte keine Ahnung, wann denn die Ludi Romani waren, in Alexandria wurden die schließlich nicht gefeiert, und auf dem Hof ihrer Eltern sowieso nicht. Aber sie war schonmal beruhigter, dass es wohl schon länger war, und dass Sedulus scheinbar ehrliche Absichten hatte.
Als die Cousine so rot anlief, dass selbst die schönsten Erdbeeren neidisch würden, musste Axilla fast kichern. Was sich allerdings schlagartig änderte, als Serrana zurückfragte und Axilla merkte, wie ihre Wangen sich denen der Cousine farblich anpassten. “Ähm... also...“ Jetzt sag bloß nichts falsches! … … … Am besten halt die Klappe. Axilla fand keine Ausrede und konnte nur Serranas Blick ausweichen und vom Thema ablenken. Sie konnte es ja nicht so einfach zugeben, als wäre nichts!
“Ähm... Vala, genau“, rettete sie sich in den Themanwechsel und plapperte schnell weiter. “Da müsste ich dann noch rausfinden, für wen der arbeitet, damit ich dann auch den richtigen Vorwand finde. Die Prätis werden ja auch mehrere Offiziere haben. Und wir müssten überlegen, was wir da wollen könnten. Hat Silanus vielleicht irgendwas mit denen zu tun? So dass wir mal einen Brief überbringen könnten, oder so?“ Axilla hatte keine Ahnung,w as Silanus eigentlich genau arbeitete, sie und er gingen sich ja ein wenig aus dem Weg. -
Beim Wort 'Medicus' verzog Axilla kurz ganz leicht das Gesicht. Sie hatte genug von Ärzten für ein Leben gehabt, sie mochte sie nicht besonders. Zu sehen, wie diese machtlos gegen das langsame Sterben der Mutter waren und nur immer neue und teurere Behandlungen vorschlugen, schuf nicht gerade Vertrauen. “Ach, es geht schon. Es ist bestimmt noch wegen der Überfahrt und wegen der vielen aufregenden Dinge hier in Rom.“ Axilla winkte leicht ab und machte damit deutlich, dass es ihr nicht so wichtig war. “Das legt sich schon wieder. Aber vielleicht schau ich mal über den Markt, was es hier so an Heilmittelchen gibt.“ Man musste schließlich nicht gleich zu einem Medikus rennen, wenn die Kräuterfrauen genausogute Mittel und Amulette hatten, nur zu einem viel geringeren Preis.
Dann kam aber das Gesprächsthema sowieso auf den Senator, und Axilla musste nicht mehr so viel darüber nachdenken. “Ja, ich weiß. Jeder, dem ich es erzähle, hält mich für vorlaut, aber das wollte ich eigentlich gar nicht“, gab Axilla etwas zerknirscht dreinschauend zu. Sie hatte eigentlich dem Senator nur einen netten Brief schreiben wollen. Was sie da geritten hatte, sich über sein fehlendes Auftauchen in der Casa Iunia in Alexandria zu beschweren, wusste sie selber nicht. Es war ihr irgendwie herausgerutscht. “Ich hoffe nur, er nimmt mir das nicht übel?“ Er hatte sie zwar eingeladen, aber man konnte ja nie wissen.
Dass Seiana ein wenig komisch reagierte, als das Gespräch auf Archias kam, bemerkte Axilla, allerdings konnte sie nicht auf den wahren Grund schließen. Sie dachte, dass die Decima vielleicht darüber nachgrübelte, wie er sie geärgert haben mochte und sie hoffte, dass ihr Freund deshalb keinen Ärger bekommen würde. “Aber du heiratest ja bald und bist schon verlobt“, gab Axilla lächelnd zu bedenken. “Und ich denke doch, dass ich bis zur Hochzeit bleibe. Habt ihr denn schon einen Termin?“ Axilla würde so oder so bis zum Frühsommer bleiben. Und da Seiana und Archias nun ja schon eine ganze Weile verlobt waren, dachte Axilla, dass die beiden wohl auch in diesem Zeitraum heiraten würden. Warum auch sollten sie noch lange warten? Irgendwie hoffte Axilla sogar, dass sie bald heiraten würden, dann wäre dieses drohende Damoklesschwert über ihrem Haupt endlich verschwunden.
