Er hatte sie hochgehoben und getragen. Axilla hielt sich einfach nur an ihm fest und ließ es geschehen. Sie hatte zum einen ohnehin keine Kraft, sich dagegen zu wehren, und zum anderen war es schön, wenn er sie hielt. Da fühlte sie sich nicht so allein.
Sie sah nicht, wohin er sie brachte. Irgendwann waren sie in einem Haus und dann in einem Zimmer und er legte sie auf ein Bett. Axilla hielt sich zwar noch leicht an ihm fest, aber er entglitt ihrer geschwächten Umarmung und holte sich einen Stuhl. Sie fiel zurück aufs Bett und zog in Schutzhaltung ein wenig die Beine an, während sie weiter schluchzte. Irgendwie fischte Archias ihre Hand heraus und griff sie, bat sie, nicht mehr zu weinen. Was natürlich dazu führte, dass sie sich erst einmal noch heftiger durchschüttelte und weinte, weil sie versuchte, damit aufzuhören.
Es brauchte ein wenig, bis sie sich einigermaßen gefangen hatte. Sie hatte auch mit der zweiten Hand seine Hand gesucht und hielt sie so fast wie einen Schatz, als müsse sie sich daran festhalten, um liegen zu können. “Es tut so weh...“
Axilla fühlte sich so leer im Moment. Sie hatte alles hinausgeheult, was einmal in ihr war, und sie fühlte nur noch diesen dumpfen Schmerz dort, wo eigentlich ihr Herz saß. “Und mir ist so kalt.“ Ihre Hände waren auch eiskalt, zumindest im Vergleich zu Archias'. Aber wenigstens atmete sie wieder so ruhig, dass man verstehen konnte, was sie sagte. Wenngleich auch immernoch Tränen leise flossen.
Beiträge von Iunia Axilla
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Der Prätorianer versuchte zwar, irgendwie zu trösten, aber Axilla konnte sich jetzt nicht beruhigen. Sie versuchte zwar, ruhiger zu atmen, aber wann immer sie einen Atemzug geschafft hatte, der vermuten ließ, sie würde sich wieder fangen, schüttelte der nächste sie so durch, dass es beinahe schlimmer wirkte, als zuvor.
Und dann hörte sie endlich die erlösende Stimme von Archias. Sie fühlte Hände auf ihren Schultern und wie ein Schatten auf sie fiel und sah verheult auf. Da war er! Einfach so, da war er! Ohne zu überlegen oder gar zu fragen fiel ihm Axilla schluchzend um den Hals und zog sich näher an ihn.
“Archi... schreck...lich... u...U...lan....tot... mordet...“ Der Rest des ohnehin unverständlichen Gebrabbels ging in einem neuerlichen Weinkrampf unter, bei dem Axilla ihr Gesicht einfach schützend an Archis Tunika drückte. Dass er so seitlich neben ihr wahrscheinlich kein besonders gutes Gleichgewicht mehr hatte, daran dachte sie gar nicht. Sie wollte jetzt Trost und Nähe, alles andere war zweitrangig.
In ihrer Rechten hielt sie noch immer den zerknüllten Brief, den sie jetzt gegen Archias' Brust druckte und die Faust öffnete, als wolle sie ihn ihm geben. Allerdings presste sie das Papier gleichzeitig auch wieder so gegen seine Brust, dass er wahrscheinlich etwas daran ziehen müsste, um es überhaupt zu bekommen. -
Er sagte keinen Ton. Nicht ein einziges Wort, gar nichts. Ab und zu schaute er über die Schulter, ob sie ihm noch folgte, und blickte sie etwas seltsam an. Axilla hatte noch gehofft, dass er ihr vielleicht verzeihen würde, aber je länger sie liefen, und je mehr sein Blick von zornig zu abschätzig sich wandelte, umso mehr begrub sie diese Hoffnung.
Irgendwann blieben sie bei einer Brücke stehen und endlich sagte er mal etwas. Wenngleich der Tonfall so harsch und unfreundlich war, dass Axilla sich gar nicht getraute, zu antworten. Statt dessen sah sie sich kurz in der Gegend um. Da hinten war der Circus Maximus, den kannte sie schon. Von da aus war es eigentlich gar nicht mehr weit. Sie konnte von hier aus den Weg auch alleine finden, der gefährliche Teil – sofern man irgendeinen Teil von Rom als ungefährlich einstufen konnte – lag hinter ihr.Weil sie nicht antwortete, blaffte er sie noch einmal an. Langsam blickte Axilla zu ihm. Seine grauen Augen sahen fast angewidert drein. Resignierend wandte Axilla ihren Blick dem Boden zu und fuhr sich einmal über den Arm. Ihr war kalt, das Wetter war sie einfach nicht gewohnt.
“Du verzeihst mir das nicht, stimmt's?“ fragte sie einmal leise, ehe sie wieder aufschaute und in seinen Augen kurz die Antwort suchte. Es war nur ein Augenblick, ehe sie durchatmete und ihre gewohnte Maske wieder zur Schau stellte. Sie lächelte sogar ganz leicht, als würde sie das ganze gar nicht betrüben. Sie redete sich sogar selbst ein, dass es genau das nicht täte. Manchmal glaubte sie sich sogar. Im Moment nicht.
“Ach, weißt du, von hier aus finde ich auch selber nach Hause. Es ist gar nicht weit, nur da hinten lang und dann noch ein paar Straßen... ich danke dir, dass du mich hierher gebracht hast.“
Kurz ließ sie noch die Maske soweit fallen, ihn einmal fragend anzusehen, ob da nicht vielleicht doch noch irgendwas war. Sie wollte ihn jetzt nicht gehen lassen. Nicht, wenn er wütend auf sie war und sie ihn nicht wiedersehen würde. Er war groß, hatte wundervolle Augen – auch wenn die grade ziemlich unwirsch dreinschauten – hatte wundervolle Hände. Sie wollte nicht, dass er so ging, aber sie wusste nicht, was sie machen sollte, damit er blieb. Aber es war nur ein Augenblick, dann sah sie wieder mit diesem nichtssagenden Blick in Richtung Straße. -
Uff, er fragte sie, wie er es ausführlicher machen konnte? Normalerweise hatte Axilla mit Ausschmückungen kein Problem. Sie redete und redete die meiste Zeit so viel, dass einige Gesprächspartner von der schieren Menge sich so erschlagen fühlten, dass sie gar nichts mehr darauf erwiderten. Das war sozusagen auch Teil der Verwirrungstaktik, wenn Themen in eine Richtung gingen,d ie ihr cnith gefielen. Aber bei der Sache jetzt, das war schon etwas schwieriger.
