Beiträge von Iunia Axilla

    “Noch gar nie?“ fragte Axilla teils ungläubig, teils noch immer lachend. “Dafür bist du aber ein Naturtalent!“


    Sie setzte sich wieder auf die Stufe und lehnte sich mit noch immer schnell klopfendem Herzen zurück. Sie war nicht wirklich außer Atem, aber es war doch kurz aufregend gewesen, so dass ihr Atem schneller ging.


    “Meine letzte ist aber auch schon ewig her. Wenn Vater heimkam, als ich noch klein war, haben wir eigentlich immer eine gemacht.“ Kurz lächelte sie traurig, als sie daran zurückdachte. Wie unbeschwert diese Momente doch gewesen waren. Kurz wurde ihr Blick etwas glasig, dann lächelte Axilla wieder. “Aber ich glaube, eigentlich sind wir aus dem Alter ja raus. Auch wenn es wirklich Spaß macht. Aber ich glaube, in der Therme sollten wir das lieber lassen, wenn die uns nicht rauswerfen sollen.“

    “Ein bisschen, aber geht schon“ antwortete sie auf die Frage, ob ihr denn kalt sei. Eigentlich war ihr schon so kalt, dass sie schon gar nicht mehr fühlte, wie kalt ihr war. Aber die Peinlichkeit, von ihm auf dem Baum erwischt worden zu sein, überwog im Moment.
    Er trat noch ein bisschen vom Baum weg, als wolle er ihr Platz zum runterklettern machen. Axilla überlegte, ob sie das machen sollte. Dann konnte sie reingehen, ins Warme, und wieder ins Bett, und mit etwas Glück hatte Brutus seine schrullige, neue Verwandte morgen früh bereits wieder vergessen. Aber andererseits genoss sie die Nähe des Baumes, als wäre das wirklich jemand, der sie in seinen Ästen wie in Armen hielt und ihr so Rückhalt gab. Sie wollte jetzt nicht ins Bett, da konnte sie sowieso wieder nicht schlafen.
    Also haderte sie noch mit sich selbst, als Brutus antwortete und schließlich selbst nun auf den Baum kam. Das Holz knackte leicht, wo sein Gewicht die Äste belastete, aber der Baum war stabil. Ein wenig verwundert sah Axilla schon zu dem Germanen, der nun ein Stück unter ihr saß, auf der anderen Seite der Krone. Warum war er denn hochgeklettert? Fragend legte sie leicht den Kopf schief und stand dann auf.
    Sie musste sich nicht festhalten, während sie aufstand, und auch, als sie über den Ast um den Stamm herumbalancierte, um so näher zu ihm zu kommen, hielt sie sich nicht wirklich fest. Sie hatte keine Angst, runterzufallen, sie hatte noch nie das Gleichgewicht verloren und war gefallen. Einmal war ein Ast unter ihr abgebrochen und sie war nicht schnell genug gewesen, so dass sie mitsamt dem Ast einige passus tief gefallen war und sie sich dabei leicht am Bauch verletzt hatte. Aber das zählte ihrer Meinung nach nicht wirklich als runterfallen.
    Einen Ast von dem, auf dem Brutus nun saß, entfernt, blieb sie stehen und setzte sich dann wieder hin. Die Beine ließ sie einfach nach unten baumeln, als wolle sie jeden Moment einfach vollends zu Boden hopsen, oder als würde sie sich aus dem Ganzen hier nichts machen, und schaute zu ihm herüber.
    “Und wie fühlt es sich an, jetzt auf den Baum geklettert zu sein?“ fragte sie ernsthaft interessiert. Sie kannte ihre Gründe, ihre Gefühle, weshalb sie die Gesellschaft der Zweige gesucht hatte. Ihn hingegen kannte sie noch gar nicht, so dass sie keine Ahnung hatte, was ihn dazu getrieben haben könnte. Und vielleicht sehnte sie sich ein ganz klein wenig nach jemandem, der das verstand, was sie dabei fühlte. Nach jemandem wie ihren Vater.
    Brutus war Soldat, er war groß und kräftig. Angst hatte Axilla da keine, auch keine Ehrfurcht oder Sorge. Das war etwas Vertrautes, so dass sie einfach offen zu ihm herübersehen konnte, und ihre wilden Gedanken für den Moment einfach ruhten.

    “Whoap!“ und schon war Axilla unter Wasser. Prustend und lachend kam sie wieder hoch und schüttelte so kräftig ihr Haar, dass Tropfen wie wild in alle Richtungen flogen.
    “Na warte!“ meinte sie nur im Spaß und mit einem kleinen Satz sprang sie Serrana an und riss sie mit sich seitlich ins Becken, so dass beide in einem Meer aus Luftblasen unter Wasser gedrückt wurden. Sobald sie beide untergetaucht waren, ließ sie Serrana natürlich wieder los, sie wollte sie ja nicht ersäufen, aber anders hätte sie sie wohl nicht unter Wasser gekriegt. Axilla war zwar bestimmt kein Schwächling, aber über ihr Kampfgewicht spotteten wahrscheinlich sogar Fliegen.
    Sie zog sich nach dem auftauchend lachend etwas zurück und strich sich die strähnen, die irgendeinem Naturgesetz folgend immer über den Augen hingen nach so einer Aktion, wieder aus dem Sichtfeld und grinste die Cousine an.
    “Ich weiß gar nicht mehr, wann ich meine letzte Wasserschlacht hatte“, meinte sie noch immer glucksend und glücklich.