“Und ja, ich war noch nie in Rom. Eigentlich war ich noch überhaupt nirgendwo. Nur auf dem Hof meiner Eltern bei Tarraco und dann eben in Alexandria. Deshalb finde ich das ganze hier ja auch so aufregend! Es ist so... so... anders als Alexandria.“ Sie würde nicht unbedingt sagen, dass es besser war. Sie liebte die Stadt am Nil und ihre klaren Formen und wundervollen Bauwerke, und die Leichtigkeit dort. Das war hier viel strenger und ruhiger, wie ihr schien. Viel weniger bunt. Eben anders. “Und ich muss noch so viel ansehen. Meine Cousine, also Iunia Serrana, plant mit mir schon jede Menge Ausflüge, damit ich alles sehen kann. Aber es gibt so verdammt viel, dass ich gar nicht weiß, wo anfangen.“ Axilla lächelte und nahm nochmal einen Schluck. Allmählich nahm die Aufregung ab, und sie redete nicht mehr ganz so hektisch und haltlos. -
“Ja, weil er ja Senator ist, nicht?“ kommentierte Axilla nur kurz den Grund, warum sie ihn in Alexandria ja nicht hätte treffen können, während sie sich setzte. Bei der Frage, ob sie ihr noch etwas anbieten konnte, schüttelte Axilla leicht den Kopf. “Nein, lieber nicht. Ich bin den ganzen Tag schon so aufgeregt, dass mir schon ganz schlecht ist. Das ist richtig furchtbar grade, erst die Überfahrt, und jetzt die ganze Aufregung. Aber der Saft ist sehr köstlich.“ Wie zum Beweis nahm Axilla einen Schluck und versuchte, ihre Aufregung wieder in den Griff zu bekommen. Sie war herausgeputzt wie für einen Triumphzug, und im Grunde war jetzt alles umsonst. Ein klein wenig fühlte sie sich da nun schon verlegen, denn wenn sie Seiana besucht hätte, hätte sie sich sicher nicht so fein gemacht, sondern wäre normaler dahergekommen.
“Und ja, er hat mich einfach so eingeladen. Also, ich muss ja eigentlich zugeben, dass in dem Brief, den ich ihm geschrieben habe... also, ich hab mich ein wenig beklagt, weil er nicht bei uns vorbeigekommen ist, obwohl Silanus ja sein Klient ist und so... also, eigentlich hätte ich das ja gar nicht tun sollen, aber... ich hab nicht drüber nachgedacht. Und da meinte er in seiner Antwort, dass man das Kennenlernen nachholen könnte, in Rom dann.“ Leicht zuckte Axilla die Schultern. Es klang alles etwas an den Haaren herbeigezogen, das wusste sie ja auch, aber so war es nunmal. Manchmal passierten einfach unglaubliche Dinge, die nicht wirklich logisch waren. Das machte das Leben ja so aufregend!
“Und Caius, also...“ Axilla merkte nichtmal, dass auch sie die vertrauliche Ansprache bei Archias gewählt hatte. Eigentlich tat sie es, weil Seiana es gemacht hatte. “... ach, er will mich nur aufziehen. Weil ich noch nicht verheiratet bin, glaube ich. Er wollte mich einfach nur ärgern.“ Sie schüttelte den Kopf und ließ so die eigentliche Beantwortung der Frage aus, obwohl sich Seiana es vielleicht denken konnte. Aber Axilla wollte weder ihren Freund verpetzen, noch wollte sie dem Senator etwas unterstellen.
“Aber es ist sehr schön in Rom. Und jetzt bin ich schon da, wenn ihr heiratet, und muss nicht erst wieder mit dem Schiff fahren“, strahlte Axilla ihre Gastgeberin an und versuchte so, das Thema vielleicht auf etwas anderes zu lenken. -
Das wiederum konnte Axilla gut verstehen. Sie wusste, wie das war, wenn man immer wieder auf die eigenen Fehler hingewiesen wurde und dann merkte, wie klein und dumm und einfältig man war. Nur, dass es bei Serrana ja gar nicht stimmte, im Gegensatz zu ihr. Serrana war doch eine nette, hübsche Dame, und kein vorlauter Trampel wie sie. Wie konnte da jemand zu ihr sagen, sie sei dumm und tollpatschig?
