“Wirklich? Hast du noch Münzen, oder hast du sie am Ende doch ausgegeben?“ Axilla war eigentlich kein Münzsammler, aber sie war prinzipiell an allem interessiert, außer, es klang zu langweilig. Und wenn sie Piso vielleicht eine Freude mit ein paar Münzen, die sie nicht vermissen würde, machen könnte, warum nicht? Selbst wenn er ein unbekannter war, er schien nett zu sein. Und er hatte schöne graue Augen.
Aber die Bierstube kannte sie nicht. Nunja, wenn man kein Bier trank, wozu sollte man dann eine Bierstube kennen, also schüttelte sie nur lächelnd den Kopf, als er ihr sagte, wo sie sei, und zuckte hilflos mit den Schultern. Seinen Akzent hörte sie zwar, aber in Alexandria herrschten so viele, dass sie nicht hätte sagen mögen, dass diese beiden Worte nun wirklich dorisch betont gewesen seien. Vielleicht, wenn sie komplett auf griechisch sich unterhalten hätten – dann nämlich hätte Axilla nur die Hälfte verstanden, da ihr Dorisch kurz gesagt ungenügend war.
“Ich bin noch nie auf einem syrischen Pferd geritten. Wie sind die denn so? In Tarraco, wo ich aufgewachsen bin, hatten wir kleine Wildpferde. Rappschimmel mit zottigem Fell und struppiger Mähne, aber wunderbar breitem Rücken und leichtem Galopp, so dass man ohne Sattel reiten konnte.“ Erst nachdem sie es gesagt hatte, merkte sie es, und setzte hastig noch ein “Also, die Jungs der Umgebung“ hinzu. Musste ja nicht jeder wissen, dass sie das gemacht hatte und damit wohl gegen so ziemlich jede gute Sitte, die von einer jungen Frau erwartet wurde, verstoßen hatte.
Doch Axilla kam gar nicht dazu, noch groß abzulenken, denn kaum hatte sie sich vorgestellt, schien es bei ihrem Gesprächspartner einmal 'klick' gemacht zu haben, und er fragte sie nach ihrem Namen, als wäre sie eine Berühmtheit. Axilla überlegte schon fieberhaft, was sie wohl angestellt haben mochte, dass er sie kannte, als er es aufklärte.
“Ja, natürlich kenn ich Archias! Er war der erste Freund, den ich in Alexandria gefunden habe. Eigentlich eine witzige Geschichte, denn eigentlich wollte ich nur vor der Sonne flüchten und bin in die Post... naja, ist ja eigentlich egal“ Sie wollte ihn nicht schon wieder zutexten und lächelte verlegen, während er sich vorstellte.
Flavius... Flavius... Es dauerte eine Sekunde, bis die Informationen in Axillas Gehirn aus dem Tumult der Gedanken in ihr Bewusstsein gedrungen waren, und sie sich erinnerte, was das hieß. Kurz schaute sie ganz verwirrt an Piso runter, ob sie irgendwo den patrizischen Halbmond an ihm ausmachen konnte, beispielsweise an seinen Schuhen. Aber bevor sie ihn entdeckt hätte, merkte sie, wie unhöflich ihm ihr Gebahren wohl vorkommen mochte, und verlegen kratzte sie sich am Arm. Sie wusste gar nicht so recht, wie sie nun mit ihm umzugehen hatte, und sagte deshalb erst einmal gar nichts.
Erst, als er sich aufplusterte und von dem Gedicht erzählte, fing sie sich wieder einigermaßen und musste schmunzeln. Er nahm sich ja reichlich wichtig, aber vielleicht spielte er sich auch nur extra auf. Und da musste sie sich ja fast geschmeichelt fühlen, wenn er über ihren Vorfahr schrieb.
“Das klingt aber nach viel Arbeit. Homer soll für die Ilias auch Jahre gebraucht haben, oder Vergil für die Aeneis.“ Nicht, dass sie davon ausging, dass die Geschichte ihres Urahns ein ebenso kolossales Meisterwerk verdiente, auch wenn es durchaus etwas war, worauf die Gens zu Recht stolz sein konnte. Aber irgendwas musste sie ja sagen. “Und kommst du gut voran damit?“ Wenn er Inspiration suchte, vermutlich nicht, aber daran dachte Axilla schon gar nicht mehr.