    Ah, wenn er wenig Kontakt mit seiner Schwester hatte, dann wusste er vielleicht gar nichts von der ganzen Sache! Das war ja fantastisch! Naja, eigentlich war es traurig, immerhin war sie ja seine Schwester. Axilla hatte ja keine Geschwister, hatte sich aber immer welche gewünscht und sich vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn sie doch einen Bruder gehabt hätte. Und dann keinen Kontakt zu haben stellte sie sich merkwürdig vor, wobei sie ja wirklich nicht mitreden konnte. Und in diesem speziellen Fall war das für sie doch sehr gut, so dass sie sich erlaubte, sich darüber zu freuen. Fast sofort lockerte sie etwas auf, stand nichtmehr so in Selbstschutzhaltung und schaute sich neugierig nach den Büchern um.
    “Was sind es denn für Rollen?“ fragte sie also neugierig und ging beschwingt an den beiden vorbei, um sich die Rollen genauer anzuschauen. “Sallust... und.... Livius. Ich wusste ja noch gar nicht, dass du dich für Kriege interessierst, Serrana“, plapperte Axilla einfach leicht dahin. Sie kannte die Bücher – was sie allerdings nicht abhalten würde, sie nochmal zu lesen. Ihr Vater hatte keine vollständige Sammlung der Schriften besessen, sondern nur einige, so dass die Chance groß war, dass sie diese hier noch gar nicht kannte.
    “Wenn ich darf, und du sie gelesen hast, würde ich sie mir gerne leihen. Die sind zwar beide etwas ernst, aber die übertreiben nicht so maßlos. Welche Werke sind es denn genau? Mein Vater hatte von Sallust ein paar Schriften über den Krieg mit Jughurtha. Die fand ich recht schwierig, aber doch sehr einleuchtend geschrieben.“


    Erst jetzt schaute Axilla wieder von den Büchern zu dem Senator und ihrer Cousine, und merkte, dass sie gerade beinahe schon gefachsimpelt hatte. Kurz staunte sie über sich selbst, war ihr doch tatsächlich ein fachlicher und inhaltlich logischer Kommentar herausgerutscht und nicht nur übliches Blabla. Und im nächsten Moment lächelte sie wieder verlegen, waren solche Bücher ja meistens doch eher etwas für Männer der Politik – zum Beispiel Senatoren, wie sie gerade wieder feststellte, dass einer vor ihr stand – und weniger für junge Mädchen aus nirgendwo, die wegen ihren nicht vorhandenen Kochkünsten Küchenverbot erhalten hatten.
    “Äh, ich meine, sofern ich das überhaupt beurteilen kann.“

    Irgendwie schien die Welt um Axilla herum plötzlich zu schrumpfen, sich zusammenzuziehen zu so einem winzigen Punkt, so dass sie nicht mehr wirklich ausweichen konnte, und die Wände dieses engen Raumes war die klitzekleine kosmisch gewaltige Tatsache, dass der Senator hier der Bruder von einer frau war, die Axilla hasste. Und alles nur, weil eine inzwischen längst verstorbene Cousine zigsten Grades mal deren Mann angebaggert hatte – oder er sie, oder beide sich gegenseitig. Sie war ja nicht dabei gewesen, um da irgendwas beschwören zu können, das war nur das, was sie rausgefunden hatte über das schwierige Verhältnis.
    “Ähm, ja, Alexandria. In Ägypten.“ Welch rhetorische Meisterleistung, Axilla, Nikolaos wäre ja sooo stolz auf dich... “Ähm, und ich hab sie nur einmal flüchtig kennengelernt. Die Frau des Eparchos... äh, ich meine, des Praefectus Aegyti, nicht?“
    Axilla versuchte ein unschuldiges Lächeln, das verbergen sollte, dass sie drohte, vor Verlegenheit rot zu werden. Wo war nur der Krater, der sich unter einem auftat, so dass man im Boden versank, wenn man ihn gerade brauchte?
    “Ist schon interessant, wie man selber die griechischen Begrifflichkeiten benutzt, wenn man viel mit ihnen zu tun hat, nicht?
    Und du... ähm, bringst meiner Cousine Bücher vorbei?“
    versuchte sie schnell abzulenken und nahm das erstbeste, was ihr in den Blick sprang, dafür zum Anlass.

    Diesmal schnappte Axilla sich den Schwamm, tauchte ihn kurz unter, damit er sich so richtig schön voll mit Wasser saugen konnte, und warf ihn lachend zurück, sich gleich in Deckung vor der sicher nicht ausbleibenden Rache bringend und schon vorsorglich dabei quietschend.