“Wer sagt denn sowas?“ fragte Axilla also doch sehr verwirrt. Das war sicher irgend jemand, der einfach nur neidisch war, ganz sicher.Aber es war sowieso viel interessanter, zu hören, was Serrana sonst noch gesagt hatte. Sedulus hatte ihr einen Antrag gemacht? Sie dachte, sie kannten sich erst zwei Tage? Und trotzdem, und dann auch noch aus Gefühl und nicht aus politischem Kalkül? Axilla wusste gar nicht, was sie sagen sollte. So schnell?
“Oh, nein, nein, ich verrate nichts, versprochen. Per Iovem lapidem“, meinte Axilla im ersten Moment noch etwas perplex und daher feierlicher, als vielleicht nötig, und machte sogar ein kleines x über ihrem Herz, um den Schwur zu besiegeln. Aber sie hätte auch so nichts verraten, wenn Serrana sie darum gebeten hätte.
Trotzdem musste sie da nochmal nachhaken. “Aber ihr kennt euch doch erst ein paar Tage, oder? Ähm... er hat aber nicht versucht, … also, dich zu überreden... ich meine....“ Wie sagte Axilla das nur? Sie wollte der Schwärmerei ihrer Cousine ja auch keinen Dämpfer verpassen und sie wütend machen, und sie wollte dem Senator ja nichts unterstellen. Aber der Antrag war schon ein wenig ominös nach der kurzen Zeit, und warum es für ihn schlecht sein sollte, wenn er sich mit einer unverheirateten Frau manchmal traf, eben um sie für eine eventuelle Ehe kennenzulernen, verstand Axilla auch nicht so wirklich. Allerdings hatte sie von Politik und Intrigen auch gar keine Ahnung. Und da war sie schon ein klein wenig misstrauisch.
Sie glaubte nicht, dass Serrana da so leichtfertig wie sie wäre. Und wenn ihr Herz sagte, dass der Senator es ehrlich mit ihr meinte, würde das schon richtig sein. Zumindest hoffte Axilla das aufrichtig. “Also, ich weiß ja nicht, ob du schonmal... also...“
Nein, Axilla konnte das nicht aussprechen, dafür war es ihr doch zu peinlich. Schnell wechselte sie das Thema zu Vala.
“Ich weiß aber gar nicht, was ich Valas Tante da fragen sollte. Ist das nicht etwas offensichtlich, wenn ich nach ihm frage? Ich will ja nicht, dass sie denkt... wobei es ja eigentlich stimmt, aber... sieht das nicht komisch aus?“ -
Axilla war grade ganz fasziniert von einem Fresko, als sie hinter sich Schritte hörte und sich also möglichst unneugierig schauend – was natürlich komplett daneben ging – umdrehte. Allerdings war sie dann doch etwas mehr als nur perplex, als sie Seiana erkannte, die da zu ihr gekommen war. Beinahe hatte sie vergessen, dass Archias' Verlobte ja auch eine Decima war und hier wohnte. Vermutlich deshalb, weil sie sie seit dem Ausflug in Ägypten auch nicht mehr gesehen hatte.
“Oh, Seiana. Schön dich zu sehen.“ Auch wenn es eine Floskel war, meinte Axilla es trotz Überraschung ehrlich. Archias mochte Seiana, und damit mochte Axilla sie auch, so einfach war das. Auch wenn ein kleines Gefühl irgendwo in ihrer Magengegend zwickte und zwackte.