“Nun, er war ja ein König, auch wenn er ein Tyrann war. Da sollte er vielleicht nicht zetern und fluchen?“ Axilla war sich nicht sicher, ob das nicht theatralischer zwar gewesen wäre, aber ein König sollte nicht rumheulen. Das gehörte sich nicht, auch nicht für Tyrannen. Außer natürlich, er wurde davor als derartig beschrieben. “Wie ist er denn vorher im Gedicht beschrieben? Es sollte halt passen, denke ich?
Und vielleicht kannst du noch das Begräbnis etwas ausführen? Also, die Rede, die Brutus dann gehalten hat, mit der er die Herzen des Volkes erweichte und auf seine Seite brachte. Oder so...“
Axilla wollte ihm ja nicht vorschreiben, wie er sein Gedicht zu schreiben hatte, es waren ja nur Vorschläge. Denn eigentlich kannte sie sich mit sowas ja gar nicht so gut aus. Oder hätte sich wie der Flavier getraut, das ganze so laut vorzutragen. Wieder musste sie ein wenig schmunzeln.
“Wie kamst du eigentlich darauf, genau darüber dein Werk zu schreiben?“ fragte sie noch neugierig weiter. -
Der Name sagte Axilla nichts. Vielleicht hatte sie ihn ja schonmal gesehen, aber er sagte ihr jetzt so auf Anhieb nichts. Von daher konnte sie bezüglich des Fabiers nur mit den Schultern zucken. Silanus hatte ihr ja verboten, ihn im Castellum zu besuchen, und mit den Patroullien hatte sie sich weniger unterhalten. Sie überlegte kurz, ob bei den Torwachen zur Basileia ein Fabier gewesen war, erinnerte sich aber nicht.
“Nein, der Strategos befehligt die Stadtwache. Eigentlich ist es ja streng getrennt. Die Stadtwache kümmert sich um die Verbrechen in der Stadt, und die Legionäre beschützen die Stadt und die Handelswege, und natürlich die Getreideschiffe. Weißt du, in der Wüste gibt es einige Beduinen und Räuber, die gerne Angriffe durchführen. Aber in der Stadt selber haben die Legionäre eigentlich keine Amtsgewalt. Also, theoretisch. Nur... naja, Terentius Cyprianus sah das halt anders, und deshalb gab es einige Spannungen, auch in der Bevölkerung. Weißt du, die Griechen sind sehr stolz auf ihren Staat, die lassen sich da nicht gerne reinreden. Erst recht nicht von“ und bei den nächsten zwei Worten verstellte sie die Stimme, dass sie wie die eines alten Politikers klang “römischen Barbaren.“
Axilla streckte sieder ihre Nase kurz aus dem Mantel, um Brutus anzugrinsen. “Aber eigentlich ist Alexandria ja ein ganz wundervoller Ort. Ein strategisch wichtiger Ort für das Imperium, ganz sicher, aber... wenn du erstmal dort bist und dich auf die Leute dort einlässt, verstehst du, was ich meine. Du darfst nur nicht... stur sein.“ Eigentlich hatte sie römisch sagen wollen, es aber dann doch gelassen. Sie war ja auch Römerin, und soweit man das bei ihr eingrenzen konnte römisch. An sich war das kein Problem, solange man auch offen für das kulturelle Mischmasch war. -
Offenbar hatte sie ihn erreicht, aber anders, als erwartet. Er drehte sich um, bellte sie erneut an und starrte sie so an, als wolle er ihr am liebsten den Hals umdrehen. Axilla blieb regungslos stehen und schaute so lange zurück, wie sie konnte. Ihr Vater hatte immer gesagt, man dürfe nie rückwärts gehen, und nie den Blick senken, denn genau dann gab man auf. Aber sie schaffte es nicht lange, sich gegen diesen Blick zu erwehren und senkte doch schuldbewusst den Kopf.
Offensichtlich wollte er ihre Gesellschaft nicht. Axillas Gedanken fingen wieder an, wild durcheinander zu kreisen. Was sollte sie jetzt tun? Fand sie allein nach Haus von hier aus? Durfte sie allein über den Aventin gehen? Konnte sie etwas tun, damit er ihr doch verzieh? Wie gefährlich war es hier wohl, allein? Sie hatte nicht einmal ein Messer dabei. Abgesehen davon, dass sie sich damit vermutlich gegen einen ernsten Angriff auch nicht wehren könnte, sondern sich höchstens das Leben nehmen könnte, wenn etwas geschah, was die Ehre nicht mehr zuließ, danach weiterzuleben. Aber was machte sie jetzt? Was konnte sie machen?
Vala ging weiter, und Axilla blieb stehen. Sie hatte Angst – was bei ihr sehr selten vorkam und deshalb doppelt so schlimm für sie war – und sie fühlte sich elend. Ihr war kalt wie schon seit Tagen nicht mehr, und schlecht. Aber sie blieb stehen und ließ ihn gehen. Sie würde ihm nicht hinterherjammern oder ihn anflehen. Dafür war sie zum einen zu stolz, und zum anderen schämte sie sich zu sehr dafür. Sie konzentrierte sich aufs Atmen, damit man ihre Gefühlslage nicht körperlich sehen würde. Zumindest nicht noch mehr als ohnehin schon.