    “Mit Kohlebecken kann man nachts aber nicht so gut kuscheln wie mit Decken. Und die find ich schon, mit den Bettdecken fang ich dann an.“


    So langsam wurde es zwar wirklich eine alberne Kinderei, aber das tat Axilla gut. Da musste sie nicht so viel nachdenken – eigentlich überhaupt gar nicht – und konnte einfach nur so sein, wie sie gerne wäre, ohne sich da lang und breit Gedanken darüber zu machen. Mal wieder richtig herzhaft zu lachen tat richtig gut.

    Fast wie eine neugierige Katze legte Axilla leicht den Kopf schief, als Brutus zusammenzuckte und instinktiv an seinen Gurt wie nach einem Schwert griff. Für sie hatte das nichts bedrohliches, sondern etwas so fürchterlich vertrautes, dass sie ganz froh war, die tröstliche Nähe des Baumes um sich zu fühlen. Es dauerte eine Weile, bis er aufgestanden war und sie in den mittlerweile kahlen Ästen des Baumes ausgemacht und erkannt hatte.
    “Ähm, ja, ich glaube schon...“ antwortete sie etwas unsicher auf seine Frage, ob sie Axilla sei. Nicht, als ob sie das nicht wüsste, so dass es ein einfaches 'ja' nicht auch getan hätte, aber diese ganze Situation schien ihr ein wenig unwirklich – und obendrein peinlich. Sie zog ihre Beine an den Körper, um etwas mehr Wärme dadurch bei sich zu halten, und rieb sich mit den Händen ein wenig die Gänsehaut von den Unterarmen. Es war einfach verdammt kalt in diesem Land, noch dazu im Garten und auf einem Baum.
    “Ähm, nein, danke, mir geht es gut.“ Wie wollte er ihr denn helfen? Nunja, ihr war schon kalt, aber da ging sie besser ins Haus, um sich aufzuwärmen, er konnte ihr ja wohl kaum eine Decke hochgeben. Und runter kam sie wohl auch alleine, aber irgendwie wollte sie jetzt noch nicht. Hier oben fühlte sie sich auf seltsame Art sicher.
    “Geht es dir denn gut?“ fragte sie. Irgendwie sah er sehr nachdenklich gerade aus. Dass das daraus resultieren mochte, dass sie mitten in der Nacht auf einem Baum saß und keine Anstalten machte, herunterzuklettern, kam ihr dabei nicht in den Sinn.

    Offensichtlich war sie bemerkt worden, denn erst schaute der Fremde zu ihr herüber, und dann auch Serrana. Irgendwie fühlte sich Axilla wie ein Eindringling und kratzte sich erstmal etwas verlegen am Arm und blieb stehen. Erst, als Serrana aufstand und sie herwinkte und dabei so fröhlich und ausgelassen wirkte – ganz anders noch als bei dem gemeinschaftlichen Bad, wo sie sich gar nicht richtig getraut hatte, etwas zu erzählen – bewegte sie sich aus den Schatten und trat ins Atrium, um den Besuch zu begrüßen.
    Sie blickte ihm Lächelnd entgegen, aber viel mehr als “Salve“ fiel ihr auf die Schnelle nicht ein.
    Fragend schaute sie zu Serrana, dann wieder zu dem Besucher, dann wieder zur Cousine, und wieder zurück. War er das? War er das nicht? Serrana hatte gar nicht erzählt, dass er Senator war, wenn er es denn war. Überhaupt war das der erste Senator, den Axilla traf, durften die doch nicht nach Alexandria einreisen – und überhaupt war das für Axilla schon etwa so, als würde sie den Imperator höchstselbst treffen. Sie hatte doch keine Ahnung, wie man Senatoren so richtig begrüßte! Bestimmt hielt der hier sie jetzt für ein Landei.
    “Freut mich, dich kennen zu lernen, Senator Germanicus“, erinnerte sie sich schließlich doch noch an ein paar Umgangsformen und tauschte wieder einen neugierigen Blick mit Serrana. Ja? Nein? Vielleicht? Bitte ankreuzen. Axilla war sich unschlüssig, aber andererseits, was sonst wollte ein Senator hier?

    Serranas 'Schlachtplan' klang gar nicht so schlecht, auch wenn sich Axilla bei der Aussicht auf viele Freundinnen gleich instinktiv überfordert wurde. Insgesamt kam sie mit Männern besser zurande als mit Frauen – wohl, weil diese ihr ihre Schusseligkeit als liebenswürdig immer wieder verziehen und nicht wie Frauen es gerne taten darauf herumritten und lästerten und ihr somit das Gefühl gaben, einen Fehler begangen zu haben. Mit einem leichten Schauern erinnerte sie sich an das Gespräch, dass sie vor unendlich langer Zeit mal mit Germanica Aelia und Duccia Venusia in Alexandria gehabt hatte. Da hatte sie dauernd das Gefühl gehabt, etwas falsch zu machen, und war auch später das Gefühl nicht losgeworden, dass Aelia sie nicht leiden mochte. Da fiel ihr gerade ein, dass sie dann ja über Serranas Mutter und über zwanzig Ecken sogar mit der verwandt war. Naja, rechtlich gesehen nicht, aber... verschwippschwägert, sozusagen.