“Ähm, ja, genau, dein Onkel“, so waren die beiden also verwandt miteinander. Vor einigen Tagen erst hatte Axilla ja mit ihrer Cousine darüber gerätselt. “Ja, also, eigentlich sind wir ja gar nicht miteinander bekannt, zumindest nicht so richtig. Deshalb hatte er mich ja eingeladen. Also, eigentlich wegen dem Brief, den ich ihm wegen seiner Befreiung geschrieben habe, weil Silanus ja sein Klient ist und der meinte, ich solle auch was opfern, was ich aber nicht so toll fand wie den Brief, und deshalb deinem Onkel geschrieben habe. Und dann hat er mich eingeladen, weil ich es so schade fand, dass ich ihn nicht kennengelernt habe, in Ägypten, als er da war. Auch wenn Archias was anderes denkt, aber das ist Blödsinn.“
Vielleicht war es dieses kleine Gefühl, das sich fast wie ein schlechtes Gewissen anfühlte, das Axilla so drauflosplappern ließ, ohne Punkt und Komma oder etwas, das als roter Faden hätte gelten können. Auf jeden Fall redete sie auf die arme Seiana ein und plapperte immer weiter, bis sie merkte, in welchem Redeschwall sie die Decima gerade erstickte. “Oh, tut mir leid. Ich bin nur ein wenig aufgeregt wegen... dem allem hier.“ Sie machte eine kleine Handbewegung, bei der der Saft aus ihrem Kelch zu schwappen drohte, die den ganzen Raum und ihre schicke Aufmachung mit einschloss.Sim-Off: Ich würd sagen, kurz davor
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Seine Hände waren wärmer als ihre, wie Axilla bemerkte, und größer. Es war ein lustiges Gefühl, ihn so bei den Händen zu halten, wenn es auch nur für ein paar Augenblicke war, in denen er einfach dastand und zu überlegen schien. Und dann hatte er schienbar eine ziemlich wilde Entscheidung getroffen.
Mit einem erstaunten, kleinen Ausruf folgte Axilla dem Flavier. Sie brauchte einen kurzen Moment, bis sie begriff, was er da mit ihr machte, und dann folgte sie ihm instinktiv in dem kleinen Hopserlauf einmal rechtsrum, einmal linksrum. Er ging dabei so zielstrebig und bewusst an die Sache, dass Axilla ihm nur die Führung überlassen musste, um ihm gut folgen zu können, und damit hatte sie kein Problem. Schließlich hielt er ihre Linke nach oben, während er die Rechte freigab, und fast wie automatisch drehte sie sich einmal auf den Zehenspitzen um die eigene Achse. Die ganze Zeit jauchzte und lachte Axilla dabei, denn es machte unheimlich viel Spaß so. Sie musste nicht nachdenken, nur folgen, sie musste nicht planen, wie es weiterging, sondern nur vertrauen. Und sie vertraute Piso, ließ sich von ihm hierhin und dorthin drehen, bis ihr schließlich schwindelig war.
Aus der Drehung kam sie mit etwas zu viel Schwung und Elan, und ganz leicht taumelte sie so gegen ihn. Nicht stark genug, um ihn damit umzureißen, aber ihre Körper stießen kurz zusammen und Axilla hielt sich kurz an seine Brust gestützt noch immer strahlend an ihm fest. “Mir ist schwindelig“ gab sie leicht kichernd zu und strahlte dann zu ihm hoch. “Du tanzt wirklich gut, vielleicht solltest du zu den Saliern.“ -
Was Archias nun so daran erstaunte, dass sie einander über den Weg gelaufen war, verstand Axilla nicht so ganz. Aber bestimmt war er einfach nur überrascht, weil Piso eben sein Freund war und sie seine Freundin, und sowas nicht alle Tage passierte. Wenn Axilla auch nur eine Sekunde daran gedacht hätte, dass Archias sie mit Piso verkuppeln wollte, wäre ihre Reaktion wohl anders gewesen, als ihren Freund einfach freudig und frech anzugrinsen.
Vera orderte genau in dem Moment einen Korbsessel, als Axilla sich auf der Kline niederließ. Ertappt schaute sie einmal hoch. Genau, da war ja etwas gewesen. Verlegen kaute sie sich auf der Unterlippe herum, aber jetzt war es ohnehin schon zu spät. Jetzt auch noch einen zu erbitten war wohl noch offensichtlicher als der Fauxpas, den sie begangen hatte, also machte sich Axilla ein klein wenig unsichtbar, indem sie sich ruhig und leise einfach auf die Kline legte. Lediglich Archias mit seiner Frage hinderte sie daran, gänzlich in der Unscheinbarkeit zu entschwinden.