Da drehte sich Vala um und hieß sie, sie solle mitkommen. Es dauerte eine Sekunde, bis Axilla erleichtert aufgeblickt hatte und ihm auch glaubte, dass sie kommen durfte. Ihr war anzusehen, was für ein Brocken ihr vom Herz fiel, als sie eiligst zu ihm aufschloss und sich so in den Schutz seiner Gesellschaft begab. Es war nicht mehr so nah wie noch vor wenigen Minuten, aber deutlich näher als das, wie sie ihm gerade bis hierhin gefolgt war.
“Danke“ sagte sie noch leise, und ihre Stimme ließ durchscheinen, dass es ehrlich gemeint war.Axilla folgte Vala, der scheinbar genau zu wissen schien, wo sie entlang mussten. Sie fragte nicht nach, wieso er das wusste, sie war einfach froh, dass er scheinbar so sicher war. Vielleicht hätte sie ihm böse sein sollen, wie er sie angeblafft hatte, aber das lag nicht in Axillas Natur. Wenn er einen ihrer Freunde so angegangen wäre, das wäre etwas anderes gewesen, aber bei ihr selbst... Vielmehr fragte sich Axilla, wie sie sich vielleicht doch noch bei ihm revanchieren konnte, ohne, dass es aufdringlich war. Sie wollte nicht, dass er wütend auf sie war. Eigentlich sollte ihr das egal sein, sie kannte noch nicht einmal seinen Namen, und bei den meisten Menschen war es ihr auch egal, was die über sie dachten. Aber... sie wollte einfach nicht, dass er ihr grollte.
“Der Grieche... bringt er dir auch griechisch bei? Weil ich dachte...[size=7]also...vielleicht, wenn du magst...[/size][size=6]so als Wiedergutmachung...[/size]“ Axilla wusste nicht, ob er ihr überhaupt zuhörte, oder zuhören wollte. Sie suchte nur nach irgendwas, um sich wieder zu vertragen. Und sie hatte nunmal nicht viel anzubieten. Und sie wollte nicht wieder vorschnell sein und wurde deshalb auch immer leiser, unsicher, wie er reagieren würde. -
Jemand lief an ihr vorbei. Axilla bekam nicht wirklich mit, wer es war, sie sah vor lauter Tränen nichts. Es war ach nicht wirklich wichtig. Es war nicht Archias, zu dem sie wollte, der Rest war sowieso gerade für diesen Moment egal. Doch dann wurde sie mit Namen angesprochen uns sah einmal verwirrt auf. Sie erkannte die stimme nicht gleich, und so starrte sie einen Moment in das ihr bekannte Gesicht, ohne es wirklich zu erkennen. Als sie dann aber Imperiosus erkannt hatte, schluchzte sie dafür einmal umso lauter.
Es war schlimm für sie, dass er sie so sah. Sie wusste, wie sie gerade aussah, verheult und vor Schmerz leicht gekrümmt. Er hatte sie als hübsche, junge Dame kennengelernt – naja, außer der Passage, in der sie über der Reling hing und die Fische fütterte – und jetzt sah sie aus wie, naja, ein vor Kummer grames Etwas, das nur entfernt noch wie eine Frau wirkte. Sie holte einmal Luft, um es ihm zu erklären, aber es ging nicht.
Das alles war sehr viel für Axilla. Sehr viel. Der Tod von Urgulania, der nicht unbedingt persönliche Brief, das Rennen, die situation hier, das Brennen in Lungen und Muskeln und jetzt auch noch Imperiosus, der sie so sah. Sie schüttelte einmal den Kopf, als wäre das alles nur ein böser Traum, und dann knickten ihre Beine ein. Sie konnte einfach nicht mehr. Sie sank zusammen, dass ihre Gestalt dem Ausdruck 'ein Häuflein Elend' schon eine neue Bedeutung verlieh. -
Jedes einzelne der vier betonten Worte ließ Axilla sichtlich kurz zusammenzucken, als hätte Vala sie geschlagen. Sie hatte so schon ein unendlich schlechtes Gewissen, und weil er so wütend reagierte, fühlte sie sich richtiggehend schlecht. Sie hatte es ja nicht mit böser Absicht getan! Und wenn sie die Macht hätte, es zurückzunehmen, würde sie es ja auch tun. Sie wollte doch nur... sie wusste es ja selber nicht so genau.
“Es kommt nie mehr vor, ich verspreche...“ aber weiter kam sie mit ihrer leisen Entschuldigung gar nicht, denn Vala war schon losgestapft. Einen Moment überlegte Axilla, ob sie nicht einfach stehen bleiben sollte, damit er gehen konnte, dann folgte sie ihm aber doch mit zwei hastigen Schritten. Sie wollte hier nicht allein bleiben, und auch wenn er wütend auf sie war, er war trotzdem der einzige, bei dem sie gerade Schutz finden konnte. Zumindest ihrem Gefühl nach, was ja nicht unbedingt eine hohe Trefferquote aufweisen konnte.
Doch schon drehte er sich auf dem Absatz um und fauchte ihr noch entgegen, wie falsch ihre Einschätzung seiner Narben gewesen war. “Tut mir leid, ich wusste nicht...“ Und wieder war er schon weiter, ehe sie aussprechen konnte. Völlig geknickt schaute Axilla kurz zu Boden, holte einmal Luft und wollte wieder zu ihm aufschließen, als er sich nochmal umdrehte und ihr noch einmal wegen der Sache mit seinen Händen einige Worte entgegenschleuderte. Ihr Blick blieb nach unten gerichtet, denn sie fühlte sich so schuldig, dass sie nicht zu ihm hochschauen konnte. Erst, als sie merkte, dass er wieder weiterging, hob sie den Blick leicht und ging ihm hinterher.Immer wieder schloss sie fast zu ihm auf, zügelte dann ein wenig ihre Schritte, um mehr Abstand zwischen sich zu lassen, nur um wieder doch etwas näher zu kommen. Sie wollte die Lage nicht verschlimmern, indem sie ihm schon wieder zu nahe kam, aber sie wollte auch nicht hier ganz allein am Rand des Aventin herumlaufen. Immer wieder schaute sie zur Seite, zu den anderen Leuten auf der Straße. Sie meinte, fast anklagende Blicke überall zu sehen, und wurde noch ein Stückchen kleiner. Vorhin war ihr die Gegend noch ganz abenteuerlich vorgekommen, jetzt sah sie sie eher als feindselig an.