    “Ähm, ja, mal schauen. Aber du musst nicht alle diene Freundinnen da nötigen. Wir haben ja Zeit“, ruderte Axilla also ein bisschen zurück und hoffte, dass Serrana es nicht falsch verstand. Oder richtig verstand. Oder überhaupt irgendwie verstand. Sie verstand es ja selber noch nicht einmal.


    Dann landete der Schwamm vor ihr im Wasser, und mit einem Quietschen drehte Axilla sich von den Wasserspritzern weg – die sie natürlich trotzdem trafen, aber das war ja Sinn der Sache. Noch während Serrana sich entschuldigte, spritzte sie auch schon wieder zurück. “Dann kuschel ich mich eben ganz fest in alle Decken, die ich finden kann, und geb keine ab“, konterte sie frech, die Entschuldigung bewusst ignorierend. Wofür hier entschuldigen? Fing doch grade an, Spaß zu machen!

    Auch wenn das Haus jetzt nicht so riesig war, als dass man sich verlaufen könnte, schaffte Axilla es irgendwie immer wieder. Seltsam, als sie nachts hier durchgeschlichen war, hatte sie keine Probleme mit der Orientierung gehabt, und jetzt bei Tageslicht war sie irgendwie falsch abgebogen. Eigentlich wollte sie doch nur in die Küche und eine Kleinigkeit stibitzen, wo sie gerade mal Hunger hatte. Sie hatte irgendwie gerade furchtbare Lust auf etwas Süßes, nachdem sie nun eigentlich 4 Wochen so gut wie gar nichts gegessen hatte. Ungewöhnlich eigentlich, wo sich ihr Magen noch nicht ganz erholt hatte, aber naja. Was tat Frau nicht alles für ein Stück Scho... halt, nein, Honiggebäck.
    Als sie dann am Atrium vorbeiging, war ihr, als würde sie Stimmen hören. Nicht, dass das ungewöhnlich war, immerhin lebten hier ja auch einige Menschen. Aber es klang irgendwie... anders. Eine der Stimmen gehörte Serrana, und die hatte so einen zaghaften Unterton, der Axilla irgendwie aufhorchen ließ. Was es nun genau war, mochte sie selbst wohl nichtmal zu sagen. Axilla war ja noch nie gut darin gewesen, den Dingen angemessene Worte zu verleihen. Aber irgendwas daran machte sie neugierig, und so ging sie leise doch um die Ecke, um nachzuschauen. Sie sah Serrana mit einem Mann reden, den sie nicht kannte. Dass das derjenige welche war, von dem sie im Bad gesprochen hatten, konnte sie nicht wissen, und so blieb sie einfach im Eingang zum Atrium leise stehen und schaute einen Moment hinüber, ohne irgendwas zu sagen. Sie wollte schließlich nicht stören. Und sie wusste auch gar nicht, ob sie passend angezogen war. Auch wenn Serrana ihr ihre Kleidung angeboten hatte, hatte sie aus Gewohnheit doch wieder eines ihrer grünen Kleider aus Alexandria angezogen aus dem dünnen Stoff und dem etwas anderen Schnitt, der in Alexandria niemandem mehr auffiel, weil alle ihn trugen, aber hier in Rom doch anders war. Nicht, dass sie die Cousine noch irgendwie blamierte. Axilla hatte ein Talent für sowas.

    Nach der ganzen Aufregung hatte Axilla sich seltsam gefühlt. Das Bad mit Serrana hatte gut getan, hatte sie aufgewärmt und abgelenkt. Aber als sie dann so alleine in ihrem Zimmer war und die Gedanken Zeit gehabt hatten, so laut und beständig gegen die Innenseite ihrer Stirn zu hämmern, hatte sie Kopfweh bekommen. Die ganze Situation mit Silanus war etwas, auf das sie nicht vorbereitet gewesen war, und deshalb war sie vollkommen durcheinander.
    Eine ganze Weile hatte sie versucht, einzuschlafen, sich in ihrem Bett herumgewälzt, aber es wollte sich kein Schlaf einstellen. Immer wieder kamen die lauten Gedanken zurück, die vorwürfe, die Gewissensbisse, und sie hatte kein Auge zugetan. Noch dazu war ihr immernoch von der Seefahrt fürchterlich schlecht, so dass sich erst recht kein Auge zumachen ließ. Andauernd hatte sie das Gefühl, das Zimmer würde sich drehen.
    Axilla hatte am Fenster gestanden und in den Garten hinuntergeschaut. Es sah so friedlich und ruhig da unten alles aus, so um den alten, knorrigen Baum herum. Er erinnerte ein ganz klein wenig an den aus Tarraco, wenn auch nicht ganz. Der hier war kleiner und jünger, aber bestimmt konnte man auch auf ihn gut hinaufklettern. Axilla merkte, wie sehr sie solche Bäume eigentlich vermisst hatte. In Ägypten gab es fast nur Palmen, und auf die konnte man nicht klettern.