“Naja, aber man sieht über Land dann viele interessante Orte. Ich könnte reisen wie Alexander der Große, über die Dardanellen und durch Asia. Nun, vielleicht nicht ganz bis nach Babylon, sondern direkt an der Küste nach Süden dann bis Alexandria...“ Es wäre schon interessant, auf den Spuren dieses großen Mannes zu wandeln. Axilla hatte so viele Geschichten von ihm und seinen Schlachten im Kopf, das wäre ein wenig so, als würde sie die Geschichte noch einmal aufleben lassen und Teil davon werden. Ja, das könnte ihr schon gefallen.
“Aber ich glaube, dann versohlt Urgulania mir den Hintern, und Leander würde mir die Ohren volljammern den ganzen Weg.“ Ersteres war vielleicht etwas unwahrscheinlicher als letzteres. Leander würde ziemlich sicher jammern, wenn sie so lange reisten, er mochte keine Pferde.
Aber den Halbsatz, den Archias noch rettete, hatte sie schon verstanden, und verspielt knuffte sie einmal den Freund für die erneute Anspielung. Er wusste ja, dass sie das nicht hören wollte von wegen und ihr Senator. Sie sah sich selbst schon in der Casa Decima stehen und lachen, wenn sie Livianus das erste Mal sah, nur weil Archias in sie das Bild von einem vor Schreck umgefallenen und wie eine Schildkröte beim aufstehen zappelnden alten Mann gepflanzt hatte. “Und er ist nicht mein Senator. Aber ich bleibe noch ein Weilchen hier in der Casa meiner gens. Zumindest, bis die Winterstürme vorbei sind, und die ersten Frühjahrsunwetter. Ich denke, Frühsommer wird es werden, bevor ich Alexandria wieder sehe.“
Eigentlich hatte Axilla es gar nicht so eilig damit, es gab ja noch so viel zu sehen und zu erleben. Immerhin war sie das erste Mal in Rom. “Ich glaube nur, dass Nikolaos bis dahin schon einen neuen Scriba hat“, meinte sie noch halblaut, wurde sie von den anderen Gesprächen doch schon übertönt.
Sie machte es sich wieder etwas bequemer und lauschte so dem Gespräch. Ein ganz klein wenig eifersüchtig war sie schon einen Moment, aber nur eine Winzigkeit, als Vera von Alexandria berichten sollte. Ich war da auch eineinhalb Jahre, meine Cousine ist Exegetes und ich kenne alle Pyrtanen, arbeite sogar für einen, fuhr es ihr kurz geknickt durch den Kopf. Aber eigentlich war sie ja ganz froh, wenn von ihr abgelenkt wurde und damit auch davon abgelenkt war, dass sie nicht in einem Korbsessel saß, wie es sich eigentlich gehört hätte, und sie auch nicht so leicht den Smalltalk vorantreiben konnte wie die anderen, weil ihr dazu schlicht die Übung fehlte. -
Axilla wusste schon, dass Serrana und Vala sich kannten. Immerhin hatte der Germane nach ihr gefragt. Ganz kurz biss sich sowas wie Eifersucht in Axillas Freude, aber es war fast sofort vorbei. Zum einen wusste sie ja, dass Serrana eher Augen für den Germanicer hatte, und zum anderen glaubte Axilla nicht, dass er sich deshalb erkundigt hatte, weil er etwas von Serrana wollte. Sie wollte das gar nicht glauben, also war es für sie auch keine Möglichkeit, die im Bereich des Wahrscheinlichen lag.
“Ich weiß, er hat es erwähnt“, sagte sie also sofort freudig, ehe Serrana mit ihrer Erzählung anfing.Axilla hing geradezu an Serranas Lippen. Sie liebte Liebesgeschichten, ob nun als Gedichte, Sagen oder Erzählungen. In dieser Beziehung war sie fast hoffnungslos, auch wenn sie es meistens doch im Griff hatte. Doch jetzt, in ihrer momentanen Stimmung, da war es wie Öl ins Feuer zu gießen.