Und ihr war kalt. Immer wieder rieb sie sich über die Arme, um sich ein wenig aufzuwärmen. Ihr Blick ruhte immer mehr wieder auf Vala. Sie würde gerne etwas sagen oder machen, das alles wieder gut machte. Sie wollte doch nicht, dass er wütend auf sie war. Ganz bestimmt nicht. Aber sie wusste nicht, ob er nicht eigentlich genug von ihr hatte und sie vielleicht nicht am besten einfach kehrtmachen sollte, um ihn zu lassen.
Wenn ich ihn nicht bald anspreche, wird es nur noch schlimmer... Axilla holte Luft, um etwas zu sagen, traute sich dann aber doch nicht. Sie schloss wieder ein Stückweit auf, und kaute sich verlegen auf der Lippe herum. Schließlich fasste sie sich doch ein Herz und versuchte es noch einmal.
“Nemo?“ Sie wartete ganz kurz, um sicherzugehen, dass er sie hörte. “Es tut mir leid. Du bist Germane, oder? Ich weiß nicht so viel über Germania... eigentlich weiß ich fast gar nichts darüber. Ich wollte dich sicher nicht beleidigen. Wenn es etwas gibt, womit ich es wieder gutmachen kann...“
Das klang so gräßlich furchtbar dumm. Axilla sah nochmal zu Boden und versuchte, ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen, damit nicht noch mehr Chaos hervorbrach und alles verschlimmerte. “Es ist nur.. ich wollte nur... ich weiß auch nicht, ich hab nicht nachgedacht.“
Aber eigentlich wusste sie es sehr genau. Sie hatte ihn berühren wollen, hatte fühlen wollen, ob es stimmte. Sie hatte nur nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Sie fühlte sich wie ein Dieb, dem seine Tat eigentlich gar nicht leid tat, dem es nur leid tat, dass er erwischt worden war. -
Angegriffen? Medicus? Axilla schüttelte nur den Kopf und versuchte, Luft zu bekommen. Aber alles, was das zur Folge hatte, war, dass sie noch heftiger durchgeschüttelt wurde, weil sie so schluchzte. Sie versuchte, Luft zu holen, aber jedesmal, wenn sie ansetzen wollte, zu reden, kam nur ein neuerlicher Heulkrampf, und alles, was sie hätte sagen wollen, wurde gänzlich unverständlich.
“Bitte...ich... Palast... Archi...“ waren in etwa die Wortfetzen, die noch einigermaßen verständlich waren rüberkamen. Inzwischen hielt Axilla mit ihren Armen sich auch schon den Bauch, weil es einfach so sehr schmerzte. -
Nachdem Leander Axilla also einen Termin beschafft hatte, war sie auch schon in freudiger Aufregung angereist. Sie hatte sich sogar extra eine Sänfte gemietet – naja, eigentlich hatte Leander darauf bestanden, dass sie nicht durch die halbe Stadt lief und damit den Saum ihres schönen Kleides ruinierte. Wie sah denn das aus, wenn sie wie ein Landstreicher zu einem Senator in dessen Haus ging? - und hatte sich richtig fein gemacht. Inzwischen hatte sie auch einige wärmere Kleider von hier, allerdings hatte sie sich heute in ihr Lieblingskleid aus grüner Seide geworfen. Das war vielleicht etwas luftig für die Temperaturen draußen, aber zum einen war es im Haus sicher warm genug, und zum anderen wollte sie doch auch wie ägyptischer Besuch aussehen, wenn sie schon aus Ägypten hierher gekommen war. Ihr Haar war fein säuberlich hochgesteckt und mit silbernen Spangen in Form von Seepferdchen festgehalten Dazu klimperten ein paar kleinere, silberne Seepferdchen auch noch lustig, die in das Haar eingeflochten waren und die ganze Frisur zu seinem kleinen Kunstwerk an Flechtarbeit machten. Axilla kam sich zwar ein wenig albern vor, aber ihr war hundertmal versichert worden, dass es wirklich, wirklich gut aussah. Einzig in punkto schminken hatte sie sich durchsetzen können, so dass sie nur ein ganz klein wenig von einem sanften Lippenrot mit mehr Balsam als Farbe trug, aber weder Bleiweiß noch irgendwelchen farbigen Liedschatten. Obwohl sie eine Augenumrandung mit Kohlestift, wie Ägypterinnen es manchmal trugen, sogar ganz witzig gefunden hätte, aber da hatte sich dann wieder Leander durchgesetzt.
Leander lief die ganze Zeit neben der Sänfte her und versuchte, sie ein wenig zu unterhalten, aber Axilla war doch reichlich nervös. Sie hatte keine Ahnung, wie der Senator so war. Was, wenn sie ihn gar nicht mochte? Konnte ja sein. Oder was, wenn Archias recht hatte und er eigentlich nur wen zum heiraten suchte? Was war, wenn sie ihn aber wirklich nicht mochte? Durfte sie dann trotzdem nein sagen? Am liebsten hätte sie angefangen, Fingernägel zu kauen, aber sie hob grade mal die Hand zum Mund, als Leander auch schon mit einem “Herrin... in strengem Ton sie davon abhielt.
Nach einer ganzen Weile, die axilla wie eine Ewigkeit vorkam, waren sie dann schließlich angekommen und Leander half ihr dabei, aus der Sänfte auszusteigen. Sogar ihre Schuhe waren extra ausgesucht worden und mehr hübsch als wirklich für die Straßen Roms geeignet. Langsam ging sie zur Porta und wollte gerade schon selber anklopfen, als ihr griechischer Sklave das für sie übernahm und kräftig gegen das Holz pochte.
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Auch Axilla erhob sich aus dem Wasser und ließ sich erstmal noch auf der Stufe stehend etwas abtropfen. Der ganze Raum war dank der Rohre unter dem Boden gut beheizt, so dass sie nicht fror.