    Ein tollkühner Plan machte sich in ihr breit. Es war verrückt, und sie wusste es, und es war ganz sicher weder angemessen noch erwachsen. Aber es war richtig, es fühlte sich richtig an. Zuhause hatte sie sich immer auf ihren Baum geflüchtet, wenn ihr alles zuviel geworden war, da war sie einfach nur wie ein Eichhörnchen gewesen und hatte sich eine Weile treiben lassen. Und ihr Herz vermisste diesen Zustand.
    Kurzerhand schlich sich Axilla im Dunkeln nach unten, um niemanden zu wecken, und ging hinaus in den Garten. Das Gras unter ihren nackten Füßen war kalt, aber es störte sie nicht. Ebensowenig wie die ansonsten auch sehr frische Nacht. Sie zitterte und fror zwar, aber das war nebensächlich. Mit ein paar Schritten war der Baum auch schon erreicht. Sie streichelte über die Rinde, die sich rau und knarzig anfühlte, etwas klebrig vom Harz. Ein gutes Gefühl. Sie blickte hinauf in das Geäst, suchte kurz nach dem geeigneten Platz, und als sie ihn gefunden hatte, kletterte sie behände nach oben. Die raue Rinde rapste ein wenig ihre Handflächen auf, aber es störte sie nicht, auch nicht an ihren Füßen. Dass ihre lange Tunika – oder besser gesagt, Serranas Tunika, die sie sich geliehen hatte – dreckig werden würde, störte genausowenig. Schnell war die angestrebte Astgabel erreicht und Axilla setzte sich still hinein. Ein wenig wackelig war es schon hier oben, aber die Äste waren stabil und stark. Sie lehnte sich gegen den stamm und schuate eine Weile einfach hinauf in die Sterne. Über ihr stand Cassiopeia, und wie bereits auf der Reise hierher zeichnete sie einmal das große W nach, und fuhr dann mit ihrem Finger über den Himmel zu dem Punkt, an dem der Norden lag. Zufrieden ließ sie sich zurücksinken und schloss die Augen.
    Ja, hier war sie frei, hier musste sie nicht nachdenken. Hier war sie mit dem Geist des alten Baumes vereint, der sich nichts aus dieser kurzlebigen Menschheit machte, die um ihn herumschlich. Hier war sie nur ein Eichhörnchen unter vielen, die zu Besuch kamen.


    Bis ein Lichtschein in den Garten kam, und Schritte. Still blieb Axilla im Baum sitzen, unsichtbar für den Besucher da unten, und lauschte. Vielleicht ging er ja gleich wieder weg, und sie konnte sich wieder ins Haus schleichen, ohne dass ihr kleiner Ausflug auffiel? Aber die Schritte kamen näher, und schließlich setzte sich jemand auf die Stienbank fast direkt unter ihr. Axillas Herz schlug schneller, weil sie sich ertappt fühlte. Sie blieb still liegen und lauschte, ob der Besucher nicht doch weggehen würde.
    Nach etwa einer viertel Stunde wurde es langsam kalt, so reglos und still dazusitzen und sich nicht zu bewegen, kein Geräusch zu machen, um ja nicht aufzufallen. Sie bekam Gänsehaut am ganzen Körper. Vorsichtig riskierte sie einen Blick. Bitte lass es nicht Silanus sein... Und sie hatte Glück. Es war ihr neuer Verwandter – glaubte sie zumindest, aus diesem Winkel sah sie nicht viel außer seiner Schädeldecke mit den Haaren.
    Sie sah noch einmal hoch zu den Sternen und überlegte, was sie machen könnte. Sie konnte natürlich warten, bis er doch wegging, aber es wurde so langsam wirklich, wirklich kalt hier oben. Sie haderte mit sich selbst, sah noch einmal nach unten, und schnaufte schließlich sich ihrem Schicksal ergebend durch.
    “Salve, Brutus“, meinte sie leise nach unten und hoffte, ihr neuer Verwandter fiel vor Schreck nicht gleich von der Steinbank.

    Bei dem Angebot musste Axilla wirklich erst einmal überlegen. Sie hatte keine Ahnung, was es hier in Rom so alles gab. Alexandria hatte sie mit seinem Angebot, was Zeitvertreib anging, schon beinahe erschlagen. Aber Rom war... war... einfach Rom, da gab es noch viel mehr Dinge, die man einmal gesehen und miterlebt haben sollte.
    “Am liebsten möchte ich ja alles einmal machen. Ich muss doch schließlich was zu erzählen haben, wenn ich wieder zurückfahre und dann gefragt werde, wie das so war in Rom. Und warme Sachen brauch ich ja sowieso noch, ich kann ja nicht die ganze Zeit über deine Kleider tragen. Und die Thermen möchte ich schon gerne mal besuchen, so richtig große Thermen für Frauen gibt es in Alexandria nicht. Und natürlich Spiele! Also, da gibt e sin Alexandria auch welche, aber da schwärmen immer alle so davon, da will ich schon auch mal welche sehen.“ Axilla grinste verlegen. “Hihi, irgendwie will ich alles, und am liebsten auf einmal. Aber ich bleib ja länger, da werden wir das schon einrichten.“


    Als Serrana dann meinte, dass Axilla ja nicht die ganze Zeit bleiben musste und dann rot wurde, bekam sie wieder einen frechen Wasserspritzer begleitet von einem Lachen, gefolgt von gleich noch einem in der Hoffnung, sie vielleicht zu einer Wasserschlacht zu animieren. Axilla hatte schon seit Jahren keine mehr veranstaltet, und irgendwie hatte sie grade einen Anfall von Kindlichkeit und Lust darauf. Es war ja schrecklich, immer so erwachsen zu sein.
    “Na, ob ich euch dann allein lasse, muss ich mir dann wohl nochmal überlegen“, meinte sie frech und verschmitzt lachend.