“Wie meinst du das, 'jemanden wie dich'? Du bist doch hübsch und dumm bist du auch nicht. Und auch wenn der meiste Glanz ab ist, wir sind immernoch Iunier! Warum sollte er dich nicht wollen?“ Axilla schüttelte leicht lächelnd den Kopf. Natürlich wollte sie Serrana damit Mut machen, aber sie sagte es nicht nur aus diesem Grund. Sie fand das wirklich, ihre Cousine war schön und sanft, warum sollte ein Mann sie nicht wollen? Bisher hatte Axilla an ihr noch keinen Fehler entdecken können – wobei sie das ja an Menschen, die sie gern hatte, ohnehin sehr selten tat. Und wenn, dann zu deren Gunsten auslegte. “Was genau hat er denn gesagt?“ fragte sie neugierig weiter. 'Andeutungen' konnte ja so ziemlich alles heißen.Doch dann kam Serrana auch gleich auf Vala wieder zurück, und Axilla war wohl wieder an der Reihe, etwas mehr preiszugeben. Ihre Cousine konnte ja nicht wissen, dass Vala nicht wissen konnte, wie Axilla sich fühlte, außer er hatte es in dem letzten, kurzen Moment in ihrem Blick gesehen.
“Naja, er hat mich hergebracht, und dann war er auch schon wieder ein Liedchen pfeifend weg, bevor mir irgend etwas eingefallen war, wie ich mich mit ihm verabreden könnte. Und ich weiß ja eigentlich gar nichts von ihm! Ich weiß nur, dass er Scriba bei einem Offizier der Prätorianer ist, mehr weiß ich ja nicht. Weißt du zufällig was, wie ich ihn wiedersehen könnte?“ Sie zermarterte sich schon das Gehirn, wie sie es anstellen sollte. Sie wollte ihn doch so unbedingt wiedersehen. Ihr würde es sogar schon reichen, ihn zu sehen und anschmachten zu können, wenn sie schon nicht mit ihm reden können würde! Aber sie wollte wieder in seiner Nähe sein, unbedingt. -
Nachdem sie nun also hereingebeten worden waren, folgte Axilla dem Jungen ins Tablinum. Leander verabschiedete sich sogleich mit diesem in Richtung Küche, immerhin war er nur ein Sklave und Axilla hier Gast. Ihr würde schon nichts passieren, auch wenn sie hier allein warten würde, immerhin war das ein ehrbares Haus und die Götter bestraften Frevel gegen das Gastrecht schwer.
Und so wartete die Iunia in dem prächtigen Tablinum, einen Becher Saft in der Hand, und sah sich neugierig um. Sie hatte keine Ahnugn, wer sie begrüßen würde. Dass der Senator nicht da war hatte ihr schon einen kleinen Dämpfer verpasst, aber auf der anderen Seite war sie viel zu neugierig, wer stattdessen kommen würde. Sie kannte ja noch gar keinen Decimer, außer Seiana natürlich, und war also noch immer recht aufgeregt und aufgedreht. Neugierig betrachtete sie die Ausstattung des Raumes, der um einiges prunkvoller war als alles in der Casa Iunia.
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Wahrscheinlich überforderte Axilla Archias gerade ein wenig, aber er tat sein bestes, um sie zu trösten und ihr Halt zu geben. Auch wenn Axilla das leichte Gefühl hatte, dass er vor all dem floh, was sie ihm hatte sagen wollen.