“Ja, das wäre sehr nett“ antwortete Axilla auf die Frage, ob sie Hilfe brauchte. Sie konnte sich zwar durchaus auch alleine abtrocknen und auch kämmen, aber warum ablehnen? Man musste sich das Leben ja nicht schwer machen, nur um zu beweisen, dass man seine Sandalen selber binden konnte, weil man ein großes Mädchen war.
Und so kam auch schon gleich eine Sklavin herbeigeeilt und rubbelte Axilla mit einem trockenen Tuch ab, ehe sie ihr ein zweites zum Einwickeln reicht und sich dann um die langen Haare kümmerte.“Oh, ja, die Pyramiden waren toll. Das war... ich weiß gar nicht, wie man das beschreiben soll. Es war so ein bisschen, als würde man in die Ewigkeit schauen, verstehst du? Die sind schon so unendlich alt, und so gewaltig und groß. Und die werden noch ewig dort so gewaltig und groß sein. Das ist eine Art von Unsterblichkeit, die sonst nur die Götter haben.“
Axilla war schwer beeindruckt von den Pyramiden gewesen, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wofür die eigentlich gebaut worden waren. Aber beeindruckend waren sie gewesen, das ganz ohne Frage.
Axilla ließ die Sklavin ihre Haare kämmen, auch wenn es ganz schön ziepte. Aber sie war nicht wehleidig, war es nie gewesen, und verzog nur dann und wann mal das Gesicht, wenn es besonders zog.
“Höchste Kreise? Achso, weil Archias Aelier ist, meinst du. Ja, kann schon sein, aber ich vergesse das eigentlich die meiste Zeit. Ich mag ihn ja nicht, weil er zur Kaiserfamilie gehört, sondern weil er wirklich sehr nett und witzig ist. Ich würd mich auch dann auf das Essen mit ihm freuen, wenn es auf dem Aventin mit 30 anderen Hausbewohnern stattfinden würde.“ Axilla musste verschmitzt grinsen. “Wobei ich das mit dem Palast schon sehr aufregend finde.“ -
Axilla fand die Idee interessant, das Ende vor dem Anfang zu schreiben. Sie wäre da stur der Reihenfolge nach gegangen, aber wenn sie so darüber nachdachte, war diese Methode eigentlich viel besser! Wenn einem etwas zu Mitte einfiel, dann schrieb man einfach die Mitte, und wenn einem etwas gutes für das Ende einfiel, dann schrieb man eben das Ende. Gut, bei ihr würden dann sämtliche Teile am Ende nicht zusammenpassen, aber so verhinderte man schon, dass es einem langweilig wurde, weil einem nichts passendes zur jetzigen Stelle einfiel.
Anerkennend schaute also Axilla zu dem Flavier hoch, als dieser dann plötzlich Luft holte und losdonnerte, als gelte es, ganz Rom an seinem Werk teilhaben zu lassen. Einige Passanten drehten sich überrascht zu ihm um, und die Pferde, die sich erschreckt hatten, versuchten erstmal möglichst viel Platz zwischen sich und den lauten Mann zu bringen, indem sie zum anderen Ende der Koppel wild wiehernd rannten.
Axilla musste kichern und nahm ganz schnell die Hand vor den Mund, um es zu verstecken. Das Gedicht war zwar nicht so lustig, aber wie Piso sich dafür ins Zeug legte, das schon. Aber sie wollte nicht so gemein sein, dass er am Ende noch dachte, sie würde ihn auslachen, denn so war es ganz sicher nicht. Sie versuchte also, möglichst so auszusehen, als würde sie überlegen und nicht grinsen, bis der Flavier scheinbar fertig war und sich ihr zuwandte.
“Hmhm“, machte sie einmal schmunzelnd und räusperte sich dann, um ihrer Stimme jegliches Amüsement zu nehmen. Sie wollte ihn ja nicht verärgern. “Es geht alles ein bisschen schnell, oder? Also, gerade ist Lucretia gestorben, und dann wird Tarquinus ja schon verbannt. Das klingt, als wäre es so einfach gewesen, oder?“
Axilla glaubte, zu verstehen, was er meinte, fasste es aber so nochmal zusammen. Nicht, dass sie von verschiedenen Sachen sprachen.
Die Menge unterdes ging kopfschüttelnd weiter, und der Lärm des Viehmarktes überdeckte wieder ihr Gespräch. Offenbar waren die weniger beeindruckt, als es vielleicht Pisos Intention gewesen wäre. -
Hm, offenbar hatte Katander nicht verstanden, was Leander gemeint hatte. Allerdings war er sich auch nicht sicher, ob er es dem anderen so direkt auf die Nase binden sollte. Der würde schon noch darauf kommen, was er meinte, wenn er ein Weilchen darüber nachdachte. Immerhin war er alt genug, um zu wissen, wie das mit den Bienchen und Blümchen funktionierte, und dass Störche dabei eine eher sehr periphere Rolle spielten. Also beließ Leander es vorerst einmal dabei.
Dann aber kam Katander auf seinen eigentlichen Auftrag zurück, und meinte, er müsse weiter. Leander vermutete so ein klein bisschen, dass er vielleicht doch etwas bemerkt hatte und deshalb jetzt so hektisch reagierte. Andererseits, Auftrag war Auftrag, und auch wenn Katander schon Prügel für die Verspätung kassiert hatte – wenngleich von anderer Stelle – sollte man die werten Herr- und Damenschaften nicht warten lassen.
“Ja, ich sollte mich auch langsam auf den Rückweg machen.“
Als Katander dann verkündete, was für ein Dokument er gerade aus erwähnt unerwähnbaren Stellen zutage gefördert hatte, musste Leander dann doch grinsen – auch wenn das ihm selber fast ein wenig weh tat. “Das passt ja, dann kannst du gleich nochmal nach deinem Auge sehen lassen“, meinte er etwas frech und stand dann auch auf.
“Chaire, Katander“ verabschiedete er sich auf griechisch.
LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA -
Er veralberte sie, wenn auch nur ein wenig. Wenn Axilla gewusst hätte, wie er über sie dachte, wäre das Gespräch jetzt wohl beendet gewesen. Sie war vielleicht ein wenig blauäugig, aber sie war auch stolz, was eine ziemlich unvorteilhafte Mischung war. Allerdings konnte sie keine Gedanken lesen und auch nicht in seinem Gesicht, das ein Politikerlächeln zeigte. Und so schaute sie nur beiseite und nahm sein etwas seltsames Lob mit gemischten Gefühlen auf.
Das Gedicht war in ihren Augen wirklich absolut nichts gewesen, worauf sie hätte stolz reagieren sollen. Es war eine kleine Gefälligkeit gewesen, etwas, das in fünf Minuten entstanden war. Nicht ein großartiges Meisterwerk, wie er es offenbar plante. Sie kam sich daneben ganz albern und kindisch vor, und war eigentlich ganz überrascht, dass er sich offenbar wirklich von ihr helfen lassen wollte.
“Dann bist du schon fertig damit?“ stellte Axilla noch eine neugierige Zwischenfrage. Wenn nur am Ende etwas fehlte, klang das ja so, als fehlte eigentlich nur noch der letzte Feinschliff. “Also, gerne, wenn du sie mir vortragen magst. Ich würde es wirklich gerne hören.“
Dass das auf dem Viehmarkt vielleicht etwas merkwürdig anmuten mochte, kam ihr wiederum nicht in den Sinn. Sie war neugierig, und wenn Piso ihr den Gefallen tun wollte, würde sie es sich auch hier und auf der Stelle anhören. -
Also war Archias' Verlobte das komplette Gegenteil von Axilla, denn 'alte Schule', 'verklemmt' oder 'frigide' waren nicht die Worte, die einem bei der Iunia einfielen. Das war eher 'neue Schule' oder noch besser 'keine Schule' und 'übermütig' und … naja, freizügig. Nach der Definition wäre Axilla Gift für Archias, aber Leander mochte dem anderen Griechen nicht solche Worte in den Mund legen.
Aber hätte ja auch sein können, dass es die Decima nicht weiter berührte, wenn ihr Mann durch fremde Betten hopste. Es gab genug arrangierte Ehen, wo beide Partner sich bei Gelegenheit auch mal nach anderen Partnern umsahen, einfach so zum Spaß. Nicht umsonst bemängelte der ein oder andere Schriftsteller die Lotterhaftigkeit der Römer und lobte dagegen die Tugendhaftigkeit der Germanen oder sonstiger barbarischen Völker.“Axilla? Da braucht dein Herr sich keine Sorgen machen. Sie mag ihn, und genau aus diesem Grund würde sie sich wohl eher foltern lassen, als irgendetwas zu sagen, was für ihn auch nur den Hauch einer negativen Konsequenz haben könnte. So tollpatschig sie auch sonst ist, da mach ich mir eher Sorgen um sie, falls etwas wäre...“
Und was das 'etwas' sein könnte, konnte sich Katander mit seinem Wissensstand wohl denken. Durch die ständige Kotzerei während der Überfahrt war das jetzt natürlich absolut nicht zu beurteilen, und für andere Anzeichen wäre es definitiv zu früh. Aber ausschließen konnte man das ja nicht.Als der Grieche dann aber seine Freundin erwähnte, änderte Leander ganz leicht seine Körperhaltung. Es war sowas wie ein unausgesprochenes 'Oh', was er damit zum Ausdruck brachte. Wäre ja auch zu schön gewesen, aber Leander war niemand, der einen anderen zu seinem Glück zwang. Viele andere Mütter da draußen hatten auch schöne Söhne, auch wenn es schon ein klein wenig schade war.
“Nun, dann sollten wir beten, dass sie es niemals herausfindet.“
LEIBSKLAVE - IUNIA AXILLA -
Axilla war gelaufen. Aus ihrem Schlafzimmer durch das Haus und weiter über die Straße. Irgendeinen Passanten hatte sie angerempelt und über den Haufen gelaufen, aber das hatte sie nicht gestoppt. Sie war gerannt, gerannt, bis ihre Lunge von der kalten Luft brannte, bis die Beine vor Anstrengung beim Rennen zitterten, bis ihr Herz so hart und schnell schlug, dass sie nichts mehr hörte als das Rauschen ihres Blutes in den Ohren. Sie sah nicht, wohin sie rannte, sie lief einfach immer dortlang, wo sie durchkam, wo sie nicht warten musste, links, rechts, es war ihr ganz gleich. Tränen verschleierten die Sicht noch zusätzlich, so dass sie vermutlich nichtmal dann etwas gesehen hätte, wenn sie kurz stehen geblieben wäre.
Irgendwann konnte sie einfach nicht mehr. Ihr ganzer Körper war nur noch ein einziger Schmerz, der nur dann und wann von ihren Schluchzern durchgeschüttelt wurde. Was die Leute um sie herum denken mochten, war ihr dabei herzlich egal. Dass eine Iunia nicht heulte, erst recht nicht in der Öffentlichkeit, war ihr noch egaler. Sie wollte am liebsten sich einfach hinlegen und selber sterben, wie ihre Cousine Urgulania, die sie so sehr geliebt hatte.
Sie sah auf und sah sich um. Sie hatte keine Ahnung, wie sie hierher gekommen war – oder wo genau dieses hier war – aber sie erkannte den Palast. Unter all den wirren Gedanken, die ihr durch den Kopf schwirrten und auf sie einhämmerten, erinnerte sie sich daran, dass Archias ja nun auch schon in Rom war. Leander hatte es ihr irgendwann in den letzten Tagen erzählt.Ohne zu überlegen ging sie also los, immer in Richtung Palast, stolpernd, torkelnd. Ihre erschöpften Beine wollten sie nicht richtig tragen, und ihre Lunge meinte zu bersten, weil sie so verzweifelt versuchte, die kalte Luft einzusaugen, was bei dem Weinen und der Anstrengung nicht einfach war. Aber Axilla wollte zu ihrem Freund. Sie brauchte nun jemanden, dem sie vertrauen konnte, der sie einfach festhielt. Sie hatte den Boden unter den Füßen verloren mit dem Brief, den sie immernoch in einer Faust zerknüllt hielt. Sie brauchte einfach irgendwen, der sie davon abhielt, zu fallen.