    Als Katander ihn fragte, wieviel er wusste, rollte er einmal vielsagend mit den Augen und sah die Straße entlang. “Vermutlich viel mehr, als ich wissen wollte. Versteh das nicht falsch, aber dein dominus kann das doch für sich behalten, oder? Meine Herrin benutzt ihren Kopf leider viel zu selten, um über irgendwelche Folgen nachzudenken, und ist schrecklich vertrauensselig, was andere Leute angeht. Ich mein es wirklich nicht böse, aber ich möchte wissen, ob ich mich auf eine Katastrophe seelisch und moralisch vorbereiten muss.“
    Dass Leander bei dieser Frage nicht ganz wohl in seiner Haut war, sah man ihm durchaus an. Man fragte ja nicht alle Tage 'Du, kann dein Herr die Klappe halten, oder ruiniert er den Ruf meiner Herrin vielleicht doch, nur weil die zu schusselig ist, darüber nachzudenken'. Er hoffte, Katander nahm ihm das nicht übel, in zweierlei Hinsicht. Wäre doch zu schade, wenn er sich sämtliche Chancen bei ihm deswegen verbauen würde, aber naja, er war halt Sklave der Iunier, da ging das eben vor.
    “Naja, wenigstens da hat Axilla Glück, dass ihr nie etwas schlimmes passiert. Sie gehört zu der Sorte Mensch, der man gerne und leicht verzeiht. Egal, was sie angestellt hat.“





    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Axilla musste immer weiter grinsen. Auch wenn Serrana vorhin gemeint hatte, sie sei sich nicht sicher, ob sie verliebt sei, wenn man sie ansah, wie sie so hoffte und bangte, war es ganz offensichtlich, dass sie es war. Und als ihre Augen zu leuchten anfingen, als sie von den Büchern sprach und davon, dass er vorbeikommen wollte, sah wohl selbst ein Blinder, dass es sie ganz schön erwischt hatte.
    Allerdings konnte Axilla das mit der nicht so hohen Meinung von sich selbst sehr gut nachvollziehen. Nur leider konnte sie da keinen Rat geben. Denn Axilla war sich sehr sicher, dass ihre Einschätzung ihrer Selbst sehr realistisch war, da konnte sie ihre Cousine schlecht anlügen und sagen 'Das geht jedem so, das bildest du dir nur ein. Ich sprech da aus Erfahrung.' Irgendwie kam ihr das nicht richtig vor.


    Aber die Aussicht, Serranas Schwarm kennenzulernen und vielleicht auch ihre Freundinnen, ließ ihre Laune schlagartig wieder steigen und von den trüben Gedanken ablenken.
    “Oh, ja gerne. Also, beides. Ich kenne hier ja noch gar niemanden, und ich werd ja eine ganze Weile bleiben. Da wär es doch schön, wenn wir ein bisschen was unternehmen könnten mit dienen freundinnen.
    Und natürlich möchte ich ihn kennenlernen. Also, wenn du mich dabeihaben magst, heißt das.“

    Axilla kannte ja einige sehr gute Gründe, warum man mit seinem Schwarm allein sein wollte. Nicht, dass sie ihrer Cousine etwas unterstellen wollte, aber wachsame Augen störten eben, wenn die Gefühle einen übermannten.

    Axilla winkte leicht ab. “Kannst du ja nichts dafür, das war ja meine Schuld.“
    Und Axilla meinte das durchaus ernst. Jeder Mann, in den sie sich verliebte, ging weg oder starb. Sie hatte ihr Schicksal dahingehend schon akzeptiert und sah es daher ohne wenn und aber als ihre Verantwortlichkeit an, dass das alles so gekommen war. Hätte sie sich in Silanus nicht verliebt, wäre er vielleicht auch nicht nach Germanien versetzt worden, und nun wäre die Situation nicht so koisch.
    Aber zum Glück schien Serrana da nun zu vorhin keinen Zusammenhang zu erkennen, oder zumindest ließ sie sich nichts anmerken, so dass Axilla einfach wieder das Thema zurück auf das fröhlichere Gesprächsthema führte.