Sie konnte und wollte Silanus nicht als Dummkopf sehen. In ihren Augen hatte sie es verdient, dass er so zu ihr war, immerhin hatte sie ihn mit ihrer Ablehnung ja irgendwo auch beleidigt. Ganz bestimmt sogar. Trotzdem war es unendlich lieb von Archias, das so zu sagen. Bei seinen Worten musste sie sogar etwas verlegen lächeln. Sie war lieb und herzlich? Das fand er wirklich? Axilla glaubte nicht, dass er das nur sagte, um sie zu trösten, auch wenn sie sich selbst nicht so sehen konnte. Sie sah viel eher ihre Fehler, ihr Talent, sich selbst ins Unglück zu stürzen und ihre Unfähigkeit, Folgen ihrer Handlungen abzuschätzen.Als er dann noch schließlich meinte, dass er für sie den Weg schon wieder finden wollte, schaute Axilla schließlich vollständig erleichtert hoch. Das wollte er wirklich machen? Er sah sogar mehrere Wege für sie? Axilla sah nämlich keinen einzigen, höchstens den, den sie sich nicht zu gehen traute. Sie war so erleichtert allein von der Hoffnung, dass ihr nicht einmal der Gedanke an Zweifel kamen. Archias würde das schon machen. Statt einer Antwort umarmte sie ihn dankbar, stürmisch und eindeutig sprachlos und hielt ihn so einige Momente, ehe sie ihm die Tunika gab und ihm so ermöglichte, sich anzuziehen.
“Nein, ich hab keinen Hunger...“ versuchte Axilla noch abzuwiegeln, aber Archias beschloss gleich schon, etwas einfach mitzubringen und bat sie noch kurz, sich anzuziehen, ehe er auch schon aus dem Zimmer verschwunden war.
Kurz zuckte etwas wie ein Lächeln in Axillas Mundwinkeln, ehe sie den Kopf hängen ließ und sich kurz erstmal umsah. Überall lagen Kisten und Säckchen mit Dingen aus Ägypten. Vorhin war Axilla das Zimmer gar nicht aufgefallen. Vorsichtig schälte sie sich aus dem Bett und suchte zwischen den Kisten nach ihrem Kleid und ihren Fibeln. Sie war etwas zittrig auf den Beinen, denn die ganze Aufregung und das Liebesspiel eben hatten sie doch sehr erschöpft. Aber sie hoffte, dass nicht sofort ein wutentbrannter Aelier durch die Tür kommen und sie so nackt überraschen würde. Langsam und sorgfältig zog Axilla sich wieder an. Ihre Frisur war ein einziges Durcheinander, und so zog Axilla die verbliebenen beiden Haarnadeln auch noch heraus und versuchte zunächst mit Händen, den Haaren sowas wie Form zu geben, bis sie sich doch nach einem Kamm umsah. Allerdings fand sie keinen und setzte sich so etwas zerzaust wieder aufs Bett. Ihr war ein wenig kalt, so dass sie die Füße anzog und den Kopf auf den Händen über ihren Knien auflegte. Zudecken wollte sie sich nicht, zumindest nicht, bis Archias wieder zurück wäre mit dem Einverständnis seines Vetters.Gedanken kamen wieder in die Stille, und es schüttelte sie ein wenig. Allerdings weinte Axilla nicht mehr. Sie dachte an ihren Vater, sah ihn vor sich, als wäre es erst gestern. Sie schloss die Erinnerung wieder tief in sich ein, so tief, dass es nicht mehr schmerzte. Archias hatte die Tür, die sie geöffnet hatte, nicht durchbrochen, und so verschloss Axilla sich wieder, und nahm die Erinnerung an die strenge und schöne Urgulania gleich mit dorthin.
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“Nein, ich komm nicht nur, wenn es mir schlecht geht, versprochen.“ Erleichtert wiegte sich Axilla in seinen Armen einmal leicht, und gab ihm dann noch einen sanften Kuss auf die Wange. Ihr fiel es einfach leichter, ihre Gefühle in Gesten auszudrücken als in Worten, und sie war Archias einfach dankbar.
Sie hörte ihm zu, als er von Quarto erzählte, dem Bruder des Kaisers. Axilla kam sich wieder einen kurzen Moment so klein und unbedeutend vor, aber nur kurz. Ihr wäre es wirklich mehr als nur recht, wenn der zumindest Bescheid wüsste und sie nicht am nächsten Morgen noch vor Schreck von den Prätorianern in Ketten schlagen ließ.
“Ja, frag ihn bitte. Ich will nicht, dass er denkt... oder dass du noch Ärger bekommst, weil er denkt, dass...“ Naja, dass sie miteinander geschlafen hatten, was sie ja auch getan hatten. Trotzdem wollte Axilla nicht, dass der Bruder des Kaisers so von ihr dachte.
Als Archias aber auf ihre Verwandten zu sprechen kam, wurde Axilla wieder etwas ruhiger und trauriger, und beinahe resignierend legte sie sich wieder auf seine Brust, kuschelte sich ganz leicht an.
“Meine Familie... Serrana würde mich vielleicht fragen, warum ich hier war, aber sie würde mir glauben, egal, was ich sage. Sie ist sehr lieb und rein... wie Schnee...“ Ja, Serrana war rein und weiß wie Schnee, das fühlte Axilla, auch wenn sie die Cousine im Grunde gar nicht kannte. Aber in Bildern und Metaphern denken konnte sie auch besser als in Worten und Zahlen.
“Aber Silanus... Ich glaube nicht, dass er es überhaupt bemerken würde... Ich hab ihn einmal sehr geliebt, Caius...“ Axilla wusste, dass sie das nie sagen durfte, aber im Moment war einfach alles so viel, und Archias war ihr Freund. Sie dachte nicht daran, dass sie ihm vielleicht den Schlüssel für ihren Untergang in die Hände legte, und sie wollte sich so unbedingt endlich jemandem anvertrauen. “... ich weiß nicht, ob er mich auch geliebt hat. Es ist so lange her, ich weiß nichtmal, ob es wirklich war. Es verschwimmt alles und entgleitet mir. Wie ein Traum.“ Axilla sah mit tränengefüllten Augen zu Archias hoch. Auch das hier schien ihr beinahe unwirklich zu sein, und sie musste ihn einfach anschauen, um sicherzugehen, dass er noch da war. “Aber das darf nicht sein, weißt du. Und weil ich es ihm gesagt habe...“ Axillas Blick driftete in weite Ferne, wurde dabei verzweifelt. “... er ist kalt zu mir, weißt du. Ganz kalt, und gleichgültig.
Urgulania war die Einzige, die... der ich nicht egal war. Sie wollte, dass... dass ich in Sicherheit bin, und hat sich darum gekümmert, dass ich erfolgreich bin, und... dass mein Stand... besser wird und...“ Axilla musste immer schwerer schlucken beim Sprechen, und die Tränen fingen an, über ihre Wangen zu kullern. Auch wenn alles über ihr einstürzte, Axilla musste jetzt einfach darüber reden. “Seit Vaters Tod war sie die einzige, die genau gewusst hat, was ich.. tun soll. Sie hat sich um mich gesorgt... und... Es war so lange her.... Vater ist schon so lange tot... und ich weiß doch nicht, was ich tun soll. Ich weiß es doch nicht...“ Und jetzt weinte Axilla doch wieder richtig und ohne Halt, klammerte sich an Archias fest und ließ einfach den ganzen Schmerz und die ganze Verzweiflung für einen Moment zu. Es war nicht nur Urgulanias Tod, es war alles. Es war der Tod ihres Vaters, die lange Krankheit der Mutter, ihre Liebe, ihre Affäre, wie sie sich mehr und mehr verlor und den Weg einfach nicht mehr fand. Und nun war der Mensch, der sie noch einigermaßen auf Kurs gehalten hatte, tot, ermordet, und sie war wieder allein. Wenn sie Archias nicht hätte, wäre sie sogar ganz allein gewesen.Es dauerte eine Weile, bis Axilla sich wieder soweit beruhigt hatte, dass sie aufhörte, zu weinen. Müde und erschöpft kuschelte sie sich noch an ihn, ihr war wieder so entsetzlich kalt.
“Ich vermisse ihn so sehr. Vater hat immer gewusst, was zu tun war. Er hat immer gewusst, wo der Weg war. Ich vermisse ihn so unendlich...“ Vielleicht würde Archias nicht einmal wissen, dass er der erste Mensch war, mit dem Axilla darüber redete, aber das war nicht wichtig. Auch, dass er den Zusammenhang nicht verstehen würde, nicht verstehen konnte, war nicht wichtig. Axilla war einfach nur froh, dass er jetzt da war und sie es ihm erzählen konnte.