Sie stolperte vorwärts, einfach immer weiter, bis es plötzlich nicht mehr weiter ging. Da stand jemand im Weg, der sie nicht vorbei ließ. Axilla holte einmal zittrig Luft und versuchte was zu sagen, aber es kam nur ein hilfloses Schluchzen heraus, und die Hand, die sie in Richtung Palast erhoben hatte, half wohl auch nicht wirklich weiter. “Bitte“ war schließlich ein Wort, das sie mit fiepsig hoher Heulstimme hervorbringen konnte. Sie wollte doch nur zu ihrem Freund und hatte keine Kraft, es zu erklären. -
Am Mittag war ein Brief gekommen, der erst einmal unbeachtet mit den weiteren Briefen hereingebracht wurde. Axilla hatte ihn gesehen und weil sie gerade los wollte, die Stadt zu erkunden, erst einmal auf den kleinen Tisch gelegt worden. Dort lag er dann auch noch am Abend, und auch die ganze Nacht hindurch, direkt neben den Kämmen und Spangen für Axillas Haar. Er schien so klein und unscheinbar, nichts wichtiges. Bestimmt nur liebe Grüße, oder auch die monatliche Abrechnung für die Betriebe. Vielleicht auch, dass Nikolaos während ihrer Abwesenheit einen neuen Scriba gefunden hatte. Irgend so etwas eben. Aber nichts wichtiges. Also lag er dort, auch noch nach dem Aufstehen und während dem frisieren und herrichten, unscheinbar und unbeachtet.
Axilla rannte aus dem Zimmer, um zum Frühstück die anderen nicht warten zu lassen, und der Brief blieb immernoch ungelesen zurück. Erst, als Axilla irgendwann im Laufe des Vormittages wieder ihr Zimmer betrat, um noch eine Palla zu holen, damit sie nicht so an den Schultern fror, fiel ihr Blick auf das bisschen Papier. Sie legte den Schal beiseite und setzte sich kurz an das Tischlein. Das Siegel ihrer Familie hielt die Rolle zusammen. Axilla überlegte schon, was sie vergessen haben könnte, oder ob Urgulania sie um einen Gefallen bitten wollte, wo sie schonmal in Rom war. Lächelnd nahm sie eine Haarnadel in Ermangelung eines Messers zur Hand, um das Siegel zu lösen.Langsam rollte Axilla den Brief auf, und sie lächelte, als sie überrascht feststellte, dass es von ihrem Cousin war. Damit hatte sie ja nun nicht gerechnet, aber natürlich freute es sie.
Ihre Augen flogen über die ersten Zeilen, und noch blieb das Lächeln. Doch dann erlosch mehr und mehr das Feuer in ihren Augen, das Lächeln gefror erst zu einer Maske, dann verschwand es ganz in ungläubigem Schock. Die Hände, die den Brief hielten, zitterten, und schließlich ballten sie sich hilflos zusammen, zerknitterten dabei das Papier zwischen ihnen.Axilla starrte einen Moment in die Leere. Das war nicht wahr! Das konnte nicht wahr sein. Das war nicht wahr! Sie blickte in den Spiegel vor sich, sah ihr undeutliches Spiegelbild auf der glattgehämmerten Silberfläche. Es war, als würde Axilla auf eine vollkommen Fremde blicken, die da mit schreckgeweiteten Augen dasaß und am ganzen Körper zitterte.
Der Stuhl fiel klappern um, als Axilla aufsprang und losrannte. Sie konnte das hier jetzt nicht ertragen. Es ging nicht. Es durfte nicht wahr sein. Sie würde davor weglaufen. Es durfte nicht wahr sein. Den Brief noch in einer verzweifelten Faust haltend rannte sie einfach runter, riss die Tür auf und preschte hinaus auf die Straße und immer weiter, ohne sich umzusehen.
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Das Cubiculum von Iunia Axilla
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Axilla hatte nicht die geringste Ahnung, ob das die Könige anderer Reiche oder Sandalenverkäufer von nebenan waren, die er da aufzählte. Aber es klang so, als wäre es etwas besonderes, und so schaute Axilla verträumt zu ihrem Gegenüber und versuchte, den Blick in dessen Augen zu deuten. Allerdings konnte sie es nicht, sie kannte den Menschen dort schlichtweg zu wenig, um sagen zu können, ob das echtes Bedauern war oder nicht.
Und offenbar war er auch schon sehr viel herumgekommen. Nicht nur Alexandria, nein, von Hispania hatte er weitaus mehr gesehen als sie. Sie kannte nicht einmal Tarraco so richtig, hatte ihr Haus doch außerhalb gelegen und waren die Besuche in der Stadt selbst überschaubar wenige gewesen. Die erste, richtige Stadt, die Axilla kennengelernt hatte, war Alexandria – die dafür gleich die zweitgrößte des Reiches war, aber wenn schon, denn schon.“Nein, zumindest nicht nackt“ verneinte sie seine Frage nach dem reiten, merkte dann aber, dass man das auch anders auffassen konnte, als sie gemeint hatte. “Also, das Pferd. Nicht ich. Ich meine, ohne Decke oder Sattel, so auf dem nackten Rücken.“ Axilla unterstütze ihren Rettungsversuch mit wilder Gestik und Mimik und hoffte, dass sie sich nicht ganz blamiert hatte. Noch dazu, wo sie doch gerade erfahren hatte, dass es ein waschechter Patrizier hier vor ihr war. Nungut, ihre Gens war auch vor langer, langer Zeit mal patrizisch gewesen, aber das war wie gesagt schon eine ganze Weile her.
Allerdings hatte sie gar keine Zeit, sich in Grund und Boden zu schämen, denn kaum war das Gespräch auf Archias gekommen, schien ihr gegenüber geradezu zu explodieren vor neuen Informationen. Oh, Archi, du PETZE! dachte sie nur und merkte, dass sie drauf und dran war, rot zu werden.