    “Aber wenn er dich in die Bibliothek und den Hortus entführt hat, um dich für sich zu haben, klingt das doch gut. Und hübsch findet er dich auch! Wieso denkst du dann, dass er dich nicht mögen könnte? Der mag dich ganz sicher. Und 30 ist jetzt auch noch nicht so alt.“
    Axilla überlegte kurz. Archias war bestimmt auch schon 30, und sie würde trotzdem nicht sagen, dass er alt sei. Überhaupt waren die meisten, sehr jungen Männer ohnehin viel zu kindisch, fand sie. Zum Beispiel Duccius Rufus, den sie als Freund ja sehr gern gehabt hatte, dessen Antrag, den er im Übereifer aber gemacht hatte, sie aber allein deshalb schon abgelehnt hatte, weil er einfach zu jung dafür war.
    “Und trefft ihr euch bald wieder?“

    Ein bisschen perplex war Leander schon, als Katander ihn so spielerisch anspritzte, doch dann gesellte sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Er lehnte sich leicht gegen die nächste Wand und beobachtete Katander nun etwas ausführlicher. Er war ja wirklich schnuckelig und wirkte sportlich. War ja nicht so, als ob Leander irgendwie gebunden wäre... oder darauf bestehen würde, sich weitergehend zu binden... wenngleich er auch nicht völlig abgeneigt wäre...


    “Hm?“ meinte er im ersten Moment, bevor er merkte, dass ihm ja eine Frage gestellt worden war. “Naja, dein Herr ist ja ohnehin verlobt, da sollte die Gefahr für das römische Leben gering sein, oder?“ Leander setzte sich ebenfalls auf den Brunnenrand, nicht direkt zu Katander, aber doch nicht ganz von ihm weg. Aber die frage interessierte ihn wirklich. Vielleicht hatte Archias ja etwas verlauten lassen? Oder gar seine Verlobung gelöst? Das wäre schon nicht unwichtig, zu erfahren. “Und ich glaube, Pechvogel trifft es nicht ganz. Kennst du zufällig ein wenig Kosmologie? Die Idee, dass alles aus dem Chaos entstanden ist, bevor es sich zum Kosmos geordnet hat? Ich glaube, Axilla hat diese universelle Veränderung nicht mitgemacht und ist einfach im Chaos geblieben.“


    Dass er über Pläne, seinen Herrn und den Imperator betreffend, nicht reden dürfte, selbst wenn er davon wüsste, verstand Leander natürlich und versuchte daher auch gar nicht, da weiter nachzubohren.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    “Ja, lach du nur. Ich sag dir, das wird noch in zweitausend Jahren hoch modern sein, dann laufen alle so rum“ spottete Leander zurück. Auch wenn Leander meistens doch eher besonnen und zurückhaltend war, auf den Mund gefallen war er nicht. Wenn seine Herrin ihn nicht mal wieder vollständig überforderte und von ihm verlangte, sie bei irgendeiner Wahnsinnsaktion zu decken.


    Bei Katanders Bemerkung allerdings zuckte es ganz kurz in dem Griechen. Gut, dann wusste sein Gegenüber also bescheid. Ein wenig komisch fühlte sich das schon an, dieses Gefühl, darüber reden zu wollen und gleichzeitig nichts falsches sagen zu wollen. Er mochte Axilla ja wirklich gern, aber... ach, verdammt, das Thema war einfach zu gut, um es unter den Tisch fallen zu lassen.
    “Ja, die beiden scheinen sich sehr ähnlich zu sein. Vielleicht verstehen sie sich deshalb so wortlos?“


    Noch einmal hielt er sein Gesicht unter das Wasser und fummelte dabei vorsichtig seine Nase zurecht. Er war sich nicht sicher, ob sie gebrochen war oder doch nur aufgeplatzt war, auf jeden Fall war sie nun wieder hoffentlich gerade und hatte mit dem Bluten aufgehört.
    “Ja, bin fertig, du kannst.“ Leander trat von dem Wasserspeier zurück und betrachtete kurz unauffällig Leander, wie er sich daran machte, sich zu versorgen. Schnuckelig war er ja schon irgendwie.
    “Zum Kaiser direkt?“ Leander pfiff einmal beeindruckt. “Nicht schlecht. Ich vergess immer, dass Archias mit ihm ja verwandt ist.“





    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    “Na, dann sagst du wenigstens schonmal nichts falsches, wenn du nichts sagst. Ich hab mir schon hundertmal auf die Zunge gebissen, weil ich etwas gesagt habe, bevor ich darüber nachdenken konnte, und es dann nichtmehr richtig zurücknehmen konnte. Und... ähm... ich glaube... also... das halten viele für... dumm...“
    Es war ja nicht so, dass Axilla wirklich dumm wäre. Sie hatte eine sehr gute Bildung und konnte auch nachdenken und taktisch vorgehen. Nur tat sie es häufig einfach nicht. Sie war nicht dumm, sie war nur vorschnell, aber es gab genug Leute, die sie deshalb nicht für voll nahmen.