“Ach, das war nichts besonderes. Das waren nur ein paar Strophen, ein bisschen was romantisches. Du hättest mal das hören sollen, was er ihr vortragen wollte! Da, da war es meine Pflicht, so als Freundin, dass ich ihm helfe, auch wenn es wirklcih ncihts besonderes war.“
Axilla sah sich nicht als Dichterin, erst recht nicht in einer Stadt wie Alexandria, wo es im Museion einige Dichter gab. Und schon zweimal nicht, wo sie das musische Agon miterlebt hatte. Wenn sie versucht hätte, ihr Gedicht auch noch zu singen, währen sämtliche Singvögel vor Schreck in den Norden geflogen, und in ganz Aegyptus wäre die Milch sauer geworden. Naja, vielleicht nicht ganz so schlimm, aber sie hatte keine Singstimme.Gebannt lauschte sie, dass er tatsächlich über ihren berühmten Vorfahr, den 'nobelsten unter den Römern', wie ihn Caesar Augustus selbst genannt hatte, ein Werk schreiben wollte. Das klang... wow, sie wusste gar nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie schaute einfach nur verzückt zu ihm hoch und lächelte ihn offen an.
“Was für Details brauchst du denn?“ fragte sie neugierig. Vielleicht konnte sie ihm ja irgendwie ein bisschen helfen? Sofern er Hilfe wollen würde, hieß das. -
Axilla lächelte zu ihrem Nemo verschmitzt auf, als er so fragend wegen dem Soldaten dreinblickte. Aber das war es eben, was ihr bei ihm einfiel, und das war für sie etwas durch und durch positives. Auch wenn es ihr Gegenüber vielleicht anders sehen mochte, Axilla gab das ein Gefühl der Sicherheit, was sie immer sehr dringend brauchte, um sich wirklich frei zu fühlen.
So schloss sie sich ihm auch gerne an und sie ließen die Hafenarbeiter hinter sich, um am ruhigeren Tiber etwas entlangzulaufen, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen zu haben. Es hätte wirklich wunderschön sein können, wäre seine Frage nicht gewesen, die es sogar schaffte, das Lächeln aus ihrem Gesicht kurz zu vertreiben und ihren Blick statt zu seinen Augen über den träge dahinziehenden Fluss schweifen zu lassen.
“Nein, meine Eltern sind beide tot. Ich bin hier auf Einladung von Senator Decimus Livianus.“ Hatte sie das eben nicht schon erzählt? Axilla war sich nicht sicher, sie hatte so viel geredet. “Er ist der Patron meines Cousins, Iunius Silanus, und nach seiner Rettung hab ich ihm einen Brief geschrieben.
… naja, eigentlich hab ich ihm vorgeworfen, dass er nicht bei uns vorbeigekommen ist, wo er doch schonmal in Ägypten war, auch wenn ich das verstehe, ist er doch Senator und hätte gar nicht in Ägypten sein dürfen. Auf jeden Fall hat er mich dann eingeladen, damit ich ihn dann eben in Rom kennenlerne, und ich hab angenommen. Klingt verrückt, nicht?“
Je mehr sie redete, umso mehr fand sie auch ihr Lächeln wieder und umso mehr sah sie auch wieder zu Vala, anstatt auf die Leute oder die Umgebung oder die Straße. Sie wusste gar nicht so recht, warum sie bei ihm so dermaßen anfing, zu plappern, aber sie wollte ihm einfach gerne so viel erzählen. Er war einer der wenigen, die ihr zuhörten, und von denen sie auch wollte, dass sie ihr zuhörten. Sie fühlte sich einfach wohl bei ihm.Sie fühlte die Blicke, die ihnen dann und wann folgten, und ganz automatisch trat sie näher an Vala heran. Sie hatte nicht wirklich Angst, dass etwas passieren könnte, aber so stellte sie sich subtil unter seinen Schutz. Noch ein wenig mehr Sicherheit, noch ein wenig mehr Ruhe für sie.
“Und wegen dem Soldat...“ griff sie das alte Thema wieder auf, auch wenn ein Teil von ihr wusste, sie sollte es einfach dabei belassen. Sie sah sich kurz um und trat dann so zu ihm, dass er stehen bleiben musste, und sie direkt vor ihm stand. “... Hier hat dich mal ein Pfeil getroffen“, deutete sie auf eine Stelle, wo sie vorhin eine rundliche Narbe entdeckt hatte. “Und dort ist irgendwas scharfes an deinem Brustpanzer abgerutscht und hat dich dann noch gestreift. Und die Rippe hier“, und dabei berührte sie ihn jetzt tatsächlich, “war mal gebrochen. Und...“
Impulsiv, wie sie gerade war, griff sie nach Valas Rechter und fuhr dann mit den Fingern einmal über seine Handfläche. Sie hatte nicht gewusst, dass es stimmte, aber in ihrem Kopf war das Bild einfach so vollkommen, dass sie es testen musste, und sie fühlte die feinen Schwielen, die entstanden, wenn man körperlich lange Zeit arbeitete. Ihr Vater hatte ähnliche Schwielen an den Händen gehabt, nicht so stark, dass sie unangenehm aufgefallen wären, aber doch so, dass man sie fühlen konnte, wenn man ganz sanft und bedacht wie sie jetzt darüberfuhr.
“... du hast kräftige Hände und... ich meine...“
Aber das hier war nicht ihr Vater und auch niemand, mit dem sie so vertraut hätte umgehen dürfen. Sie ließ etwas ertappt die Hand los und versuchte, eine Erklärung zu finden, die nicht ganz wahnsinnig klang. Sie hatte eine Grenze überschritten und sich einfach etwas herausgenommen, was die dignitas eigentlich verbot. “Tut mir leid. Das hätte ich nicht tun dürfen. Es war nur... ähm, wollen wir weitergehen?“ Sie tat sich einfach nicht leicht damit, richtige Worte zu finden, also wechselte sie schnell das Thema.