    Aber egal, Serranas Traumprinz war sowieso viel interessanter. Axilla biss sich von einem Ohr zum anderen grinsend auf die Unterlippe und lauschte ganz aufmerksam den Worten ihrer Cousine. Sie war nichtmal eifersüchtig, sie fand das nur ganz vollkommen wunderbar.
    “Hast du dich denn schonmal mit ihm unterhalten? Also, allein?“ fragte sie neugierig und versuchte dann, Serrana ein wenig die Sorge zu nehmen. Sie kannte sie nicht gut genug, um ihr irgendein Kompliment zu machen, daher musste es eher allgemein bleiben.
    “Was heißt, etwas älter?“ War ja häufig so, dass die Männer schon an die 30 oder gar 40 waren, während ihre Frauen etwa 15 Jahre alt waren. Das war bei weitem nichts ungewöhnliches.
    “Also, wenn er dich mag, dann siehst du ihm das am Blick an. Entweder schaut er die ganze Zeit zu dir, oder er schaut immer weg, wenn du zu ihm schaust, als hättest du ihn bei irgendwas erwischt. Und warum sollte er dich nur nicht mögen, weil du jünger bist? Du bist doch hübsch! Und … ähm... tugendhaft...“ Musste sie ja, so als angehende Priesterin “... und...strebsam. Und fürsorglich! Sonst hätt ichs jetzt nicht so schön warm hier im Bad.“ Axilla überlegte, ob sie noch irgendwas nettes sagen konnte, als sie von Serranas Frage total überrascht wurde.
    “Ähm, ich? Also... ähm... das war... also...“
    Sie setzte sich wieder um und zog instinktiv die Knie ran. Das war für sie kein angenehmes Thema, also nahm ihr ganzer Körper eine leichte Abwehrhaltung ein. “Ähm, ja, aber... das war nicht so... glücklich. Also, ich hab ihn sehr geliebt, und ich glaube, er mich auch, aber... das ging nicht, weil... wir hätten nicht heiraten können und... das wäre ein Skandal gewesen, deshalb... ähm... hab ich ihn weggeschickt.“
    Das war jetzt sehr kurz zusammengefasst und kratzte nichtmal an der Oberfläche der ganzen Geschichte, aber viel mehr konnte Axilla da nicht darüber sagen, ohne Silanus zu verraten. Und sie war sich auch nicht sicher, wie sehr sie ihrer Cousine jetzt schon vertrauen konnte.

    Auch wenn Katander das so als Scherz gemeint hatte, schaute Leander kurz etwas prüfend. Denn der Grieche hatte unter anderem deshalb uneingeschränkten Zutritt zu Axillas Schlafgemach, weil er eben nicht auf Frauen stand und seine Herrin deshalb bei ihm um einiges lockerer reagierte als bei allen anderen. Daher überlegte er kurz, wie ernst diese Worte wohl waren, denn bislang hatte er Katander eher anders eingeschätzt. Aber sein innerer Kompass war auch schon ab und an mal kaputt und reagierte nicht richtig.
    “Na, wer weiß, vielleicht begründe ich ja eine neue Mode?“ Leander beschloss, erstmal noch ein wenig abzuwarten und zu beobachten. Katander war ein netter Kerl, der aber einen Annäherungsversuch auch falsch verstehen könnte.
    Sie taperten also zu dem Brunnen, und Katander ließ Leander den Vortritt. Dieser beugte sich vor und ließ den Wasserstrahl über das Gesicht ein paar Sekunden plätschern, um so das Blut von der Nase fortzuspülen. Besonders angenehm war es nicht gerade, aber wenigstens war es kaltes Wasser.
    “Oh, hör mir bloß auf. Uns hat es hin und her geschaukelt, da ist ja sogar mir schlecht geworden. Aber Axilla wird ja schon schlecht, wenn man Ruderboot fährt. Ich glaube, die hing mehr über der Reling als sonstwo. Der wird heut noch schlecht, wenn man nur die Worte Schiff und Meer in einem Satz sagt.“
    Kurz überlegte Leander, ob er Katander mal auf das ansprechen sollte, was bei dem Besuch seines Herren losgewesen war. So genau hatte er es auch nicht rausbekommen – wobei das, was er rausbekommen hatte, an Genauigkeit auch schon gereicht hatte für seinen Geschmack. Aber er ließ auch das erstmal bleiben. Vielleicht wusste Katander ja noch gar nichts, und er würde den Teufel tun und Axilla so bloßstellen.
    “Was macht ihr denn in Misenum? Ich dachte schon, ich kann Axilla nachher mit der Nachricht überraschen, aber wenn irh schon gleich weiter fahrt, behalt ich das lieber bis morgen für mich. Sonst kommt sie noch auf die verrückte Idee und besucht euch.“




    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA

    Es dauerte ein Weilchen, aber dann wurde die Tür einen Spalt geöffnet und der Ianitor schaute raus. Urplötzlich fühlte sich Leander an den alten Leucos erinnert, der war auch immer so brummig. Diese Eigenschaft war wohl allen älteren Ianitoren gemein, nicht nur mürrischen Griechen aus Alexanddria.
    “Salve. Ich komme im Auftrag meiner Herrin Iunia Axilla, die der ehrenwerte Senator Decimus Livianus eingeladen hat. Ich soll ihm ausrichten, dass sie nun in der Casa Iunia hier in Rom eingetroffen ist und sich darauf freut, ihn bei Gelegenheit kennenzulernen, und sie bittet daher um einen Termin.“
    Leander kannte das Spiel, er würde wohl kaum selber zum Senator vorgelassen werden. Er konnte ja shcon froh sein, wenn er ins Haus durfte. Daher richtete er hier schon alles aus in der Hoffnung, gleich einen Termin zu erfahren, wann sie denn vorbeikommen könnte.



    LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA